Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des EL in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 16. Juli 1991, Zl. 5/03-7403/8-1990, betreffend Übertretung des Preisgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 26. März 1964 geborene Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der L-Gesellschaft m.b.H., die als Pächterin das Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeehaus in S ausübt.
Laut "Anzeigebericht" vom 11. Mai 1989 sei anläßlich einer Preiskontrolle am 14. März 1989 im Betrieb des Beschwerdeführers, Kaffee "N", in Anwesenheit der Auskunftsperson M, Lehrling, die dienstliche Wahrnehmung gemacht worden, daß gemäß § 11b Abs. 1 PreisG der Vorschrift, in Gastgewerbebetrieben für die angebotenen Speisen und Getränke Preisverzeichnisse (Speise- und Getränkekarten) in ausreichender Anzahl bereitzuhalten und jedem Gast "vor Entgegennahme" vorzulegen, nicht Rechnung getragen worden sei.
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft vom 18. Mai 1989 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen einer Übertretung gemäß § 11b Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 PreisG eine Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt. Diese Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer eigenhändig zugestellt, wobei der Zustellausweis den Zusatz "geb. 1964" trug.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Einspruch und brachte darin vor, er habe Preisverzeichnisse in ausreichender Anzahl bereitgehalten. Zum Nachweis dafür beantragte der Beschwerdeführer die Vernehmung der Zeugen FL und "EL jun."
sowie "PV".
In einer Stellungnahme vom 4. Juli 1989 gab das Kontrollorgan an, die Angaben des Beschwerdeführers entsprächen nicht den Tatsachen. Anläßlich einer "Nachkontrolle" am 14. März 1989 sei festgestellt worden, daß keinerlei Getränke- bzw. Speisekarten vorhanden gewesen seien. Der damals anwesende M habe nach längerem Suchen einen Zettel vorgelegt, den er als Handzettel für seinen eigenen Gebrauch bezeichnet habe und der nicht zur Vorlage für den Gast bestimmt gewesen sei. Dem Gast sei es jedenfalls nicht möglich gewesen, in irgendeiner Form in ein Preisverzeichnis Einsicht zu nehmen.
In einer hiezu erstatteten Stellungnahme vom 4. August 1989 brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, das Kontrollorgan der Salzburger Landesregierung sei bereits vor dem 14. März 1989 an Ort und Stelle gewesen und habe die aufgelegte Getränkekarte beanstandet. Es habe verlangt, daß
10 Getränkekarten an der Bar im Freien aufzulegen seien. Am selben Tag sei die Geschäftsführung diesem Auftrag nachgekommen und habe 10 Getränkekarten erstellt, die an der Bar im Freien aufgelegt worden seien. Da jedoch die Auflage der Getränkekarte wegen den herrschenden Witterungsverhältnissen in der vorgesehenen Form nicht möglich gewesen sei, seien die Karten hinter der Theke wettergeschützt aufbewahrt worden. Als am 14. März 1989 die Überprüfung durch das Kontrollorgan stattgefunden habe, sei kurzfristig nur der Lehrling anwesend gewesen. Das Verhalten des jugendlichen Lehrlings könne dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden. Im übrigen handle es sich im gegenständlichen Fall um einen "kleineren Betrieb" im Sinn des § 11b Abs. 2 PreisG. Tatsächlich sei im Zeitpunkt der Überprüfung im Gastraum dieses Preisverzeichnis an leicht sichtbarer Stelle angebracht gewesen. Das Gesetz sehe nicht vor, daß auch im Freien - insbesondere an einer "Schneebar" - solche Preisverzeichnisse noch einmal gesondert angebracht werden müßten. Auch für dieses Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht beantragte der Beschwerdeführer die Vernehmung der FL und zweier weiterer, namentlich genannter Zeugen sowie allenfalls des Beschwerdeführers.
Hiezu erstattete das Kontrollorgan neuerlich eine Stellungnahme.
In der hiezu erstatteten weiteren Stellungnahme vom 17. Oktober 1989 beantragte der Beschwerdeführer zusätzlich die Einvernahme des Zeugen M zum gesamten Sachverhalt.
Am 27. November 1989 wurde FL zeugenschaftlich vernommen und gab an, bei der ersten Kontrolle sei verlangt worden, daß 10 Getränkekarten aufzulegen wären. Noch am selben Tag seien diese erstellt und aufgelegt worden. Witterungsbedingt hätten die Karten hinter der Bar in einer Lade aufbewahrt werden müssen. Bei der Nachkontrolle sei der Lehrling M anwesend gewesen, welcher erst am selben Tag seinen Dienst angetreten habe. Die Zeugin selbst sei normalerweise ständig anwesend, habe jedoch kurz einige Besorgungen erledigen müssen. In dieser Zeit sei der Lehrling allein gewesen. Da die Zeugin vergessen habe, ihm zu sagen, wo die Karten aufbewahrt gewesen seien, habe er diese bei der Überprüfung nicht finden können.
Nach Ergehen einer weiteren Stellungnahme des Beschwerdeführers erließ die Bezirkshauptmannschaft das Straferkenntnis vom 6. Juli 1990, worin der Beschwerdeführer abermals einer Übertretung gemäß § 11b Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 PreisG schuldig erkannt wurde, weil er gegen die Vorschrift verstoßen habe, für die angebotenen Speisen und Getränke Preisverzeichnisse (Speise- und Getränkekarten) in ausreichender Anzahl bereitzuhalten. Über ihn wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Am 6. Juni 1991 wurden die "Preisprüforgane" G und C vor der Berufungsbehörde als Zeugen vernommen. Letzterer gab unter anderem an, bei der Preiskontrolle am 24. Jänner 1989 sei EL sen. anwesend gewesen. Am 14. März 1989 sei an der genannten "Schneebar" UND im Lokal keine Preisauszeichnung vorhanden gewesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab der Landeshauptmann von Salzburg der Berufung keine Folge, änderte jedoch "gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 i.V.m. den §§ 19, 24 und 44a VStG 1950" den Spruch des angefochtenen Bescheides insofern, als er wie folgt zu lauten habe:
"Herr EL ist, wie anläßlich einer Preiskontrolle am 14.3.1989 durch ein Preisprüforgan des Amtes der Salzburger Landesregierung festgestellt wurde, als handelsrechtlich verantwortlicher Geschäftsführer der Firma
L-Gesellschaft m.b.H., der Vorschrift, im Gastgewerbebetrieb Cafe "N" in S im Gastlokal und für die an einer sogenannten "Schneebar" angebotenen Getränke und Speisen ein Preisverzeichnis sichtbar anzubringen, nicht nachgekommen.
Es fehlte für die Gäste sichtbar die Preisauszeichnung für insgesamt 53 verschiedene Bedarfsleistungen (Getränke und Speisen).
Herr EL hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 des Preisgesetzes i.d.g.F. i.V.m. § 11b Abs. 1, 2 und 4 leg. cit. begangen.
Gemäß § 16 Abs. 1 leg. cit. wird über Herrn EL eine Geldstrafe von 3.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden, verhängt. ..."
Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für den vorliegenden Rechtsstreit noch von Bedeutung - im wesentlichen aus, nach den der Berufungsinstanz vorliegenden Erhebungsunterlagen sei der Betrieb des Beschwerdeführers am 24. Jänner 1989 erstmals einer preisrechtlichen Überprüfung unterzogen worden und es sei hiebei wegen mangelhafter Preisauszeichnung eine Organstrafverfügung verhängt worden. Anläßlich der am 14. März 1989 vorgenommenen Nachüberprüfung durch die Preisprüfungsorgane habe festgestellt werden müssen, daß weder im Gastlokal noch an der unmittelbar vor dem Gastlokal vorhandenen sogenannten "Schneebar" eine Preisauszeichnung für insgesamt 53 verschiedene, vom Beschwerdeführer angebotene Bedarfsleistungen (51 verschiedene Getränke sowie zwei Speisen) vorhanden gewesen sei. Aus den vorliegenden Erhebungsunterlagen sei ferner zu entnehmen, daß am 14. März 1989 für die Aufrechterhaltung des Betriebes lediglich der Lehrling M anwesend gewesen sei, der an diesem Tag erstmals seinen Dienst angetreten habe. Zum Zeitpunkt der Überprüfung sei von M nach längerem Suchen eine für seinen Gebrauch bestimmte Preisliste (Handzettel) vorgelegt worden, aus dem die Preise für die im Betrieb des Beschuldigten angebotenen Bedarfsleistungen ersichtlich gewesen seien. Für die Gäste sei weder im Gastlokal noch an der vor dem Lokal aus Holz errichteten "Schneebar" eine Preisauszeichnung für die angebotenen Bedarfsleistungen ersichtlich gewesen. Damit sei der Tatbestand nach § 11b PreisG als erfüllt anzusehen. Für kleinere Betriebe - dazu sei der Gastgewerbebetrieb des Beschwerdeführers zweifellos zu zählen - sei der Verpflichtung zur Preisauszeichnung dann Genüge getan, wenn die Gäste die Preise aus Preisverzeichnissen ersehen könnten, die in den Gasträumen an leicht sichtbarer Stelle anzubringen seien. Wenn nun der Beschwerdeführer außerhalb des Gastlokales an einer aus Holz gefertigten "Schneebar" ebenfalls Leistungen anbiete, so gelte die Bestimmung des § 11b Abs. 2 leg. cit. zweifellos auch für diesen Bereich. Die vom Beschwerdeführer geforderte Anhörung der im Verwaltungsstrafakt genannten Zeugen könnten keine "Änderung des Tatbildes" herbeiführen, weshalb diese schon aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht zweckmäßig gewesen sei. In der Zeugenaussage der Preisprüforgane vor der Berufungsinstanz werde im wesentlichen der bereits im Verwaltungsstrafakt aufgezeigte Sachverhalt bestätigt. Da zum Zeitpunkt der Beanstandung am 14. März 1989 lediglich Herr M im Betrieb des Beschwerdeführers anwesend gewesen sei und sowohl vom Beschwerdeführer als auch von seiner Gattin im Verlaufe des erstinstanzlichen Strafverfahrens nicht bestritten worden sei, daß zum gegebenen Zeitpunkt keine Preisauszeichnung vorhanden gewesen sei, erscheine schon aus dieser Überlegung heraus die Einvernahme der vom Beschwerdeführer genannten Zeugen "wenig sinnvoll". Eine Änderung des Spruches der erstinstanzlichen Behörde sei insofern notwendig gewesen, als sowohl die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 16a PreisG als auch die in diesem Straferkenntnis "ausgewiesene Verhaltensnorm" des § 11b leg. cit. einer Präzisierung bedurft hätten.
Des weiteren begründete die belangte Behörde die Höhe der verhängten Strafe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, nicht zu Unrecht wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 in Verbindung mit § 11b Abs. 1, 2 und 4 PreisG bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg sei bemerkt, daß an der Identität des Beschwerdeführers als Beschuldigten des vorliegenden Strafverfahrens insbesondere durch die Anführung seines Geburtsjahres auf dem oben erwähnten Zustellausweis keine Zweifel bestehen.
Die im Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen des Preisgesetzes, BGBl. Nr. 260/1976, idF. BGBl. Nr. 288/1980 und Nr. 337/1988 (PreisG), lauten:
§ 11b.(1) Gastgewerbetreibende haben Preisverzeichnisse für die angebotenen Speisen und Getränke in ausreichender Anzahl bereitzuhalten und jedem Gast vor der Entgegennahme von Bestellungen und auf Verlangen bei der Abrechnung vorzulegen.
(2) Für kleinere Betriebe gilt Abs. 1 nicht, soweit die Gäste die Preise aus Preisverzeichnissen ersehen können, die in den Gasträumen an leicht sichtbarer Stelle anzubringen sind.
...
(4) Gastgewerbetreibende, die regelmäßig warme Speisen verkaufen, haben überdies von außen lesbar neben oder in der Nähe der Eingangstür ein Preisverzeichnis anzubringen, in dem die Preise der angebotenen Speisen verzeichnet sind.
..."
Wer unter anderem dem § 11b PreisG zuwiderhandelt, begeht gemäß § 16 leg. cit., sofern die Tat nicht nach § 15 Abs. 1 als Preistreiberei zu ahnden ist, eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit Geldstrafe bis zu 15 000,-- S zu bestrafen.
Wurde die Bestellung eines Geschäftsführers nach § 39 der Gewerbeordnung 1973 oder nach anderen Verwaltungsvorschriften angezeigt oder genehmigt, so trifft gemäß § 16a leg. cit. die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung unter anderem des § 11b den Geschäftsführer als verantwortlichen Beauftragten (§ 9 VStG 1950 - nunmehr VStG).
Gemäß § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52 (VStG), ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 leg. cit. ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.
Gemäß § 44a leg. cit. hat der Spruch des Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem zu enthalten:
1.
die als erwiesen angenommene Tat;
2.
die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
...
Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 66 Abs. 4 AVG, hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Der Beschwerdeführer macht unter anderem geltend, es sei ihm "bislang" (gemeint: im Strafverfahren erster Instanz) vorgeworfen worden, gegen die Vorschrift verstoßen zu haben, für die angebotenen Speisen und Getränke Preisverzeichnisse in ausreichender Zahl BEREITZUHALTEN. Nunmehr werde ihm vorgeworfen, er habe zu verantworten, daß der Vorschrift, Preisverzeichnisse SICHTBAR ANZUBRINGEN, nicht nachgekommen worden sei. Dem Beschwerdeführer werde mit dem angefochtenen Bescheid erstmals ein Verstoß gegen § 11b Abs. 2 PreisG angelastet. Ein solcher sei im Hinblick auf die Tatzeit nicht nur als verjährt anzusehen, sondern auch gar nicht möglich; eine Verpflichtung, Preislisten in den Gasträumen an leicht sichtbarer Stelle anzubringen, existiere nicht.
Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Tatsächlich ist aus der Formulierung der Abs. 1 und 2 des § 11b PreisG klar zu erkennen, daß darin grundsätzlich die Verpflichtung normiert wird, Preisverzeichnisse in ausreichender Anzahl bereitzuhalten und jedem Gast vor der Entgegennahme von Bestellungen und auf Verlangen bei der Abrechnung vorzulegen. Diese Verpflichtung entfällt für kleinere Betriebe, soweit die Gäste die Preise aus Preisverzeichnissen ersehen können, die in den Gasträumen an leicht sichtbarer Stelle anzubringen sind. Ist letztere Voraussetzung nicht erfüllt, dann gilt Abs. 1 der zitierten Gesetzesstelle uneingeschränkt auch für kleinere Betriebe; eine selbständige Verpflichtung nach Abs. 2 des § 11b leg. cit. existiert hingegen nicht und es kann daher auch nicht gegen sie verstoßen werden.
Wird ein Straferkenntnis gefällt, so ist die Behörde verpflichtet, dem Beschuldigten einerseits die als erwiesen angenommene Tat, andererseits die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, RICHTIG und vollständig vorzuhalten. Im Hinblick auf den auf solche Weise klar abgegrenzten Schuldspruch muß die Fragestellung behandelt werden können, ob die Verwirklichung der Tatbestandselemente, die der im Straferkenntnis als verletzt angeführten Verwaltungsvorschrift innewohnen, als nachgewiesen anzusehen ist und ob diese Sachverhalts- und Tatbestandselemente einander rechtlich richtig zugeordnet worden sind (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Dezember 1991, Zl. 88/17/0010, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Der auf die oben wiedergegebene Tatumschreibung gestützte Schuldspruch nach § 11b Abs. 1 und 2 PreisG widersprach daher dem Gesetz in den Bestimmungen des § 44a Z. 1 und 2 VStG.
Davon abgesehen hat die belangte Behörde damit auch gegen die Vorschrift des § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG verstoßen: Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG die Angelegenheit, die den Gegenstand des Verfahrens bzw. den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (im Falle einer eingeschränkten Berufung der vom Rechtsmittel erfaßte Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist). Die Berufungsbehörde darf demnach nicht über anderes entscheiden als Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanz war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Dezember 1991, Zl. 88/17/0010).
Nun wurde dem Beschwerdeführer im Straferkenntnis erster Instanz lediglich vorgeworfen, er habe gegen die Vorschrift verstoßen, für die angebotenen Speisen und Getränke Preisverzeichnisse (Speise- und Getränkekarten) in ausreichender Anzahl bereitzuhalten (§ 11b Abs. 1 PreisG). Nicht jedoch war Gegenstand des Vorwurfes, er habe es unterlassen, entgegen einer - vermeintlich aus § 11b Abs. 2 PreisG erfließenden - Verpflichtung Preisverzeichnisse sichtbar anzubringen.
Verfehlt war auch der Schuldspruch nach § 11b Abs. 4 PreisG. Es wurde nicht festgestellt, daß der Beschwerdeführer regelmäßig warme Speisen verkaufe. Weiters besteht zwischen der Umschreibung der Tat und dem Schuldspruch nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle insofern ein zweifacher Widerspruch, als Abs. 4 die Anbringung eines Preisverzeichnisses hinsichtlich der angebotenen SPEISEN NEBEN ODER IN DER NÄHE DER EINGANGSTÜR fordert, während es in der Tatbeschreibung heißt, der Beschwerdeführer habe es unterlassen, IM Gastlokal und für die an einer sogenannten "Schneebar" angebotenen GETRÄNKE und Speisen ein Preisverzeichnis sichtbar anzubringen.
Dazu kommt schließlich, daß - worauf der Beschwerdeführer gleichfalls mit Recht verweist - die Verfolgung des Beschwerdeführers nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle auch unzulässig gewesen wäre, weil innerhalb der Verjährungsfrist von 6 Monaten (§ 31 Abs. 2 VStG) diesbezüglich von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.
Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Rechtsrüge schlägt allerdings nicht durch. Daß es in der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses heißt, die gegenständliche Übertretung sei bereits zum Zeitpunkt der "ersten Überprüfung" (gemeint offenbar: am 24. Jänner 1989) vorgelegen, ist ohne rechtliche Bedeutung, weil beide Instanzen des Strafverfahrens im Spruch ihrer Bescheide lediglich den 14. März 1989 als Tatzeit angenommen haben.
Wenn der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Einvernahme der Zeugin FL meint, die verlangten Getränkekarten seien am 14. März 1989 wohl vorhanden gewesen und lediglich vom Lehrling M nicht gefunden worden, ist hiezu zu sagen, daß auf der Basis dieser Zeugenaussage ein Verstoß gegen § 11b Abs. 1 PreisG in der Tat anzunehmen wäre. War nämlich der zum Zeitpunkt der Kontrolle allein anwesende Lehrling nicht darüber informiert, wo sich die Preisverzeichnisse befanden, und konnte er sie deshalb nicht finden, kann nicht davon gesprochen werden, daß diese Preisverzeichnisse BEREITGEHALTEN wurden.
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides kann auch nicht darin erblickt werden, daß der Beschwerdeführer in zweiter Instanz in seiner Eigenschaft als handelsrechtlich verantwortlicher Geschäftsführer der L-Gesellschaft m.b.H. anstatt, wie in erster Instanz, als (persönlich) Gastgewerbetreibender verurteilt wurde. Denn wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 23. Dezember 1991, Zl. 88/17/0010, unter Hinweis auf Vorjudikatur weiters dargetan hat, ist die Berufungsbehörde berechtigt, die Bestrafung eines Beschuldigten mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, daß ihm die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei. Daß im Sinne des § 16a PreisG die Bestellung eines Geschäftsführers nach § 39 der Gewerbeordnung 1973 oder nach anderen Verwaltungsvorschriften angezeigt oder genehmigt worden wäre, hat der Beschwerdeführer niemals behauptet. Es hatte daher bei der Vorschrift des § 9 Abs. 1 VStG zu verbleiben.
Aus den oben dargelegten Gründen war jedoch der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Vollständigkeit halber sei noch darauf verwiesen, daß die belangte Behörde auch (vom Beschwerdeführer nur zum Teil geltend gemachte) Verfahrensmängel zu vertreten hat. So hat die belangte Behörde im Spruch des Berufungsbescheides dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe weder im Gastlokal noch an der "Schneebar" ein Preisverzeichnis sichtbar angebracht. Sie hat hiebei das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 4. August 1989 mit Stillschweigen übergangen, wonach im Zeitpunkt der Überprüfung im GASTRAUM ein solches Preisverzeichnis an leicht sichtbarer Stelle angebracht gewesen sei, und sie hat es auch unterlassen, die hiefür angebotenen Beweise aufzunehmen. Sie ist weiters den in den Stellungnahmen vom 13. Juni und vom 17. Oktober 1989 gestellten Beweisanträgen zum Nachweis dafür, daß Preisverzeichnisse in ausreichender Anzahl bereitgehalten wurden, nur hinsichtlich der Zeugin FL, nicht jedoch hinsichtlich der weiteren dort genannten Personen nachgekommen.
Auch die hiefür gegebene Begründung entsprach nicht dem Gesetz: Nach neuerer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt es NICHT im Wesen der freien Beweiswürdigung, daß weitere Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt werden müßten, wenn sich die Behörde auf Grund der bisher vorliegenden Beweise bereits ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente habe machen können; die freie Beweiswürdigung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung ja nur auf die bereits vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und läßt es keineswegs zu, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1992, Zl. 91/16/0057, 0058).
Da sohin der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, wäre der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen. Da jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit prävaliert, hatte es hiebei zu verbleiben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Beweiswürdigung antizipative vorweggenommene Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte ParteistellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991170138.X00Im RIS seit
11.09.2001