TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/23 93/09/0143

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Veröffentlicht am 23.09.1993
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der T Gesellschaft m. b.H in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 9. März 1993, Zl. IIc/6702B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens beantragte die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 23. Dezember 1992 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen namentlich genannten Ausländer mit der angegebenen Staatsangehörigkeit "Jugosl. Bosnien" als Installateur.

Mit Bescheid des Arbeitsamtes Metall-Chemie vom 8. Jänner 1993 wurde dieser Antrag (- offenbar irrtümlich als Antrag vom 7. Jänner 1993 bezeichnet -) gemäß § 4 Abs. 3 Z. 4 und § 4 Abs. 6 AuslBG abgelehnt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, sie habe dem beantragten Ausländer selbstverständlich eine kollektivvertragliche Entlohnung angeboten. Der angegebene Betrag wäre nämlich netto zu verstehen gewesen; das diesbezügliche Mißverständnis hätte mangels jeglichen Ermittlungsverfahrens nicht aufgeklärt werden können. Da die übrigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen ohnedies eingehalten worden seien, sei der Ablehnungsgrund des § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG weggefallen. Im Rahmen der Ablehnung auf Grundlage des § 4 Abs. 6 AuslBG werde auch § 4 Abs. 1 AuslBG angesprochen. Im Sinne des § 4 Abs. 1 hätte daher eine Überprüfung der Arbeitsmarktlage dahingehend vorgenommen werden müssen, ob Ersatzkräfte auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Installateure vorhanden seien und ob diese Personen für eine Vermittlung in Betracht kämen. Ab einem Ausschöpfungsgrad von mehr als 80 % der Landeshöchstzahl sei eine Überprüfung des Arbeitsmarktes in dieser Richtung jedenfalls vorgesehen. Daneben dürfe nicht übersehen werden, daß neue Kontingentierungen auch für das Metallgewerbe ausgegeben worden seien, die für das Jahr 1993 noch nicht erschöpft wären. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei eine Ersatzkraftstellung nur dann als geglückt anzusehen, wenn ein Inländer oder ein einem Inländer gleichgestellter Ausländer bereit und fähig sei, den angebotenen Arbeitsplatz zu besetzen. Eine Ersatzkraftstellung bzw. ein Angebot hinsichtlich adäquater Ersatzkräfte habe aber überhaupt nicht stattgefunden. Weiters sei der beantragte Ausländer als integriert im Sinne des § 4b AuslBG anzusehen und befinde sich im Besitz eines Qualifikationsnachweises als Installateur. Im Rahmen der Kontingentierungen seien Fachkräfte bei der Beschäftigungsbewilligung gegenüber unqualifizierten Kräften vorrangig zu behandeln. Im Falle einer Ersatzkraftstellungsmöglichkeit durch Inländer bzw. Ausländer mit Befreiungsscheinen sei festzuhalten, daß diese Personen nach den geltenden Kollektivverträgen zu entlohnen seien. Die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung sei auch aus besonders wichtigen Gründen vertretbar, weil der beantragte Ausländer als Facharbeiter eine Schlüsselposition einzunehmen hätte und weitere Arbeitskräfte an sich binden könne. Es bestehe daher bei der beschwerdeführenden Partei ein dringend abzudeckender individueller Arbeitskräftebedarf. Die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung wäre daher auch aus diesem Aspekt vertretbar gewesen. Infolge der Nichtzustimmung des Vermittlungsausschusses wäre daher der Unterausschuß des Verwaltungsausschusses beim Landesarbeitsamt Wien mit dieser Sache zu befassen gewesen.

Auf Grund dieser Berufung übermittelte die Behörde erster Instanz mit Schreiben vom 28. Jänner 1993 der beschwerdeführenden Partei einen Vermittlungsauftrag und verlangte eine schriftliche Erklärung bis längstens

11. MÄRZ 1993, ob die beschwerdeführende Partei mit einer Ersatzkraftstellung einverstanden sei.

Ungeachtet dieser - nach Angabe der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift angeblich irrtümlich erfolgten - Fristsetzung legte die Behörde erster Instanz bereits mit Schreiben vom 11. Februar 1993 die Berufung mit der Angabe, es stünden 272 Ersatzkräfte (bei 131 offenen Stellen) zur weiteren Verfügung bei der belangten Behörde vor, die ohne erkennbare weitere Verfahrensschritte mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. §§ 4 Abs. 6, 4 Abs. 1 und 13a AuslBG keine Folge gab.

Zur Begründung wird die Rechtslage (§§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, 4 Abs. 6, 4 Abs. 1 und 4b AuslBG) wiedergegeben und unter Bezug auf die Landeshöchstzahlenverordnung die Feststellung getroffen, daß die festgesetzte Landeshöchstzahl seit Beginn 1992 weit überschritten sei. Bezogen auf den konkreten Fall wird dann lediglich ausgeführt, eine Überprüfung der Lage auf dem "verfahrensgegenständigen Arbeitsmarkt" habe ergeben, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Ersatzarbeitskräfte, die zur Vermittlung vorgemerkt seien und gleichzeitig dem eingangs zitierten begünstigten Personenkreis angehörten, zur Deckung des Arbeitskräftebedarfes der beschwerdeführenden Partei zur Verfügung stünden. Hingegen erfülle die beantragte ausländische Arbeitskraft nicht die Voraussetzungen, durch die sie dem vorrangig zu vermittelnden Personenkreis des § 4b AuslBG zugeordnet werden könne. Angesichts der dargestellten Situation auf dem verfahrensrelevanten Teilarbeitsmarkt sei der beschwerdeführenden Partei im Zuge des Berufungsverfahrens mit Schreiben vom 28. Jänner 1993 die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung angeboten worden. Die beschwerdeführende Partei habe darauf jedoch innerhalb der gesetzten Frist nicht reagiert. Die Berufungsausführungen seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer zu begründen. Außerdem seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber in der Regel einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer einen Befreiungsschein oder eine Arbeitserlaubnis besitzt. Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG im allgemeinen zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

§ 4 Abs. 6 AuslBG in der hier anzuwendenden Fassung lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein und unbegründet abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, und vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde ihre Versagung unter dem Gesichtspunkt des § 4 Abs. 1 AuslBG erster Tatbestand im wesentlichen damit begründet, die beschwerdeführende Partei habe auf die ihr mit Schreiben vom 28. Jänner 1993 angebotene Möglichkeit der Ersatzkraftstellung innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht reagiert. Bereits das ist - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - unrichtig, weil die gesetzte Frist im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch gar nicht abgelaufen war. Schon deshalb ist die Abweisung, soweit sie sich auf § 4 Abs. 1 AuslBG stützt, rechtswidrig,

Wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich § 4 Abs. 6 AuslBG die Aussage trifft, es seien weder im Ermittlungsverfahrens im Sinne dieser Bestimmung Gründe festgestellt noch solche in der Berufung vorgebracht worden, so ist dem ersten Argument entgegenzuhalten, daß gar kein Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde; die zweite Behauptung ist aktenwidrig, weil die beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung ausdrücklich geltend gemacht hat, es handle sie bei dem beantragten Ausländer für ihr Unternehmen um eine Schlüsselkraft.

Darüber hinaus ist jegliche Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen der beschwerdeführenden Partei unterblieben.

Der mit mehrfachen Mängeln behaftete angefochtene Bescheid war aus dem erstgenannten Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für zur Rechtsverfolgung nicht erforderliche Beilagen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993090143.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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