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23/01 Konkursordnung;Norm
AVG §9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des Dr. C in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. März 1994, Zl. GA 7 - 762/2/94, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen einer Handelsgesellschaft, der am 2. März 1983 eröffnet und am 5. Juli 1991 nach Verteilung der Masse aufgehoben worden war. Im Zuge einer nach § 151 Abs. 1 BAO nach Aufhebung des Konkurses in Angriff genommenen abgabenbehördlichen Prüfung gelangte der Prüfer zur Auffassung, daß in den Jahren 1988 bis 1990 und im Zeitraum von Jänner bis März 1991 von der Konkursmasse zwar entweder keine oder fast ausschließlich unecht steuerbefreite Umsätze getätigt, gleichzeitig jedoch Vorsteuern geltend gemacht worden seien, ohne daß nach Maßgabe des § 12 Abs. 4 und 5 UStG 1972 eine Aufteilung in abzugsfähige und nicht abzugsfähige Vorsteuern durchgeführt worden wäre. Bei den geltend gemachten Vorsteuern habe es sich nahezu ausschließlich um jene gehandelt, die mit den Honorarrechnungen des Beschwerdeführers als Masseverwalter im Zusammenhang stünden. Ausgehend von den vom Beschwerdeführer dazu gegebenen Erläuterungen sei der Prüfer diesen gefolgt und habe auf deren Basis die gemäß § 12 Abs. 5 UStG 1972 vorgesehene Aufteilung in abzugsfähige und nicht abzugsfähige Vorsteuern im Schätzungswege durchgeführt. Der Prüfer gelangte auf diesem Wege zu geltend gemachten, aber nicht abzugsfähigen Vorsteuern für die Jahre 1988 bis 1990 sowie für den Zeitraum Jänner bis März 1991 in näher beziffertem Ausmaß.
Mit Haftungsbescheid des Finanzamtes vom 10. Oktober 1992 wurde der Beschwerdeführer auf Grund seiner Eigenschaft als Masseverwalter für Abgabenschulden der vormaligen Gemeinschuldnerin an Umsatzsteuer für die Jahre 1988 bis 1991 in Höhe der vom Prüfer ermittelten Beträge gemäß § 9 Abs. 1 BAO zur Haftung herangezogen.
Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung blieb mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ein Erfolg versagt. Begründend legte die belangte Behörde in Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers dar, daß die Uneinbringlichkeit der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenschuldigkeiten auf Grund der Aufhebung des Konkursverfahrens nach Verteilung des Massevermögens feststehe. Sache des Beschwerdeführers sei es gewesen, jene Gründe anzuführen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Daß es dazu der Feststellung einer Verletzung von Berufspflichten des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt bedürfe, treffe nicht zu, weil die Bestimmung des § 9 Abs. 2 BAO nicht für die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes als Masseverwalter gelte. Der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, daß ihn an den unrichtig erstellten Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen kein Verschulden treffe. Die bloße Tatsache der Heranziehung eines Steuerberaters reiche dazu nicht aus. Die seinerzeit unrichtig gewesene Beurteilung der Abgabenerklärungen durch die Abgabenbehörde und die Verabsäumung einer Bemängelung der vom Masseverwalter gelegten Schlußrechnung durch die Abgabenbehörde seien keine zielführenden Argumente, weil die Frage, ob die Behörde bei gehöriger Aufmerksamkeit die Folgen einer Pflichtverletzung des Vertreters verhindern hätte können, für die Berechtigung der Heranziehung des Vertreters zur Haftung bedeutungslos sei. Die Ursache der verspäteten Abgabenfestsetzung liege in der durch unrichtige Erklärung der abziehbaren Vorsteuer bewirkten Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht; daß bei Fälligkeit der betroffenen Abgaben ausreichende Mittel zu deren Entrichtung vorhanden gewesen seien, ändere nichts daran, daß Mittel der Konkursmasse nach Verteilung des Massevermögens nicht mehr zur Verfügung stünden. Auf eine rechtskräftige Festsetzung der haftungsbetroffenen Abgaben im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung komme es rechtlich nicht an.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt; seinem gesamten Vorbringen nach erklärt der Beschwerdeführer sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf als verletzt, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Haftung für Umsatzsteuerschulden der vormaligen Gemeinschuldnerin herangezogen zu werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Zu den gesetzlichen Vertretern im Sinne des § 80 BAO gehört auch der Masseverwalter (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1993, 91/15/0007, ÖStZB 1993, 573, mit weiteren Nachweisen).
Der Beschwerdeführer bestreitet die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten der Gemeinschuldnerin mit dem Argument, daß die Abgabenschuld, welche möglicherweise entstanden sei, hinsichtlich der Uneinbringlichkeit in den Zeitraum ihres Entstehens zu transferieren sei, woraus sich die Unrichtigkeit der behördlichen Beurteilung der Uneinbringlichkeit dieser Abgabenschuld deswegen ergebe, weil zum Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld ein Vermögen vorhanden gewesen sei, welches jederzeit die Deckung dieser Schuld ermöglicht hätte. Daß nach Aufhebung des Konkurses kein Massevermögen mehr vorhanden sei, könne auf die Frage der Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden keine Einfluß nehmen.
Diese Betrachtungsweise läßt außer acht, daß den Grund der im § 9 Abs. 1 BAO normierten Haftung des Vertreters gerade die Ursächlichkeit einer ihm vorzuwerfenden Pflichtverletzung für die nachfolgende Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden des Vertretenen bildet. Ist die Uneinbringlichkeit von Abgabenschulden des Vertretenen tatbestandsmäßig vorausgesetzter Erfolg einer haftungsbegründenden Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter, dann kann damit nicht eine Uneinbringlichkeit der Abgaben zum Zeitpunkt der Begehung der Pflichtverletzung durch den Vertreter gemeint sein. Waren Abgaben schon zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit uneinbringlich, dann schließt dies im Gegenteil die Annahme einer Pflichtverletzung durch den zur Entrichtung von Abgaben Verpflichteten geradezu aus. Der vom Beschwerdeführer in dieser seiner Argumentation vorgetragene Sachverhalt widerlegt damit nicht die Kausalität seines Handelns für die Uneinbringlichkeit der Abgaben, sondern beweist sie vielmehr.
Der behördlichen Feststellung einer Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch ihn tritt der Beschwerdeführer mit dem Einwand entgegen, daß gemäß § 9 Abs. 2 BAO seine Haftung als Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes eine Verletzung seiner Berufspflichten voraussetze, worüber nur die für ihn zuständige Disziplinarbehörde mit bindender Wirkung für die Abgabenbehörde eine Entscheidung treffen hätte können.
Dem ist zu entgegnen, daß die besonderen Voraussetzungen einer Haftung der Angehörigen der im § 9 Abs. 2 BAO genannten Berufsgruppen nach dem Wortlaut dieser Bestimmung voraussetzt, daß die Haftung auf Handlungen gestützt wird, die sie bei der Beratung in Abgabensachen in Ausübung ihres Berufes vorgenommen haben. Werden Personen, die dem Berufsstand der Notare, Rechtsanwälte oder Wirtschaftstreuhänder angehören, in anderer als in berufstypisch beratender Funktion tätig, so etwa auch als Masseverwalter, dann kommt nicht der zweite, sondern der erste Absatz des § 9 BAO zur Anwendung, sodaß die Geltendmachung der Haftung diesfalls auch nicht von der disziplinarbehördlichen Feststellung der Verletzung von Berufspflichten abhängig ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 137, sowie Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Tz 28 zu § 9 BAO).
Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, daß nicht ihm der Nachweis seiner Schuldlosigkeit, sondern der belangten Behörde die Feststellung seines schuldhaften Verhaltens obliege, befindet sich der Beschwerdeführer mit dieser Rechtsansicht im diametralen Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach welcher den Vertreter einer Gesellschaft, deren Abgaben nicht entrichtet wurden und uneinbringlich geworden sind, im Haftungsverfahren die Obliegenheit darzutun trifft, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf (vgl. für viele etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. März 1995, 95/14/0034, und vom 10. November 1993, 91/13/0181). Wenn der Beschwerdeführer meint, daß nicht erkannt werden könne, worin das von ihm zu vertretende Verschulden liegen solle, dann ist ihm zu erwidern, daß es ihm im Verwaltungsverfahren nicht gelungen ist, einen Sachverhalt vorzutragen, dem seine Verschuldensfreiheit an der objektiv vorgelegenen Verletzung der Pflicht zur Erstattung rechtsrichtiger Umsatzsteuererklärungen entnommen hätte werden können. Der bloße Hinweis auf deren Erstattung durch einen Steuerberater konnte dafür nicht ausreichen. Die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter nach § 80 BAO entbindet den Vertreter von seinen Pflichten nicht. Sie kann ihn allerdings entschuldigen, wenn er im Haftungsverfahren Sachverhalte vorträgt, aus denen sich ableiten läßt, daß der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die vermeintliche Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren lassen hat, ohne daß zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters nach § 80 Abs. 1 BAO vorgelegen wären (vgl. etwa die bei Ritz, a.a.O., Tz 18 zu § 9 BAO, angeführte Fallkonstellation). Die Erstattung eines in dieser Richtung gelegenen Sachvorbringens, aus welchem die Betrauung eines Steuerberaters mit den umsatzsteuerlichen Agenden der Konkursmasse den Beschwerdeführer schuldlos an der Unrichtigkeit der unter seiner rechtlichen Verantwortung erstatteten Umsatzsteuererklärungen erkennen hätte lassen, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht unternommen. Sein vor dem Verwaltungsgerichtshof getroffener Hinweis auf die Fachkundigkeit eines Steuerberaters konnte ein solches Vorbringen nicht ersetzen (vgl. dazu etwa auch die
hg. Erkenntnisse vom 12. August 1994, 92/14/0125, 0126, sowie vom 28. Jänner 1992, 91/14/0225). Soweit sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch die Auffassung entnehmen läßt, daß der Steuerberater für die Heranziehung zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO eher in Betracht gekommen wäre als er, ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, daß der durch rechtsgeschäftlichen Akt beauftragte Steuerberater kein Vertreter im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO ist.
Soweit der Beschwerdeführer die Möglichkeit des nachträglichen Entstehens der haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen aus konkursrechtlichen Überlegungen auch mit dem Hinweis auf das Unterbleiben einer Anmeldung solcher Forderungen im Konkurs bezweifelt, wendet er sich damit gegen die Richtigkeit der vom Haftungsbescheid betroffenen Abgabenforderungen, was ihm aber deswegen verwehrt bleiben muß, weil im Haftungsverfahren Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben nicht mit Erfolg vorgetragen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. November 1994, 93/15/0010, mit weiterem Nachweis). Er sei hiezu dennoch zum einen auf die Bestimmung des § 60 Abs. 1 KO und zum anderen auf die im § 21 Abs. 3 UStG 1972 getroffenen Regelungen über den Fälligkeitszeitpunkt von Umsatzsteuernachforderungen verwiesen und daran erinnert, daß er an anderer Stelle seiner Beschwerdeschrift (Argument zur Uneinbringlichkeit) selbst zutreffenderweise vom Entstehen der Abgabenschuld während der Anhängigkeit des Konkursverfahrens ausgeht.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt der Beschwerdeführer schließlich ins Treffen, daß die Abgabenbehörde einen Steuerbescheid über den Abgabenanspruch ihm nicht zugestellt, einen solchen vielmehr gar nicht erlassen habe. Dazu ist folgendes auszuführen:
§ 224 Abs. 3 BAO sieht die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides ausdrücklich vor. Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung setzt zwar das Bestehen eines Abgabenschuldverhältnisses, also das Bestehen einer Abgabenschuld (§ 4 BAO) voraus, nicht jedoch, daß diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber auch bereits geltend gemacht wurde; abgabenrechtliche Haftungen haben nämlich keinen bescheidakzessorischen Charakter (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1995, 94/14/0156, mit weiteren Nachweisen). Die vom Beschwerdeführer angestellte Überlegung einer Subsidiarität des Haftungsbescheides ist im gegebenen Zusammenhang nur insoferne richtig, als Voraussetzung der Heranziehung eines Vertreters zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO es ist, daß die Abgaben beim Vertretenen nicht eingebracht werden können. Daß diese Voraussetzung im Beschwerdefall zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aber vorlag, stellt der Beschwerdeführer nicht in Abrede. Daß ein Festsetzungsbescheid über die von der Haftung betroffenen Abgaben nicht ergangen ist, begründet eine Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides nicht.
Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
MasseverwalterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994130095.X00Im RIS seit
20.11.2000