TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/25 94/11/0003

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Veröffentlicht am 25.06.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §66 Abs2 litf;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §74 Abs3;
StVO 1960 §20 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des I in M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 16. November 1993, Zl. 421.278/9-I/10/93, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung und Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der im Devolutionsweg zuständig gewordenen belangten Behörde wurde in Bestätigung des (Vorstellungs)Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 26. November 1991 dem Beschwerdeführer 1. gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 2 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B wegen Verkehrsunzuverlässigkeit vorübergehend entzogen und ausgesprochen, daß ihm für die Dauer von 8 Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheins am 2. November 1991, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, und 2. gemäß § 75a Abs. 1 lit. a KFG 1967 das Lenken eines Motorfahrrades bis einschließlich 2. Juli 1992 verboten.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer am 2. November 1991 bestimmte Tatsachen gemäß § 66 Abs. 2 lit. e und f KFG 1967 idF vor der 17. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 654/1994, verwirklicht habe (in Ansehung der ersteren bestimmten Tatsache liegt eine rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers vor). Er habe in einem näher bezeichneten Ort sein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (Alkoholgehalt der Atemluft 0,83 mg/l) und dabei unter besonders gefährlichen Verhältnissen gegen maßgebende Verkehrsvorschriften (Verbot des Überschreitens der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h) verstoßen. Die besonders gefährlichen Verhältnisse erblickte die belangte Behörde in den schlechten Sichtverhältnissen aufgrund der Nachtzeit (00.45 Uhr) und der hochgradigen Einschränkung des Sichtfeldes infolge vereister Fahrzeugfenster, in den Straßenverhältnissen, die selbst unter günstigsten Bedingungen eine Geschwindigkeit von maximal 40 km/h erlaubt hätten (enge und bis auf eine einzige Spur verparkte Fahrbahn mit jeweils unmittelbar an diese heranreichenden Einfriedungen und mit unübersichtlichen Kreuzungen), und schließlich in der hochgradigen Alkoholisierung des Beschwerdeführers. Die besondere Gefährlichkeit und Verwerflichkeit dieses Verhaltens des Beschwerdeführers zeige eine Sinnesart, die im Interesse der Verkehrssicherheit die Anordnung der im Spruch genannten Maßnahmen für die Dauer von 8 Monaten erfordere.

Der Beschwerdeführer bringt vor, es hätte ihm wegen der bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 in Anwendung des § 73 Abs. 3 KFG 1967 die Lenkerberechtigung lediglich für die Dauer von 4 Wochen entzogen werden dürfen. Er wendet sich insbesondere gegen die Annahme einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967. In diesem Punkt sei die Begründung des angefochtenen Bescheides mit wesentlichen Mängeln behaftet. Die belangte Behörde hätte schon deshalb nicht von einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit unter besonders gefährlichen Verhältnissen ausgehen dürfen, weil das diesbezügliche Strafverfahren eingestellt worden sei; die belangte Behörde sei daran gebunden. Ohne die verfehlte Annahme der besagten bestimmten Tatsache hätte die belangte Behörde nicht zur Entziehung der Lenkerberechtigung in der im Spruch genannten Dauer kommen können.

Gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 (in der hier maßgebenden Fassung vor der 17. KFG-Novelle) gilt u.a. als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges unter besonders gefährlichen Verhältnissen gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis vom 13. Juni 1989, Zl. 89/11/0061 = Slg. Nr. 12.948/A) kommen als zusätzliche Sachverhaltselemente, die zur Qualifizierung einer Überschreitung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit als unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen führen können, insbesondere beeinträchtigte Sichtverhältnisse, ungünstige Fahrbahnbeschaffenheit, der Verlauf und die Breite der Straße, ein starkes Verkehrsaufkommen oder eine Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Verfassung des Lenkers in Betracht.

In Ansehung der Annahme, der Beschwerdeführer habe am 2. November 1991 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h unter besonders gefährlichen Verhältnissen überschritten, vermag die Beschwerde keine wesentlichen Verfahrensmängel aufzuzeigen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bewirkte die (mit Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 5. März 1992 verfügte) teilweise Einstellung des Strafverfahrens nicht die von ihm angenommene Bindung der belangten Behörde. Diese Einstellung betraf das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Strafverfahren wegen Übertretung des § 52a Z. 10a iVm § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960. Dabei ging es um den Verdacht, der Beschwerdeführer habe eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h unter besonders gefährlichen Verhältnissen überschritten. Wie sich aus dem Aktenvermerk vom 5. März 1992 ergibt, erfolgte die Einstellung des Strafverfahrens in Ansehung dieses Tatvorwurfes gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG wegen des Fehlens einer Verordnung für die kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung von 40 km/h. Dabei handelt es sich rechtlich um eine andere Tat als den im angefochtenen Bescheid angenommenen Verstoß gegen § 20 Abs. 2 StVO 1960 durch Überschreiten der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. In Ansehung dieser Übertretung erging nach der Aktenlage keine wie immer geartete Entscheidung der Strafbehörde.

Anders als die Erstbehörde ging die belangte Behörde nicht mehr von einer vom Beschwerdeführer eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit von 90 km/h, sondern nur noch von einer an und für sich geringen Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h aus. Die erwähnte auf der Anzeige beruhende Annahme der Erstbehörde hielt sie deshalb für unhaltbar, weil laut Gutachten eines technischen Amtssachverständigen vom 27. August 1993 die für die exakte Feststellung der Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers mit 90 km/h durch das nachfahrende Gendarmeriefahrzeug erforderliche Strecke zu kurz gewesen sei (nur 200 bis 300 m statt ca. 450 m). Ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe jedenfalls die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten, konnte die belangte Behörde unbedenklich auf die Anzeige vom 4. November 1991 und die sie bestätigende Aussage des einschreitenden Gendarmerieorgans stützen. Laut Anzeige lenkte der Beschwerdeführer das Fahrzeug "in der 40 km/h beschränkten Zone" mit einer Geschwindigkeit von mindestens 90 km/h. Er sei nach dem Übergang vom asphaltierten zum geschotterten Bereich der von ihm befahrenen Straße mit seinem Fahrzeug ins Schleudern gekommen, habe sich gedreht, sei von der Fahrbahn abgekommen und schließlich ca. 30 m neben der Fahrbahn auf einer Wiese zum Stehen gekommen. Bei seiner Vernehmung als Zeuge am 6. Februar 1992 führte das Gendarmerieorgan aus, die Geschwindigkeitsüberschreitung sei durch Nachfahren mit dem Einsatzfahrzeug in einem Abstand von ca. 40 m hinter dem PKW des Beschwerdeführers auf einer Strecke von 200 bis 300 m festgestellt worden. Um den Beschwerdeführer doch noch einzuholen, sei zuletzt mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit gefahren worden; dabei sei eine Geschwindigkeit von zumindest 100 km/h erreicht worden. Ein Überholen sei nicht möglich gewesen, "weil wir ihm nicht mehr näher kommen konnten".

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die Argumentation des angefochtenen Bescheides in der Frage der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht mit einem unauflöslichem Widerspruch behaftet. Ungeachtet der Wiedergabe des Gutachtens eines technischen Amtssachverständigen vom 9. Jänner 1992 (welches noch von einer Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers von ca. 90 km/h ausging) in der Begründung des angefochtenen Bescheides legte die belangte Behörde ihrer Entscheidung nur eine geringfügige Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet zugrunde (Seite 6 und 9 des angefochtenen Bescheides). Sie erblickte entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers nicht im Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung das wesentliche Element der von ihr angenommenen besonders gefährlichen Verhältnisse, sondern vielmehr in den Umständen, unter denen sie erfolgte, nämlich den schlechten Sichtverhältnissen, den ungünstigen Straßenverhältnissen und im hohen Alkoholisierungsgrad des Beschwerdeführers (Seite 9 des angefochtenen Bescheides).

Im Hinblick auf das Vorliegen einer zweiten bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 KFG 1967 kommt die Bemessung der Entziehungszeit mit lediglich 4 Wochen gemäß § 73 Abs. 3 KFG 1967 nicht in Betracht.

Der Vorwurf, die belangte Behörde habe nicht erörtert, ob trotz Verstreichens von mehr als 24 Monaten seit der Tat vom 2. November 1991 die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers auch noch bei Erlassung des angefochtenen Bescheides und überdies noch für drei weitere Monate anzunehmen sei, geht ins Leere, da die belangte Behörde nicht angenommen hat, der Beschwerdeführer sei weiterhin verkehrsunzuverlässig. Der angefochtene Bescheid erging vielmehr in Ausübung der Kontrollfunktion der belangten Behörde (vgl. zu dieser Funktion das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.237/A). Dabei hatte die belangte Behörde die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des unterinstanzlichen Bescheides zu prüfen.

Nicht begründet ist schließlich der Vorwurf, die belangte Behörde habe eine Begründung für die Maßnahme nach § 75a Abs. 1 lit. a KFG 1967 unterlassen. Die belangte Behörde hat diese Maßnahme mit dem Fehlen der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers begründet, indem sie - im Zusammenhang mit der Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 - ausgeführt hat, es sei erst nach Verstreichen der festgesetzten Zeit eine Änderung des Sinnesart des Beschwerdeführers dahin zu erwarten, daß er - auch als Lenker von Motorfahrrädern - die Verkehrssicherheit nicht mehr durch besonders gefährliches Verhalten im Straßenverkehr gefährden werde. Diese Begründung wie auch die in Rede stehende Maßnahme stehen mit dem Gesetz im Einklang, da nach der genannten Bestimmung die Behörde unter anderem Personen, die nicht im Sinne des § 66 KFG 1967 verkehrszuverlässig sind, das Lenken eines Motorfahrrades ausdrücklich zu verbieten hat. Auf ein besonderes Ausmaß der Verkehrsunzuverlässigkeit stellt das Gesetz dabei nicht ab. Mit dem Hinweis auf Ausführungen in einem Durchführungserlaß zum KFG 1967 ist für die Beschwerde schon deshalb nichts zu gewinnen, weil es sich bei einem Durchführungserlaß nicht um eine Rechtsverordnung handelt, weshalb er auch keine für den Verwaltungsgerichtshof verbindliche Rechtsquelle darstellt (vgl. sein zum ADE zum KFG 1967 ergangenes Erkenntnis vom 21. März 1980, Zl. 3373/78).

Da sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Überschreiten der Geschwindigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994110003.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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