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L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des Dr. J in W, gegen den Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 25. Februar 1992, Zlen. Ma 1-733/91 und Pr.Z. 518/92, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 11. Juli 1989 abgeschlossenen Ruhestandsversetzungsverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Magistratsrat im Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Penisonsverhältnis zur Stadt Wien und ist rechtskundig im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juli 1989 wurde der 1941 geborene Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 lit. a der Dienstordnung 1966 (DO) wegen Dienstunfähigkeit auf Grund psychischer und habitueller Ursachen (insbesondere wegen Mangel der Einordnungs- und Einsichtsfähigkeit in rechtliche Zusammenhänge, die zu einer Störung des Dienstbetriebes führten) in den Ruhestand versetzt.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Dezember 1990, Zl. 89/12/0143, als unbegründet abgewiesen. Zur Vermeidung weiterer Wiederholungen wird im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGG auf die umfangreiche Begründung dieses Erkenntnisses und auf die Vielzahl weiterer Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang (vgl. beispielsweise Erkenntnisse vom 19. Februar 1992, Zl. 91/12/0296, und vom 16. Dezember 1992, Zlen. 92/12/0098, 0134, uva.) verwiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde einen Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers vom 14. Oktober 1991 hinsichtlich seines Ruhestandsversetzungsverfahrens gemäß § 69 Abs. 2 AVG zurück.
Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 12. April 1991 bei der gemeinderätlichen Personalkommission einen Antrag gemäß § 47 des Wiener Personalvertretungsgesetzes eingebracht. Gegenstand dieses durch Schriftsätze vom 19. April, 19. Juli und 4. September 1991 ergänzten Antrages sei ein vom Beschwerdeführer behauptetes "Organ-Organhandeln" des Dr. L als Mitglied von drei Personalvertretungsorganen, als Gewerkschaftsfunktionär, als Mitglied der gemeinderätlichen Personalkommission und als Mitglied eines Gremiums, das nach den Behauptungen des Beschwerdeführers dem zuständigen Kollegialorgan bzw. dem Magistratsdirektor die zu befördernden Bediensteten vorschlage, gewesen. Die gemeinderätliche Personalkommission habe diesen Antrag mit Bescheid vom 26. September 1991 wegen Unzuständigkeit bzw. wegen fehlender Antragslegitimation und Parteistellung zurückgewiesen.
In seinem Antrag vom 14. Oktober 1991 auf Wiederaufnahme des Pensionierungsverfahrens habe der Beschwerdeführer vorerst mitgeteilt, daß ihm der erwähnte Bescheid der gemeinderätlichen Personalkommission infolge seiner urlaubsbedingten Abwesenheit erst am 7. Oktober ausgehändigt worden sei. Er habe erklärt, daß der von ihm im Verfahren vor der gemeinderätlichen Personalkommission behauptete Sachverhalt durch den Bescheid vom 26. September 1991 behördlich festgestellt worden sei und habe dann folgendes ausgeführt:
"Es steht nunmehr auch durch diese Behördenentscheidung fest, daß Dr. L meine Pensionierung gewollt hatte, weil ich mich gegen ein von eindeutig unzuständigen Beamten des Magistrats erstelltes negetives Dienstgutachten vom 24.2.1987 in Form von einer Reihe berechtigter wahrer Disziplinaranzeigen zur Wehr gesetzt hatte und daß Dr. L von dieser rechtswidrigen Vorgangsweise dieser Beamten gewußt hatte, mir nichts zur rechtzeitigen Abwehr gesagt hatte und es ferner hingenommen hatte, daß der gegen mich als rechtswidrig aufgetretene Beamte der MA 2 (Dr. G) später auch als Konzeptsbeamter in der Pensionierungssache aufgetreten war, um sein rechtswidriges Verhalten bei der unzuständigen Dienstbeurteilung in einer rechtlichen Form noch im Bescheid zu verteidigen. Es steht ferner fest, daß er als Personalvertreter sogar für die Bestellung Dr. G zum Abteilungsleiter eingetreten war, womit er quasi für dessen rechtswidrige Vorgangsweise (unzuständige Dienstbeurteilung) auch noch nachträglich eingetreten war, als der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 17.12.1990 zum Ausdruck brachte, daß außer dem Abteilungsleiter niemand sonst eine Dienstbeurteilung rechtens abzugeben vermag.
Es steht somit fest, daß Herr Dr. L als Mitglied der vorberatenden gemeinderätlichen Personalkommission aus unsachlichen Gründen für meine Pensionierung sowohl im Unterausschuß wie auch im Plenum der gem.r. PK eingetreten war und damit die übrigen Mitglieder beeinflußte, ebenfalls für die Pensionierung meinerseits zu stimmen, obwohl Dr. L wußte, daß ich dienstfähig bin. Es steht somit fest, daß Dr. L dies in der Absicht tat, um die von mir gelegten Disziplinaranzeigen hinsichtlich des von mir geschilderten wahren Sachverhaltes nicht prüfen lassen, um die Angezeigten damit zu "schützen".
Es steht somit fest, daß er dieses von mir im Feststellungsverfahren nach dem Personalvertretungsverfahren behauptete Verhalten vor meiner Pensionierung (11.7.89) als Mitglied einer Behörde gemeinderätlichen PK getan hatte und durch sein Verhalten an der Täuschung des Wr. Stadtsenates (der den von ihm mitvorberatenen Bescheidentwurf endgültig beschlossen hatte) mitzuwirken."
Nach Wiedergabe der Rechtslage führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, der Beschwerdeführer habe als Wiederaufnahmsgrund einen Sachverhalt geltend gemacht, den er bereits in dem mit Bescheid der gemeinderätlichen Personalkommission vom 26. September 1991 abgeschlossenen Verfahren behauptet habe. Als Nachweis für die zeitgerechte Einbringung des Wiederaufnahmeantrages berufe er sich auf den Bescheid vom 26. September 1991, weil mit diesem nach seiner Ansicht die von ihm seinerzeit aufgestellten Behauptungen behördlich verifiziert worden wären.
Dem sei entgegenzuhalten, daß sich die Ermittlungen im Verfahren vor der gemeinderätlichen Personalkommission auf die Fragen der Zuständigkeit der gemeinderätlichen Personalkommission bzw. der Antragslegitimation und Parteistellung des Beschwerdeführers beschränkt hätten. Da diese Fragen verneint worden seien, habe die gemeinderätliche Personalkommission den Antrag zurückgewiesen, ohne den Wahrheitsgehalt der Behauptungen des Beschwerdeführers zu prüfen. Dies sei auch aus den Seiten 5 und 6 dieses Bescheides ersichtlich, auf den sich der Beschwerdeführer im nunmehrigen Wiederaufnahmeantrag berufe. Denn in diesem Teil der Begründung dieses Bescheides finde sich folgende Aussage:
"Da somit das im Antrag behauptete Verhalten von Herrn Dr. L dem Hauptausschuß nicht zuzurechnen ist, war der Antrag in dieser Hinsicht gemäß § 47 Abs. 1 Z. 6 W-PVG iVm § 6 AVG wegen Unzuständigkeit der gemeinderätlichen Personalkommission zurückzuweisen."
Der Beschwerdeführer habe somit nicht den Nachweis erbringen können, daß ihm der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund erst in den letzten zwei Wochen vor Einbringung des Antrages vom 14. Oktober 1991 zur Kenntnis gelangt sei. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei daher gemäß § 69 Abs. 2 AVG zurückzuweisen gewesen. Dadurch habe es sich erübrigt, den Wahrheitsgehalt der im Wiederaufnahmsantrag aufgestellten und vorher wiedergegebenen Behauptungen zu überprüfen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt in seinem umfänglichen Beschwerdeschriftsatz im wesentlichen vor, im Zuge einiger Verfahren nach dem Wiener Personalvertretungsgesetz sei der Verdacht einer zu seinen Lasten ausgeübten Parteilichkeit des Dr. L aufgekommen, bestehend darin, daß dieser als Personalvertreter einerseits und als Mitglied der Behörde gemeinderätliche Personalkommission andererseits auf die Entscheidungsvorbereitung bestimmenden Einfluß ausgeübt hätte, indem er trotz Kenntnis von 47 Gegensachverhaltsdarstellungen (in Form von an die unabhängige Disziplinarkommission gerichteten Disziplinaranzeigen) zu Äußerungen mehrerer vernommener Beamten und trotz Kenntnis des Sachverhaltes, daß ein positives Dienstgutachten von durch Weisung beauftragter Beamte ins Negative abgeändert worden sei, den Beschwerdeführer habe pensioniert sehen wollen, damit die anderern Bediensteten vor seinen Anzeigen geschützt wären. Ob das in den Feststellungsanträgen umschriebene Verhalten Dris. L nun einem Personalvertretungsorgan zuzuschreiben oder ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied der Behörde zukomme, habe geklärt werden müssen, wobei die Behörde verpflichtet gewesen sei, zunächst die Klarstellung zu treffen, ob ein Verhalten Dris. L überhaupt vorgelegen sei. Die gemeinderätliche Personalkommission habe sich dafür entschieden, daß das Verhalten Dris. L keinem Gremium der Personalvertretung zuzuordnen gewesen wäre. Das behauptete Verhalten Dris. L sei aber nicht in Abrede gestellt, sondern sogar den Entscheidungsprämissen zu Grunde gelegt worden. Dadurch seien die Behauptungen des Beschwerdeführers durch die behördliche Entscheidung in sicheres Tatsachenwissen "transformiert" worden. Die Tatsachenfeststellung aus der Entscheidung vom 26. September 1991 habe für den Beschwerdeführer in der Folgerung bestanden, daß Dr. L als Mitglied der gemeinderätlichen Personalkommission bei der Vorberatung des Pensionierungsbescheides mittätig geworden sei. Der Genannte habe im vorberatenden Gremium sein Gewicht für die Pensionierung des Beschwerdeführers eingesetzt, um die angezeigten Beamten zu schützen. Die gemeinderätliche Personalkommission habe dem Beschwerdeführer vor der genannten Entscheidung vom 26. September 1991 nie mitgeteilt, daß Dr. L bei der Vorberatung anwesend gewesen sei. Wäre er nicht bei der Vorberatung des später vom Stadtsenat beschlossenen Pensionierungsbescheides dabei gewesen, hätte dies jedenfalls seinen entsprechenden Niederschlag in einem Feststellungsverfahren nach dem W-PVG finden müssen, da ein rechtlich bedeutsames Verhalten Dris. L thematisiert worden sei. Darin sei das Faktum des Erschleichungstatbestandes gelegen. Daß das Verhalten Dris. L nicht als solches nach dem W-PVG einzustufen gewesen sei, weil es ihm als Mitglied der gemeinderätlichen Personalkommission zuzuschreiben sei, wofür nach dem W-PVG ein gesondertes Feststellungsverfahren nicht vorgesehen sei; dies sei dem Beschwerdeführer erst durch die Entscheidung der gemeinderätlichen Personalkommission zur Kenntnis gelangt. Der Wiederaufnahmeantrag sei daher unter Berücksichtigung einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers rechtzeitig eingebracht worden.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Gegenstand des Verfahrens ist allein die Frage, wann der Beschwerdeführer nachweislich von dem von ihm geltend gemachten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst ergibt sich, daß er einen in einem früheren Verfahren behaupteten Sachverhalt, der in der in diesem Verfahren ergangenen behördlichen Entscheidung eine Rolle spielt, anknüpfend an die Zustellung dieser behördlichen Entscheidung als Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes wertet. Durch die behördliche Entscheidung - so der Beschwerdeführer - sei der Sachverhalt erst wirklich festgestellt worden und ihm daher erst mit der Zustellung des Bescheides zur Kenntnis gelangt.
Der Antrag auf Wiederaufnahme ist nach § 69 Abs. 2 des gemäß § 1 Abs. 1 DVG anzuwendenden AVG binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrunde Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Der Wiederaufnahmewerber muß schon im Antrag angeben, wann er von dem Vorhandensein des von ihm geltend gemachten Beweismittels Kenntnis erlangt hat; ein Fehlen dieser Angaben über die Rechtzeitigkeit der Antragstellung kann nicht nach § 13 Abs. 3 AVG als Formgebrechen behandelt werden (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1971, Slg. NF 7944/A uva.).
Die im § 69 Abs. 2 vorgesehene subjektive Frist beginnt bereits mit der Kenntnis des Antragstellers von dem Sachverhalt (dem Beweismittel), der seiner Meinung nach den Wiederaufnahmegrund bilden soll. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages ist die Kenntnis des Beweismittels (in der Hauptverhandlung), nicht aber das Gerichtsurteil maßgeblich (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 1971, Zl. 165/71). Entscheidend ist also die Kenntnis von einem Sachverhalt und nicht die rechtliche Wertung dieses Sachverhaltes.
Abgesehen davon, ob die vom Beschwerdeführer in der Entscheidung der gemeinderätlichen Personalkommission vom 26. September 1991 angeblich festgestellten Motive
Dris. Leitner und dessen Handeln überhaupt einen Wiederaufnahmegrund darstellen können, ergibt sich aus dem Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers und aus seinem Beschwerdevorbringen selbst, daß der Beschwerdeführer als Wiederaufnahmegrund einen Sachverhalt geltend macht, von dem er bereits früher Kenntnis hatte, zumal er diesen in einem früheren Verfahren bereits vorgebracht hat.
Da die Kenntnis des Sachverhaltes und nicht eine allfällige rechtliche Wertung dieses Sachverhaltes als Wiederaufnahmegrund maßgebend ist, wurde der Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid zutreffend gemäß § 69 Abs. 2 AVG zurückgewiesen.
Da dies bereits auf Grund der vorliegenden Unterlagen erkennbar war, konnte die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 iVm § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992120046.X00Im RIS seit
21.03.2001