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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des RS in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. August 1994, Zl. 4.333.424/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 26. August 1994, wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. März 1992, mit dem festgestellt worden war, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling nicht vorlägen, ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, der am 5. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist war und am selben Tag den Asylantrag gestellt hatte, bei seiner niederschriftlichen Befragung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 6. März 1992 im wesentlichen angegeben habe, sein Vater sei Angestellter bei Pepsi-Cola in Bagdad gewesen und nunmehr mit ihm in Österreich. Im Irak sei noch die Mutter mit zwei Schwestern. Ein Bruder sei im Iran vermißt, ein weiterer in Saudi-Arabien in Gefangenschaft, eine Schwester sei vermutlich in der Türkei und eine in Österreich. Der Beschwerdeführer habe im Irak keiner politischen Organisation als Mitglied angehört. Aufgrund seines christlichen Glaubens sei er in der Schule ständig benachteiligt worden, hätte schlechtere Noten bekommen, und die HTL nicht beenden können. In der Schule habe er auch Flugblätter der Aschori-Partei verteilt. Die dadurch erhaltenen Schwierigkeiten hätten dazu geführt, daß man ihn nicht in die nächste Klasse habe aufsteigen lassen. Am 28. Juni 1991 habe er zum irakischen Militär einrücken müssen. Da er bereits einen Bruder im Krieg verloren habe, habe er befürchtet, an der Front gegen die Kurden kämpfen zu müssen und sei deswegen am 21. Juli 1991 desertiert. Er habe sich in der Folge verborgen gehalten. Er müsse im Falle seiner Verhaftung im Irak wegen Desertion mit der Todesstrafe rechnen, weshalb er den Irak verlassen habe.
Die belangte Behörde resümierte, der Beschwerdeführer erfülle ausgehend von diesem Vorbringen die Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht.
Dieser Sachverhalt wird auch in der Beschwerde wiederholt und auf die immer noch in Geltung stehende Resolution Nr. 1370 des revolutionären Kommandorates vom 13. Dezember 1993, nach welcher Deserteuren die Todesstrafe wegen Hochverrat drohe, hingewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der inhaltlich wiedergebende Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention des § 1 Z. 2 AsylG 1991 bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch unter dem der inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer unter Heranziehung bundesdeutscher Medienberichte, Literatur und Judikatur zur Frage der Wehrdienstverweigerung geltend, die oben zitierten Voraussetzungen des § 1 Z. 2 AsylG 1991 lägen bei ihm vor, weil ihm infolge der Wehrdienstverweigerung in seinem Heimatland die Todesstrafe drohe. Im Falle einer Desertion werde von vornherein dem Deserteur eine politische Gesinnung, nämlich Staatsfeindlichkeit, unterstellt. Wehrdienstverweigerung sei daher im Irak als "politisches Delikt" zu werten. Zahlreiche Deserteure seien Medienberichten zufolge hingerichtet worden. Dennoch kann der belangten Behörde - ausgehend vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz und dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung (samt Ergänzungen) nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, daß dem Beschwerdeführer mangels Flüchtlingseigenschaft kein Asyl zu gewähren sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt weder die Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst noch die Furcht vor einer wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung, einen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar, sofern nicht Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, die Einberufung, die Behandlung während des Militärdienstes oder die Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrdienstes oder Desertion sei infolge einer der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen für den Beschwerdeführer ungünstiger erfolgt (vgl. hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 94/01/0377). Daß die Einberufung oder die ihm drohende Bestrafung auch einen asylrechtlich relevanten Aspekt hätte, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Auszugehen ist vielmehr davon, daß der Beschwerdeführer lediglich die Furcht vor einem eventuellen Fronteinsatz gegen die Kurden und den Tod seines Bruders im Krieg als Begründung für seine Weigerung, den Militärdienst abzuleisten, angegeben hat. Daß von seiten der staatlichen Behörden den Betroffenen aufgrund einer derartigen Handlungsweise eine bestimmte - staatsfeindliche - Gesinnung unterlegt wird, ändert nichts daran, daß es nicht eine solche Gesinnung war, die den Beschwerdeführer zu seinem Verhalten veranlaßte. Im Falle einer Bedrohung mit der Todesstrafe (oder mit einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe) kommt bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen im übrigen das Zurückschiebungsverbot des § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, in Betracht. Selbst die Bedrohung mit der Todesstrafe begründet aber keinen Anspruch auf Asylgewährung, wenn - wie im Beschwerdefall - kein Zusammenhang mit Konventionsgründen besteht. Behauptet der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde, er als Angehöriger der religiösen Minderheit der Christen würde einer wesentlichen härteren Bestrafung zugeführt werden (als andere Staatsangehörige des Irak), stellt sich dies als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beachtliche Neuerung dar.
Die belangte Behörde befindet sich aber auch im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn sie davon ausgeht, daß grundsätzlich weder eine Behinderung beim Schulbesuch noch die Schwierigkeiten, mit denen christliche Minderheiten in islamischen Staaten konfrontiert sind, ausreichen, objektive Furcht vor konkreter Verfolgung zu begründen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 94/20/0687, u.a., jeweils mit weiteren Nachweisen).
Ferner macht der Beschwerdeführer nunmehr geltend, er habe durch die Asylantragstellung im Ausland einen "Nachfluchtgrund" gesetzt, weil die irakischen Behörden diese Vorgangsweise als "illoyales Handeln gegenüber dem irakischen Staat" ansehen, was die belangte Behörde hätte feststellen müssen, wäre sie ihrer im § 16 AsylG 1991 verankerten Pflicht zur Ermittlung des der Entscheidung zugrundezulegenden Sachverhaltes nachgekommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind im Asylverfahren die Angaben des Asylwerbers im erstinstanzlichen Verfahren zentrale Erkenntnisquelle. Dabei obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Die Asylbehörden sind nicht verhalten, den Asylwerbern Unterweisungen darüber zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen auszuführen und welche Fluchtgründe sie anzugeben haben, damit diesem ihrem Verlangen auf Anerkennung als Konventionsflüchtling entsprochen werden kann. Enthält jedoch das Vorbringen eines Asylwerbers einen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention in Betracht kommt, so ist die Asylbehörde aus der ihr gemäß § 37 AVG iVm § 39 AVG und § 16 AsylG 1991 obliegenden Verpflichtung, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben, nur dann gehalten, allenfalls vorhandene Zweifel über den Inhalt und die Bedeutung des Vorbringens des Asylwerbers durch entsprechende Erhebungen, insbesondere ergänzende Befragung zu beseitigen, wenn das Vorbringen eines Asylwerbers einen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt enthält, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1995, Zl. 94/20/0884, uva.). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren diesbezüglich nichts vorgebracht. Die belangte Behörde war daher auch im Hinblick auf § 20 Abs. 1 AsylG 1991 nicht verhalten, den Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nochmals über allfällige Fluchtgründe zu befragen. Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, durch seine Asylantragstellung in Österreich einen "Nachfluchtgrund" gesetzt zu haben, fällt daher unter das Neuerungsverbot des § 41 VwGG. Sollten die Voraussetzungen des § 37 FrG auch hinsichtlich dieses Faktums vorliegen, gilt das bereits oben Gesagte.
Insoweit der Beschwerdeführer meint, die Verwendung von Textbausteinen könnte nicht als ordnungsgemäße Bescheidbegründung bezeichnet werden, es sei nicht ersichtlich, von welchen Feststellungen die belangte Behörde ausgegangen sei, bleibt unerfindlich, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer durch die intern gehandhabte Arbeitsweise der belangten Behörde in einem subjektiven Recht verletzt zu sein glaubt. Auch von welchem Sachverhalt die belangte Behörde ausgegangen ist, erscheint im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit den zur Feststellung erhobenen Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren völlig unzweifelhaft.
Insgesamt erweist sich daher die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994200758.X00Im RIS seit
20.11.2000