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L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des J in I, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 31. Jänner 1992, Zl. 13/123-6/1991, betreffend Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in der Zeit zwischen dem 14. November 1990 und dem 6. März 1991 auf den Gpn. 459/1 und 459/3, KG Z, welche in einem Feuchtgebiet lägen, Geländeunebenheiten und Naßstellen anplaniert und durch maschinellen Einsatz Bodenverdichtungen durchgeführt, ohne hiefür eine naturschutzrechtliche Bewilligung zu besitzen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 43 Abs. 1 lit. a iVm § 9 lit. g des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 (TNSchG 1991) begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen) verhängt werde. Die belangte Behörde vertrat dabei im wesentlichen die Auffassung, daß aufgrund des Gutachtens des Amtssachverständigen vom 16. Oktober 1991 die streitgegenständlichen Grundstücke als Feuchtgebiet im Sinne des § 3 Abs. 7 TNSchG 1991 anzusehen seien. Der Amtssachverständige habe dazu in seinem Gutachten folgendes ausgeführt:
"Am 14.10.1991 wurde in gegenständlicher Sache ein Lokalaugenschein durchgeführt, der klären sollte, inwieweit die Grundparzellen 459/1 und 459/3, beide KG. Z, aus fachlicher Sicht als Feuchtgebiet im Sinne des § 3 Abs. 7 Tiroler Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 29/1991, anzusehen sind. Als Unterlagen dienten dabei einerseits das Einreichprojekt zur Erschließung Industriegebiet Z für die Gp. 459/2 der Gemeinde Z vom 2. November 1990 sowie jene planliche Unterlage der Anlage zum Antrag auf Unterschutzstellung eines Feuchtgebietes im Gemeindegebiet Z aus dem Jahr 1988, Disertation Krewedl.
Bereits im naturschutzfachlichen Gutachten vom 8.4.1991 wurde darauf hingewiesen, daß die "Fläche Gp. 459/2 im Osten begrenzt wird durch Schilfbestände. In weiterer Folge werden diese durch Grauerlen und Weidenbestände sowie auf den geschütteten Flächen durch Ruderalbestände begrenzt." Diese im Osten angrenzenden Flächen stellen nunmehr jene Gpn. 459/1 sowie 459/3, beide KG. Z, dar, deren Vegetationsausgestaltung in gegenständlicher Stellungnahme zu beantworten ist.
Vorweg wird festgestellt, daß auf jenen Flächen, auf denen bereits illegale Schüttungen vorgenommen sind, nicht in dem Maße Einheiten der Feuchtgebietsvegetation regenerieren konnten, die für den Bereich typisch wären. Vielmehr sind hier auf einer Fläche von ca. 20 x 20 m Ruderalfluren, insbesondere mit Goldrute (Solidago canadensis) sowie Franzosenkraut (Galinsoga parvinflora) sowie anderen stickstoffliebenden Einheiten ausgeprägt. Mit einer Überdeckung von ca. 30 % auf diesen Flächen, die sich ca. auf der Höhe des abgeschrankten begrünten Forstweges Richtung Norden hin befinden, kommen jedoch bereits Grauerlen (Alnus incanae) auf. Diese Grauerlenart ist in ihrer Sukzession somit Vorstufe der Grauerlenvegetationseinheit (Alnetum incanae) und somit in weiterer Folge Begründer dieser Vegetationseinheit, die dezidiert nach § 3 Abs. 7 Tiroler Naturschutzgesetz als Feuchtgebiet anzusehen ist.
Im Westen der Grundparzellen streuen noch Bestände der Schilfeinheit ein, die neben dem Hauptvertreter Fragnites comunis mit einer Überdeckung von 80 - 100 % noch weitere Arten wie Mädesüß (Philipendula ulmaria, bis zu 20 % Deckung) oder Braunwurz tragen. Vereinzelt sind auch Vertreter der ehemals hier ausgeprägten Pfeifengraswiese, wie Pfeifengras (Molinia cerulea, Gesamtdeckung bis 5 %) vertreten. Diese Schilfeinheit, die nach dem Tiroler Naturschutzgesetz § 3 Abs. 7 dezidiert als Feuchtgebiet definiert ist, nimmt eine Fläche von ca. 0,3 ha ein.
Zu einem größeren Teil werden des weiteren noch im Bereich des Gießen (orographisch rechtes Ufer) Aueneinheiten ausgebildet, die zum einen als Grauerlenauen (Alnetum incanae), zum anderen als Silberweidenau anzusprechen sind. Neben Silberweide (Salix alba) sind hier auch noch Saalweide (Salix caprea), Purpurweide (Salix purpurea), Reifweide (Salix daphnoides) sowie Schwarzpappel (Populus nigra) vertreten. Auch diese Vegetationseinheit, die mit einer Fläche von ca. 0,1 ha vertreten ist, ist dezidiert in der Definition "Feuchtgebiete" nach § 3 Abs. 7 beinhaltend.
Nachdem überschilfte Pfeifengrasbestände sowie Schilfbestände im Ausmaß von ca. 0,3 ha sowie Grauerlen und Weidenauen im Ausmaß von 0,1 ha auf der gegenständlichen Fläche Gpn. 459/1 sowie 459/3 vorliegen, wird aus fachlicher Sicht immer ein Feuchtgebiet der Definition des Tiroler Naturschutzgesetzes vorliegen. Dies wird im übrigen auch durch den Auszug aus der Disertation von Krewedl, 1988, klar, wo gemäß Aufnahmenummer 33 (im Auwaldgebiet) eine Häufigkeit von Alnus incanae mit 5 (80 - 100 % Deckungsgrad) sowie für Salix alba mit 1 (5 - 20 % Deckung) angegeben wird. Unter anderem sind hier auch typische Auwaldvertreter in der Krautschicht angegeben. Diese sind:
Springkraut (Impatiens gladulifera, I. parviflora) Goldnessel (Lamium galdeobdolon) Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre)
Einbeere (Paris quadrifolia).
Auch nach der Vegetationsaufnahme 23 (Phragmitetum) ist hier eine Häufigkeit für Phragmites comunis (Schilf) von 5 (Deckungsgrad von 80 - 100 %) festzustellen.
Des weiteren werden an typischen Feuchtvegetationselementen aufgezählt:
Seggenarten (Carex acutiformis, Carex nigra, Carex stellulata) Geflecktes Knabenkraut (Dactylorhiza maculata) Sumpflabkraut (Galium palustra)
Sumpfdistel (Cirsium palustre)
Mädesüß (Philipendula ulmaria)
u. a.
Somit ist auch der Vegetationsaufnahme Krewedl, 1988, zu entnehmen, daß es sich hierbei gemäß der Häufigkeitsverteilung um einen Schilfbestand (Phragmitetum) im Westbereich der Gpn. 459/1 und 459/3 handelt."
Der Beschwerdeführer habe dazu vorgebracht, ein Feuchtgebiet liege nur dann vor, wenn sämtliche gesetzlich definierten Merkmale verwirklicht seien. Der Sachverständige habe sich nicht zum Vorbringen des Beschwerdeführers geäußert, wonach das gegenständliche Gebiet durch mit minderwertigem Abbruchmaterial durchgeführte Schüttungen und einen ständig absinkenden Grundwasserspiegel gekennzeichnet sei.
Der Amtssachverständige habe daraufhin sein Gutachten ergänzt und nachstehendes ausgeführt:
"In der Fläche der Gpn. 459/1 sowie Gp. 459/3, beide KG. Z, sind Vegetationseinheiten von Schilfbeständen
Pfeifengrasbestand im Übergang zum Schilfbestand Mädesüß-Uferfluren
Schilfbestände im Übergang zu Auwaldbeständen
von Grauerlen und Weidenau
ausgebildet. Es handelt sich dabei um Feuchtgebiete nach der Definition des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 29/91, § 3 Abs. 7.
Es liegt ein "vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgrenzbarer Lebensraum mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften" vor, somit ist fachlich gesehen auch im Sinne des Naturschutzgesetzes der Bereich als Feuchtgebiet anzusprechen.
Darüber hinaus wird noch einmal darauf verwiesen, daß - gemäß Stellungnahme vom 16.10.1991 - jene Bereiche, auf denen bereits Schüttungen vorgenommen worden sind, nicht mehr die typischen Feuchtgebietseinheiten aufweisen und deshalb auch nicht als Feuchtgebiet angesprochen werden können. Derartige Schüttungen wurden jedoch nicht auf der gesamten Fläche eingebracht, des weiteren konnten zumindest die Randbereiche der Schüttung regenerieren."
Nach Auffassung der belangten Behörde lasse das Gutachten erkennen, daß die in Rede stehenden Grundparzellen sämtliche Merkmale eines Feuchtgebietes entsprechend der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 7 TNSchG 1991 aufwiesen. Für die belangte Behörde sei das Gutachten schlüssig und überzeugend. Die allgemeinen Behauptungen des Beschwerdeführers seien nicht geeignet, das Sachverständigengutachten zu erschüttern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wer gemäß § 43 Abs. 1 lit. a TNSchG 1991 ein nach den §§ 6, 7, 8, 9 und 26 Abs. 2 bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne Bewilligung ausführt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu S 250.000,-- zu bestrafen.
Gemäß § 9 lit. g TNSchG 1991 bedürfen in Feuchtgebieten Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen sowie jede sonstige Veränderung der Bodenoberfläche einer Bewilligung.
Nach § 3 Abs. 7 TNschG 1991 ist ein Feuchtgebiet ein vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgrenzbarer Lebensraum mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Dazu gehören insbesondere auch Röhrichte und Großseggensümpfe, Quellfluren und Quellsümpfe, Flach- und Zwischenmoore, Hochmoore, Moor- und Bruchwälder.
Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, er habe im Berufungsverfahren die Unschlüssigkeit, Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten gerügt. Die belangte Behörde habe sich mit seinen Einwendungen jedoch nicht auseinandergesetzt, sondern die Ausführungen des Sachverständigen undifferenziert übernommen. So werde weder näher erläutert, inwieweit die streitgegenständlichen Grundstücke vom Wasser geprägt seien, noch werde nachvollziehbar dargelegt, durch welche Merkmale deren Geschlossenheit und Abgrenzbarkeit vom Nachbargebiet begründet werde. Nach der gesetzlichen Definition müßten für die Bejahung der Feuchtgebietseigenschaft einer Liegenschaft neben Pflanzen- auch gewisse Tiergemeinschaften charakteristisch sein. Diesbezüglich fehlten jedoch jegliche fachliche Feststellungen. Durch die Feststellung von - wenngleich für ein Feuchtgebiet allenfalls typischen - Pflanzenbeständen allein in Verbindung mit der Wiedergabe der gesetzlichen Begriffsbestimmung eines Feuchtgebietes könne die belangte Behörde jedoch ihrer Verpflichtung zur Erforschung der materiellen Wahrheit und zur nachprüfbaren Entscheidungsbegründung nicht entsprechen.
Für ein Feuchtgebiet ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "räumliche Dimension" wesentlich:
Es muß sich um einen in sich geschlossenen und vom Nachbargebiet abgrenzbaren Lebensraum handeln (vgl. etwa die Ausführungen im Erkenntnis vom 28. September 1992, Zl. 91/10/0205).
Dem vorliegenden Amtssachverständigengutachten ist allerdings nicht zu entnehmen, auf welchen räumlichen Bereich sich das von ihm angenommene Feuchtgebiet erstreckt und ob und inwiefern es sich dabei um einen in sich geschlossenen und vom Nachbargebiet abgrenzbaren Lebensraum handelt. Auch die Lage der streitgegenständlichen Grundstücke innerhalb eines etwaigen Feuchtgebietes bleibt völlig unbestimmt. Zur Bezugnahme auf eine Dissertation aus dem Jahre 1988 hat der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 28. September 1992 ausgeführt, daß nicht erkennbar ist, ob und inwieweit sich diese Dissertation auf bestimmte Grundstücke bezieht.
Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen läßt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar. Die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrundelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht gerecht (vgl. z.B. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, zu § 45 Abs. 2 AVG wiedergegebene Rechtsprechung).
Aus diesen Erwägungen folgt, daß der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Beweismittel Sachverständigenbeweis Gutachten Beweiswürdigung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1992100074.X00Im RIS seit
20.11.2000