TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/23 94/07/0110

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Veröffentlicht am 23.05.1995
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Index

L66504 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Oberösterreich;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
80/06 Bodenreform;

Norm

ABGB §1460;
ABGB §492;
FlVfGG §34 Abs3;
FlVfGG §34 Abs4;
FlVfLG OÖ 1979 §102 Abs1;
FlVfLG OÖ 1979 §102 Abs2 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde

1.) des J P und 2.) der B P in E, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Mai 1994, Zl. Bod-4537/6-1994, betreffend Feststellung einer Grunddienstbarkeit (mitbeteiligte Partei: L. Sch. in E, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bei der Agrarbezirksbehörde Linz (ABB) ist das Zusammenlegungsverfahren F anhängig. In dieses Zusammenlegungsverfahren sind auch die Grundstücke Nr. 224, 226 und 228, KG T., einbezogen.

Die mitbeteiligte Partei (mP) beantragte mit Eingabe vom 3. August 1990 bei der Agrarbezirksbehörde Linz (ABB) die Feststellung, daß ihr als (Mit)eigentümer des Grundstücks Nr. 224, KG T. das Geh- und Fahrtrecht über das den Beschwerdeführern gehörende, südlich angrenzende Grundstück Nr. 226 derselben KG zur forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung des Grundstückes Nr. 224 im nördlichen Bereich des Grundstücks Nr. 226 zustehe. Begründet wurde dieser Antrag damit, die mP müsse zur Bewirtschaftung ihrer Grundstücke, insbesondere des Waldgrundstücks Nr. 224, die den Beschwerdeführern gehörende Parzelle Nr. 226 befahren: Die mP und ihre Rechtsvorgänger hätten seit mindestens vier Jahrzehnten zum Zweck der Bewirtschaftung des Waldgrundstückes Nr. 224 das nun den Beschwerdeführern gehörende Grundstück Nr. 226, das südlich an das Grundstück der mP angrenze, in Ost-West-Richtung bzw. West-Ost-Richtung im Grenzbereich mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen befahren, um die in regelmäßigen Abständen anfallenden Forst- und Bringungsarbeiten an ihrem Forstgrundstück durchzuführen. Der mP stehe daher ein Geh- und Fahrtrecht zu, das sich sowohl auf die zwischen den Rechtsvorgängern vor Jahrzehnten getroffene Vereinbarung als auch auf die mittlerweile längst eingetretene Ersitzung gründe. Durch Umackern des Grundstücks Nr. 226 hätten die Beschwerdeführer die Ausübung dieses Servitutsrechts unmöglich gemacht.

Bei einer von der ABB am 11. Dezember 1990 durchgeführten Verhandlung wurde festgestellt, eine Fahrtrechtstrasse (Fahrweg) sei in der Natur nicht ersichtlich.

Die Beschwerdeführer äußerten in einem Schriftsatz vom 1. Februar 1991, sie hätten die Grundstücke Nr. 226 und Nr. 228 1972 vollkommen lastenfrei übernommen. Ihre Rechtsvorgänger im Eigentum hätten ausdrücklich erklärt, es bestünden keine wie immer gearteten bücherlichen oder außerbücherlichen Belastungen. Der in der Natur nicht mehr ersichtliche, zwischen den Grundstücken Nr. 226 und 228 befindliche Weg, der bereits seit Jahrzehnten tatsächlich nicht mehr bestanden habe und nur durch Zufall durch eine nachträglich beantragte Rodungsbewilligung festgestellt worden sei, sei von den Beschwerdeführern in Berichtigung der tatsächlich bestehenden Grundstückssituation von der Marktgemeinde F. käuflich erworben worden. Die Grundstücke der Beschwerdeführer seien nie von anderen Personen befahren und begangen worden.

Bei einer weiteren Verhandlung vor der ABB am 10. April 1991 wurde anhand von Aktenunterlagen der Marktgemeinde F. festgestellt, daß eine Teilfläche des öffentlichen Weggrundstückes Nr. 816, die zwischen den Grundstücken Nr. 226 und 228 lag, aus dem öffentlichen Weggut ausgeschieden und dann an die Beschwerdeführer verkauft wurde.

Bei dieser Verhandlung erklärte die mP, das von ihr beanspruchte Geh- und Fahrtrecht beziehe sich nicht auf die Fläche des ehemaligen öffentlichen Weges, der von den Beschwerdeführern von der Marktgemeinde F. gekauft und der Parzelle 228 zugeschrieben worden sei. Die Zufahrt sei vielmehr seit jeher entlang des Waldsaumes, somit nördlich des aus der ehemaligen Mappendarstellung ersichtlichen öffentlichen Weges ausgeübt worden, sodaß in weiterer Folge im unmittelbaren Grenzbereich zwischen den Parzellen 226 und 224 von der Zufahrt aus direkt das Waldgrundstück der mP habe erreicht werden können. Lediglich in dem Bereich, in dem heute der öffentliche Weg 816 ende, könnte auch die Zufahrt zu einem Teil das den Beschwerdeführern gehörige Grundstück Nr. 228 betroffen haben und insoweit für ein geringes Stück teilweise mit der Plandarstellung des ehemaligen öffentlichen Weges ident gewesen sein, wobei dann die Zufahrt entlang des Waldes weiter nördlich bzw. in nordwestlicher Richtung verlaufen sei. Bezüglich des Verlaufes des Geh- und Fahrtrechtes und der Inanspruchnahme von Grundstück Nr. 228 im östlichen Bereich (Anschluß an den derzeit öffentlichen Weg) werde der Antrag insoweit modifiziert. Auch eine teilweise Überdeckung des ohnedies schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr als solchen betrachteten öffentlichen Weges mit dem Geh- und Fahrtrecht der mP ändere nichts daran, daß die mP auf Grund eines Privatrechtstitels wegen mehr als 40-jähriger Ausübung des Geh- und Fahrtrechtes weiterhin berechtigt sei, den Zugang bzw. die Zufahrt zu ihrem Grundstück in Anspruch zu nehmen. Im übrigen bestehe keine andere Zufahrtsmöglichkeit.

Die ABB vernahm bei einer mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 1992 J. P. jun., den Sohn der Beschwerdeführer, sowie F. Sch. und K. Z. als Zeugen.

Der Sohn der Beschwerdeführer gab an, er habe weder die mP noch deren Beauftragte jemals bei der Bewirtschaftung des Waldgrundstückes Nr. 224 gesehen und er habe auch nicht beobachten können, daß diese über den damals öffentlichen Weg oder entlang des Waldgrundstückes gefahren seien. Zum Zeitpunkt des Erwerbes der Grundstücke Nr. 226 und 228 durch seine Eltern im Jahr 1972 habe der Weg Nr. 816 in der Natur nicht mehr bestanden. Die Grundstücke Nr. 226 und 228 und der dazwischen liegende Teil des öffentlichen Weggrundstückes Nr. 816 hätten damals eine einheitliche Kleefläche gebildet.

Der Zeuge F. Sch. gab an, er habe schon nach seinem Austritt aus der Schule, ca. im Jahre 1934, mehrmals beobachten können, wie der Vater der mP mit einem Roßgespann über das heute den Beschwerdeführern gehörende Grundstück zu seinem Waldgrundstück zugefahren sei und im Wald die entsprechenden Waldarbeiten durchgeführt habe. Er habe persönlich beobachten können, wie die mP nach Kriegsende 1945 bis 1947 zu ihrem Wald über das jetzt den Beschwerdeführern gehörige Grundstück zugefahren sei und im Wald gearbeitet habe. Er habe lange Jahre den in der Natur ersichtlichen Weg, Grundstück Nr. 816, beobachten können. Wann dieser Weg abgeschafft worden sei, könne er nicht mehr sagen, doch könnte dies vor ca. 10 Jahren geschehen sein. Bei der Bewirtschaftung des Waldgrundstückes hätten sowohl die Eltern der mP als auch diese selbst die heute nicht mehr existierende Fahrt auf Weggrundstück Nr. 816 benützt. Im Winter habe der Zeuge die Waldeigentümer oft fahren gesehen. Zum Zeitpunkt seines Schulaustrittes im Jahre 1934 sei allgemein bekannt gewesen, daß auf dem strittigen Weggrundstück gefahren worden sei. Nach dem Jahre 1947 habe der Zeuge die mP mit einem Traktor auf der strittigen Fahrt zum Wald fahren gesehen. Er könne sich aber nicht erinnern, wann nach dem Jahr 1947 die mP zu ihrem Wald gefahren sei. Zum Waldgrundstück der mP könne auf andere Weise nicht zugefahren werden.

Der Zeuge K. Z. gab an, er habe im Jahre 1952 den Betrieb seiner Eltern übernommen; zu diesem Betrieb gehöre auch das Ackergrundstück Nr. 221. Anläßlich des Erwerbes der Grundstücke Nr. 226 und 228 durch die Beschwerdeführer sei er vom Erstbeschwerdeführer gefragt worden, ob er auf die Zufahrt über den öffentlichen Weg Nr. 816 verzichte. Dies habe er zugesagt, weil er für seine Grundstücke eine andere Aus- bzw. Zufahrt habe. Die strittige Fahrt habe er selbst nach der Hofübernahme persönlich mehrere Jahre lang bei extremer Witterung benützt. Ab einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt zu Beginn der Sechzigerjahre habe er diese Fahrt dann nicht mehr benützt. Er habe nach Beendigung der Fachschule im Jahre 1949 im elterlichen Betrieb mitgearbeitet. Er könne sich nicht mehr erinnern, ob seit dem letztgenannten Zeitpunkt irgendjemand die strittige Fahrt benützt habe. Er sei überzeugt, daß die mP nur über die strittige Fahrt hätte zufahren können, weil sie sonst keine andere Fahrt gehabt hätte. Er könne sich nicht erinnern, ob ihm sein Vater oder sonst jemand gesagt hätte, wo die mP ihre Zufahrt zum Waldgrundstück habe.

Mit Bescheid vom 12. Juli 1993 wies die ABB den Antrag der mP "auf Feststellung bzw. Duldung des Geh- und Fahrtrechtes für forstwirtschaftliche Zwecke zugunsten des Gst. Nr. 224, KG T., über den nördlichen Bereich des Gst. Nr. 228 und Gst. Nr. 224 (richtig: 226)" ab. Begründet wurde diese Entscheidung damit, durch die Umackerung (jenes Grundstücksteiles, auf dem das Geh- und Fahrtrecht ausgeübt worden sei), sei die normale Ausübung der Dienstbarkeit unmöglich gemacht bzw. erschwert worden. Diese Umackerung sei als ein Widersetzen im Sinne des § 1488 ABGB zu werten.

Die mP berief.

Mit Bescheid vom 30. Mai 1994 gab die belangte Behörde der Berufung Folge und stellte fest, daß zugunsten des Grundstücks Nr. 224, KG T., die Grunddienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechts über die Grundstücke Nr. 226 und 228 derselben KG in dem Umfang besteht, daß zur Bewirtschaftung des Waldgrundstücks Nr. 224 auf den dienenden Grundstücken entlang des jeweiligen Waldsaumes gegangen und in einer Wegbreite von maximal 3 m gefahren werden dürfe.

In der Begründung wird ausgeführt, die während eines Zusammenlegungsverfahrens bestehende Generalkompetenz der Agrarbehörde erstrecke sich auch auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken; dazu gehöre auch die im Beschwerdefall strittige Frage des Bestands einer Grunddienstbarkeit.

Das ca. 250 m lange und durchschnittlich rund 20 m breite Waldgrundstück Nr. 224 sei auf der mittleren Teilfläche stark aufgelichtet und zur Gänze von Fremdgrundstücken umgeben. Während das Grundstück Nr. 224 im Norden, Westen und Osten an Waldflächen angrenze, verlaufe entlang seiner gesamten Südgrenze das durchschnittlich rund 12 m breite und zum überwiegenden Teil landwirtschaftlich genutzte Grundstück Nr. 226 der Beschwerdeführer, wobei jedoch der östliche Teil des Grundstückes Nr. 226 in einer Länge von ca. 60 m eine Waldfläche bilde und der westliche Teil als Garten sowie teilweise als Wald bewirtschaftet werde. Bei diesem eingezäunten Garten ende eine in der Natur erkennbare, ca. 3 m breite Wiesenfahrt, die beim Ende des öffentlichen Weges Grundstück Nr. 816 beginne und vom Osten Richtung Westen zunächst auf einer Länge von ca. 60 m auf der ursprünglichen Wegtrasse des Weges 816, sodann ca. 15 m in Richtung Nordwesten entlang der Waldgrenze auf Grundstück Nr. 226 und anschließend auf Grundstück Nr. 226 entlang der südlichen Waldgrenze des Grundstückes Nr. 224 verlaufe. Das Grundstück Nr. 224 weise in einer Entfernung von ca. 40 m vom Ende der genannten Wiesenfahrt eine Auffahrt in das Grundstück Nr. 226 auf. Die nördliche Seite der Wiesenfahrt begrenze eine Geländestufe, die sich vom Osten in Richtung Westen von einer Höhe von ca. 50 cm auf eine Höhe von rund 20 cm bzw. weniger verjünge. Laut Erhebungsbericht des agrartechnisch sachkundigen Senatsmitglieds stelle diese Geländestufe keinerlei Hindernis für das Zu- und Abfahren mit in der Forstwirtschaft üblichen Maschinen und Geräten sowie mit geländegängigen Personenkraftwagen dar.

Mit Kaufvertrag vom Jänner 1928 hätten die Eltern der mP je zur Hälfte die Liegenschaft EZ. 28, zu der auch das Waldgrundstück Nr. 224 gehöre, erworben. Aus der Zeugenaussage des F. Sch. vom 15. Oktober 1992 ergebe sich, daß der Vater der mP zumindest seit dem Jahr 1934 sowie die mP selbst in den Jahren 1945 bis 1947 und nach 1947 über die nunmehr den Beschwerdeführern gehörenden Grundflächen jeweils im Winter zum Waldgrundstück Nr. 224 zugefahren sei. Der Zeuge K. Z. habe am 15. Oktober 1992 erklärt, er sei überzeugt, die mP habe nur über die strittige Fahrt zufahren können, weil sie keine andere Fahrt gehabt habe; er könne sich nicht mehr erinnern, ob seit Anfang der Sechzigerjahre irgend jemand die strittige Fahrt entlang des Waldsaumes benützt habe. Auf Grund dieser Zeugenaussagen sowie auf Grund der Angaben der mP vom 14. Dezember 1992, wonach diese 1972 mit dem Vater des Erstbeschwerdeführers über die Benützbarkeit des strittigen Weges gesprochen habe, gehe die belangte Behörde davon aus, daß die mP und ihre Rechtsvorgänger im Zeitraum zwischen den Jahren 1934 und 1972 ein Geh- und Fahrtrecht über die nunmehr den Beschwerdeführern gehörenden Grundstücke Nr. 226 und 228 ersessen hätten, wobei diese Dienstbarkeit jedoch nie einen genau fixierten Verlauf gehabt habe, sondern die Fahrten zur Bewirtschaftung des Grundstückes Nr. 224 jeweils entlang des jeweiligen Waldsaumes erfolgt seien. Nach der Rechtsprechung des OGH berühre eine in mäßigen und zumutbaren Grenzen gehaltene Veränderung des Verlaufes eines zu ersitzenden Weges auf einer Liegenschaft nicht die Identität des Rechtsobjektes als solche. Somit könne im vorliegenden Fall trotz der Durchführung der Fahrten entlang des jeweiligen Waldsaumes während der Ersitzungszeit an der Identität des ersessenen Wegerechtes kein Zweifel bestehen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sei weiters anzunehmen, daß der beschriebene Verlauf der derzeitigen Wiesenfahrt durch das ersessene Fahrtrecht erfaßt sei.

Zur Frage der Zufahrtsmöglichkeit zum Waldgrundstück Nr. 224 habe der Zeuge J. P. jun. zwar ausgesagt, es könne nördlich zugefahren werden, ein Weg auf Grundstück Nr. 192 sei aber nicht mehr ersichtlich. Die Zeugen F. Sch. und K. Z. hätten erklärt, es könne nicht auf andere Weise als über die strittige Fahrt zugefahren werden. Diese Beweismittel zeigten somit, daß es sich beim strittigen Weg um die einzige Zufahrtsmöglichkeit zum Grundstück Nr. 224 handle.

Am 14. Dezember 1992 habe der Erstbeschwerdeführer angegeben, er habe etwa im Juni 1972 zum ersten Mal vom Bestand des öffentlichen Weges Kenntnis erlangt; zum Zeitpunkt des Kaufes der Grundstücke Nr. 226 und 228 habe er gewußt, daß die mP Anrainer sei. Er habe sich weder Gedanken darüber gemacht, auf welche Weise der Nachbar (die mP) zu seinem Grundstück komme, noch, ob die mP den nunmehr aufgelassenen Weg für die Waldbewirtschaftung benützen müsse. Den Nachbarn Z. habe er deswegen gefragt, weil der Weg an dessen Feld anstoße. Nach Ansicht der belangten Behörde sei auf Grund der seit Juni 1972 bestehenden Kenntnis des Erstbeschwerdeführers vom

- ursprünglichen - Vorhandensein eines im Jahre 1972 nicht mehr sichtbaren Weges und auf Grund des Unterlassens von Erkundigungen das Vertrauen der Beschwerdeführer auf dem Buchstand zerstört worden. Auf Grund dieser Kenntnis wären die Beschwerdeführer nämlich verpflichtet gewesen, sich nach einer allfälligen Dienstbarkeit zugunsten der mP zu erkundigen. Eine Erkundigungspflicht bestehe sogar dann, wenn dem Erwerber eines Grundstückes Lastenfreiheit garantiert worden sei. Da die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Erwerb der früheren Wegfläche nur mit dem Grundnachbarn Z. und nicht auch mit der mP gesprochen hätten, seien im Zeitpunkt des Ansuchens um grundbücherliche Einverleibung des Eigentums an den Grundstücken Nr. 226 und 228 kein guter Glaube der Beschwerdeführer vorgelegen.

Entgegen der von der Erstbehörde vertretenen Ansicht könne im Umackern des Weges nicht ein Widersetzen im Sinn des § 1488 ABGB erblickt werden, weil die Nutzung einer Grundfläche als Acker kein Hindernis darstelle, das die Ausübung eines Fahrtrechtes mit einem Traktor (insbesondere im Winter, bei gefrorenem Boden verhindere.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführer bringen vor, das Beweisverfahren habe nicht ergeben, daß die mP und ihre Rechtsvorgänger ein Geh- und Fahrtrecht ersessen hätten. Die mP sei nicht einmal in der Lage gewesen, die entsprechenden Bereiche des Begehens und Befahrens der Grundstücke genau darzulegen. Darüber hinaus widerspreche die Darstellung der Benützung eindeutig der örtlichen Situation. Es werde in diesem Zusammenhang völlig übersehen, daß das Grundstück Nr. 226 ursprünglich zur Gänze ein Waldgrundstück gewesen sei. Am südlichen Ende dieses Grundstückes habe sich der öffentliche Weg befunden. Wenn man tatsächlich das Grundstück Nr. 224 über die Grundstücke der Beschwerdeführer erreichen wollte, sei es daher erforderlich gewesen, den öffentlichen Weg zu benützen. Ein Ersitzen des öffentlichen Weges sei von der mP weder behauptet noch tatsächlich vorgenommen worden. In diesen Bereichen könne daher der mP kein ersessenes Geh- und Fahrtrecht zustehen. Bezüglich der Querung des Grundstückes Nr. 226 fehlten entsprechende Anhaltspunkte für eine tatsächliche ausreichende Nutzung seitens der mP. Die Zeugenaussagen beschränkten sich auf einen Zeitraum bis in die Vierzigerjahre. Aus den letzten dreißig bis vierzig Jahren fehlten entsprechende Hinweise. Mit der nunmehrigen Servitutsfeststellung werde weiters auch der Bereich des ehemaligen öffentlichen Weges in Anspruch genommen. Diesbezüglich fehlten überhaupt die Voraussetzungen für eine entsprechende Ersitzung.

Unzutreffend sei auch die Auffassung der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten die Grundstücke Nr. 226 und 228 nicht im guten Glauben lastenfrei erworben. Auf Grund der örtlichen Situation sei ein Erkennen eines Geh- und Fahrtrechtes für die mP nicht möglich gewesen. Anläßlich der Auflassung eines Teilstückes des öffentlichen Weges Nr. 816 habe die Gemeinde den Beschwerdeführern eine Kontaktnahme mit dem Grundnachbarn Z., aber nicht mit der mP aufgetragen. Auch aus diesem Grund könne keineswegs die Rede davon sein, daß die Beschwerdeführer hinsichtlich der Erkundigungen fahrlässig gehandelt hätten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mP hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Ersitzung eines Geh- und Fahrtrechtes erfordert einen Zeitablauf von 30 Jahren, wenn das Grundstück, zu dessen Lasten die Dienstbarkeit ersessen werden soll, einer Gemeinde gehört, von 40 Jahren (§§ 1470, 1472 ABGB).

Für die Ersitzung ist Besitzausübung während der gesamten Ersitzungszeit notwendig. Erforderlich ist eine ununterbrochene, kontinuierliche Ausübung des Besitzes. Ein Besitz, der nur anfangs faktisch ausgeübt wird, später aber nur noch im äußerlich nicht in Erscheinung tretenden Besitzwillen fortdauert, reicht für sich allein für die Ersitzung nicht aus. Dies bedeutet allerdings nicht, daß die zur Begründung einer Dienstbarkeit führenden Besitzausübungshandlungen, die ihrer Natur nach nicht ständig, sondern in mehr oder weniger großen Zeitabständen wiederkehrend vorzunehmen sind, bei jeder in Betracht kommenden Gelegenheit tatsächlich vorgenommen werden müßten. In diesen Fällen ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob eine Unterbrechung tatsächlicher Besitzausübungshandlungen während der Ersitzungszeit die Rechtsausübung noch als kontinuierlich erscheinen läßt. Nur bei kontinuierlicher Rechtsausübung im vorgenannten Sinn kann eine Dienstbarkeit ersessen werden (vgl. Schubert, in: Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 1460). Für Rechte, die selten ausgeübt werden können, enthält § 1471 eine Sonderregel. Danach muß derjenige, welcher die Ersitzung behauptet, nebst einem Verlaufe von 30 Jahren zugleich erweisen, daß der Fall zur Ausübung binnen dieser Zeit wenigstens dreimal sich ergeben und er jedes Mal dieses Recht ausgeübt hat.

Die belangte Behörde stützt die Annahme der Ersitzung einer Dienstbarkeit der im angefochtenen Bescheid beschriebenen Art durch die mP und ihre Rechtsvorgänger auf die Aussagen der Zeugen F. Sch. und K. Z. sowie auf ein Gespräch der mP im Jahre 1972 mit dem Erstbeschwerdeführer.

Die Aussage des Zeugen F. Sch. dokumentiert Besitzausübungshandlungen der mP und ihrer Rechtsvorgänger in ausreichend präziser Form nur für den Zeitraum zwischen 1934 und 1947. Dieser Zeitraum wäre für die Ersitzung zu kurz. Der Zeuge F. Sch. hat zwar auch angegeben, daß er Besitzausübungshandlungen nach 1947 wahrgenommen hat; mangels jeglicher zeitlicher Konkretisierung vermag diese Aussage aber eine kontinuierliche Rechtsausübung über den gesamten Ersitzungszeitraum nicht zu belegen. Selbst wenn es sich bei den zur Begründung der Dienstbarkeit erforderlichen Besitzausübungshandlungen um solche handeln sollte, die ihrer Natur nach nicht ständig, sondern in mehr oder weniger großen Zeitabständen wiederkehrend vorzunehmen waren - was allerdings von der belangten Behörde nicht festgestellt wurde - könnte eine gesichert nur bis 1947 festgestellte Besitzausübung nicht das Erfordernis einer kontinuierlichen Rechtsausübung erfüllen.

Der Zeuge K. Z. hat lediglich die Überzeugung geäußert, daß die mP bzw. ihre Rechtsvorgänger die strittige Dienstbarkeit ausgeübt hätten. Dies allein stellt keinen ausreichenden Beweis für die Ersitzung dieser Dienstbarkeit dar. Gleiches gilt für den Umstand, daß die mP im Jahre 1972 mit dem Erstbeschwerdeführer wegen der Benützbarkeit der Zufahrt zu ihrem Grundstück gesprochen hat.

Auch wenn es zutreffen sollte, daß das im angefochtenen Bescheid bezeichnete Geh- und Fahrtrecht die einzige Möglichkeit der mP zur Bewirtschaftung des Grundstückes Nr. 224 ist - die Beschwerdeführer haben im Zuge des Verwaltungsverfahrens unter Darlegung konkreter Gegebenheiten das Gegenteil behauptet - ersetzt dies nicht die Feststellung der für die Ersitzung erforderlichen Besitzausübungshandlungen während des Ersitzungszeitraumes.

Im Beschwerdefall fehlen auch ausreichende Feststellungen darüber, ob sich die Besitzausübungshandlungen über den erforderlichen Zeitraum hinweg auf den im angefochtenen Bescheid bezeichneten räumlichen Ausübungsbereich der Dienstbarkeit bezogen haben.

Es trifft zwar zu, daß es den Erwerb oder den Fortbestand der Dienstbarkeit nicht beeinträchtigt, wenn sich der Wegverlauf innerhalb oder nach der Ersitzungszeit GERINGFÜGIG ändert (vgl. SZ 49/33, 59/50; weiters Schubert, a.a.O. Rz 6 zu § 1460); dies gilt aber nur, wenn es sich um Veränderungen auf derselben Liegenschaft handelt (vgl. SZ 59/50), nicht jedoch, wenn Liegenschaften verschiedener Eigentümer, bei denen zudem für die Ersitzung einer Dienstbarkeit unterschiedliche Fristen gelten, in Betracht kommen, wie dies im Beschwerdefall zutrifft.

Aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der Aussage des Zeugen F. Sch. ergibt sich, daß für die Zufahrt zum Waldgrundstück Nr. 224 der mP (auch) der im Jahre 1972 als öffentliche Wegparzelle aufgelassene und ins Eigentum der Beschwerdeführer übertragene Teil der Parzelle 816 benutzt wurde. Ob sich die im angefochtenen Bescheid festgestellte Dienstbarkeit in räumlicher Hinsicht mit der vom Zeugen F. Sch. beschriebenen Zufahrt deckt, ist weder der Begründung des angefochtenen Bescheides noch dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmen.

Unzureichend sind auch die Feststellungen der belangten Behörde zur Frage, ob die Beschwerdeführer die Grundstücke 226 und 228 lastenfrei erworben haben.

Wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, war das zwischen den Grundstücken Nr. 226 und 228 liegende Teilstück des öffentlichen Weges Nr. 816 zum Zeitpunkt des Kaufes der Parzellen Nr. 226 und 228 durch die Beschwerdeführer im Jahre 1972 in der Natur nicht mehr als Weg ersichtlich. Der dem Erstbeschwerdeführer 1972 bekanntgewordene Umstand allein, daß früher einmal ein öffentlicher Weg vorhanden war, verpflichtete die Beschwerdeführer nicht, sich bei der mP zu erkundigen, ob sie ein Geh- und Fahrtrecht über die von den Beschwerdeführern erworbenen Grundstücke beanspruche. Die Tatsache, daß dieser Weg nicht mehr aufrechterhalten wurde, dokumentierte ja gerade seine Entbehrlichkeit. Daß sonstige Hinweise auf eine bestehende Dienstbarkeit zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbes für die Beschwerdeführer vorhanden gewesen seien, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt. Im angefochtenen Bescheid ist zwar von einer in der Natur erkennbaren ca. 3 m breiten Wiesenfahrt die Rede, doch wurde dazu im Erhebungsbericht des in agrartechnischen Angelegenheiten fachkundigen Mitgliedes der belangten Behörde vom 4. März 1994 angeführt, diese Wiesenfahrt dürfte vorwiegend von den Beschwerdeführern benutzt werden und es könne nicht gesagt werden, wann diese entstanden sei.

Da die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um ihre Annahme, es bestehe eine Dienstbarkeit für das Grundstück Nr. 224 zu Lasten der Parzellen 226 und 228 nachzuvollziehen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zu viel verrechneten Stempelgebührenaufwand.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994070110.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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