TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/29 Ra 2020/09/0037

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Veröffentlicht am 29.03.2022
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E1E
E6J
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
59/04 EU - EWR
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §28 Abs6
AuslBG §3 Abs1
EURallg
VStG §19
VStG §20
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
12010E056 AEUV Art56
62018CJ0064 Maksimovic VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 17. Dezember 2019, LVwG-302523/10/Py/PP, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schärding; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Dr. Ernst Grubeck und Mag. Christoph Danner, Rechtsanwälte in 4780 Schärding/Inn, Lamprechtstraße 2),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 24. September 2019 wurde der Mitbeteiligte der zweifachen Übertretung des § 28 Abs. 6 Z 2 iVm § 26 Abs. 6 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) iVm § 9 VStG schuldig erkannt, weil er als zur Vertretung nach außen berufenes Organ und gemäß § 9 VStG Verantwortlicher eines näher bezeichneten Unternehmens zu verantworten habe, dass dieses als Auftraggeberin die Leistungserbringung von Trockenbauarbeiten an den Auftragnehmer, ein näher bezeichnetes Unternehmen, nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt A J und B J, weitergegeben habe, ohne den Auftragnehmer entgegen § 26 Abs. 6 AuslBG vor Beginn der Beschäftigung aufgefordert zu haben, die nach den Bestimmungen des AuslBG erforderlichen Berechtigungen für zwei näher bezeichnete Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina nachzuweisen und die Zentrale Koordinationsstelle für illegale Beschäftigung des Bundesministeriums für Finanzen nicht umgehend von der nicht fristgerechten Nachweiserbringung zu verständigen. Über den Mitbeteiligten wurden gemäß § 28 Abs. 1 AuslBG iVm § 16 VStG zwei Geldstrafen in der Höhe von je 3.000,- Euro (im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 100 Stunden) verhängt.

2        Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem nach mündlicher Verhandlung ergangenen, angefochtenen Erkenntnis insoweit Folge, als es eine Gesamtstrafe von 1.500,- Euro (im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 68 Stunden) festsetzte (Spruchpunkt I.). Es sprach in Spruchpunkt II. aus, dass dem Mitbeteiligten kein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren aufzuerlegen sei und setzte den Kostenbeitrag für das Strafverfahren neu fest. Weiters sprach das Verwaltungsgericht in Spruchpunkt III. aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig sei.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass der Mitbeteiligte der ihn gemäß § 26 Abs. 6 AuslBG als Auftraggeber treffenden Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Die beiden Arbeitgeber der eingesetzten ausländischen Arbeitnehmer seien jeweils wegen Übertretung der Bestimmungen des AuslBG rechtskräftig verurteilt worden. Der Mitbeteiligte sei über die ihn treffende Verpflichtung informiert gewesen, er habe jedoch in seinem Unternehmen kein wirksames Kontrollsystem eingerichtet, dass die gesetzlichen Bestimmungen tatsächlich eingehalten werden. Der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung sei daher erfüllt. Die Verhängung einer Gesamtstrafe begründete das Verwaltungsgericht mit einem Hinweis auf das in der Folge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. September 2019, Maksimovic, C-64/18, u.a., ergangene, eine Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033, 0034. Danach könne eine unionsrechtskonforme Rechtslage mit Hilfe der Verdrängung von nationalem Recht am ehesten dadurch hergestellt werden, dass die Wortfolge „für jede/n Arbeitnehmer/in“ in § 28 AuslBG unangewendet bleibe.

4        Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht insbesondere damit, dass die Rechtsfrage bereits geklärt sei (Hinweis auf VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033, 0034).

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts; der Mitbeteiligte erstattete - nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung.

6        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7        Der revisionswerbende Bundesminister begründet die Zulässigkeit seiner Revision zusammengefasst unter anderem mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob zwei Übertretungen nach § 28 Abs. 6 Z 2 iVm § 26 Abs. 6 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG eine Gesamtstrafe zuließen. Die Zulässigkeit der Verhängung einer Gesamtstrafe stelle im Hinblick auf zukünftige behördliche und gerichtliche Entscheidungen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar.

8        Das Verwaltungsgericht habe sich bei der Verhängung der Gesamtstrafe auf die Rechtssache Maksimovic, C-64/18, bezogen. Es habe dabei jedoch verkannt, dass diese Rechtssache im Zusammenhang mit der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV stehe und sich auf Sachverhalte beziehe, welche Entsendungen bzw. grenzüberschreitende Überlassungen von Arbeitskräften beinhalteten, die im Ausländerbeschäftigungsgesetz allenfalls in Verbindung mit § 18 zu beurteilen wären. Auf reine Inlandssachverhalte sei diese Rechtsprechung nicht anwendbar. Zudem seien dem genannten Urteil andere Sachverhalte, nämlich jene nach den Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, zugrunde gelegen. Sowohl der Gerichtshof der Europäischen Union wie auch der Verwaltungsgerichtshof (Hinweis auf VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033, u.a.) hätten jedoch betont, dass es sich bei den Delikten nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (bzw. dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz) teilweise um solche geringerer Schwere handle, weil diese die „bloße“ Meldung von Sachverhalten bzw. Bereithaltung oder Übermittlung von Unterlagen beträfen. Während es sich bei den Bestimmungen dieser Gesetze nicht um konstitutive Rechte handle, liege im Bereich der gegenständlichen Bestimmung des AuslBG sehr wohl ein solches Recht vor, nämlich um eine per Bescheid von einer Behörde zu erteilende Beschäftigungsbewilligung, also das subjektive Recht eines Dienstgebers, einen Ausländer beschäftigen zu dürfen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in vielen (näher angeführten) Entscheidungen darauf hingewiesen, dass die Folgen von Übertretungen des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG nicht unbedeutend seien. Das Verwaltungsgericht sei daher auch insoweit von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

9        Die Revision ist, soweit sie sich gegen den Strafausspruch richtet, schon aus dem in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgezeigten Grund zulässig und berechtigt.

10       Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 2020, Ra 2020/09/0025, auf das zur näheren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, bereits ausgeführt hat, kommt es bei rein innerstaatlichen Sachverhalten zu keiner aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. September 2019, Maksimovic, C-64/18, u.a, ableitbaren Verdrängung nationalen Rechts durch das Unionsrecht. Um eine gebotene Verdrängung nationalen Rechts annehmen zu können, ist nämlich das Vorliegen eines Sachverhalts mit Unionsbezug erforderlich, in dem der freie Dienstleistungsverkehr nach Art. 56 AEUV zum Tragen kommt.

11       Dies gilt auch für die hier bestehende „Generalunternehmerhaftung“ (§ 28 Abs. 6 AuslBG) für Verstöße von Auftragnehmern gegen § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG. Ausgehend von dem festgestellten Sachverhalt des Verwaltungsgerichts liegt aber - wie die Amtsrevision zutreffend aufzeigt - ein reiner Inlandsbezug vor, weshalb sich das Verwaltungsgericht bei der Herabsetzung der Geldstrafe unter die gesetzliche Mindeststrafe nicht auf eine aus Maksimovic ableitbare Verdrängung nationalen Rechts stützen durfte.

12       Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis ausgeführt, dass jedenfalls für den - auch hier - anzuwendenden ersten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG, der bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro vorsieht, das Unionsrecht der uneingeschränkten Anwendung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht entgegen steht. So ergibt sich aus der Begrenzung der Anwendbarkeit dieses Strafsatzes auf Übertretungen betreffend die erstmalige unberechtigte Beschäftigung von höchstens drei Ausländern bereits eine Strafobergrenze von maximal 30.000 Euro. Auch die Untergrenze von 1.000 Euro je unberechtigt beschäftigtem Ausländer stellt sich nicht als unverhältnismäßig dar (siehe auch die insoweit auf das Ausländerbeschäftigungsgesetz umlegbaren Ausführungen in VwGH 6.5.2020, Ra 2020/17/0001).

13       Indem das Verwaltungsgericht all dies verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb das Erkenntnis im Umfang des Ausspruches über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruches über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG schon deshalb aufzuheben war (vgl. VwGH 22.3.2021, Ra 2019/17/0114, mwN).

14       Im Übrigen war die Revision, die in formaler Hinsicht das angefochtene Erkenntnis zur Gänze bekämpft, jedoch abgesehen zur Frage des Strafausspruches kein gesondertes Zulässigkeitsvorbringen (§ 28 Abs. 3 VwGG) enthält, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen (zur Trennbarkeit von Schuld- und Strafausspruch vgl. etwa VwGH 8.6.2020, Ra 2020/17/0029).

Wien, am 29. März 2022

Gerichtsentscheidung

EuGH 62018CJ0064 Maksimovic VORAB

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020090037.L00

Im RIS seit

17.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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