TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/16 92/01/0113

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Veröffentlicht am 16.09.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §5 Abs1;
AsylG 1968 §5 Abs4;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des S in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Dezember 1991, Zl. 4.311.234/4-III/13/91, betreffend vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat am 30. August 1990 - zugleich mit seinem Asylantrag - den Antrag gestellt, seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 4 Asylgesetz zu bescheinigen.

Mit Bescheid des (im Devolutionsweg zuständig gewordenen) Bundesministers für Inneres vom 24. Dezember 1991 wurde - in Bestätigung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. Jänner 1991 - festgestellt, daß dem Beschwerdeführer die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz nicht zukomme und sich seine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 3 leg. cit. ausschließlich nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes richte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Es kann zunächst unerörtert bleiben, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheides über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers gegeben waren und ob der Antrag des Beschwerdeführers, seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 4 Asylgesetz zu bescheinigen, als mit dem angefochtenen Bescheid im Sinne der Abweisung dieses Antrages erledigt anzusehen ist. Der Beschwerdeführer erachtet sich nämlich - wie sich aus der Beschwerde in Verbindung mit seiner schriftlichen Äußerung vom 28. Juli 1992 ergibt - nicht durch die Erlassung eines Feststellungsbescheides an sich, sondern nur durch den Inhalt der getroffenen Feststellung (auf Grund welcher ihm auch keine Bescheinigung gemäß § 5 Abs. 4 Asylgesetz ausgestellt werden könnte) in seinen Rechten verletzt.

Die belangte Behörde hat ihre Feststellung, dem Beschwerdeführer komme die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht zu, darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer im Sinne des § 5 Abs. 3 Asylgesetz bereits in einem anderen Staat (ihrer Ansicht nach in Ungarn) anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Gegen diese Annahme wendet sich der Beschwerdeführer. Eine Auseinandersetzung, ob er damit im Recht ist, ist aber entbehrlich, weil die belangte Behörde im Ergebnis jedenfalls zu Recht davon ausgegangen ist, daß dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht zukomme. Dabei hatte sie - im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A) - auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides Bedacht zu nehmen, ging es doch nicht darum, festzustellen, was zu einem früheren Zeitpunkt rechtens war, sondern darum, ob die vom Beschwerdeführer begehrte Bescheinigung auszustellen war, worauf dann kein Rechtsanspruch bestand, wenn das zugrundeliegende Recht nicht (oder auch nicht mehr) gegeben war.

Gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz ist der Asylwerber bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (wozu auch die negativen nach Abs. 3 dieses Paragraphen zählen) jedenfalls nur bis zum rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsverfahrens (§ 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Eine solche Berechtigung hatte daher der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Hinblick darauf, daß mit dem (der Aktenlage nach an ihn gleichzeitig zugestellten) Bescheid der belangten Behörde vom 24. Dezember 1991, Zl. 4.311.234/1-III/13/91, festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei, - wenn vorher überhaupt - jedenfalls nicht mehr, vermochte doch an der Rechtskraft dieses Bescheides der Umstand, daß er auch dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (entgegen seiner Behauptung nicht an den Verfassungsgerichtshof) erhoben hat, nichts zu ändern. Die belangte Behörde war an ihre eigene Entscheidung über die mangelnde Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gebunden und hätte demnach zu diesem Zeitpunkt gar nicht (im Rahmen eines Feststellungsbescheides oder bei förmlicher Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung) feststellen dürfen, daß dem Beschwerdeführer die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommt.

Die belangte Behörde ist über Vorhalt der dargestellten Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes beigetreten. In seiner schriftlichen Äußerung vom 28. Juli 1992 geht der Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang unzutreffenderweise davon aus, daß von seiten des Verwaltungsgerichtshofes eine "Gegenstandsloserklärung mangels Rechtsschutzbedürfnisses" (welche die Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Folge hätte) in Aussicht genommen worden sei, wobei er die dazu ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bekämpft. Von einer derartigen Absicht war im Schreiben des Gerichtshofes vom 2. Juli 1992 an die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rede, und es liegt auch der genannte Einstellungsgrund schon deshalb nicht vor, weil nicht während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein Umstand eingetreten ist, der im Sinne dieser Judikatur eine (wenn auch nicht formelle, so doch eine) materielle Klaglosstellung des Beschwerdeführers bedeuten würde. Eine Zurückweisung der Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG kommt aber ebenfalls nicht in Betracht, weil an einer Rechtsverletzungsmöglichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG durch den angefochtenen Bescheid im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde kein Zweifel besteht und daher zu prüfen war, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt worden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich in Erwiderung auf die Ausführungen des Beschwerdeführers noch zu folgenden Bemerkungen veranlaßt: Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid nicht über seine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens (sondern nur über eine solche im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) abgesprochen, sodaß diese auch nicht Prüfungsgegenstand für den Verwaltungsgerichtshof sein kann. Der angefochtene Bescheid ist nicht deshalb, weil die belangte Behörde mit der (im übrigen nach Einlangen des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers vom 1. August 1991 innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 73 Abs. 2 AVG erfolgten) Erlassung des angefochtenen Bescheides bis zu ihrer Berufungsentscheidung über die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zugewartet hat, rechtswidrig. Im Falle der nachträglichen Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 24. Dezember 1991, betreffend die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers, wie sie mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/01/0119, erfolgt ist, tritt die Rechtssache (über die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft) in jene Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des Bescheides befunden hatte (§ 42 Abs. 3 VwGG), sodaß der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz (allenfalls neuerlich) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt wäre, es sei denn, daß einer der im Abs. 3 dieses Paragraphen genannten Gründe dem entgegenstünde. Daß letzteres der Fall sei, ergibt sich zwar aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, die aber der Rechtskraft nicht zugänglich ist. Der Umstand, daß der angefochtene Bescheid (zufolge Abweisung der gegenständlichen Beschwerde) dem Rechtsbestand weiterhin angehört, würde daher für den Beschwerdeführer nicht schädlich sein; es könnte vielmehr die strittige Frage, ob der Beschwerdeführer bereits in einem anderen Staat anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat, neuerlich im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010113.X00

Im RIS seit

16.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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