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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des C in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. November 1992, Zl. 4.311.293/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, nach dem Akteninhalt ein Staatsangehöriger des Libanon, reiste am 23. November 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am 27. November 1990 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 14. März 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gab er an, daß es im Ort, in dem der Beschwerdeführer offensichtlich gewohnt hatte, in den libanesischen Bergen zu einer Auseinandersetzung zwischen den örtlichen libanesischen Milizen und den Syrern gekommen sei. Bei diesen Kampfhandlungen sei die Kirche zerstört worden; die Schule sei von den Syrern geschlossen worden. Weiters sei der "Großmeister" angeschossen worden. Man habe den Anhängern seiner Kirche - der Beschwerdeführer ist nach seinen Angaben bei der erwähnten Einvernahme orthodoxer Christ - mit dem Tode gedroht, wenn sie nicht das Land und den Libanon verließen. Da seine ganze Familie bereits in Österreich gewesen sei und ihm von der Schönheit und dem Frieden des Landes berichtet habe, habe er sich zur Flucht entschlossen; er habe im Libanon ohnehin nicht mehr gewußt, wo er wohnen sollte. Da er von den Syrern "registriert" sei, hätte er bei einer Rückkehr in den Libanon mit einer Verhaftung zu rechnen.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. März 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des AsylG (1968) sei.
In seiner Berufung dagegen brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß er im Libanon Student der syrisch-orthodoxen Kirche gewesen sei; nach einem sechs-jährigen Studium sei er als Pfarrer in einen Ort in den libanesischen Bergen gegangen, um dort unter der Aufsicht eines "Großmeisters" der Gemeinde zu dienen. Er sei überdies Lehrer für die "syrisch-aramienische" Sprache in der Schule und Sekretär des Großmeisters der Kirche gewesen. Nachdem die syrischen Soldaten im christlichen Teil des Libanon eingefallen seien, hätten sie nicht zugelassen, daß die "syrisch-aramienische" Sprache gelehrt, gelernt oder gesprochen werde, weil sie sie selbst nicht hätten verstehen können. Der Beschwerdeführer habe versucht, sich gegen diese "Auflagen" zu wehren, da er weiter unterrichten habe wollen. Die syrischen Soldaten hätten den Großmeister geschlagen und dem Beschwerdeführer gesagt, wenn er nicht innerhalb einer Woche den Libanon verlasse, werde er umgebracht werden. Da zu diesem Zeitpunkt seine Familie schon in Österreich gewesen sei, habe er sich ebenfalls entschlossen, nach Österreich zu fliehen. Da er keinen Paß gehabt habe, sei er mit einem falschen Paß und mit der Hilfe eines Schleppers nach Österreich gekommen. Er sei als Pfarrer im Libanon großen Gefahren ausgesetzt gewesen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Gemäß § 25 Abs. 2 erster Satz AsylG 1991 sei dieses Gesetz im vorliegenden Verfahren anzuwenden.
Die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung beziehe sich ausschließlich auf die Kampfhandlungen und die Bedrohung durch die syrischen Besatzer. Aufgrund der aktuellen politischen Lage und der demokratischen Entwicklung seit dem Ende des Bürgerkrieges im Libanon könnten diese Vorfälle jedoch nicht unter die in § 1 AsylG 1991 angeführten Verfolgungsgründe subsumiert werden. Aufgrund des TAIF-Abkommens vom Oktober 1989 sei ein Befriedungsprozeß in Gang gekommen; es sei auch die Auflösung der bestehenden Milizen und die Integration der verschiedenen Milizchefs in die gegenwärtige Regierung vorgesehen. Am 22. Mai 1991 sei ein Freundschafts- und Kooperationsvertrag zwischen Syrien und dem Libanon geschlossen und darin eine legale Machtposition Syriens geschaffen worden, auch sei erstmals von Syrien die Unabhängigkeit und Souveränität des Libanon anerkannt worden. Am 1. September 1991 sei ein libanesisch-syrisches Sicherheits- und Verteidigungsabkommen unterzeichnet worden, in dem die Bestimmungen festgelegt worden seien, die für die Zusammenarbeit der Sicherheitsapparate beider Länder unter Berücksichtigung der Interessen der Länder gelten sollten. Mit Ende August 1991 sei ein Amnestiegesetz in Kraft getreten, nach dem Verbrechen, die während des 16-jährigen Bürgerkrieges begangen worden seien, ohne Strafdrohung bleiben sollten. Die im Libanon durchgeführten demokratischen Wahlen zeigten eine deutliche Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit auf. Nach der der belangten Behörde vorliegenden "landesspezifischen Information" sei der Beschwerdeführer mit seiner religiösen und ethnischen Zugehörigkeit nicht Angehöriger einer Minderheit in seiner Heimat, welche durch das herrschende Regime besonderen Repressalien unterworfen sei; diese Tatsache sei als dem Beschwerdeführer bekannt vorauszusetzen gewesen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse die Verfolgung entweder von staatlichen Stellen des Heimatlandes des Asylwerbers ausgehen oder der betreffende Staat müsse nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgung hintanzuhalten; in diesem Zusammenhang könnten nur solche Maßnahmen des Staates bzw. der ihm zurechenbaren Organe als Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention angesehen werden, die aus einem der dort genannten Gründe erfolgten und ein bestimmtes Ausmaß an Intensität und "Qualität" überschritten. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse könnten "diesen Ansprüchen sicher nicht gerecht werden". Es müßten konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden. Die behauptete Zerstörung der Kirche und die Bedrohung durch die syrischen Besatzer seien Auswirkungen des bereits beendeten Bürgerkrieges und könnten nicht als individuelle, konkrete Verfolgung im Sinne des AsylG 1991 zur Gewährung von Asyl führen; die Tatsache, daß es in der Heimat des Beschwerdeführers zu kriegerischen Handlungen gekommen sei, sei noch kein Grund, darin gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgungshandlungen zu sehen.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß er keine Möglichkeit zur Stellungnahme zu den von der belangten Behörde verwerteten "landesspezifischen Informationen" gehabt habe.
Wenn auch diese Vorwürfe zutreffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0984), kann dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da Voraussetzung für das Vorliegen einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften die Möglichkeit ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Dies trifft aber im Beschwerdefall nicht zu. Nach den Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Ersteinvernahme, von denen die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 auszugehen hatte (ein Fall des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 liegt nicht vor), befindet sich die belangte Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach allgemeine Benachteiligungen aufgrund der Religionszugehörigkeit nur dann als konkrete, gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgungshandlungen gewertet werden können, wenn sie dessen Lebensgrundlage massiv bedrohen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zlen. 92/01/0924, 0925, 0926). Eine konkrete, massive Bedrohung der Lebensgrundlage kann den Angaben des Beschwerdeführers jedoch nicht entnommen werden.
Die Zerstörung der Kirche und die Schließung der Schule sowie das Verbot des Gebrauchs der vom Beschwerdeführer (auch) gesprochenen Sprache ist im Zuge von Kampfhandlungen zwischen syrischen Soldaten und christlichen Milizen erfolgt; Verfolgungshandlungen, die sich gegen den Beschwerdeführer etwa aufgrund seiner Religionszugehörigkeit richteten, können darin nicht erblickt werden. Auch die gegen alle Angehörigen der Religionsgemeinschaft des Beschwerdeführers in Bkifa gerichtete Drohung wurde im gegebenen Zusammenhang letztlich zutreffend von der belangten Behörde als Auswirkung des Bürgerkrieges und nicht als spezifische, gegen den Beschwerdeführer aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe gerichtete Verfolgung gesehen. Wenn der Beschwerdeführer erstmalig in seiner Beschwerde vorbringt, als Christ syrischer Abstammung Mitglied einer im Libanon gesetzlich nicht anerkannten Religionsgemeinschaft und daher auch nicht libanesischer Staatsangehöriger zu sein, handelt es sich dabei um gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerungen.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde sei ihrer Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes nicht nachgekommen, es sei insbesondere die Verfolgung der christlichen Gruppierung, der er angehöre, im allgemeinen sowie die Verfolgung des Beschwerdeführers im besonderen aufgrund der Zugehörigkeit zu dieser Minderheit nicht erhoben worden. Demgegenüber ist der Beschwerdeführer jedoch auf § 20 AsylG 1991 zu verweisen, dessen Abs. 2 normiert, daß der Bundesminister eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens nur anzuordnen hat, wenn dieses OFFENKUNDIG mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die im Verfahren erster Instanz nicht zugänglich waren oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrundegelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat. Der Beschwerdeführer hat jedoch nie behauptet, daß einer dieser Gründe für eine Ergänzung oder Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegen sei; ein solcher Grund ist auch nach den Akten des Verwaltungsverfahrens nicht erkennbar. Der belangten Behörde ist daher, wenn sie bei ihrer Entscheidung vom Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 ausgegangen ist, in diesem Punkt kein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen.
Da sich die Beschwerde sohin als nicht berechtigt erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190044.X00Im RIS seit
20.11.2000