Index
L37129 Benützungsabgabe Gebrauchsabgabe Wien;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der X-Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 29. April 1992, Zl. MA 64-B 66/91, betreffend Nichtigerklärung einer Bewilligung nach dem Gebrauchsabgabegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
S.K. suchte am 9. März 1990 beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 59, um die Erteilung der Bewilligung zur Aufstellung von 3 Verkaufsständen im Ausmaß von je
ca. 1,20 m x 1,20 m, einer davon für Mehlspeisen, Backwaren, Bonbons, Süßwaren und Getränke, im Bereich der Straßenbahnhaltestelle der Linien 6 und 18, schräg gegenüber dem Stationsgebäude der U4 Wien XII, Gaudenzdorfer Gürtel, an. Auf dem Antrag befindet sich ein handschriftlicher, undatierter Vermerk, daß dieser Antrag als von der Beschwerdeführerin eingereicht gelte. Der Antrag wurde der Magistratsabteilung 35 zuständigkeitshalber weitergeleitet.
Den Gegenstand der Verhandlung vom 29. Oktober 1990 bildete nur mehr ein Verkaufsstand, allerdings in der Größe 2,50 m x 1,50 m. Zu dieser Verhandlung war die Magistratsabteilung 19 nicht geladen. Die anwesenden Vertreter der Bezirksvorstehung des 12. Bezirks und der Magistratsabteilung 28 behielten sich eine Stellungnahme vor; von Seiten der Wiener Stadtwerke-Verkehrsbetriebe wurden keine Einwendungen erhoben. Der Niederschrift über diese Verhandlung ist weiters zu entnehmen, daß bis zur endgültigen Klärung die Verhandlung vertagt werde; es werde bemerkt, daß bei Vorliegen der positiven Stellungnahmen gegen die Bescheiderlassung für die Baubewilligung keine Bedenken bestünden.
Mit Bescheid vom 24. Jänner 1991 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, der Beschwerdeführerin gemäß § 1 Gebrauchsabgabegesetz 1966 und § 82 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 die Erlaubnis, den öffentlichen Grund und den darüber befindlichen Luftraum in Wien XII, Verbindungsweg zwischen der U-Bahnstation Margaretengürtel und dem Gaudenzdorfer Gürtel, auf der asphaltierten Fläche neben der Grünfläche bzw. 8 m neben der Sicherheitslinie des Gleiskörpers, durch einen Verkaufsstand in Metallausführung im Ausmaß von 3,80 m x 1,80 m zum Verkauf von Bonbons, Süßwaren, Backwaren, alkoholfreien und alkoholischen Getränken in geschlossenen Behältern und Konditoreiwaren, sowie durch eine Warenausräumung an der Vorderfront des Verkaufsstandes im Ausmaß von 3,80 m Länge und 0,85 m Breite zu benützen; gemäß § 71 der Bauordnung für Wien wurde die Bewilligung gegen jederzeitigen Widerruf nach Maßgabe der beiliegenden Pläne bzw. Skizzen erteilt. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin zugestellt und erwuchs in Rechtskraft; eine Zustellung an die Magistratsabteilung 19 erfolgte nicht.
Der Bezirksvorsteher des 12. Bezirkes erklärte im Schreiben vom 13. Februar 1991, daß er dem Verkaufsstand in der bescheidmäßig gestatteten Form nicht zustimme; Gegenstand der Verhandlung sei ein Verkaufsstand für Backwaren, aber nicht für alkoholische Getränke, in der Größenordnung von nur 2,5 m x 1,5 m, gewesen.
Am 19. Juni 1991 fand eine Verhandlung zur Überprüfung des Verkaufsstandes statt, zu der auch ein Vertreter der Magistratsabteilung 19 erschien. Dieser sprach sich gegen die Erteilung der Bewilligung aus grundsätzlichen Erwägungen im Nahbereich der U-Bahnstation aus.
Im Schreiben vom 12. Juli 1991 führte die Magistratsabteilung 19 folgendes aus:
"Grundsätzlich ist vorauszuschicken, daß Anträge zur Errichtung von Kiosken und u.ä., die in unmittelbarer Umgebung von denkmalgeschützten Objekten geplant sind, besonders kritisch geprüft werden.
So wäre es auch im gegenstädlichen Fall gewesen, da der Kiosk - wohl von der Gleistrasse getrennt - doch das Erscheinungsbild bzw. die Blickbeziehung auf die Otto-Wagner-Station in hohem Maße beeinträchtigt.
Hiezu kommt noch die unübliche Länge sowie die gestalterisch völlig abzulehnende formale Durchbildung des Kioskes.
Die MA 19 wiederholt deshalb ihre Stellungnahme vom 19. Juni 1991 wonach diesem - oder auch einem anderen Kiosk aus den dargelegten Gründen - nie Zustimmung erteilt worden wäre und deshalb auch eine nachträgliche Genehmigung auszuschließen ist.
Der Ordnung halber muß angemerkt werden, daß die MA 19 im gegenständlichen Genehmigungsverfahren nicht involviert war ."
Zum Schreiben der Magistratsabteilung 19 vom 12. Juli 1991 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab. Sie führte darin aus, daß die U-Bahnstation außerhalb des direkten Blickwinkels der Passanten von den Haltestellen der Straßenbahn zur U-Bahnstation liege. Der Standplatz des Kioskes sei in den Verbindungsweg zum Gaudenzdorfer Gürtel gelegt worden, um nicht im Nahbereich der U-Bahnstation als störendes Objekt empfunden zu werden. Auch sei der seinerzeitige Anstrich des Verkaufsstandes von Blau auf ein wesentlich augenfreundlicheres Grau abgeändert worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid erklärte die belangte Behörde gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG den Bescheid der Magistratsabteilung 35 vom 24. Jänner 1991 hinsichtlich der Bewilligung gemäß § 1 Gebrauchsabgabegesetz von Amts wegen für nichtig. Der Verkaufsstand beeinträchtige das Erscheinungsbild der Otto-Wagner-Station, welche als denkmalgeschütztes Objekt die unmittelbare Umgebung entscheidend präge. Weiters werde der Kiosk wegen seiner unüblichen Länge sowie der gestalterisch völlig abzulehnenden formalen Durchbildung negativ beurteilt. Die andere Färbung des Kioskes könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Bereits vor Erlassung des Bewilligungsbescheides sei der Versagungsgrund gemäß § 2 Abs. 2 Gebrauchsabgabegesetz gegeben gewesen, sodaß die Voraussetzungen für eine amtswegige Nichtigerklärung des Bescheides vorgelegen seien.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
In der Folge legte die Beschwerdeführerin Fotos vor, aus denen auch andere Kioske im gegenständlichen Bereich ersichtlich sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 Abs. 2 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966, LGBl. Nr. 20 idF LGBl. Nr. 13/1982, lautet:
"(2) Die Gebrauchserlaubnis ist zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist."
§ 2 Abs. 4 des Gebrauchsabgabegesetzes 1966 lautet:
"(4) Bescheide über die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis, bei deren Erlassung ein Versagungsgrund nach Abs. 2 gegeben war, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler."
§ 68 Abs. 4 Z. 4 AVG lautet:
"(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid ...
4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet."
Unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. Februar 1984, Zl. 05/0900/80, BauSlg Nr. 194, ausgeführt, daß im Zuge des behördlichen Verfahrens festzustellen ist, ob einer beantragten Gebrauchserlaubnis Gesichtspunkte des Stadtbildes entgegenstünden. Diese Feststellung ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige. Dem Sachverständigen obliegt es hierbei, aufgrund seines Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Aufgrund des Sachverständigengutachtens hat sodann die Behörde als erwiesen anzunehmen, ob die beantragte Gebrauchserlaubnis eine diesbezügliche Wirkung entfaltet, oder ob dies nicht der Fall ist. Äußerungen, die nur unüberprüfbare Behauptungen enthalten und nicht die Erwägungen aufzeigen, aufgrund derer der Sachverständige zu seinem Gutachten gelangt ist, können nicht als taugliches Gutachten eines Sachverständigen angesehen werden.
Der Amtssachverständige der Magistratsabteilung 19 hat sich damit begnügt - vgl. auch diesbezüglich den damaligen Beschwerdefall -, eine Beeinträchtigung des Stadtbildes zu behaupten, ohne dafür eine nähere Begründung zu liefern und überhaupt einen Befund zu erstellen. Eine ausreichende Befundaufnahme ist aber Voraussetzung für ein schlüssiges Gutachten, sodaß die gutächtliche Äußerung schon aus diesen Grunde dem angefochtenen Bescheid nicht hätte zugrundegelegt werden dürfen. Wenn der Amtssachverständige darüber hinaus die Auffassung vertreten hat, das seine Dienststelle nie die Zustimmung zu dem bewilligten Kiosk gegeben habe, so verkennt er völlig die Aufgabe eines Sachverständigen im Verwaltungsverfahren, der nicht ein bestimmtes Projekt abzulehnen oder ihm zuzustimmen hat, sondern nach Erstellung eines ausreichenden Befundes aufgrund seines Fachwissens ein nachvollziehbares Urteil über die von ihm zu beantwortenden Fragen abzugeben hat (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1952, Slg. Nr. 2778/A). Sollte der Satz "hiezu kommt noch die unübliche Länge sowie die gestalterisch völlig abzulehnende formale Durchbildung des Kioskes" in den Ausführungen des Sachverständigen als Begründung seines Urteiles zu verstehen sein, bleibt aufgrund der hier zu lösenden Frage einer Beeinträchtigung des Stadtbildes nicht beantwortet, aus welchen Überlegungen der Sachverständige von einer unüblichen Länge sowie einer gestalterisch völlig abzulehnenden formalen Durchbildung des Kioskes ausgeht. Allein deshalb, weil das Stationsgebäude unter Denkmalschutz steht, kann noch nicht gesagt werden, daß derartige Baulichkeiten in weitem Umkreis nicht errichtet werden dürfen; es fehlt eine konkrete Auseinandersetzung mit der Frage, warum gerade einem derartigen Kiosk in der Umgebung dieses Stationsgebäudes Umstände des Denkmalschutzes entgegenstehen sollen.
Da sich die belangte Behörde mit unzureichenden Äußerungen von Sachverständigen begnügte, hat sie das durchgeführte Verwaltungsverfahren mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet. Festzustellen ist noch, daß die belangte Behörde ihre gesetzlichen Verpflichtung zu einer sorgfältigen Berücksichtigung des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG nicht nachgekommen ist (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Gesetzesstelle, wie sie etwa bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 300 ff, wiedergegeben wurde).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis war eine Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens entbehrlich.
Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Ein Verhandlungsaufwand ist nicht entstanden.
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Sachverständiger Aufgaben Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992050132.X00Im RIS seit
08.06.2001