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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde der N in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 3. März 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens ersuchte die Beschwerdeführerin (unter der Bezeichnung "Firma N, Waren aller Art, 1150 Wien, X-Straße nn" mit ihrem (undatierten) Antrag beim Arbeitsamt Handel - Transport - Verkehr - Landwirtschaft um Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den am 5. Juni 1964 geborenen polnischen Staatsbürger L. für die berufliche Tätigkeit als "Handels-Arbeiter" mit einer monatlichen Bruttoentlohnung von S 13.000,--. Spezielle Kenntnisse oder ein (besonderes) Ausbildungserfordernis wurden in diesem Antrag nicht angegeben.
Diesen Antrag lehnte das genannte Arbeitsamt mit Bescheid vom 17. September 1992 gemäß § 4 Abs. 6 iVm § 4 Abs. 1 AuslBG ab. Begründend führte die Behörde erster Instanz nach Wiedergabe der beiden genannten Gessetzesstellen aus, auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der "Handelsarbeiter" Arbeitssuchende vorgemerkt seien und für eine Vermittlung in Betracht kämen. Es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im gegenständlichen Verfahren nicht befürwortet; das Ermittlungsverfahren habe darüber hinaus ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, L. sei mit seiner Frau seit zweieinhalb Jahren in Österreich und habe ein Kind im Kindergarten. Weiters besitze L. eine Wohnung und habe vor, sich in Wien eine gesicherte Existenz aufzubauen. L. sei für das Geschäft der Beschwerdeführerin (Import - Export) sehr wichtig, weil sie ihn auch als Dolmetscher benötige. L. habe auch in Zukunft eine gesicherte Existenz bei ihrer Firma. Da L. eine Wohnung und Familie habe und seine Gattin eine Beschäftigungsbewilligung besitze, ersuche die Beschwerdeführerin, diesen Fall nochmals zu überdenken. Es sei doch besser, wenn in einer Familie beide Partner eine Beschäftigung hätten.
Eine formularmäßige Zuschrift des Arbeitsamtes vom 11. November 1992 beantwortete die Beschwerdeführerin am 21. Dezember 1992 durch Ankreuzen des Vordruckes mit dem Text:
"Ich wünsche keine anderen Kräfte anstelle des(r) beantragten Ausländers/Ausländerin."
In einem Schreiben vom 22. Dezember 1992 an das Arbeitsamt Handel - Transport - Verkehr - Landwirtschaft wies die Beschwerdeführerin abermals darauf hin, anstelle von L. KEINE ANDERE PERSON aufnehmen zu können, weil dieser für sie eine Vertrauensperson sei; sie kenne L. bereits sehr lange (in privater Hinsicht) und könnte daher auf ihn bauen. Eine andere Person komme für sie leider nicht in Frage. L. hätte bei ihr einen langfristigen und sicheren Arbeitsplatz. Durch seine guten polnischen Sprachkenntnisse und eine Uhrmacherausbildung sei er auch eine leistungsfähige Kraft in ihrem Unternehmen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, an "N, X-Straße nn, 1150 Wien" gerichteten Bescheid vom 3. März 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6 sowie § 4 Abs. 1 und § 13a AuslBG idF der Novelle, BGBl. Nr. 684/1991, keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften aus, werde ein Ausländer mit geringerem Integrationsgrad als gemäß § 4b AuslBG beantragt, sei zu prüfen, ob vorrangige Arbeitskräfte in der dort normierten Reihenfolge zur Verfügung stünden. An der Vermittlung dieser Personen bestehe - im Hinblick auf die für einen Großteil dieser Personen aus öffentlichen Mitteln zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung - ein dringendes öffentliches Interesse. Diesem Personenkreis sei primär die Eingliederung in den Arbeitsprozeß zu ermöglichen. Es sei festgestellt worden, daß der beantragte Ausländer nicht diesem Personenkreis angehöre. Derzeit sei jedoch eine Ersatzstellung durch inländische und ausländische Kräfte möglich, die Arbeitslosengeld bezögen und beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stünden und somit nach den oben dargelegten Gründen den beantragten Ausländer im Rang vorgingen. Der Beschwerdeführerin seien daher anstelle des beantragten Ausländers beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stehende Arbeitskräfte angeboten worden. Die Beschwerdeführerin habe jedoch solche Arbeitskräfte ausdrücklich abgelehnt. Durch ihr Desinteresse an der angebotenen Ersatzkraftstellung hätte die Beschwerdeführerin sich die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die offene Stelle mit einer begünstigt zu vermittelnden Arbeitskraft hätte besetzt werden können. Im Hinblick auf die aufgezeigten Umstände werde daher die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung unter Bedachtnahme auf § 4 Abs. 1 AuslBG nicht für vertretbar erachtet.
Überdies sei für das Kalenderjahr 1992 vom Bundesminister für Arbeit und Soziales gemäß § 13a Z. 3 AuslBG zur Sicherung der Bundeshöchstzahl gemäß § 12a AuslBG (demnach dürfe der Anteil der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer 10 % des österreichischen Arbeitskräftepotentials = Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Inländer und Ausländer nicht übersteigen) unter Bedachtnahme auf die örtliche Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Landeshöchstzahl für das Bundesland Wien mit Verordnung vom 28. November 1991, BGBl. Nr. 598/1991, das Höchstausmaß beschäftigter und arbeitsloser Ausländer mit 95.000 festgesetzt worden, wobei diese Zahl laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Jahresbeginn bei weitem überschritten sei. Dies impliziere, daß bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in jedem Fall die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 und zusätzlich auch die des § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen seien. Wie bereits zuvor dargelegt, seien die Ausführungen der Beschwerdeführerin schon gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer zu begründen. Darüber hinaus seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch von der Beschwerdeführerin in der Berufung vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand nach § 4 Abs. 6 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht
a) auf Durchführung eines den Gesetzen entsprechenden Verwaltungsverfahrens, insbesondere in ihrem Recht auf Ausstellung eines dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz entsprechenden Bescheides, Bezeichnung der Partei sowie in ihrem Recht darauf, daß die Behörde ein den Sachverhalt prüfendes Ermittlungsverfahren durchführe und
b) auf Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers, soferne die im AuslBG hiefür vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen, verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die Behörde wäre verpflichtet gewesen, den Bescheidadressaten (dieser werde im angefochtenen Bescheid mit "N, X-Straße nn, 1150 Wien" angegeben) durch Beifügung ihres Vornamens zu konkretisieren ("N" stelle keine protokollierte Firma dar; es lebten alleine in Wien sieben Personen namens N). Im Beschwerdefall steht fest, daß die Beschwerdeführerin (ohne Angabe ihres Vornamens, jedoch mit dem Zusatz "Firma") den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den polnischen Staatsbüger L. eingebracht hat. Der Verwaltungsgerichtshof vermag - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde allein durch die Unterlassung der Beifügung des Vornamens der Beschwerdeführerin (bei der Bezeichnung des Arbeitgebers und des Bescheidadressaten im angefochtenen Bescheid) wesentliche Verfahrensvorschriften (§ 59 AVG) verletzt hätte, die zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen müßte, zumal der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben ohnedies am 5. März 1993 persönlich zugestellt worden ist.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden, seit 1. Jänner 1992 in Kraft stehenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe rechtfertigt die Abweisung der Beschwerde.
Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen - aus welchen Gründen immer - zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein. Diese Prüfung der Arbeitsmarktlage erübrigt sich indes dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0179, u.a.).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin in ihrer Mitteilung vom 21. Dezember 1992 (und ebenso in dem Schreiben vom 22. Dezember 1992) völlig unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß sie AUSSCHLIEßLICH L. als "Handelsarbeiter" beschäftigen wolle. Sie hat im Verwaltungsverfahren niemals vorgebracht, an der Stellung einer Ersatzkraft interessiert zu sein. Mit Rücksicht auf die von vornherein gegen jede Ersatzkraftstellung gerichtete Haltung der Beschwerdeführerin war die belangte Behörde auch nicht gehalten, vor ihrer die Abweisung des Antrages auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für den genannten ausländischen Staatsbürger bestätigende Entscheidung den Versuch zu unternehmen, der Beschwerdeführerin Ersatzarbeitskräfte anzubieten. Der bloße Hinweis darauf, daß die Beschwerdeführerin L. persönlich kenne und sich daher auf ihn als eine vertrauenswürdige Person verlassen könne, reicht nicht zur Widerlegung der Feststellung der belangten Behörde aus, es stünden dem L. nach der Reihenfolge des § 4b AuslBG vorangehende Ersatzkräfte für die von der Beschwerdeführerin zu besetzende Arbeitsstelle zur Verfügung.
Damit fehlt es aber an einer der beiden gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG rechtserheblichen Tatsachen als Voraussetzung für eine Erteilung der begehrten Beschäftigungsbewilligung, sodaß auf den weiteren von der belangten Behörde herangezogenen Versagungstatbestand nach § 4 Abs. 6 AuslBG im Beschwerdefall nicht einzugehen war. Es ist daher im Beschwerdefall auch nicht von Relevanz, daß die belangte Behörde ihrer Entscheidung nicht die im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Landeshöchstzahlverordnung 1993, sondern die mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft getretene Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. November 1991, BGBl. Nr. 598/1991 (Landeshöchstzahlverordnung 1992) zugrunde gelegt hat.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie nach § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993090131.X00Im RIS seit
20.11.2000