Entscheidungsdatum
06.09.2022Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §87 Abs1 Z3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde von AA, vertreten durch die Rechtsanwälte BB und CC, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 20.07.2022, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Gewerbeordnung 1994
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 20.07.2022 wurde AA die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes „Baugewerbetreibende, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, weiters eingeschränkt auf Betonbohren und – schneiden, Verputz- und Estricharbeiten und Betonierarbeiten von Gartenmauern“ im Standort **** Y, Adresse 2, entzogen.
Dagegen hat AA zulässig und rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und darin zusammengefasst ausgeführt, dass seitens der belangten Behörde Überlegungen angestellt wurden, die im Hinblick auf die hier gegenständliche Gewerbeentziehung nicht zulässig seien. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, dass er Verwaltungsübertretungen begangen habe, die in einzelnen Fällen nicht nur als geringfügig anzusehen seien. Zur Wahrung des Berufsstandes sei jedoch immer und auf jeden Fall darauf abzustellen, in welchem Beruf und in welchem beruflichen Umfeld der Gewerbeinhaber tätig ist. Dabei sei darauf Bedacht zu nehmen, dass im Falle einer beruflichen Tätigkeit die Baunebengewerbe ein nicht zu strenger Maßstab anzuwenden sei, wenn das Ansehen des Berufsstandes zu beurteilen ist. Zwar stelle das Lenken eines Fahrzeuges mit überhöhter Geschwindigkeit und in einem alkoholisierten Zustand ein schwerwiegendes Vergehen dar, doch sei dieses Verhalten auch in einem Wiederholungsfall nicht geeignet, das Ansehen des Berufsstandes des Baunebengewerbes zu beeinträchtigen. Zumindest würden in diesem Zusammenhang keine Ausführungen und Darlegungen seitens der belangten Behörde vorliegen. In weiterer Folge sei zu überprüfen, inwieweit durch das Verhalten auch die Schutzinteressen in Verbindung mit der „Ausübung des Gewerbes“ beeinträchtigt worden seien. Dazu führt der Beschwerdeführer aus, dass es keinen Vorfall gegeben habe, bei welchen sich der Gewerbeinhaber in Ausführung bzw Ausübung des Gewerbes etwas zu Schulden habe kommen lassen. Die Vorfälle, die zu Verwaltungsstrafen führten, hätten sich allesamt in der Freizeit abgespielt. In Summe habe sich gezeigt, dass das Verhalten des Gewerbeinhabers insgesamt ausschließlich dem privaten Bereich zuzurechnen gewesen sei, weder Schutzinteressen beeinträchtigt worden wären noch das Ansehen des Berufsstandes zu beeinträchtigen geeignet gewesen wären, sodass die Grundlagen für die Entziehung des Gewerbes nach § 87 Abs 1 Z 3 GewO 1994 gerade nicht gegeben seien.
Es wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die ersatzlose Aufhebung des Bescheides begehrt.
II. Sachverhalt:
Im Zuge des berufsrechtlichen Verfahrens zur Erlangung der Gewerbeberechtigung wurde laut Aktenvermerk der belangten Behörde vom 30.09.2020 - dieser wurde auch von AA unterfertigt - dem damaligen Antragsteller und nunmehrigen Beschwerdeführer mitgeteilt, dass, sofern er als Gewerbeinhaber nochmals infolge schwerwiegender Verstöße bestraft wird, die Gewerbeberechtigung „Baugewerbetreibende eingeschränkt auf Betonbohren und –schneiden“ entzogen wird.
Der Beschwerdeführer hat im Standort **** Y, Adresse 2 seit 20.06.2021 das Gewerbe „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, weiters eingeschränkt auf Betonbohren und -schneiden, Verputz- und Estricharbeiten und Betonierarbeiten von Gartenmauern“ inne, wie sich aus dem Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria ergibt. Vorher hatte er seit 27.10.2020 das Gewerbe „Baugewerbetreibender eingeschränkt auf Betonbohren und –schneiden“ inne.
Aus dem dem behördlichen Akt einliegenden Auszug aus dem Führerscheinregister ist zu entnehmen, dass beginnend mit dem Jahr 2009 bis zum Jahr 2015 vier Bestrafungen nach § 5 Abs 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol- oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand vorliegen.
Zudem scheinen in diesem Register wenige weitere Verstöße gegen das Kraftfahrgesetz 1967, das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 auf. Diese liegen jedoch bereits geraume Zeit zurück, wurden sie doch im Jahr 2015 und davor begangen (eine Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 scheint mit Datum 16.02.2016 auf; dabei handelt es sich um keine Übertretung der Bestimmung nach § 5 Abs 1 StVO 1960).
Im Auszug aus den Verwaltungsvorstrafen scheinen jeweils eine Geschwindigkeitsüberschreitung und ein Delikt nach § 5 Abs 1 StVO 1960 auf.
Dazu ist dem im Akt einliegenden Polizeibericht vom 05.07.2021 sowie den Bescheid der Führerscheinbehörde vom 15.07.2021 und 12.01.2022 über den temporären Entzug der Lenkberechtigung zu entnehmen, dass der nunmehrige Beschwerdeführer über die Lenkberechtigung für Fahrzeuge der Klassen AM, A1, A2, A, B, verfügt und am 03.07.2021 das Kraftfahrzeug *** in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemluft-Alkohol von 0,81 mg/l; der Grenzwert nach § 5 Abs 1 Straßenverkehrsordnung 1960 liegt bei 0,4 mg/l, was einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) entspricht) um 0:50 Uhr auf der DDautobahn A ** Richtungsfahrtbahn Osten im Gemeindegebiet von X gelenkt hat, wobei die auf diesem Streckenabschnitt zur Nachtzeit zulässige Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h um 62 km/h überschritten wurde. Infolge dieser beiden Übertretungen wurden dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung über den Zeitraum von 6 Monaten und im Anschluss von 2 Wochen entzogen (Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Z vom 15.07 2021 und 12.01.2022). Zudem musste er sich einer Nachschulung unterziehen und wurde ihm die Beibringung einer amtsärztlichen Untersuchung und einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen.
Dem im behördlichen Akt einliegenden amtsärztlichen Gutachten nach § 8 Führerscheingesetz vom 30.11.2021 ist zu entnehmen, dass sich die begutachtende Amtsärztin mit der VPU 25.11.2021 auseinandergesetzt hat und zum Ergebnis kam, dass der Beschwerdeführer gemäß § 8 Führerscheingesetz zum Lenker eines Kraftfahrzeuges für die Gruppe 1 (Kraftfahrzeuge der Klassen AM, A (A1, A2), B, BE und F) geeignet ist.
Der Führerschein wurde am 01.03.2022 wieder ausgefolgt.
III. Beweiswürdigung:
Die vorgenannten Sachverhaltsfeststellungen lassen sich unzweifelhaft anhand der bezüglichen, dem behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Akt einliegenden Schriftstücke treffen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
IV. Rechtslage:
Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl Nr 194/1994 idF BGBl I Nr 112/2018:
„§ 87
(1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn
3. der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt oder
…
Schutzinteressen gemäß Z 3 sind insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen aus dem Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung (Art. III Abs. 1 Z 3 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008). Die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne der Z 3 liegt auch dann nicht vor, wenn eine Eintragung eines Unternehmens in die Liste gemäß § 8 Abs. 10 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz – SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015, aufgrund des § 8 Abs. 3 Z 4 SBBG vorliegt.
…“
V. Erwägungen:
Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt ist, fordert § 87 Abs 1 Z 3 GewO 1994 einen Konnex zur Gewerbeausübung (vgl Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher) GewO4 (2020) § 87 Rz 14).
Unzweifelhaft steht fest, dass der Beschwerdeführer mehrmals wegen schwerwiegender Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (§ 5 Abs 1 StVO 1960) belangte wurde. Dazu kommen noch einige wenige weitere Verwaltungsübertretungen, die nicht als schwerwiegend zu beurteilen sind. Wie auf Sachverhaltsebene festgestellt, liegen diese Verwaltungsübertretungen überwiegend bereits geraume Zeit zurück.
Bei den im Jahr 2021 begangenen Verwaltungsübertretungen, nämlich einer eklatanten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der DDautobahn (62 km/h) in einem beeinträchtigten Zustand, der auf - wohl beträchtlichen (0,81 mg/l Atemluft-Alkohol) - Konsum von Alkohol zurückzuführen war, handelt es sich zweifellos um 2 schwerwiegende Delikte.
Die von der Behörde ins Treffen geführte Autofahrt unter Alkoholeinfluss mit weit überhöhter Geschwindigkeit erfolgte kurz nach Mitternacht. Ein unmittelbarer Kontext zur Ausübung des hier gegenständlichen Gewerbes (dies wäre beispielsweise bei einer Fahrt zu einer Baustelle) ist nicht zu erkennen.
Der Umstand, dass der Gewerbeinhaber Fahrten mit Kraftfahrzeugen durchführt, und zwar insbesondere dann, wenn er Baustellen aufsucht, reicht für den herzustellenden Konnex gegenständlich deshalb nicht aus, da zwar 2 schwerwiegende Verwaltungsübertretungen vorliegen, die jedoch bei einer Fahrt mit einem Personenkraftwagen in der Freizeit begangen wurden und der Vorfall bereits wiederum mehr als ein Jahr zurückliegt. Weitere Fahrten unter Alkoholeinfluss wurden im Jahr 2015 und davor begangen. Verstöße in direktem Zusammenhang mit der Ausübung des Gewerbes ergeben sich aus dem gegenständlichen Akt nicht und werden im Übrigen vom Beschwerdeführer ausdrücklich bestritten.
Im Rahmen der führerscheinrechtlichen Belange des Vorfalls vom 03.07.2021 wurde eine amtsärztliche Beurteilung unter Bezugnahme auf eine vorausgegangene verkehrspsychologische Untersuchung vorgenommen. In der Folge ist die Führerscheinbehörde zum Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführer zum Lenken von Fahrzeugen der Gruppe 1 geeignet ist, weshalb ihm – ohne Auflagen und unbefristet - am 01.03.2022 der Führerschein wieder ausgefolgt wurde. Daraus leitet sich ab, dass ein verkehrsunzuverlässiges Verhalten aus führerscheinrechtlicher Sicht hinkünftig nicht zu befürchten ist.
Im Ergebnis ist daher eine Gewerbeentziehung auf Basis des derzeitigen Sachverhaltes nicht auszusprechen, da damit ein unzulässiger Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verbunden wäre. Mit Ausnahme des gravierenden Vorfalls vom 03.07.2021 liegen die weiteren Verwaltungsübertretungen bereits Jahre zurück. Die eklatante Geschwindigkeitsüberschreitung und das Lenken eines Personenkraftwagens unter Alkoholeinfluss im vorigen Jahr stellen schwerwiegende Verstöße und ein gesellschaftlich nicht zu akzeptierendes Verhalten dar, doch reicht der Konnex zur Gewerbeausübung gegenständlich – noch - nicht aus, eine Gewerbeentziehung zu rechtfertigen.
Zu erwähnen ist jedoch, dass die Dichte, Häufigkeit und Intensität von Verwaltungsübertretungen auch bei einem sehr geringen Konnex zum ausgeübten Gewerbe in einer Gesamtschau dazu führen können, dass bei weiteren Verwaltungsübertretungen eine neuerliche Prüfung der Zuverlässigkeit durchaus ein anderes Ergebnis ergeben kann. Dies auch unter Hinweis darauf, dass dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde bereits vor der Erteilung der Gewerbeberechtigung „Baugewerbetreibender eingeschränkt auf Betonbohren und –schneiden“ die Entziehung der Gewerbeberechtigung bei weiteren schwerwiegenden Verstößen angekündigt wurde. Den Beteuerungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 29.06.2022 aufgrund des Vorfalls vom 03.07.2021 gänzlich auf Alkohol verzichten, um in keine Gefährdungssituation zu geraten, kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu.
Ein schwerwiegender Verstoß gegen die Schutzinteressen der Wahrung des Ansehens des Berufsstandes kann gegenständlich nicht erblickt werden, da das monierte Verhalten gänzlich außerhalb der Gewerbeausübung erfolgte.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Ing. Mag. Peinstingl
(Richter)
Schlagworte
schwerwiegende VerstößeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.32.2220.1Zuletzt aktualisiert am
23.09.2022