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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten 1974 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. Mai 1990, GZ. GA 5-2384/89, betreffend Rückzahlung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer für die Kalenderjahre 1982 bis 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und Universitätsprofessor. Für seine Lehr- und Prüfungstätigkeit erhielt er im Streitzeitraum gesonderte Abgeltungen in Form von Kollegiengeldern und Prüfungsgebühren.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 1987 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die genannten Vergütungen "als sonstige Einnahmen im Sinne des § 67 EStG anzusehen, die einbehaltene Lohnsteuer dieser Änderung anzupassen und diese Beträge zur Auszahlung zu bringen".
Es handle sich "im wesentlichen infolge der Sechstelgrenze
(§ 67 Abs. 1 und 2) jeweils darum, daß die
Lohnsteuerbemessungsgrundlage
für 1982 von 280.664,20
für 1983 von 298.773,60
für 1984 von 313.785,--
für 1985 von 351.053,-- und
für 1986 von 357.924,--
um S 8.500,-- gekürzt wird (da die Kollegiengeldabgeltungen und
Prüfungsgebühren jeweils den Betrag von S 8.500,--
überstiegen), die Differenz zwischen der bisher im Wege des
Jahresausgleichs vorläufig festgestellten Lohnsteuer und der
nach obiger Methode errechneten Lohnsteuer um 2 % von
S 8.500,--, das sind S 170,--, vermindert wird und der sich
daraus ergebende Betrag" erstattet werde.
Die Abgabenbehörde wies den Antrag ab. Durch Einsichtnahme in die von der Quästur der Universität angeforderten Lohnzettel bzw. Lohnkonten habe sich gezeigt, daß die Kollegiengelder für die Zeiträume Oktober bis Dezember jeweils im nächstfolgenden Kalenderjahr abgerechnet und deshalb als Gehaltsnachzahlung mit dem sogenannten Belastungsprozentsatz gemäß § 67 Abs. 8 EStG 1972 versteuert worden seien. Die angeführte Bestimmung sei jedoch zu Unrecht angewendet worden, da eine willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes vorgelegen habe. Dies ergebe sich aus den gesetzlichen Grundlagen der Kollegiengeldabgeltung (Gehaltsgesetz 1956 und Bundesgesetz vom 11. Juli 1974, BGBl. Nr. 463, über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen). Denn danach sei eine semesterweise Bemessung bzw. Auszahlung der Vergütung vorgesehen, was für die ersten drei Monate jedes Wintersemesters eine Verlagerung der Überweisung in das nächstfolgende Kalenderjahr bewirke.
Die Kollegiengelder für den Zeitraum Oktober bis Dezember wären daher richtigerweise als sonstige Bezüge unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 67 Abs. 2 EStG 1972 (Sechstelgrenze) zu versteuern gewesen. Dies hätte im Fall des Beschwerdeführers sogar einen höheren Lohnsteuereinbehalt erfordert. Die unrichtige Besteuerung der Prüfungstaxen hingegen sei bereits durch das Bundesrechenamt korrigiert worden, was auch eine entsprechende Gutschrift nach sich gezogen habe.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und rügte die mangelhafte Begründung des Abweisungsbescheides. Das Finanzamt hätte sich nicht auf die bloße Behauptung beschränken dürfen, er sei durch die vom Arbeitgeber vorgenommene falsche Lohnsteuerberechnung begünstigt worden, sondern hätte einen ziffernmäßigen Vergleich herstellen müssen. Dabei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, daß "der sogenannte Belastungsprozentsatz nur jeweils für die Kollegiengeldabgeltungen für die Monate Oktober, November und Dezember zum Tragen gekommen ist, während die anderen Zahlungen ohnedies im normalen Kalenderjahr erfolgten und daher ganz regulär berechnet wurden, was bei der Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile nicht vernachlässigt werden darf". Davon abgesehen sei schon die Grundannahme der Abgabenbehörde, wonach die Kollegiengelder für die Monate Oktober bis Dezember nicht der Bestimmung des § 67 Abs. 8 EStG 1972 unterliegen würden, verfehlt. Eine willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes liege nämlich nicht vor. Die jahresübergreifende Abgeltung sei vielmehr eine Folge des Umstandes, daß diese Bezüge erst nach Abschluß des jeweiligen Semesters abgerechnet werden könnten.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Ein Erstattungsgrund liege nicht vor, da einerseits die für die Monate Oktober bis Dezember gezahlten Kollegiengelder gemäß § 67 Abs. 8 EStG 1972 besteuert worden seien und andererseits der Freibetrag gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1972 ohnedies in allen Kalenderjahren anläßlich der erstmaligen Auszahlung sonstiger Bezüge Berücksichtigung gefunden habe.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem aus § 67 EStG 1972 erfließenden Recht, wonach sonstige Bezüge, die den Betrag von S 8.500,-- übersteigen, bis zur Erreichung der Sechstelgrenze gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1972 zu besteuern sind, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Aktenlage kam die für das Wintersemester gebührende Kollegiengeldabgeltung in der Form zur Auszahlung, daß je ein Viertel als Nachzahlung dem vorangegangenen Oktober, November, Dezember und Jänner zugerechnet wurde. Hinsichtlich der Anteile für Oktober bis Dezember erfolgte - laut unbestrittener Feststellung im angefochtenen Bescheid - die Besteuerung gemäß § 67 Abs. 8 EStG 1972 mit dem Belastungsprozentsatz.
Während die Abgabenbehörde erster Instanz diese Art der Versteuerung als unrichtig bezeichnete, den Beschwerdeführer dadurch aber begünstigt sah, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, daß die belangte Behörde die steuerliche Beurteilung durch die bezugsauszahlende Stelle als falsch erkannte. Dies ist jedoch der Fall.
Gemäß § 67 Abs. 8 EStG 1972 sind u.a. Nachzahlungen und nachträgliche Zahlungen von laufenden und sonstigen Bezügen für abgelaufene Kalenderjahre, die neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber geleistet werden und nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen, mit dem Steuersatz zu besteuern, der tarifmäßig dem letzten laufenden Arbeitslohn entspricht.
Die Beurteilung einer Leistung des Arbeitgebers als Nachzahlung bzw. als nachträgliche Zahlung im Sinne des § 67 Abs. 8 EStG 1972 setzt voraus, daß der Arbeitslohn bei gewöhnlichem Ablauf der Dinge schon zu einem früheren Zeitpunkt zu bezahlen gewesen wäre. Dies trifft auf die zum Ende des Wintersemesters angewiesenen Kollegiengelder jedoch nicht zu. Wenn nämlich - wie im gegenständlichen Fall - die Entlohnung einer zeitlich abgegrenzten Tätigkeit erst nach Leistungserbringung erfolgt, kann von einer verspäteten Auszahlung keine Rede sein.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mit Erkenntnis vom 11. April 1984, 82/13/0090, ausgesprochen hat, sind die gemäß §§ 4 und 5 des Bundesgesetzes vom 11. Juli 1974, BGBl. Nr. 463, über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen gewährten Entschädigungen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 Abs. 1 EStG 1972.
Gleiches gilt auch für Kollegiengelder, die gemäß § 1 leg. cit. bzw. § 51 Gehaltsgesetz 1956 gezahlt werden. Diese Vergütungen werden ebenfalls neben den laufenden, d.h. für die regelmäßigen Lohnzahlungszeiträume flüssig gemachten, Bezügen jeweils nach Ablauf eines Semesters ausbezahlt. Daß dabei eine Zuordnung zu den einzelnen Monaten des Semesters erfolgt, ändert nichts an der von den regelmäßigen Lohnzahlungszeiträumen losgelösten tatsächlichen Auszahlung.
Auch die belangte Behörde kommt in ihrer Gegenschrift zu diesem Ergebnis, meint aber, der angefochtene Bescheid sei wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes der Aufhebung entzogen. Diese Ansicht ist verfehlt. Das Neuerungsverbot leitet sich aus der Bestimmung des § 41 Abs. 1 VwGG ab. Danach hat der Gerichtshof den angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde ANGENOMMENEN SACHVERHALTES zu überprüfen. Ein NEUES VORBRINGEN ZUM SACHVERHALT enthält die Beschwerde nicht.
Der belangten Behörde ist ferner nicht zuzustimmen, wenn sie in der Gegenschrift einwendet, selbst bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte sich keinesfalls ein Erstattungsbetrag ergeben können. Wohl dürfen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 Abs. 1 EStG 1972 nur insoweit mit den festen Steuersätzen des § 67 Abs. 1 leg. cit. versteuert werden, als sie in ihrer Summe das Sechstel der laufenden Bezüge nicht übersteigen. Ob sonstige Bezüge im Jahressechstel Deckung finden, richtet sich jedoch nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zufließens. Eine Jahresrechnung, wie sie in der Gegenschrift angestellt wurde, trägt diesem Umstand keine Rechnung. Die Beurteilung der strittigen Vergütungen als sonstige Bezüge mag zur Folge haben, daß später ausgezahlte sonstige Bezüge nun nicht mehr (zur Gänze) innerhalb des Jahressechstels zugeflossen sind und der Arbeitgeber für diese Bezüge daher zu wenig Lohnsteuer einbehalten hat. Dies berechtigt die Abgabenbehörde indes nicht zu der in der Gegenschrift vorgenommenen Aufrechnung. Aus der Bestimmung des § 240 Abs. 3 BAO ergibt sich nämlich, daß die Rückzahlung zu Unrecht einbehaltener Beträge nur in den dort ausdrücklich angeführten Fällen versagt werden darf. Soweit demnach ein Ausgleich (eine Rückzahlung) weder gemäß § 240 Abs. 1 BAO durch den Arbeitgeber als Abfuhrpflichtigen noch (was bei sonstigen Bezügen allerdings von vornherein ausscheidet) im Wege des Jahresausgleiches oder im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder bereits erfolgt ist, sind zu Unrecht einbehaltene Lohnsteuerbeträge zu erstatten.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde entsprechende Sechstelberechnungen im Sinne des § 67 Abs. 2 EStG 1972 für jeden Auszahlungszeitpunkt der strittigen Vergütungen durchzuführen haben. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers können in das Sechstel der laufenden Bezüge jedoch nur Beträge einbezogen werden, welche zum Arbeitslohn gehören. Aufwandsersätze, die gemäß § 26 EStG 1972 nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit fallen, erhöhen somit ebensowenig das Sechstel wie Entschädigungen im Sinne des § 29 Z 4 EStG 1972.
Aus den vorstehend aufgezeigten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gem. § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einem Exemplar beizubringen war und nur einen Bogen umfaßt, sodaß die Beilagengebühr S 30,-- beträgt.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1990130152.X00Im RIS seit
20.11.2000