Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §51a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der I in K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G in K, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 7. Mai 1992, Zl. 2/14-4/1992, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 23. Dezember 1991 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe sich am 4. August 1991 um 22.45 Uhr in Kitzbühel an einem näher bezeichneten Ort geweigert, ihre Atemluft durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet habe werden können, daß sie am 4. August 1991 um 22.15 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand auf einem näher bezeichneten öffentlichen Parkplatz gelenkt habe. Sie habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 leg. cit. begangen, weshalb über sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 12.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Gemäß § 5 Abs. 9 StVO 1960 wurden der Beschwerdeführerin die "Kosten des Alkotestes von S 10,--" zur Zahlung vorgeschrieben.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 1992 wurde der von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Berufung nicht Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die von der Erstbehörde gemäß § 5 Abs. 9 StVO 1960 vorgeschriebenen Kosten für die Durchführung des Alkotestes in der Höhe von S 10,-- zu entfallen hätten. Ferner wurde ausgesprochen, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 3 VStG in Verbindung mit § 76 AVG die mit S 774,-- bestimmten Barauslagen (Fahrtkosten des Zeugen W) zu ersetzen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist im Beschwerdefall die Zurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin. Diese wurde von der belangten Behörde auf Grund der Aussagen der vernommenen Zeugen und des Gutachtens der Amtssachverständigen bejaht, weil die Beschwerdeführerin gezielte Antworten gegeben und gezielte Handlungen gesetzt habe. Der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Tablettenkonsum in der geltend gemachten Menge sei nicht nachvollziehbar und unglaubwürdig. Die von den Zeugen geschilderte Verwirrtheit und das zum Teil sinnlose Verhalten der Beschwerdeführerin deute nicht zwingend auf einen Zustand nach § 3 Abs. 1 VStG hin.
Die Beschwerdeführerin wendet demgegenüber ein, daß sich auf Grund der Zeugenaussagen, insbesondere auch der Gendarmeriebeamten, ergebe, daß die Beschwerdeführerin nicht zurechnungsfähig gewesen sei. Sie habe beim Aussteigen aus dem Fahrzeug gestützt werden müssen, einer der Gendarmeriebeamten habe ausgesagt, daß es möglich sei, daß sie deren Fragen nicht richtig verstanden habe, ein anderer Zeuge habe ausgeführt, daß er den Eindruck gehabt habe, daß die Beschwerdeführerin "nicht ganz da war". Hinzutrete, daß die Beschwerdeführerin bereits bei der ersten Amtshandlung darauf aufmerksam gemacht habe, daß sie unter starkem Medikamenteneinfluß stehe. Die Amtssachverständige habe die Frage nach der Dispositionsfähigkeit der Beschwerdeführerin unbeantwortet gelassen, sodaß ein weiterer Gutachter aus dem Bereiche der Psychiatrie hätte beigezogen werden müssen.
Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten. Hiebei ist insbesondere auch auf die Aussage des Zeugen W vor der belangten Behörde zu verweisen, der wohl angab, daß er den Eindruck gehabt habe, daß die Beschwerdeführerin "nicht ganz da" gewesen sei, aus der sich aber andererseits ergibt, daß die Beschwerdeführerin sehr wohl situationsgerecht Handlungen setzte und Antworten gab. Er kam nach dem von der Beschwerdeführerin an seinem Fahrzeug verursachten Unfall hinzu und fragte sie, ob sie Führerschein und Zulassungsschein habe, worauf sie im Fahrzeug nachgesehen habe und darauf die Frage des Zeugen verneinte. Weiters sagte sie zu ihm, er solle "die Gendarmen nicht holen, wir brauchten sie nicht". Gleiches geht aus der Aussage der Zeugin T hervor. Die herbeigerufenen Gendarmeriebeamten sagten aus, daß die Beschwerdeführerin wohl "relativ wirr geredet" habe (Zeuge F) und daß sie beim Aussteigen aus ihrem Fahrzeug gestützt werden mußte (Zeugen F und H), sie jedoch zum Unfallsgeschehen befragt angegeben habe, daß sie mit ihrem Pkw "rückwärts" gefahren sei und als sie reversieren habe wollen, ein Pkw quergestanden sei, auf den sie aufgefahren sei (Zeuge H). Es habe sie daraufhin der Zeuge F aufgefordert, einen Alkotest vorzunehmen (Zeuge H), den sie aber mit der Angabe verweigert habe, daß sie den ganzen Tag keinen Alkohol zu sich genommen habe (Zeuge F). Ferner wies sie beiden Gendarmeriebeamten gegenüber auch auf einen vorangegangenen Tablettenkonsum hin. Diesen Aussagen vermochte die Beschwerdeführerin nichts Stichhältiges entgegenzusetzen. Es kann daher nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde - gestützt auch auf das Gutachten der Amtssachverständigen, die die Angaben der Beschwerdeführerin über ihren angeblichen Tablettenkonsum berücksichtigte und die entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch zu der bei dieser gegebenen Dispositionsfähigkeit (wenngleich auch die Fahrtüchtigkeit verneint wurde) Stellung bezog - die Zurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin bejahte. Daß die Beschwerdeführerin teilweise ein verwirrtes Verhalten an den Tag legte und daß sie die eine oder andere Frage nicht richtig verstand, rechtfertigt noch nicht den Schluß auf eine mangelnde Zurechnungsfähigkeit. Die Aktenlage läßt keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür erkennen, daß die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Aufforderung zum Alkotest nicht fähig gewesen wäre, diese Aufforderung auch zu verstehen. Mit Recht wies die belangte Behörde auf das situationsangepaßte Verhalten der Beschwerdeführerin hin und nahm im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1993, Zl. 93/03/0030, und Zl. 93/03/0044, je mit weiteren Judikaturhinweisen) ohne Rechtsirrtum von der Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachbereich Psychiatrie Abstand.
Die Beschwerdeführerin erblickt ferner eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, weil die belangte Behörde nicht präzisiert habe, durch wen die Aufforderung zur Durchführung der Atemalkoholuntersuchung an sie ergangen sei. Dem ist zu entgegnen, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides wohl von einer Aufforderung "durch die Beamten" sprach, daß aber dennoch auf Grund der von der Beschwerdeführerin diesbezüglich nicht bestrittenen Aussage des Zeugen H hervorgeht, daß sie vom Meldungsleger F, der sie auch über die Folgen der Verweigerung belehrte, zum Alkotest aufgefordert worden ist. Aus dem angeführten Argument ist somit für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts gewonnen, abgesehen davon, daß sie dessen Relevanz nicht aufzeigt, zumal sie nicht behauptet, daß KEINE Aufforderung an sie ergangen wäre.
Insofern mit dem angefochtenen Bescheid durch die belangte Behörde - zugunsten der Beschwerdeführerin - die Kostenvorschreibung von S 10,-- für die Durchführung des Alkotestes beseitigt wurde und die Beschwerdeführerin hiezu die Frage aufwirft, ob dies in Form einer "Maßgabebestätigung" zulässig wäre, läßt die Beschwerdeführerin ein Rechtsschutzbedürfnis nicht erkennen.
Ferner bekämpft die Beschwerdeführerin die ihr auferlegte Verpflichtung zum Barauslagenersatz, weil "Herrn L" seine Zeugengebühr nachträglich bekanntgegeben hätte, wodurch der Beschwerdeführerin das Recht genommen worden sei, hiezu Stellung nehmen zu können, und die Zeugengebühr gesondert in einem Bescheid hätte bestimmt werden müssen. Es sei auch nicht dargelegt worden, ob die Barauslagen der Behörde tatsächlich als Auslagen bereits erwachsen seien. Dem ist zu erwidern, daß es hier nicht um Zeugengebühren eines "L" geht, sondern - wie aus der Begründung des angefochtenen Bescheides erkennbar - um die Fahrtkosten des Zeugen W. Dieser Zeuge machte seine Gebühren unmittelbar in Gegenwart des Vertreters der Beschwerdeführerin bei der abgehaltenen Verhandlung vor der belangten Behörde am 7. Mai 1992 geltend und es wurden ihm - laut Niederschrift - die Gebühren sofort bestimmt sowie "zugestanden", letzteres offensichtlich - gemäß § 51a Abs. 1 vorletzter Satz AVG - durch den Vorsitzenden. Der Vertreter der Beschwerdeführerin erklärte sich damit ausdrücklich einverstanden. Einer schriftlichen Ausfertigung dieses - nicht unter die nach der Systematik des Gesetzes nur für die Entscheidung in der Sache selbst geltende Regelung des § 67g AVG fallenden - Bescheides bedurfte es im Grunde des § 62 Abs. 3 AVG (§ 24 VStG) nicht. Gegen die Zulässigkeit der Vorgangsweise der belangten Behörde, diese Gebühren als Barauslagen im Sinne des § 76 AVG der Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 3 VStG zum Ersatz aufzulegen, bestehen keine Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1994, Zlen. 94/03/0001, 0010, mit weiteren Literaturhinweisen). Im übrigen werden von der Beschwerdeführerin auch in der Beschwerde keine konkreten Einwände gegen die Höhe der Zeugengebühr erhoben.
Aber auch ihrer Rüge in Hinsicht auf die Strafbemessung ist im Ergebnis kein Erfolg beschieden: Die Beschwerdeführerin gab an, sie sei Lehrerin und verdiene monatlich netto S 4.500,--, habe kein Vermögen und keine Sorgepflichten. Insoweit die Beschwerdeführerin im Hinblick auf eine "Bewußtseinsstörung" einen Milderungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 VStG heranzuziehen trachtet, ist ihr zu entgegnen, daß sich aus dem festgestellten Sachverhalt für eine Minderung der Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 VStG keine Anhaltspunkte ergeben. Vor dem Hintergrund der Schwere der Tat und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die verhängte Strafe ohnedies im unteren Bereich der Strafdrohung des § 99 Abs. 1 StVO 1960 gelegen ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof auch bei den von der Beschwerdeführerin angegebenen unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde das ihr gemäß § 19 VStG eingeräumte Ermessen bei Festsetzung der Strafe rechtswidrig ausgeübt habe.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, wobei auch auf Art. III dieser Verordnung Bedacht zu nehmen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992030158.X00Im RIS seit
20.11.2000