Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und die Richterin Dr. Prantl als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, wider die beklagte Partei H*****, vertreten durch Rechtsanwälte Lang & Schulze-Bauer OG in Fürstenfeld, wegen EUR 53.333,75 s.A., über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse: EUR 56.883,28), gegen die im Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 9.12.2021, 40 Cg 21/18a-78, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird F o l g e gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung (Punkt III.) dahingehend a b g e ä n d e r t , dass sie insgesamt lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 22.555,30 (darin enthalten EUR 3.516,05 an USt und EUR 1.459,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist weiter schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 1.505,34 (darin enthalten EUR 250,89 an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls u n z u - l ä s s i g .
BEGRÜNDUNG:
Text
Mit ihrer am 29.11.2017 beim Erstgericht eingebrachten (Mahn-)Klage begehrte die klagende Partei von der beklagten Partei die Zahlung von EUR 53.933,75 s.A. an Werklohn und brachte dazu vor, sie habe die bei ihr in Auftrag gegebenen Arbeiten erbracht und die gerügten Mängel behoben.
Die beklagte Partei erhob gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl fristgerecht Einspruch, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, die klagende Partei habe das Werk keinesfalls mängelfrei erbracht, vielmehr bestünden noch zahlreiche gerügte und dokumentierte Mängel, sodass der Klagsanspruch nicht fällig sei.
Mit dem nunmehr nur noch im Kostenspruch bekämpften Urteil verpflichtete das Erstgericht die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 53.373,75 s.A. an die klagende Partei, wobei sie gleichzeitig ein Zinsenmehrbegehren abwies. Gleichzeitig verpflichtete sie die klagende Partei, der beklagten Partei die gesamten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in Höhe von EUR 34.327,98 zu ersetzen.
Der im gegenständlichen Rechtsstreit beauftragte Sachverständige M***** stellte anlässlich seiner Befundaufnahmen am 28.11.2018 und 7.12.2018 diverse, auf den Seiten 7 bis 9 des Ersturteils im Einzelnen wiedergegebene Mängel fest. Am 25.8.2020 nahm der Sachverständige über Ersuchen der klagenden Partei einen Augenschein vor, um zur zwischenzeitlich erfolgten Mängelbehebung Stellung zu nehmen. In seinem Schreiben vom 26.8.2020 führte er zusammenfassend aus, dass noch geringfügige Mängel bestehen. Am 17.9.2020 teilte der Sachverständige der klagenden Partei mit, dass die zuletzt in der Stellungnahme vom 26.8.2020 beschriebenen offenen Punkte nunmehr als erledigt einzustufen sind.
Es ist daher eine umfassende Mängelbehebung durch die Leute der klagenden Partei spätestens am 17.9.2020 erfolgt [ausdrückliche Feststellung des Erstgerichts].
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, gemäß § 1170 erster Satz ABGB sei der Werklohn nach vollendetem Werk zu entrichten; vollendet sei das Werk, wenn es vertragsmäßig fertiggestellt und übergeben bzw abgenommen sei. Bei noch bestehenden Mängeln könne der Werklohn zurückbehalten werden; nur bei ganz unbedeutendem Verbesserungsaufwand bestehe das Zurückbehaltungsrecht nicht.
Die am Werk der klagenden Partei bestandenen Mängel seien während der Anhängigkeit des gegenständlichen Verfahrens behoben worden, sodass die von der beklagten Partei erhobene Einrede mangelnder Fälligkeit berechtigt gewesen sei. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung seien sämtliche Mängel behoben gewesen, sodass nunmehr der Werklohnanspruch der klagenden Partei zu Recht bestehe.
Seine Kostenentscheidung stützte das Erstgericht auf § 41 ZPO. Es führte dazu aus, die beklagte Partei sei insofern als obsiegend zu behandeln als sich durch das eingeholte Gutachten des Sachverständigen herausgestellt habe, dass die Mängel zum Zeitpunkt der Klagseinbringung tatsächlich in einem nicht unerheblichen Ausmaß vorgelegen hätten, sodass der Anspruch auf Werklohnforderung zum Zeitpunkt der Klagseinbringung nicht zu Recht bestanden habe. Erst durch die im Zuge des Verfahrens durchgeführte Mängelbehebung sei jene Situation geschaffen worden, die dem Werklohnanspruch der klagenden Partei Berechtigung verliehen habe. Damit sei die beklagte Partei als kostenrechtlich obsiegend zu beurteilen.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der fristgerechte Rekurs der klagenden Partei, der im Antrag mündet, in Stattgebung des Rekurses die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass nicht der beklagten Partei, vielmehr dem Kläger Kostenersatz, und zwar im Umfang von EUR 22.555,30, zuerkannt werde.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Kostenrekursbeantwortung, dem Kostenrekurs der Gegenseite keine Folge zu geben.
Der Kostenrekurs ist berechtigt.
Die klagende Partei macht im Wesentlichen geltend, dass gemäß § 41 ZPO die in einem Rechtsstreit vollständig unterliegende Partei ihrem Gegner alle durch die Prozessführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen habe. Obsiegend sei die klagende Partei, sodass ihr Kostenersatz zustehe. Die in § 45 ZPO normierte Ausnahmeregelung liege nicht vor, weil die beklagte Partei nach Mängelbehebung das Klagebegehren nicht anerkannt und auch nicht bezahlt habe.
Diese Ausführungen erweisen sich als zutreffend:
Rechtliche Beurteilung
Im Regime der österreichischen ZPO gilt für den Kostenersatz das Prinzip der Erfolgshaftung. Auf den Grund des Erfolgs kommt es dabei nicht an (Fucik in Rechberger ZPO5 § 41 Rz 1 mwN). Allein aus der Formulierung des § 41 Abs 1 ZPO ergibt sich, dass hinsichtlich des Erfolgs auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung abzustellen ist und nicht, wie das Erstgericht vermeint, auf den Zeitpunkt der Klagseinbringung. Denn welche Partei im Rechtsstreit vollständig unterliegt, ergibt sich erst aus dem nach Schluss der Verhandlung zu fällenden Urteil; diesbezüglich ist dann die Kostenentscheidung akzessorisch. Nachdem der Klage in der Hauptsache zur Gänze stattgegeben wurde, gilt grundsätzlich die Kostenersatzregelung des § 41 Abs 1 ZPO, wonach die im Rechtsstreit unterliegende Partei der obsiegenden Partei sämtliche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen hat.
Einen Ausnahmefall regelt § 45 ZPO für den Fall, dass die beklagte Partei durch ihr Verhalten zur Erhebung der Klage nicht Veranlassung gegeben hat und den in der Klage erhobenen Anspruch sofort bei erster Gelegenheit anerkennt; nur in diesem Fall trifft die klagende Partei die Prozesskostenersatzpflicht. Es mag nun zwar sein, dass zum Zeitpunkt der Klagseinbringung die beklagte Partei den begehrten Werklohn zu Recht zur Gänze zurückbehielt, weil das Werk der klagenden Partei, wie festgestellt, mit zahlreichen Mängeln behaftet war, allerdings hätte die beklagte Partei nach Behebung der Mängel durch die klagende Partei das Klagebegehren anerkennen und (zeitnah) den Klagsbetrag bezahlen müssen. Immerhin war nach den Feststellungen des Erstgerichts zum Zeitpunkt 17.9.2020 (und nicht 17.9.2021, wie von der beklagten Partei in der Rekursbeantwortung behauptet) Mängelfreiheit des klägerischen Werks gegeben, sodass die beklagte Partei zu diesem Zeitpunkt das Klagebegehren anerkennen und die Klagsforderung bezahlen hätte müssen, um das Kostenprivileg des § 45 ZPO in Anspruch nehmen zu können. Die beklagte Partei hat jedoch weiterhin bis einschließlich des Schlusses der mündlichen Verhandlung das Klagebegehren bestritten, sodass das Erstgericht mit streitigem Urteil die beklagte Partei zur Zahlung des Werklohns verpflichten musste. Die Bestimmung des § 45 ZPO ist insbesondere auch dann anzuwenden, wenn zwar nicht bei der ersten Tagsatzung bzw in der Klagebeantwortung, aber sofort bei erster sich bietender Gelegenheit nach Eintritt der Fälligkeit (oder Klagsänderung) anerkannt wird (Klauser/Kodek, ZPO17 § 45 E 57), insbesondere, wenn der Beklagte unmittelbar nach Behebung gerügter Mängel während des Prozesses leistet (WR 341). Auch bei während des Prozesses eintretender Fälligkeit muss der Beklagte nicht nur sofort anerkennen, sondern auch erfüllen, um Kostenersatz beanspruchen zu können; andernfalls hat er auch die Kosten der Klage und des Verfahrens bis zum Fälligwerden der Klagsforderung sowie die Kosten der nach Eintritt der Fälligkeit vorgenommenen Prozesshandlungen zu ersetzen (Klauser/Kodek aaO E 60).
Hinsichtlich der von der klagenden Partei bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz verzeichneten Kosten hat die beklagte Partei Einwendungen erhoben, wobei hinsichtlich dreier Schriftsätze jeweils die verzeichnete Tarifpost gerügt wird ohne allerdings jegliche Begründung hiefür anzuführen. Allein die lapidare Behauptung, für einen Schriftsatz stünden nicht Kosten nach TP 3 A oder TP 2, sondern nur Kosten nach TP 2 oder TP 1 zu, stellt keine Begründung dar. Gemäß § 54 Abs 1a ZPO hat das Gericht das Kostenverzeichnis, soweit der durch einen Rechtsanwalt vertretene Gegner gegen die verzeichneten Kosten keine begründeten Einwendungen erhebt, seiner Entscheidung zugrundezulegen. Auf die Einwendungen kann daher nicht eingegangen werden, abgesehen davon, dass im Kostenrekurs von der klagenden Partei für einen Schriftsatz vom 4.2.2021 und für einen Fristerstreckungsantrag vom 15.3.2021 ohnehin keine Kosten (mehr) beansprucht werden. Hinsichtlich des Antrags auf Erlassung einer prozessleitenden Verfügung vom 29.3.2021 sind die Einwendungen der beklagten Partei begründungslos und daher unbeachtlich.
Somit war dem Kostenrekurs der klagenden Partei vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die Kosten wurden von der klagenden Partei tarifmäßig verzeichnet.
Textnummer
EI0100095European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0819:2022:00400R00015.22W.0309.000Im RIS seit
04.05.2022Zuletzt aktualisiert am
04.05.2022