TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/25 91/16/0063

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Veröffentlicht am 25.06.1992
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;
54/04 EG;

Norm

BAO §115 Abs2;
BAO §161 Abs3;
BAO §183 Abs4;
VersandverfahrenDG 1973 §2 Abs1;
ZollG 1955 §119 Abs1;
ZollG 1955 §7 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der W-AG in Zürich, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. März 1991, GZ. GA 13-7/W-262/1/18/83, betreffend Geltendmachung einer Ersatzforderung im gemeinschaftlichen Versandverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 25. Jänner 1990, Zl. 89/16/0196, verwiesen. Dort hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin zu den Fakten "Basel 1-6" einerseits als "ursprünglicher" Abgabenschuldner bezeichnet und andererseits als Ersatzpflichtiger herangezogen worden sei. Eine Haftung setze jedoch das Bestehen einer Abgabenschuld voraus. Weil somit der Sachverhalt in entscheidungswesentlichen Punkten einer Ergänzung bedürfe und überdies Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden seien, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, habe der Gerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung die Berufung als unbegründet ab und führte dabei unter anderem aus, daß der vom Gerichtshof im ersten Rechtsgang aufgezeigte Widerspruch auf einem der Abgabenbehörde unterlaufenen Redaktionsversehen beruhe. Im übrigen habe die spruchmäßige Erwähnung der Beschwerdeführerin in den gegen PT und AM erlassenen Bescheiden dieser gegenüber keine bindende Wirkung und daher auch keinerlei normativen Charakter. Somit trete durch dieses Versehen keine Änderung in der Rechtsstellung der Beschwerdeführerin als Hauptverpflichtete im gemeinschaftlichen Versandverfahren und der daraus resultierenden Verpflichtung ein, Ersatz für die von den Versandscheinen umfaßten Waren zu leisten. Aus diesen Gründen erübrige sich auch, die an PT und AM ergangenen Bescheide der Beschwerdeführerin zur Kenntnis zu bringen. "Ursprünglicher" Abgabenschuldner hinsichtlich der in Rede stehenden Fakten "Basel 1-6" sei vielmehr JK, demgegenüber die Abgabenschuld rechtskräftig vorgeschrieben worden sei. Da eine spruchmäßige Bereinigung dieses Redaktionsversehens in den anderen Personen gegenüber erlassenen und rechtskräftig gewordenen Bescheiden mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Erwägung gezogen werden könne, müsse sich die Behörde auf die vorstehend dargelegte Klarstellung beschränken.

Mit der vorliegenden Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, nicht als Hauptverpflichtete im gemeinschaftlichen Versandverfahren gemäß § 119 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ZollG und mit § 2 Abs. 1 Versandverfahren-Durchführungsgesetz für Eingangsabgaben Ersatz leisten zu müssen, sowie in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren insbesondere auf Parteiengehör verletzt.

Im fortgesetzten Verfahren bringt die Beschwerdeführerin vor, daß die belangte Behörde sich lediglich auf ein "Redaktionsversehen" berufen habe und sie erstmals mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid in Kenntnis gesetzt worden sei, daß nicht AM und PT, sondern JK Abgabenschuldner gewesen sei. Der Bescheid an JK sei ihr nicht zur Kenntnis gebracht worden, sodaß sie nicht prüfen habe können, ob JK zu Recht in Anspruch genommen worden sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 25. Jänner 1990, Zl. 89/16/0196, ausgesprochen hat, entsteht gemäß dem im gegenständlichen Versandverfahren noch anzuwendenden § 119 Abs. 1 ZollG im Fall der Nichtstellung von Begleitscheingut kraft Gesetzes für den Begleitscheinnehmer die Verpflichtung zur Entrichtung der Ersatzforderung. Den Begleitscheinnehmer trifft dabei eine "weitgehende Erfolgshaftung". Da die in Rede stehenden ausländischen zollhängigen Waren dem Empfangszollamt nicht gestellt worden und unbestrittenermaßen ohne Verzollung in das österreichische Zollgebiet und in den inländischen Wirtschaftsverkehr eingetreten sind, ist hinsichtlich dieser Waren die Zollschuld gemäß § 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand ZollG kraft Gestzes entstanden. Die von der Beschwerdeführerin aufgestellte Behauptung, wenn JK nicht "ursprünglicher" Abgabenschuldner gewesen und zu Unrecht in Anspruch genommen worden sei, wäre die Vorschreibung der Ersatzpflicht auch ihr gegenüber nicht zu Recht erfolgt, entspricht nicht der Gesetzeslage. Es tritt nämlich die Ersatzpflicht für den Begleitscheinnehmer auch dann mit Nichtstellung der Ware ein, wenn der Abgabenschuldner im Verfahren unbekannt bleibt. Entscheidend ist nur, daß eine Abgabenschuld entstanden ist, nicht aber, wer als Abgabenschuldner heranzuziehen ist, wobei im vorliegenden Fall klargestellt ist, daß die Beschwerdeführerin nicht Abgabenschuldnerin ist.

Die in § 119 Abs. 1 ZollG normierte Haftung ist eine persönliche. Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2 und 4 sinngemäß.

Die Beschwerdeführerin hatte somit im verwaltungsbehördlichen Verfahren die Möglichkeit, Rechtsmittel sowohl gegen die Heranziehung zur Haftung (Ersatzforderung) als auch gegen den Abgabenanspruch, den das Zollamt mit (Ersatzforderungs-) Bescheid vom 29. September 1982 mitgeteilt hat, einzubringen. Eine solche Anfechtung der Abgabenschuld dem Grunde und der Höhe nach, ist jedoch im verwaltungsbehördlichen Verfahren durch die Beschwerdeführerin nicht vorgenommen worden.

Die Rüge der Beschwerdeführerin, ihr sei keine Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Ermittlungsergebnissen eingeräumt worden, wodurch das Parteiengehör gröblichst verletzt worden sei, geht ins Leere, weil die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang keine weiteren Beweise aufgenommen hat und bei der gegebenen Sachlage aufzunehmen hatte, die der Beschwerdeführerin gemäß § 183 Abs. 4 BAO zur Kenntnis und Äußerung zu bringen gewesen wären. Rechtliche Erwägungen müssen nicht vorgehalten werden (vgl. hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1964, 876/64).

Da der im ersten Rechtsgang die Aufhebung bewirkende Widerspruch aufgeklärt ist und die im zweiten Rechtsgang vorgebrachten Beschwerdegründe eine Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht erkennen lassen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist mit der Entscheidung in der Hauptsache gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991160063.X00

Im RIS seit

25.06.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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