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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
ASVG §123;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der X in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. März 1992, Zl. IV-570.960/FrB/92, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. März 1992 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27. November 1991 auf Erteilung eines Sichtvermerkes unter Berufung auf § 25 Abs. 1 und 3 lit. e des Paßgesetzes keine Folge gegeben.
In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Prüfung des Antrages habe ergeben, daß der zwingende Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 lit. e Paßgesetz vorliege, weil die Beschwerdeführerin nicht im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung sei und daher auch nicht die Möglichkeit habe, einer legalen Beschäftigung nachzugehen. Ein Sparbuch (Einlagestand S 116.500,--) vermöge jedoch, "da hierüber jederzeit leicht verfügt werden kann und dieses keine Gewähr für das Vorhandensein von Unterhaltsmitteln in absehbarer Zeit darstellt", den erwähnten Versagungsgrund nicht auszuschließen. Die Beschwerdeführerin sei im Bundesgebiet "weder sozial- noch krankenversichert", noch gehe sie einer geregelten Beschäftigung nach. Es sei daher die Annahme gerechtfertigt, daß ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte. Die Behörde habe bei der "Ermessensabwägung" berücksichtigt, daß sich der Ehemann der Beschwerdeführerin, den sie vor drei Jahren geheiratet habe, nunmehr seit einigen Wochen im Bundesgebiet aufhalte, nachdem er illegal in dieses eingereist sei; der Ehemann lebe von der Beschwerdeführerin getrennt. Auf Grund der überwiegenden öffentlichen Interessen hätte zum Nachteil der Beschwerdeführerin entschieden werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. März 1993, Zlen. G 212-215/92 u.a., dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes auf Feststellung, daß § 25 Abs. 3 lit. e Paßgesetz verfassungswidrig war, nicht Folge gegeben hat.
Weiters ist klarzustellen, daß die belangte Behörde entgegen dem zitierten diesbezüglichen Begründungselement - weil nicht tragend - keine Ermessensentscheidung im Sinne des § 25 Abs. 1 und Abs. 2 Paßgesetz getroffen hat.
Gemäß § 25 Abs. 3 lit. e Paßgesetz ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.
Der aus dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellten Sachverhalt durch die belangte Behörde gezogene Schluß, der erwähnte Versagungsgrund liege vor, entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung. Zunächst ist keineswegs ohne weiteres einsichtig, daß ein Betrag in der Höhe von S 116.500,--, über den die Beschwerdeführerin frei zu verfügen in der Lage ist, die Annahme nahelegt, es drohe der Republik Österreich durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet eine finanzielle Belastung; dies selbst dann, wenn die Beschwerdeführerin mangels einer Beschäftigungsbewilligung (nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz) nicht in der Lage ist, einer legalen Beschäftigung nachzugehen. Weiters reicht die abstrakte Möglichkeit einer allfälligen Krankheit der Beschwerdeführerin als Basis für eine gerechtfertigte Annahme, es bestehe (auch) unter diesem Gesichtspunkt die Gefahr einer finanziellen Belastung der Republik Österreich, nicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1990, Zl. 90/19/0160), wobei die belangte Behörde eine Prüfung unterlassen hat, ob die Beschwerdeführerin bei ihrem Ehemann, der nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren über eine Beschäftigungsbewilligung verfügt und auch berufstätig ist, nicht ohnedies mitversichert ist (vgl. § 123 ASVG).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war mangels Erforderlichkeit des Aufwandes abzuweisen, da zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als Beilage zur Beschwerde lediglich der angefochtene Bescheid (in einfacher Ausfertigung) anzuschließen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180149.X00Im RIS seit
06.08.2001