TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/18 90/07/0175

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Veröffentlicht am 18.03.1994
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Index

L65000 Jagd Wild;
L65002 Jagd Wild Kärnten;
L66502 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Kärnten;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AgrVG §1;
AVG §66 Abs2;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs2;
FlVfLG Krnt 1979 §51;
JagdG Krnt 1978 §16;
JagdRallg;

Betreff

Der VwGH hat über die Beschwerde des M S, vlg. "S" und vlg. "B" in G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in V, gegen das Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 15. Oktober 1990, Zl. Agrar 11-479/8/90, betreffend Minderheitsbeschwerde gegen einen Vollversammlungsbeschluß einer Agrargemeinschaft auf Jagdverpachtung (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft "G u. K", vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. Oktober 1988 gab die Agrarbezirksbehörde Villach (ABB) gemäß § 51 Abs. 2 des Kärnter Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 64/1979, (FLG) in Verbindung mit § 7 Abs. 5 der geltenden Satzungen der mitbeteiligten Partei (MP) den Minderheitsbeschwerden des Beschwerdeführers und der A. F. statt und behob den Beschlußpunkt 3. der ordentlichen Vollversammlung der mitbeteiligten Partei vom 4. April 1988, mit welchem das Eigenjagdgebiet "G" mehrheitlich an H. L. um einen Pauschalbetrag von S 65.000,-- pro Jahr und das Eigenjagdgebiet "K" mehrheitlich an H. L. und G. F. um einen Pauschalbetrag von S 35.000,-- pro Jahr verpachtet wurden.

Der Landesagrarsenat beim Amt der Kärntner Landesregierung (LAS) gab mit Erkenntnis vom 22. Mai 1989 der dagegen erhobenen Berufung der MP "insoferne statt (...), als der angefochtene Bescheid zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen" wurde.

Da die ABB nicht innerhalb der in § 73 Abs. 1 AVG bestimmten Frist ihrer Entscheidungspflicht nachkam, stellten der Beschwerdeführer und A. F. einen Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG, welchen sie jedoch in der Folge wiederum zurückzogen.

Die MP zog hierauf mit Anbringen beim LAS vom 15. März 1990 ihre Berufung gegen den Bescheid der ABB vom 4. Oktober 1988 zurück, obwohl ihr gegenüber das Erkenntnis des LAS vom 22. Mai 1989, mit welchem der vorzitierte Bescheid der ABB vom 4. Oktober 1988 gemäß § 66 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 1 Agrarverfahrensgesetz (AgrVG) behoben wurde, erlassen war. Diesen Sachverhalt teilte der Vorsitzende des LAS der ABB mit dem Hinweis mit, daß "sich somit eine neuerliche Entscheidung in dieser Angelegenheit durch die Behörde erster Instanz" erübrige. Tatsächlich entschied die ABB über diese Minderheitsbeschwerde bisher nicht.

Am 1. April 1990 faßte die MP in Anwesenheit des Beschwerdeführers und der A. F. in einer außerordentlichen Vollversammlung unter Punkt 2. der Tagesordnung einen Beschluß über die "neuerliche Verpachtung der beiden Jagdgebiete G und K für die nächste Jagdperiode". Das Eigenjagdgebiet G wurde an H. L. mit S 90.000,-- und das Eigenjagdgebiet K wurde an G. F. mit S 50.000,-- jeweils wertgesichert mit Stimmenmehrheit verpachtet. Der Beschwerdeführer und A. F. stimmten gegen diesen Beschluß.

Gegen den Vollversammlungsbeschluß vom 1. April 1990, mit welchem die Eigenjagd G an H. L. verpachtet wurde, erhob der Beschwerdeführer Minderheitsbeschwerde, in welcher er zusammengefaßt ausführt, die Verpachtung widerspreche "krass den Interessen der Mitglieder der Agrargemeinschaft, wenn man bedenkt, daß ein Anbot des Sch. von S 170.000,-- Jahrespacht vorgelegen ist. Dies würde eine Differenz von S 80.000,-- pro Jahr, sohin auf 10 Jahre von S 800.000,-- ergeben". Der Pachtschilling von S 90.000,-- entspreche nicht den ortsüblichen Pachtschillingen der umliegenden Eigenjagdgebiete. Der durchschnittliche Hektarsatz werde in den Jagdgebieten der Gemeinde X zu einem durchschnittlichen Hektarsatz von S 134,60 verpachtet. Die Höhe des Pachtzinses dürfe nicht unter das Niveau des ortsüblichen und angemessenen Pachtschillings sinken, weil sonst die überstimmten Mitglieder materiell geschädigt würden. Es könne nicht mehr von einer wirtschaftlichen Verwaltung gesprochen werden, wenn innerhalb einer Jagdperiode auf einen Betrag von S 800.000,-- verzichtet werde, weshalb er beantrage, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Gegen den Vollversammlungsbeschluß vom 1. April 1990, mit welchem die Eigenjagd "K" an G. F. verpachtet wurde, erhoben der Beschwerdeführer, A. F. und zwei weitere Mitglieder der MP Minderheitsbeschwerde mit der Begründung, der Pachtschilling von S 50.000,-- pro Jahr entspreche nicht dem ortüblichen und angemessenen Pachtzins im Vergleich zu den der gegenständlichen Eigenjagd nahegelegenen Jagdgebieten in der Gemeinde X, welche durchschnittlich S 134,60 pro Hektar betrügen. Sch. habe für die Eigenjagd K eine Pachtschilling von S 98.000,-- pro Jahr geboten. Innerhalb der 10-jährigen Pachtdauer ergebe die Verpachtung an G. F. sohin eine Benachteiligung der MP von S 480.000,--. Da die Agrargemeinschaft verpflichtet sei, das agrargemeinschaftliche Vermögen nicht zu vergeuden und zu verschleudern, sondern es wirtschaftlich zu verwalten, werde die Aufhebung des Vollversammlungsbeschlusses beantragt.

Mit Bescheid vom 31. Juli 1990 wies die ABB diese Minderheitsbeschwerden gemäß § 51 Abs. 2 FLG als unbegründet ab und begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß mit Bescheid der ABB vom 24. April 1985 bezüglich des Gemeinschaftsbesitzes "K und G" das Verfahren zur Regelung der gemeinschaftlichen Nutzung- und Verwaltungsrechte eingeleitet worden sei. Mit Bescheid der ABB vom 17. Dezember 1986 bzw. mit Erkenntnis des LAS vom 22. Februar 1988 seien vorläufige Nutzungs- und Verwaltungsbestimmungen für Dauer des Regulierungsverfahrens erlassen worden, welche jedoch bezüglich der Verwertung der beiden Eigenjagden "G" und "K" keine gesonderten Bestimmungen vorsehen, weshalb die Vollversammlung der MP aufgrund der geltenden Satzung berechtigt sei, eine freihändige Verpachtung durchzuführen. Gemäß § 1 Abs. 2 der genannten Satzungen bezwecke die Gemeinschaft die Befriedigung der Bedürfnisse der Stammsitzliegenschaften durch bestmöglichste Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens. Dies bedeute jedoch nicht, daß bei einer Verpachtung des Jagdausübungsrechtes aus freier Hand stets der Meistbieter zu berücksichtigen wäre. Vielmehr biete eine solche der Agrargemeinschaft die Möglichkeit, Interessenten als Pächter zu wählen, von denen angenommen werden dürfe, daß sie die Jagd fachgemäß, weidgerecht und unter Beachtung der Grundsätze eines geordneten Jagdbetriebes ausüben werden (Hinweis auf § 3 des Kärntner Jagdgesetzes 1978). Die Höhe des Pachtzinses dürfe allerdings nicht unter das Niveau des ortsüblichen und angemessenen sinken, weil sonst die überstimmten Mitglieder materiell geschädigt wären. Eine Überprüfung der Erfordernisse hinsichtlich des Zustandekommens der in Beschwerde gezogenen Beschlüsse habe ergeben, daß sämtliche Bestimmungen der geltenden Verwaltungssatzungen eingehalten worden seien, sodaß sich die Behörde auf die Überprüfung der Angemessenheit sowie Ortsüblichkeit des Pachtschillings konzentrieren habe können. Der angestellte Vergleich mit den umliegenden, vergleichbaren Eigenjagden habe einen durchschnittlichen Jahrespachtschillig pro Hektar von S 66,13 ergeben. Das mehrheitlich angenommene Anbot des H. L. von S 90.000,-- für die Eigenjagd "G" ergebe einen Hektarsatz von S 61,47. Dieser Preis erscheine - wenn auch unter dem Durchschnittspreis der vergleichbaren Eigenjagden - durchaus als ortsüblich und angemessen, zumal dieses Jagdgebiet zu ca. 30 % aus Gletschern und Felsen und daher in diesem Teil als jagdlich eher unproduktiv anzusehen sei. Für das Eigenjagdgebiet "K" errechne sich der Hektarsatz bei einem Pachtschilling von S 50.000,-- mit S 75,87; dies entspreche jedenfalls den Anforderungen der Ortsüblichkeit und Angemessenheit in dieser Gegend.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 AgrVG als unbegründet ab. Hiezu führte die belangte Behörde nach Darstellung des § 51 FLG - auf das wesentliche zusammengefaßt - aus, § 1 Abs. 2 der Organisationsnormen der MP, dem zufolge die Gemeinschaft für die Befriedigung der Bedürfnisse der Stammsitzliegenschaften durch bestmöglichste Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens zu sorgen habe, sei nicht so zu interpretieren, daß bei der Verpachtung des Jagdausübungsrechtes aus freier Hand der Meistbieter Berücksichtigung finden müsse. Vielmehr sei in diesem Fall der Agrargemeinschaft jener Spielraum eingeräumt, welcher vonnöten sei, um den jeweiligen Vertragspartner unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortlichkeit von Agrargemeinschaften frei wählen zu können. Es sei im wesentlichen von einer Autonomie der Agrargemeinschaft als selbständigem Wirtschaftskörper auszugehen, welcher berechtigt sei, über agrargemeinschaftliches Vermögen eigenverantwortlich Dispositionen zu treffen. Gerade die Auswahl eines Pächters für das Eigenjagdgebiet einer Agrargemeinschaft sei als wesentlicher Bestandteil dieser wirtschaftlichen Autonomie der MP durch deren zu ihrer Willensbildung berufene Organe, unbeschadet der Vorschriften des Kärntner Jagdgesetzes über Jagdverpachtung, anzusehen. Der Autonomie einer Agrargemeinschaft seien die Grenzen dadurch vorgegeben, daß als formelles Erfordernis für die Rechtswirksamkeit von Beschlüssen deren satzungsgemäßes Zustandekommen, als materielles Erfordernis aber deren Gesetzmäßigkeit zu gelten habe. Beide unabdingbaren Voraussetzungen seien durch den gegenständlichen Vollversammlungsbeschluß der MP erfüllt. Auch eine Überprüfung jener Argumente der ABB, mit welchen diese die Angemessenheit und Ortsüblichkeit des Jagdpachtschillings durchaus nahvollziehbar dargelegt habe, mache ersichtlich, daß die für die gegenständlichen Eigenjagdgebiete erzielten Hektarsätze als ortsüblich anzusehen seien. Lediglich ein vorsätzlich gegen die Interessen der Agrargemeinschaft ausgeübtes Stimmverhalten der Mehrheit der Agrargemeinschaftsmitglieder sei geeignet, die Agrarbehörde zu einem aufsichtsbehördlichen Einschreiten zu veranlassen. Den überzeugenden Aussagen des Obmannes der MP in der Verhandlung vor der belangten Behörde vom 15. Oktober 1990 zufolge seien die Motive für die Verpachtung der gegenständlichen Eigenjagdgebiete an G. F. bzw. H. L. trotz des Vorliegens wesentlich höherer Gebote darin gelegen, daß mit den bisherigen Pächtern gute Erfahrungen gemacht worden seien, viele Flächen des Eigenjagdgebietes der gegenständlichen Agrargemeinschaft aber auch als jagdlich unproduktiv anzusehen seien, der Vollversammlungsbeschluß schließlich von der überwältigenden Mehrheit der Nachbarschaftsmitglieder getragen worden sei bzw. werde.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, es aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, daß "die belangte Behörde die im § 51 Flurverfassungs-Landesgesetz 1990 (gemeint: 1979) geregelte Überwachungspflicht der Agrarbehörden über die Agrargemeinschaften" nicht beachtet habe. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, schon die ABB habe bei der Entscheidung über die Minderheitsbeschwerde ohne Aufschlüsselung und nicht überprüfbar angeführt, daß ein Vergleich mit den umliegenden und vor allem vergleichbaren Eigenjagden einen JÄHRLICH durchschnittlichen Hektarsatz von S 66,13 des Pachtschillings ergebe. In der Berufung sei diese nicht überprüfbare Feststellung der Erstbehörde bemängelt worden. Auch die belangte Behörde habe sich jedoch mit dieser Feststellung nicht auseinandergesetzt und den übernommenen Hektarsatz nicht näher begründet, vielmehr ihre Begründung darauf beschränkt, daß die Vollversammlungsbeschlüsse der MP deshalb rechtswirksam seien, weil die formellen Voraussetzungen für das Zustandekommen der Beschlüsse und auch die Ortsüblichkeit und Angemessenheit des Jagdpachtschillings vorlägen. Die belangte Behörde hätte eine Aufschlüsselung der vergleichbaren Jagdgebiete dem Beschwerdeführer zur Kenntnis bringen müssen und sich mit den von ihm vorgelegten privaten Sachverständigengutachten auseinandersetzen müssen. Ebenso hätte die belangte Behörde aufklären müssen, warum ein Schaden von S 1,280.000,-- für die nächste Jagdperiode von der Agrargemeinschaft getragen werden müsse, nur weil die beiden Jagdreviere an H. L. und G. F. verpachtet werden, obwohl gegen die Person des mitbietenden Sch. überhaupt nichts Nachteiliges vorgebracht worden sei.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Die belangte Behörde vertritt in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses die Rechtsansicht, daß mit der Zurückziehung der Berufung der MP gegen den Bescheid der ABB vom 4. Oktober 1988 dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei und die dort getroffene Verfügung, mit welcher in Stattgebung der Beschwerden des Beschwerdeführers und der A. F. der Beschlußpunkt 3. der Vollversammlung der MP vom 4. April 1988 behoben wurde, dem Rechtsbestande angehöre und damit die Voraussetzung geschaffen worden sei, daß die MP einen neuerlichen Verpachtungsbeschluß herbeiführen könne.

Diese Auffassung verkennt, daß infolge Entscheidung der belangten Behörde über diese Berufung und die Erlassung des Erkenntnisses dieses mangels Bekämpfung in Rechtskraft erwachsen ist und sowohl die Parteien als auch die Behörden nunmehr den Inhalt dieses Erkenntnisses als maßgeblich zu betrachten haben (siehe hiezu insbesonders Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes,

5. Auflage, Rz. 465 ff). Durch die mit Erkenntnis der belangten Behörde vom 22. Mai 1989 erfolgte Behebung des Bescheides der ABB vom 4. Oktober 1989 gemäß § 66 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 1 AgrVG wurde die ABB verpflichtet, den Bescheid im aufgehobenen Umfang unter Beachtung der im aufhebenden Bescheid geäußerten Rechtsansicht nach Durchführung einer Verhandlung neu zu erlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. April 1986, Zl. 84/07/0134), solange nicht die gegen den Vollversammlungsbeschluß der MP vom 4. April 1988 erhobenen Minderheitsbeschwerden zurückgezogen worden sind. Dies ist jedoch nicht aktenkundig.

Gemäß § 8 lit. b der - unstrittig - in Geltung stehenden Satzungen der Agrargemeinschaft der MP gehört zum Wirkungskreis der Vollversammlung u.a. die Beschlußfassung über Veräußerung, Verpachtung und Belastung des Gemeinschaftsvermögens. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 93/07/0122, näher dargelegt hat, kann die Vollversammlung einer Agrargemeinschaft einmal gefaßte Beschlüsse bei Einhaltung der formellen und inhaltlichen gesetzlichen und satzungsgemäßen Voraussetzungen auch abändern. Dies bedeutet, daß trotz anhängigem Verfahren über die Minderheitsbeschwerden des Beschwerdeführers und der A. F. vor der ABB die Vollversammlung der MP in der gleichen Sache einen neuerlichen Beschluß fassen durfte.

Gemäß § 51 Abs. 1 FLG hat die Behörde die Agrargemeinschaften, gleichgültig ob eine Regelung der gemeinschaftlichen Nutzungs- und Verwaltungsrechte stattgefunden hat oder nicht, insbesondere bezüglich der Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen, der Einhaltung eines allfälligen endgültigen oder vorläufigen Regelungsplanes, bezüglich der Bewirtschaftung der gemeinschaftlichen Grundstücke und bezüglich der Verwaltung sowie allenfalls der Ausführung und Erhaltung der gemeinsamen wirtschaftlichen Anlagen zu überwachen. Gemäß § 51 Abs. 2 leg. cit. entscheidet über Streitigkeiten, die zwischen den Mitgliedern einer Agrargemeinschaft untereinander oder mit dem gemeinsamen Verwalter oder zwischen einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und ihren Organen oder Mitgliedern aus dem Gemeinschaftsverhältnis entstehen, die Behörde.

Die MP ist aufgrund des Regulierungsplanes der ABB vom 10. Dezember 1929 als selbständiges "Rechtsobjekt" eingerichtet (§ 1 Z. 3 der einen Bestandteil des vorzitierten Regulierungsplanes bildenden Satzungen der MP). Gemäß § 1 Z. 2 der Satzungen der MP bezweckt die Gemeinschaft die Befriedigung der Bedürfnisse der Stammsitzliegenschaften durch bestmöglichste Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens. Gemäß § 7 Abs. 1 faßt die Vollversammlung ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit. Die Stimmen der Mitglieder werden nach ihren Anteilsrechten berechnet. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Gemäß § 7 Z. 5 dieser Satzungen können gegen Mehrheitsbeschlüsse die überstimmten Mitglieder aus triftigen Gründen binnen 8 Tagen bei der Agrarbezirksbehörde Beschwerde führen, müssen sich aber dem instanzenmäßigen Ausspruche der Behörde fügen.

Der aus der Verpachtung der in Rede stehenden Eigenjagden der MP aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses der Vollversammlung entstehende Streit mit den in der Minderheit gebliebenen Mitgliedern der Agrargemeinschaft stellt sich als Streitigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 FLG dar (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1978, Slg. N.F. Nr. 9494/A). Aufgrund der Minderheitsbeschwerde des Beschwerdeführers hatte daher die ABB zu prüfen, ob der von der MP gefaßte Beschluß betreffend die Verpachtung der Eigenjagden entsprechend den von der Behörde wahrzunehmenden gesetzlichen Bestimmungen erfolgt war. Die Auswahl des Pächters einer Eigenjagd unterliegt der Autonomie der MP durch deren zu ihrer Willensbildung berufenes Organ, dies unbeschadet der Vorschriften des Kärntner Jagdgesetzes 1978, LGBl. Nr. 76 (vgl. §§ 16 bis 23) über die Jagdverpachtung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Jänner 1983, Slg. N.F. Nr. 10.940/A). Eine Minderheitsbeschwerde im Sinne des § 51 Abs. 2 FLG kann daher nur Erfolg haben, wenn sie einen Verstoß des Vollversammlungsbeschlusses vom 1. April 1990 über die Verpachtung der Eigenjagden gegen gesetzliche Bestimmungen oder gegen die Verwaltungssatzungen aufzuzeigen vermag.

Die aufgrund § 8 der Satzungen der MP von deren Vollversammlung beschlossene Verpachtung der Eigenjagden hat sich an dem im § 1 Z. 2 dieser Satzungen festgeschriebenen Zweck der "Befriedigung der Bedürfnisse der Stammsitzliegenschaften und bestmöglichste Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens" zu orientieren (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1990, Zl. 90/07/0049). Ob der Vollversammlungsbeschluß dieser satzungsmäßig verankerten Verpflichtung entsprochen hat, ist von der Agrarbehörde im Rahmen ihrer im § 51 Abs. 1 FLG normierten Überwachungspflicht, insbesonders bei Streitigkeiten zwischen der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern aus dem Gemeinschaftsverhältnis gemäß § 51 Abs. 2 FLG zu prüfen.

Die belangte Behörde führt im Anschluß an die von der ABB vertretene Rechtsansicht zwar richtig aus, daß ein Einspruch gegen einen Vollversammlungsbeschluß einer Agrargemeinschaft betreffend die Verpachtung einer Eigenjagd erfolgreich nur aufzeigen kann, daß dieser Beschluß nicht ordnungsgemäß, d.h. entsprechend den Bestimmungen der Satzungen und des Gesetzes zustandegekommen ist (formeller Mangel) oder daß dieser Beschluß gegen das Gesetz oder die Satzungen verstößt (inhaltlicher Mangel; vgl. hiezu die zur vergleichbaren Rechtslage des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 30. September 1980, Slg. N.F. Nr. 10.243/A und vom 30. März 1992, Zl. 81/07/0229), kommt jedoch zu den falschen Schlußfolgerungen. Um beurteilen zu können, ob mit dem bekämpften Vollversammlungsbeschluß der MP eine "bestmöglichste Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens" erreicht wird, reicht es zur Begründung, warum die Eigenjagd nicht dem Meistbieter zugesprochen wurde, nicht hin, auf die Autonomie der Agrargemeinschaft als eines selbständigen Wirtschaftskörpers, auf vergleichbare Jagdgebiete und die guten Erfahrungen mit den bisherigen Pächtern zu verweisen. Vielmehr bedarf es weiterer Feststellungen darüber, warum eine Verpachtung an die Meistbietenden nicht erfolgte und den ausgewählten Pächtern gegenüber den Meistbietenden der Vorzug gegeben wurde, weil ein - im Vergleich zu den von der Mehrheit der Vollversammlung der MP ausgewählten Pächtern gebotener - so außergewöhnlich hoher Pachtschilling, wie vom Bestbieter angeboten, den im § 1 Z. 2 der Satzung der MP normierten Zweck der "bestmöglichsten Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens" zumindest in einer Richtung indiziert. Gründe, die gegen den Bestbieter sprechen, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Die Ortsüblichkeit des gebotenen Pachtschillings weist zwar auf die Beachtung des Normzwecks des § 1 Z. 2 der vorgenannten Satzung durch die Vollversammlung der MP hin, bietet jedoch allein keine ausreichende Begründung dafür, daß damit den genannten Satzungsbestimmungen Genüge getan wurde. Wäre nicht einmal Ortsüblichkeit des Pachtschillings - wie in der Beschwerde ausgeführt - gegeben, läge darin ein zusätzlicher entscheidungswesentlicher Mangel des angefochtenen Erkenntnisses. Die in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses festgehaltenen Erwägungen für die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Verpachtung der in Rede stehenden Eigenjagden durch die Vollversammlung der MP reichen nicht aus, um zu dem aus dem Spruch der belangten Behörde ersichtlichen Urteil zu gelangen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihr Erkenntnis mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesonders auf deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den über das gesetzliche Ausmaß verzeichneten Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Verhältnis zu anderen Normen Materien Bodenreform

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1990070175.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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