TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/22 95/21/0059

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Veröffentlicht am 22.11.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §21 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des F in R, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. Oktober 1994, Zl. St 276/94, betreffend Aufenthaltsverbot und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 19. Oktober 1994 wurde unter Spruchpunkt I gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Angola, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 sowie den §§ 19 bis 21 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen und unter Spruchpunkt II gemäß § 54 Abs. 1 festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Angola gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; seine Abschiebung nach Angola sei somit zulässig.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer nach seinen Angaben am 24. Juni 1994 in das Bundesgebiet eingereist sei. Dabei habe er sich mit einem belgischen Flüchtlingsausweis, ausgestellt auf den Namen A, ausgewiesen. Bei seiner Einvernahme am 5. Juli 1994 habe er zugegeben, bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 28. Juni 1994 unrichtige Angaben gemacht zu haben. Er habe seine Angaben dahingehend berichtigt, daß er in Wirklichkeit F heiße, in Kabinda/Angola geboren, ledig sei sowie ein Kind in Angola habe. Er habe Angola aus politischen Gründen verlassen müssen und sei am 20. Juni 1994 auf dem Luftweg von Luanda nach Bratislava gereist. Zuvor habe er sich in Luanda ein gefälschtes slowakisches Transitvisum besorgt. In Bratislava habe ihm ein Ghanese mit Namen J einen belgischen Flüchtlingsausweis lautend auf A sowie eine Verlustbestätigung hinsichtlich eines belgischen Konventionsreisepasses, ausgestellt in Bratislava, ausgefolgt. In einem slowakischen Reisebus sei er bei der Grenzkontrollstelle Berg nach Österreich eingereist.

Der Beschwerdeführer habe einen Asylantrag mit der Begründung gestellt, daß er in Angola Mitglied der "FLEC" gewesen sei. Er habe angegeben, daß diese Partei gegen die Regierung auftrete und sich die Schaffung eines eigenen Staates zum Ziel gesetzt habe. Am 20. Mai 1994 sei er in die Hauptstadt Luanda gereist, um dort einen Parteifreund zu besuchen. Nach einem Aufenthalt von rund einem Monat sei er von der Polizei festgenommen worden. Auch andere Personen seien verhaftet worden. Nach der Befragung, ob er aus Kabinda stamme, was er verneint hätte, sei er am 19. Juni 1994 wieder entlassen worden. Er habe angegeben, daß dann, wenn seine tatsächliche Herkunft festgestellt worden wäre, er wahrscheinlich getötet worden wäre. Nach den Angaben des Beschwerdeführers würden sämtliche Personen aus Kabinda von der Regierung verfolgt.

Bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, habe der Beschwerdeführer im wesentlichen diesen Sachverhalt wiederholt. Er habe jedoch weiters betont, daß er in Kabinda nicht verfolgt würde, jedoch vor den Behörden in Luanda Angst habe. Er befürchte, dort getötet zu werden. Als Zweck seiner Reise nach Luanda habe er bei dieser Einvernahme die Besorgung von Botengängen angeführt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Juli 1994 sei der Asylantrag abgewiesen worden. In der Berufung gegen diesen negativen erstinstanzlichen Asylbescheid habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß die "FLEC" von den staatlichen Behörden als eine terroristische Bewegung bezeichnet werde. Dies sei allerdings ein Kunstgriff der angolanischen Regierung, um in der Öffentlichkeit eine Entschuldigung für das harte Vorgehen der staatlichen Stellen präsentieren zu können. Er habe nie geleugnet, daß auch Anhänger der "FLEC" verschiedene Gewalttaten begangen hätten, er habe sich jedoch nie an einer Gewalttat oder an einem sonstigen Verbrechen beteiligt.

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. August 1994, rechtswirksam erlassen am 22. August 1994, sei der Asylantrag rechtskräftig abgewiesen worden. Vor Erlassung dieses Bescheides sei der Beschwerdeführer nochmals einvernommen worden und habe hiebei folgendes angegeben: Er sei mit dem Schiff von Kabinda über Sojo nach Luanda gereist. Beim Betreten und Verlassen des Schiffes sei er jeweils von Polizei- und Zollorganen kontrolliert worden. Als Identitätsdokument habe er seine in Luanda ausgestellte Identitätskarte vorgewiesen. Als Reisegrund habe er angegeben, einen Freund in Luanda besuchen zu wollen. Bei der Überprüfung durch die Sicherheitsorgane habe er keine Probleme gehabt, weil seine Zugehörigkeit zur "FLEC" nicht bekannt gewesen sei. Die Bewohner von Kabinda würden von den angolanischen Behörden nur verfolgt, wenn sie der "FLEC" angehörten. Seinen angolanischen Reisepaß habe er seiner Erinnerung nach bei einem Besuch Ende April 1994 zufällig bei seinem Freund zurückgelassen. In Kabinda würde er keinen Reisepaß benötigen. Bei der Einvernahme im Asylverfahren als auch in der Berufungsschrift habe er angegeben, während der Haft eine Taubstummheit vorgetäuscht zu haben. Bei dieser Befragung vor Erlassung des Berufungsbescheides im Asylverfahren habe er dazu angegeben, daß er lediglich die Aussage verweigert und kein Wort gesagt habe. Dies deshalb, weil er seine Lage als hoffnungslos eingeschätzt habe. Von der Polizei sei ihm einzig vorgeworfen worden, Mitglied der "FLEC" zu sein.

Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers sei zu sagen, daß seine Frau und seine drei Kinder in Belgien lebten. In Österreich habe er weder Verwandte noch sonstige Beziehungen. Auch gehe er keiner Beschäftigung nach.

Aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer unter Verschleierung seiner wahren Identität Zugang in das Bundesgebiet gesucht habe, sei die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Aus ordnungs- bzw. sicherheitspolitischen Aspekten könne nicht hingenommen werden, daß sich im Bundesgebiet Personen mit falscher Identität aufhielten. Das Aufenthaltsverbot bewirke keinen relevanten Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers.

Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die festgesetzte Frist von fünf Jahren sei unter Abwägung der angeführten Umstände als angemessen anzusehen.

Zur Situation in Angola sei von der Behörde erster Instanz folgendes festgehalten worden: Die Bürgerkriegsparteien in der Republik Angola (Regierungstruppen und Verbände der Befreiungsbewegung UNITA) hätten sich 1991 auf einen Waffenstillstand verständigt und seien am 29. und 30. September 1992 Parlaments- und Präsidialwahlen unter UNO-Kontrolle durchgeführt worden. Die UNO-Kontrollorgane hätten bestätigt, daß die Wahlen im wesentlichen frei und fair gewesen seien. Am 17. Oktober 1992 sei das Resultat dieser Wahlen offiziell verkündet und der Sieg der Regierungspartei bestätigt worden. Seitens der wesentlichen Führungskräfte der UNITA sei dieses Wahlergebnis jedoch nicht akzeptiert worden, weshalb seit diesem Zeitpunkt wieder Bürgerkrieg in Angola herrsche. Die Regierungstruppen kontrollierten ca. 1/3 des Landes (Küstenstreifen), die restlichen 2/3 des Landes seien im Einfluß der Verbände der UNITA. Überdies existierten in der Enklave Kabinda mehrere Befreiungsbewegungen, wobei besonders die "FLEC" (Front für die Befreiung der Enklave Kabinda) tätig sei. Die Einhaltung der Menschenrechte gegenüber UNITA- bzw. FLEC-Mitgliedern könne derzeit seitens der Regierung nicht garantiert werden. Personen, die keiner der beiden oppositionellen Verbände angehörten, unterlägen im Herrschaftsbereich der Regierung keiner Beschränkung des Personenverkehrs.

Der Beschwerdeführer habe im Zuge seiner Einvernahme widersprüchliche, uneinheitliche und teilweise sogar widerleglich unrichtige Angaben getätigt. Auf folgende widersprüchliche Aussagen sei verwiesen:

1.

Angabe zur angeblichen FLEC-Parteifunktion: Repräsentanz von 30 Leuten, Sektoren-Leiter, normales Parteimitglied;

2.

Zur Reisebewegung nach Luanda Mitte Mai 1994: Reise mit PKW; Reise per Schiff;

3.

Zum Zweck des Aufenthaltes in Luanda: Besuch eines Parteifreundes; Botengänge für die FLEC; Organisation von Versammlungen und Reaktivierung der FLEC-Aktivitäten in Luanda; Besuch des Freundes X;

4.

Zum Verhalten während der Haft vom 18. auf den 19. Juni 1994: Bestreitung, aus Kabinda zu stammen;

Vorgabe, taubstumm zu sein; Aussageverweigerung;

5.

Ende der Polizeihaft: Entlassung am 19. Juni 1994;

Flucht aus Polizeigewahrsam;

6.

Zur Art und Weise der Besorgung des slowakischen Visums:

Ein anderer Freund, nicht der mit ihm inhaftierte, habe es besorgt; der Freund X habe es besorgt;

7.

Zum Schicksal des angolanischen Reisepasses: Tausch des Reisepasses gegen andere Dokumente eines Gahnesen;

Reisepaß in Bratislava weggeworfen.

8.

Zu diesen Widersprüchlichkeiten komme noch, daß die behördlichen Erhebungen ergeben hätten, daß es keinen Direktflug zwischen Luanda und Bratislava gebe.

Durch diese widersprüchlichen Angaben habe der Beschwerdeführer in keiner Weise schlüssig und glaubwürdig darzulegen vermocht, daß er in dem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer räumt ein, daß die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes vorliegen mögen, er meint jedoch, die Behörde hätte mit dem gelinderen Mittel der Ausweisung vorgehen müssen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer auf die ständige hg. Rechtsprechung zu verweisen, wonach auch bei Zulässigkeit einer Ausweisung nach § 17 FrG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 1 leg. cit. bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend vorgeschrieben ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0647).

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, daß durch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf die ihm in seiner Heimat drohende Verfolgungsgefahr in unzulässiger Weise in sein Privatleben eingegriffen werde.

Dem ist entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0614, und vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0841) unter Eingriffen im Sinne des § 19 FrG nur solche zu verstehen sind, die sich auf das in Österreich geführte Privatleben des Fremden erstrecken, und nicht Umstände, die künftig in einem bestimmten anderen Land das Privatleben des betreffenden Fremden beeinträchtigen könnten.

Was die in der Beschwerde bekämpfte Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes anlangt, so kann der Gerichtshof nicht finden, daß der belangten Behörde eine Rechtswidrigkeit unterlaufen wäre, wenn sie davon ausging, daß ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes vor Ablauf der gesetzten Frist vorhersehbarerweise nicht anzunehmen sei (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bemessung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes etwa das Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0539).

Zum Feststellungsantrag führt der Beschwerdeführer aus, daß er glaubhafte Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG vorgebracht habe. Derart gravierende Widersprüche, daß seine Angaben unglaubwürdig seien, lägen nicht vor. Ungeachtet allfälliger Ungereimtheiten in Nebenpunkten sei von der Glaubwürdigkeit seiner Angaben auszugehen.

Die von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüche stellen entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht nur Ungereimtheiten in Nebenpunkten dar. Die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht dazulegen vermocht, daß er in dem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei, ist im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden Prüfung der Beweiswürdigung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Selbst die Beschwerde zeigt nicht konkret auf, von welchen tatsächlichen Umständen auszugehen sei. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Verletzung des Parteiengehörs rügt, unterläßt er es, die Relevanz der Rüge aufzuzeigen.

Da es somit dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, zumindest glaubhaft zu machen, daß er aktuell in dem von ihm bezeichneten Staat im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG bedroht sei, ist die im Instanzenzug ergangene Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 leg. cit., daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer solchen Bedrohung bestünden, nicht rechtswidrig.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210059.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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