TE Vwgh Beschluss 1994/7/4 AW 94/12/0008

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Veröffentlicht am 04.07.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §38;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Dr. E in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, der gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 25. April 1994, Zl. 311651/21-III/8/94, betreffend Versetzung, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin, die Leiterin der XY-Anstalt Z war, gemäß § 38 BDG 1979 mit Wirkung vom 1. Mai 1994 zur XY-Anstalt S versetzt.

Nach der ausführlichen Begründung dieses Bescheides geht die Versetzung der Beschwerdeführerin auf angeblich gravierende Mängel der Beschwerdeführerin in der Führung der XY-Anstalt Z, die im Zusammenhang mit der Untersuchung der Vollzugspraxis beim "Fall H" aufgetaucht sein sollen, zurück.

In der dagegen erhobenen Beschwerde bringt die Antragstellerin im wesentlichen vor, am sofortigen Vollzug ihrer Versetzung bestehe kein zwingendes öffentliches Interesse, weil ein solches nur bei einem im besonderen Maße schützenswerten Rechtsgut gegeben wäre (z.B. Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit im Straßenverkehr, ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Energie oder Wasser, ordnungsgemäße Entsorgung von Müll, Vorliegen einer konkreten Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen).

Die belangte Behörde beantragte in der vom Verwaltungsgerichtshof eingeholten Stellungnahme hiezu die Abweisung des Antrages, weil zwingende öffentliche Interessen der Aufschiebung der Versetzung entgegenstünden. Der angefochtene Versetzungsbescheid beruhe auf den Ergebnissen einer Überprüfung der in der XY-Anstalt Z und in verwandten Anstalten gewährten Freiheitsmaßnahmen durch eine Arbeitsgruppe der belangten Behörde. Anlaß der Einsetzung dieser Arbeitsgruppe und der Überprüfung sei die grausame Ermordung eines 13-jährigen Buben (aller Wahrscheinlichkeit nach) durch den in der XY-Anstalt Z untergebrachten, wegen gefährlicher Drohung, versuchter Notzucht (am späteren Mordopfer) und Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilten H während eines Freiganges gewesen. Der Abschlußbericht dieser Arbeitsgruppe habe aufgezeigt, daß die Antragstellerin als Leiterin der XY-Anstalt Z unter dem vorherrschenden Blickwinkel therapeutischer Maßnahmen den in dieser Anstalt Untergebrachten Vollzugslockerungen in einem weit überzogenen Ausmaß gewährt habe, ohne gleichzeitig die den gewährten Freiheiten entsprechenden Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen zu setzen. Die belangte Behörde sei auf Grund der stattgefundenen Untersuchung zur Überzeugung gelangt, daß diese fehlgegangene Entwicklung des Straf- und Maßnahmenvollzuges eine Neuorganisation des Vollzugssystems der XY-Anstalt Z erforderlich mache und daß die Anstalt dabei einer neuen Leitung unterstellt werden müsse, weil bei der von der Antragstellerin gezeigten Grundeinstellung die Herstellung einer der Verantwortung der Justizverwaltung für einen ordnungsgemäßen Straf- und Maßnahmenvollzug Rechnung tragenden Vollzugspraxis nicht erwartet werden könne. Es wird dann in der Stellungnahme weiters auf die Einleitung eines Disziplinarverfahrens mit einer Reihe von Anschuldigungen (wird näher ausgeführt) verwiesen. Die belangte Behörde führt dann weiter in ihrer Stellungnahme aus, die "Affäre H" habe in der Öffentlichkeit beträchtliches Aufsehen erregt und Kritik am Strafvollzug ausgelöst. Die XY-Anstalt Z sei infolge des dort angehaltenen psychisch auffälligen Häftlingspotentials eine der sensibelsten und schwierigsten XY-Anstalten Österreichs. Die unter der Leitung der Antragstellerin fehlgegangene Entwicklung des Strafvollzuges in dieser Anstalt sei ein konkreter Mißstand, den die Justizverwaltung zu beseitigen habe. Dies begründe das zwingende öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung des Versetzungsbescheides in die Wirklichkeit. Es gelte nun, eine vernünftige Vollzugspraxis wiederherzustellen, die einerseits einen modernen, menschlichen und liberalen Strafvollzug ermögliche und andererseits den berechtigten Bedürfnissen der Bevölkerung nach Schutz und Sicherheit Rechnung trage. Dazu bedürfe aber die XY-Anstalt Z sowohl im Interesse der dort Untergebrachten als auch im Interesse des dort tätigen Personals einer neuen Führung. In diesem Sinne habe die belangte Behörde den Leiter der XY-Anstalt F der XY-Anstalt Z zur vorübergehenden Wahrnehmung der Leitungsaufgaben dieser Anstalt zugeteilt und ihn mit der Ausarbeitung eines neuen Vollzugskonzeptes beauftragt. Eine Rückkehr der bisherigen Anstaltsleiterin während der Dauer des anhängigen Beschwerdeverfahrens über die Versetzung in ihre Leitungsfunktion würde die Intentionen der Justizverwaltung nach Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Straf- und Maßnahmenvollzuges in dieser Anstalt beeinträchtigen, in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, daß die Justizverwaltung auf Fehlleistungen nicht reagiere, und, da es nicht möglich sei, die Tätigkeit des Anstaltsleiters laufend zu überwachen, in Anbetracht der bisherigen Vorgangsweise der Antragstellerin wohl auch ein Sicherheitsrisiko bedeuten.

Auf Grund ausdrücklichen Ersuchens der Beschwerdeführerin wurde ihr Gelegenheit zu einer weiteren Stellungnahme gegeben, in der sie im wesentlichen geltend machte:

1.

Der in der Stellungnahme der belangten Behörde erwähnte Einleitungsbeschluß sei unter Zl. 94/09/0144 beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft und werde mit Sicherheit wegen Verjährung aufzuheben sein.

2.

Es handle sich bei ihrer Versetzung nicht um einen besonders gravierenden Fall, aus dem sich eine konkrete Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen ergebe.

3.

Die Antragstellerin setzt sich weiters gegen den Vorwurf der Gewährung von Vollzugslockerungen in einem weit überzogenen Ausmaß zur Wehr. Sie meint, selbst wenn sie gesetzwidrig gehandelt haben sollte, habe dies mit der Frage der aufschiebenden Wirkung nichts zu tun. Die belangte Behörde könne ja konkrete Weisungen erteilen, denen sie als Amtsleiter nachzukommen habe und wohl auch nachkommen werde. Da nach Ansicht der belangten Behörde nach dem bedauerlichen Vorfall H der Strafvollzug umgestaltet werden solle, könne sie nicht einsehen, warum dies zu ihren Lasten geschehen solle. Die belangte Behörde sei die längste Zeit über die Art ihrer Anstaltsführung informiert gewesen und habe "kein Haar in der Suppe" gefunden. Lediglich die Aufregung in den Medien habe den nunmehrigen Handlungsbedarf ausgelöst. Die Ursache des Falles H sei nicht in der Person oder in der Art der Amtsführung des Amtsleiters Z gelegen gewesen, sondern in der krassen diagnostischen Fehleinschätzung des Gefangenen. Der Hauptverantwortliche Doz. Dr. B sei aber in eine internationale Expertenkommission berufen worden. Demgegenüber werde der Antragstellerin faktisch das angelastet, was andere Personen aus welchen Gründen auch immer zu verantworten hätten.

Die Antragstellerin legte weiters ein Schreiben an den Leiter der Dienstbehörde bei, in dem sie weitere schwerwiegende Vorwürfe insbesondere gegen den Leiter der Strafvollzugsektion im Bundesministerium erhob und dessen mangelhafte Dienstaufsicht kritisierte.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG kommt den Beschwerden eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Anspruch auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat ein Beschwerdeführer demnach nur dann, wenn beide im § 30 Abs. 2 VwGG angeführten Voraussetzungen vorliegen. Auf die Regelung der aufschiebenden Wirkung in den Verwaltungsvorschriften, die für das dem angefochtenen Bescheid vorangehende Verwaltungsverfahren gelten, insbesondere darauf, ob in diesem Verwaltungsverfahren überhaupt die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung in Betracht kommt oder nicht, kommt es nicht an.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen, wenn das in der Beschwerde selbst erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers nach der Aktenlage nicht von vornherein als zutreffend zu erkennen ist, weil in diesem Verfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu überprüfen ist (vgl. u.a. die Beschlüsse vom 20. Juni 1988, AW 88/12/0008, und vom 14. August 1987, Zl. AW 87/12/0010, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Der Verwaltungsgerichtshof geht im vorliegenden Provisorialverfahren weiters unter Beachtung der Rechtsprechung zur Versetzung davon aus, daß das wichtige Interesse, das eine Versetzung rechtfertigen kann, auch nur im Interesse am Abziehen eines Bediensteten von einer bestimmten Postion gelegen sein kann, ohne daß das Interesse an der erfolgten Zuweisung geprüft werden muß (vgl. in diesem Sinne beispielsweise Erkenntnis vom 29. Juli 1992, Zl. 91/12/0236, mit weiterer Rechtsprechung). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einer Versetzung zum Ausdruck gebracht, daß die Behörde ihre dienstlichen Maßnahmen nicht vorrangig an den Interessen des Bediensteten, sondern an den Interessen des Dienstes zu orientieren hat (vgl. Erkenntnis vom 22. Jänner 1987, Slg. N. F. Nr. 12.383/A).

Die belangte Behörde sieht das zwingende öffentliche Interesse nach der Begründung des angefochtenen Bescheides und nach ihrer Stellungnahme in der Notwendigkeit einer Neuorganisation des Strafvollzuges in der XY-Anstalt Z unter einer neuen Leitung. Das Vorbringen der Antragstellerin, mit dem eine Verlagerung eines allfälligen Verschuldens ihrerseits auf andere Personen versucht werde, kann die Überlegungen der belangten Behörde nicht entkräften, ist doch die Funktion eines Dienststellenleiters gerade bei dieser Strafanstalt von einer solchen Bedeutung und Verantwortung, die nicht von vornherein auf andere Organwalter abgeschoben werden darf. Wie gerade der Anlaßfall zeigt, ist entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin bei den Formen des Strafvollzuges sehr wohl eine schwerwiegende Gefährdung von wesentlichen Rechtsgütern nicht auszuschließen.

Die von der belangten Behörde aufgezeigten Umstände stellen für das vorliegende Provisorialverfahren auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zwingende öffentliche Interessen dar, die dem Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entgegenstehen. Eine Interessenabwägung im Sinne der zweiten nach § 30 Abs. 2 VwGG erforderlichen Voraussetzung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht mehr vorzunehmen (vgl. u. a. den schon genannten Beschluß vom 20. Juni 1988, Zl. AW 88/12/0008).

Schlagworte

Anspruch auf Zuerkennung Rechtzeitigkeit VfGH Begriff der aufschiebenden Wirkung Zwingende öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:AW1994120008.A00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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