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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D in München, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 5. Juli 1994, Zl. III 272-2/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 iVm den §§ 19, 20 und 21 FrG ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. September 1993 wegen Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB sowie wegen des Vergehens des tätlichen Angriffes auf einen Beamten nach § 270 Abs. 1 StGB schuldig erkannt worden sei. Dieser Verurteilung liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer am 20. September 1992 zwei Sicherheitswachebeamte während einer Amtshandlung tätlich angegriffen habe. Die Beamten seien gerade im Begriffe gewesen, eine private Feier, bei der ohne Bewilligung teilweise auch der Gehsteig vor dem Haus zu verkehrsfremden Zwecken benützt worden sei, wegen starken Lärms zu beenden. Der Beschwerdeführer habe die Beamten dadurch vorsätzlich am Körper verletzt, daß er einen gegen einen Türstock gedrückt habe, wodurch dieser Schmerzen im Kehlkopfbereich erlitten habe, sowie dem anderen einen heftigen Stoß mit dem linken Ellbogen gegen die rechte Brustseite versetzt habe, wodurch dieser eine Rippenprellung erlitten habe. Wegen dieses Vorfalls sei der Beschwerdeführer auch mit rechtskräftiger Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Innsbruck wegen Übertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG bestraft worden. Dem Beschwerdeführer sei vor Einschreiten der Beamten klargemacht worden, daß sie wegen der ungebührlichen Lärmerregung die abgehaltene Feier in einem Lokal, in dem sich etwa 40 Personen aufhielten, aufzulösen hätten, dennoch habe der Beschwerdeführer erklärt, daß die Beamten verschwinden sollten und sei tätlich gegen sie vorgegangen. Als die Beamten versucht hätten, den Beschwerdeführer festzunehmen, seien dann zahlreiche weitere Gäste des Lokals auf die Beamten losgegangen. Die belangte Behörde sei der Ansicht, daß bei einem solchen Verhalten der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde bzw. den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen (hier: öffentliche Ruhe und Ordnung) zuwiderlaufe.
Der Beschwerdeführer halte sich nur sporadisch zu Besuch bei seiner Tante oder seinem Onkel im Bundesgebiet auf. Er habe seinen ordentlichen Wohnsitz seit 1971 in der BRD, wo er gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern lebe; dort gehe er auch seiner beruflichen Tätigkeit im Raum München nach. Der Beschwerdeführer beabsichtige demnächst die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Die vom Beschwerdeführer geäußerte Absicht, seine geschäftlichen Aktivitäten auch nach Österreich ausdehnen zu wollen, erscheine im Hinblick darauf, daß seine darauf abzielenden Anträge seit mittlerweile mehr als drei Jahren regelmäßig abgewiesen würden, wenig überzeugend. Daraus ließe sich ohne weiteres der Schluß ziehen, daß durch das Aufenthaltsverbot ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht vorliege. Damit erübrige sich sowohl eine Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot im Sinne der genannten Bestimmung dringend geboten ist, wie auch die Vornahme einer Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß der der gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Vorfall als ein unüberlegtes Handeln des Beschwerdeführers zu betrachten sei, das nicht als derart gravierend angesehen werden könne, um die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen zu können.
Damit ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 Abs. 1 leg. cit.) zu stützen, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0290, mwN.).
Die belangte Behörde sah das nach § 18 Abs. 1 FrG bedeutsame Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers durch den seiner rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden tätlichen Angriff auf die beiden Polizeibeamten (und deren daraus resultierende Verletzung) als verwirklicht an.
Dieser Beurteilung vermag der Gerichtshof nicht beizupflichten. Der festgestellte Sachverhalt ergibt keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer beim Versuch seiner Festnahme durch die Polizeibeamten die weiteren Gäste im Lokal zu Hilfe gerufen und deren Vorgehen gegen die Beamten unmittelbar veranlaßt hätte, sodaß auch nicht der dadurch ausgelöste verstärkte Polizeieinsatz dem Beschwerdeführer direkt zugerechnet werden könnte. Somit verbleibt lediglich das im Dunstkreis eines Alkoholgelages zu sehende, zweifellos nicht zu bagatellisierende Verhalten des Beschwerdeführers, der sich offensichtlich vor den anderen (gruppenpsychologisch gestärkt) hervortun wollte. Wenn auch sein aggressives Vorgehen schwer ins Gewicht fällt, so erreicht sein Fehlverhalten angesichts der angeführten Umstände bei Gesamtbetrachtung - die Verletzungen der Beamten waren nicht sehr erheblich - nicht einen solchen Grad der Verwerflichkeit, daß dadurch schon die im § 18 Abs. 1 leg. cit. näher umschriebene Annahme gerechtfertigt wäre; sein Verhalten führte nicht zu einer Verurteilung im Sinn des Abs. 2 Z. 1 leg. cit. und zusätzliche - dem Beschwerdeführer zum Nachteil gereichende und ins Gewicht fallende Umstände liegen nicht vor.
Dadurch, daß die belangte Behörde rechtsirrtümlich die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt hielt, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210276.X00Im RIS seit
11.07.2001