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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Aussetzung der Entscheidung über eine Berufung gegen einen die Gewährung der Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten abweisenden Bescheid; Abwarten einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in einer rechtsähnlichen Frage nicht willkürlichSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Ein Beamter des Finanzamtes Schärding erteilte dem Beschwerdeführer im November 1980 (unter Bedachtnahme auf einen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung verlautbarten Erlaß des Bundesministers für Finanzen) fernmündlich die Auskunft, daß ein entsprechend umgebauter Pkw bestimmter Type steuerlich als sogenannter "Fiskal-Lkw" anerkannt würde. Der Beschwerdeführer erfuhr erst nach der Bestellung des Fahrzeugs, daß die Finanzverwaltung ihre Rechtsauffassung über eine mögliche Anerkennung geändert hatte; eine Stornierung des Kaufvertrages gelang ihm jedoch nicht. Der Pkw wurde am 20. März 1981 ausgeliefert und sodann im Betrieb des Beschwerdeführers verwendet.
Die Auswirkungen dieses Vorgangs boten Anlaß zu mehreren abgabenbehördlichen und gerichtlichen Verfahren, bezüglich deren - unter dem Aspekt der nunmehr anhängigen Beschwerdesache - folgendes festzuhalten ist:
a) Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 17. Oktober 1989, Zl. 86/14/0193, die Beschwerde gegen den die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1981 und 1982 betreffenden Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als unbegründet ab und verneinte mit näherer Begründung sowie unter Hinweis auf seine Vorjudikatur die vom Beschwerdeführer verlangte Anerkennung seines Fahrzeugs als sogenannten "Fiskal-Lkw"; es komme entscheidend auf die wirtschaftliche Zweckbestimmung des Kraftfahrzeugs, und zwar nicht auf den Verwendungszweck im Einzelfall, sondern auf den Zweck an, dem der Kraftwagen nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein zu dienen bestimmt ist.
b) Der Beschwerdeführer begehrte hierauf Schadenersatz nach dem AmtshaftungsG, blieb aber in allen Gerichtsinstanzen erfolglos. Der Oberste Gerichtshof gab mit Urteil vom 15. Jänner 1992, 1 Ob 43/91, der vom Beschwerdeführer in diesem Zivilrechtsstreit erhobenen Revision nicht statt und nahm - mit Rücksicht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs - den Standpunkt ein, daß die Auskunft des Finanzbeamten und der ihr zugrundeliegende Erlaß des Bundesministers für Finanzen zwar objektiv rechtswidrig seien, aber auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruhten und daher kein Verschulden eines Organs gegeben sei.
c) Schon vor der Fällung des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs und der Klagserhebung in der eben erwähnten Zivilrechtssache stellte der Beschwerdeführer (nach der Erlassung neuer Steuerbescheide aufgrund einer Betriebsprüfung) beim Finanzamt den Antrag, die nach seiner Berechnung 235.948 S betragende "Nachbelastung" zufolge der Nichtanerkennung des Pkws als "Fiskal-Lkw" nachzusehen. Das Finanzamt wies dieses Nachsichtsansuchen mit Bescheid vom 3. Jänner 1984 ab, gegen den der Beschwerdeführer sodann Berufung an die Finanzlandesdirektion ergriff. Auch die Berufungsbehörde lehnte die Nachsicht der Abgabenschuldigkeit ab. Sie begründete ihren abweisenden Bescheid vom 23. Mai 1991 (- der mithin nach der Fällung des unter I/1/a angeführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs, aber noch vor dem Revisionsurteil des Obersten Gerichtshofs erlassen wurde -) insbesondere damit, daß eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage gegeben sei, die keine Unbilligkeit im Einzelfall darstellen könne. Die Abstandnahme von einem rechtswidrigen Verwaltungsbrauch könne niemals rechtswidrig sein, sondern diene nur der Durchsetzung der Rechtsordnung. Wirtschaftliche Gründe, die für eine Abgabennachsicht sprächen, habe der Beschwerdeführer trotz mehrmaliger Aufforderung nicht dargelegt.
Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer die unter Zl. 91/14/0129 eingetragene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, in welcher er eingehend darlegte, weshalb nach seiner Ansicht im Hinblick auf die vom Finanzamt erteilte Auskunft und den betreffenden Erlaß des Bundesministers für Finanzen die Voraussetzungen für eine Nachsichtsgewährung gemäß §236 BAO gegeben seien.
2.a) Mit einem weiteren Antrag vom 19. Dezember 1991 begehrte der Beschwerdeführer aus dem selben Anlaß die Nachsicht einer die Jahre 1986 bis 1990 betreffenden Abgabenschuldigkeit in Höhe von 67.372,07 S. Das Finanzamt wies mit Bescheid vom 16. Jänner 1992 auch diesen Antrag mit Beziehung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Oktober 1989 ab; eine Härte, welche für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst erfolge und für deren Hintanhaltung der Gesetzgeber selbst hätte sorgen können, könne (entsprechend der durch eine Entscheidung belegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs) im Wege des an Unbilligkeit aus der Besonderheit des Einzelfalles orientierten §236 BAO nicht beseitigt werden.
b) Auch gegen diesen Bescheid des Finanzamtes ergriff der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er an seiner Auffassung über das Vorliegen einer aus der Auskunft des Finanzbeamten und dem Erlaß des Bundesministers für Finanzen resultierenden Unbilligkeit festhielt und seine Ansicht näher erläuterte; im Nachhang zum Rechtsmittel legte er das inzwischen gefällte Revisionsurteil des Obersten Gerichshofs vom 15. Jänner 1992 vor.
Mit Schreiben vom 25. Feber 1992 teilte die Finanzlandesdirektion dem Beschwerdeführer ihre Absicht mit, die Entscheidung über die Berufung bis zur Erledigung der beim Verwaltungsgerichtshof unter der Zahl 91/14/0129 anhängigen Beschwerdesache gemäß §281 BAO auszusetzen, und forderte ihn auf, der Aussetzung entgegenstehende Interessen bekanntzugeben. Der Beschwerdeführer trat in seiner Antwort der Absicht der Berufungsbehörde entgegen und wies insbesondere auf die Entscheidungsgründe des Revisionsurteils hin, durch die nach seiner Auffassung eine andere abgabenrechtliche Beurteilung durch die Finanzbehörde und (nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens) durch den Verwaltungsgerichtshof bewirkt werde. Es könnte aber auch seiner noch unerledigten Berufung gegen den Abgabenbescheid stattgegeben werden, wodurch sich das Nachsichtsverfahren samt Aussetzung erübrigte.
c) Mit Bescheid vom 5. März 1992 setzte die Finanzlandesdirektion die Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers im Hinblick auf das beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren gemäß §281 Abs1 BAO aus und begründete dieses Vorgehen im wesentlichen wie folgt:
§281 BAO stelle es dem Ermessen der Abgabenbehörde zweiter Instanz anheim, über die Aussetzung der Entscheidung über eine Berufung zu entscheiden. Dabei habe die Behörde überwiegende Interessen der Partei besonders zu würdigen. Das Interesse des Beschwerdeführers erstrecke sich lediglich darauf, ohne unnötigen Aufschub eine positive Erledigung zu erlangen, er führe dazu auch vermeintliche verwaltungsökonomische Gründe an. Es müßten aber einer Aussetzung schon besondere, nicht mit jeder Berufung verbundene Interessen einer Partei entgegenstehen, um diese unzulässig zu machen. Derartiges sei vom Beschwerdeführer jedoch nicht behauptet worden. Es erscheine der Abgabenbehörde zweckmäßiger, den Ausgang des Verfahrens beim Verwaltungsgerichtshof abzuwarten, um eine Richtlinie für zukünftige Nachsichtsverfahren zu haben. Dem öffentlichen Interesse an der Aussetzung der Entscheidung über die Berufung werde in einer freien Ermessensentscheidung der Vorrang gegenüber dem Interesse der Partei an einer schnellen Entscheidung eingeräumt.
3. Gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 5. März 1992, mit dem die Entscheidung über die Berufung ausgesetzt wurde, richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Beschwerdeführer eine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm sowie die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht und die Bescheidaufhebung sowie - hilfsweise - die Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.
Die belangte Finanzlandesdirektion legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Beschwerdeabweisung.
II. Die Beschwerde ist nicht gerechtfertigt.
1. Der Beschwerdeführer behauptet bloß allgemein, daß er wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Rechten verletzt sei. Er bezeichnet diesbezüglich aber weder eine konkrete Rechtsvorschrift noch legt er in irgendeine bestimmte Richtung zielende Bedenken dar. Sollte er etwa Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des §281 (Abs1) BAO hegen, so wäre er darauf hinzuweisen, daß solche sich aus der Sicht des Beschwerdefalles nicht ergeben haben und auch in der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu dieser Gesetzesbestimmung nicht entstanden sind (s. VfSlg. 8183/1977 und 9155/1981), des weiteren aber auch darauf, daß diese Vorschrift eine Ermessensübung durch die Abgabenbehörde erlaubt, die jeglichen in Betracht kommenden verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht.
Da auch sonst kein Anhaltspunkt für die Annahme besteht, daß sich der bekämpfte Bescheid auf eine rechtswidrige generelle Rechtsnorm stützt, ist zusammenfassend festzuhalten, daß weder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsvorschrift noch eine aus der Handhabung einer solchen Bestimmung abzuleitende Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes stattgefunden hat.
2. Eine Verletzung des vom Beschwerdeführer geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums scheidet im Hinblick auf den ausschließlich verfahrensrechtlichen Charakter des angefochtenen Berufungsbescheides, der als solcher in ein privates Vermögensrecht des Beschwerdeführers nicht eingreift, von vornherein aus (s. etwa VfSlg. 10322/1985).
3. Die weiters behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes könnte im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des bekämpften Bescheides gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nur gegeben sein, wenn die belangte Behörde einer angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte (zB VfSlg. 10413/1985 oder 11682/1988); Willkür könnte der Behörde dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hätte oder wenn ihr Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maß mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch stünde (zB VfSlg. 11436/1987). Hievon kann aber nicht die Rede sein.
Der Beschwerdeführer, dessen Ausführungen sich zum weitaus
überwiegenden Teil mit der Frage der Rechtmäßigkeit der
Abgabenvorschreibung befassen und daher am normativen Inhalt des
angefochtenen Bescheides vorbeigehen, räumt der Sache nach selbst
ein, daß die zu gewärtigende Entscheidung des
Verwaltungsgerichtshofs (zumindest teilweise) dasselbe Thema wie der
zu erlassende Berufungsbescheid hat, nämlich die Handhabung des §236
BAO in Anbetracht der hier gegebenen besonderen Umstände ("... Das
von der belangten Behörde angeführte Verwaltungsgerichtshofverfahren
hat zum größten Teil einen anderen Anlaß ... zum Gegenstand" -
Hervorhebung nicht in der Beschwerdeschrift). In Ansehung des jeweils gegebenen Problembereichs der beiden eben verglichenen Verfahren ist die Meinung der belangten Finanzlandesdirektion - wenn überhaupt - jedenfalls nicht grob verfehlt, sie werde aus der vom Verwaltungsgerichtshof zu fällenden Entscheidung eine Richtlinie für ihr weiteres Vorgehen gewinnen können. Wenn der Beschwerdeführer das inzwischen gefällte Revisionsurteil des Obersten Gerichtshofs sowie die neuere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zum Vertrauensschutz (- der Beschwerdeführer zitiert das Erkenntnis VfSlg. 11309/1987 -) ins Treffen führt, so sind seine Hinweise nicht geeignet, eine willkürliche Gesetzeshandhabung durch die Abgabenbehörde darzutun. Der Beschwerdeführer behauptete nämlich keineswegs, daß im Berufungsverfahren eine spezifisch verfassungsrechtliche Problematik gegeben sei, die er (im Fall einer für ihn negativen Entscheidung der Rechtsmittelinstanz) sogleich an den Verfassungsgerichtshof herantragen wolle. Von einer willkürlichen Gesetzeshandhabung durch die belangte Finanzlandesdirektion kann aber auch deshalb nicht gesprochen werden, weil einerseits die objektive Rechtswidrigkeit der dem Beschwerdeführer im Abgabenverfahren erteilten Rechtsauskunft und des hiefür maßgebenden Erlasses des Bundesministers für Finanzen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs feststehen und andererseits die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs einen Teilbereich der gleichheitsrechtlichen Beurteilung betrifft, der allenfalls die Frage der Nachsichtsgewährung, keinesfalls aber die des Abwartens einer höchstgerichtlichen Entscheidung in einer rechtsähnlichen Frage berührt.
4. Da im Beschwerdeverfahren schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hervorkam, war die Beschwerde abzuweisen, aber - gemäß dem hilfsweise gestellten Antrag - an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
III. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.
Schlagworte
Finanzverfahren, Rechtsmittel Finanzverfahren, Aussetzung der Entscheidung (Finanzverfahren), Fiskal-Lkw, Ermessen, Nachsicht (von Abgabenschuldigkeiten)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B496.1992Dokumentnummer
JFT_10069684_92B00496_00