Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des S in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 24. August 1993, Zl. IV Fr-1960-1/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (der belangten Behörde) vom 24. August 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen tunesischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer habe seit dem Jahr 1986 bis in die jüngste Vergangenheit zwölf Verwaltungsübertretungen, vornehmlich nach der StVO und dem KFG, sowie drei gerichtlich zu ahndende strafbare Handlungen begangen. Die Häufigkeit der Gesetzesverletzungen lasse eine Neigung des Beschwerdeführers zu rechtswidrigem Verhalten erkennen. Diese Neigung werde noch dadurch unterstrichen, daß der Beschwerdeführer, obwohl ihm im Feber 1988 von der Bundespolizeidirektion Villach für den Fall weiterer Übertretungen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes angedroht worden sei, sich auch danach weitere einschlägige Gesetzesverstöße habe zuschulden kommen lassen, wobei als besonders gravierend die Vergehen nach dem Suchtgiftgesetz (Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27. März 1990 wegen § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 SGG) zu werten seien. Angesichts dessen sei die Annahme gerechtfertigt, daß der weitere Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 FrG).
Der Beschwerdeführer sei unverheiratet und alleinstehend. Demnach würde durch das Aufenthaltsverbot kein relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben erfolgen. Es brauche daher nicht geprüft zu werden, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes i.S. des § 19 FrG dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer halte sich seit 1983 in Österreich auf und sei als Pizzakoch und Kellner tätig; er habe somit zweifellos Bindungen zu Österreich. Familiäre Bindungen des Beschwerdeführers existierten nicht. Trotz des verhältnismäßig langen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet falle die Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG zu seinen Ungunsten aus. Im Hinblick auf die durch die zahlreichen Übertretungen zum Ausdruck gekommene Ignoranz des Beschwerdeführers gegenüber der österreichischen Rechtsordnung sowie darauf, daß auch die Androhung eines Aufenthaltsverbotes im Feber 1988 den Beschwerdeführer nicht von weiteren Straftaten habe abhalten können, seien die privaten Interessen des Beschwerdeführers den gegenläufigen öffentlichen Interessen unterzuordnen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei sohin auch zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1, des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG lauten:
§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist.
§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 Abs. 1 leg. cit.) zu stützen, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1993, Zlen. 93/18/0283, 0284).
3. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die belangte Behörde von der Begehung zahlreicher Verwaltungsübertretungen (aus den Jahren 1986 bis 1992) sowie mehrerer gerichtlich strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer aus. Diese maßgeblichen Tatsachenfeststellungen blieben in der Beschwerde unbestritten. Mit Recht gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß die Vielzahl von Gesetzesverstößen, die zum Teil als von erheblichem Gewicht zu werten sind - wie etwa die Übertretung nach § 5 StVO im Jahr 1987 und die Vergehen nach dem Suchtgiftgesetz in den Jahren 1988 und 1989 -, und die damit deutlich zum Ausdruck gebrachte negative Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber der österreichischen Rechtsordnung (eine Einstellung, die durch die Begehung weiterer Straftaten trotz der behördlichen Androhung eines Aufenthaltsverbotes bei neuerlichen Gesetzesverletzungen zweifelsohne noch unterstrichen wird) ein Verhalten darstelle, das in seiner Gesamtheit die Annahme nach § 18 Abs. 1 FrG rechtfertige.
Der davon abweichenden Ansicht des Beschwerdeführers, die er damit zu begründen versucht, daß es sich durchwegs um Verstöße "geringerer Natur" handle, und auch die Verfehlung nach dem Suchtgiftgesetz im Hinblick auf die bedingte Freiheitsstrafe keine schwere sei, vermag der Gerichtshof nicht beizupflichten. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung kann die von alkoholisierten Kfz-Lenkern ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit nicht hoch genug veranschlagt werden. Gleiches gilt für die mit der Suchtgiftkriminalität verbundene Gefahr. Daß der Beschwerdeführer wegen seiner Vergehen nach dem Suchtgiftgesetz lediglich zu einer bedingten Freiheitsstrafe (von drei Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren) verurteilt wurde, ist im gegebenen Zusammenhang rechtlich unerheblich, da bei der Beurteilung, ob ein dem § 18 Abs. 1 FrG "direkt" subsumierbares Gesamt(fehl)verhalten vorliegt, nicht auf die Verurteilung als solche, sondern das dieser zugrunde liegende Tatverhalten abzustellen ist. Letzteres aber läßt keinen Zweifel an der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers, hat dieser doch während eines langen Zeitraumes Suchtgift nicht nur für den Eigenbedarf erworben, sondern es auch an einen Minderjährigen zum Konsum überlassen (vgl. die im Verwaltungsakt erliegende gekürzte Urteilsausfertigung vom 27. März 1990).
4. Wenngleich der Beschwerde zuzugestehen ist, daß - entgegen der insoweit verfehlten Ansicht der belangten Behörde - das Aufenthaltsverbot im Hinblick auf den bereits zehnjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und der damit verbundenen Integration einen relevanten Eingriff in sein Privatleben i.S. des § 19 FrG bedeuten würde, ist damit im Ergebnis für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Dies deshalb, weil aus dem Grunde der bereits dargelegten Gefährlichkeit des nach dem Suchtgiftgesetz geahndeten Verhaltens des Beschwerdeführers für die Gesundheit anderer Menschen (vgl. Art. 8 Abs. 2 MRK) die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 19 FrG als dringend geboten anzusehen ist.
5.1. Die Beschwerde hält auch die im angefochtenen Bescheid gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig. Sie verweist dazu auf den zehnjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie darauf, daß er zu seinem Heimatland Tunesien keine Beziehungen mehr habe und seine Existenz (Ablegung der Konzessionsprüfung für das Gastgewerbe) in Österreich begründet habe.
5.2. Die belangte Behörde traf die unwidersprochen gebliebene Feststellung, daß der Beschwerdeführer unverheiratet und alleinstehend sei und zog daraus den unbedenklichen Schluß, daß er keine familiären Bindungen habe. Die belangte Behörde hielt des weiteren fest, daß der Beschwerdeführer seit 1983 in Österreich lebe, hier arbeite und die Konzessionsprüfung für das Gastgewerbe abgelegt habe. Sie gewichtete den damit gegebenen langen Aufenthalt und die daraus sowie aus seiner beruflichen Tätigkeit resultierende Integration des Beschwerdeführers erkennbar nicht gering. Wenn sie dennoch zu dem Ergebnis gelangte, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, so kann darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden. Denn zum einen drängt das in der Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität begründete große öffentliche Interesse, den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu untersagen, das gegenläufige, durch die vorerwähnten Umstände konstituierte private Interesse des Beschwerdeführers in den Hintergrund. Zum anderen ist im vorliegenden Zusammenhang die im bekämpften Bescheid festgestellte Tatsache der behördlichen Androhung der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Feber 1988 für den Fall weiterer Straftaten von Bedeutung, und zwar insofern, als sich der Beschwerdeführer durch diese Androhung, die ihm den Ernst seiner Lage wohl deutlich vor Augen geführt hatte, nicht davon abhalten ließ, weitere strafbare Handlungen, darunter die mehrfach erwähnten Verstöße gegen das Suchtgiftgesetz, zu begehen und solcherart seine Neigung zur Mißachtung der Rechtsordnung klar zum Ausdruck zu bringen. Die belangte Behörde bejahte demnach mit Recht die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG.
6. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Normen und MaterienEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180492.X00Im RIS seit
12.06.2001