Index
StVONorm
ABGB §1295Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, in die Beschwerde des Ing. AZ in B, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausplatz 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Juni 1988, Zl. I/7-St-Z-8757, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Juni 1988 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, folgende Verwaltungsübertretung begangen zu haben:
„Tatzeit: 25. Jänner 1987, ca. 15.00 Uhr
Tatort: F vor dem Haus Nr. 40 entlang der L-straße 132
Tatbeschreibung
Als Eigentümer der Liegenschaft nicht dafür gesorgt, daß der entlang der Liegenschaft vorhandene, dem öffentlichen Verkehr dienende Gehsteig entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr von Schnee gesäubert war.“
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 4 lit. h StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt worden ist.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Zufolge § 93 Abs. 1 StVO 1960 haben die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten, ausgenommen die Eigentümer von unverbauten land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften, dafür zu sorgen, daß die entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind.
Der Gerichtshof kann sich der Auffassung des Beschwerdeführers nicht anschließen, daß sich die aus dieser Bestimmung ergebende Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers nur auf die Säuberung des Gehsteiges von dem witterungsbedingt darauf gelangten Schnee beschränkt, also nicht auch auf den durch einen Schneepflug der Straßenverwaltung auf den Gehsteig verbrachten Schnee erstreckt, da dem Gesetz keine diesbezügliche Einschränkung zu entnehmen ist und die in Rede stehende straßenpolizeiliche Regelung zweifellos deshalb geschaffen worden ist, um durch den in der Regel auf Grund seines örtlichen Naheverhältnisses selbst davon betroffenen Liegenschaftseigentümer im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Fußgängerverkehrs u. a. die Säuberung des Gehsteiges von Schnee herbeizuführen. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, daß im gegebenen Zusammenhang lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für die ihm angelastete Übertretung des § 99 Abs. 4 lit. h leg. cit. zu prüfen, aber nicht zu untersuchen ist, wen auf Grund zivilrechtlicher Bestimmungen eine allfällige Schadenersatzpflicht trifft, wenn auf Grund des im Zuge der Schneeräumung mittels Schneepfluges auf einen Gehsteig gelangten Schnees ein Schaden entstanden sein sollte, oder ob der Liegenschaftseigentümer gegenüber demjenigen, durch dessen allenfalls rechtswidriges Verhalten Schnee auf den Gehsteig gelangt ist, hinsichtlich des für die Entfernung dieses Schnees geleisteten Aufwandes einen Ersatzanspruch besitzt. Im Beschwerdefall ist daher entscheidend, ob die belangte Behörde zu Recht ein Verschulden des Beschwerdeführers im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 angenommen hat, wovon dann auszugehen war, wenn der Beschwerdeführer bei dem in Rede stehenden Ungehorsamsdelikt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1971, Zl. 2197/70 = ZVR 1972/144) nicht den Beweis erbracht hat, daß ihm die Einhaltung der in Rede stehenden Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist. Der Beschwerdeführer hat während des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens nie behauptet, während des Tattages (eines Sonntags) und sohin auch zu der von der belangten Behörde bei der Tatumschreibung eingeschränkten Zeit dieses Tages nicht zur Schneeräumung in der Lage gewesen zu sein, geschweige denn den diesbezüglichen Entlastungsbeweis erbracht. Nach der Aktenlage liegen auch keine Umstände vor, aus welchen die belangte Behörde im Sinne der sich aus § 25 Abs. 2 VStG 1950 ergebenden Verpflichtung, auch die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände zu berücksichtigen, Schlußfolgerungen in bezug auf einen Mangel des verwaltungsstrafrechtlichen Verschuldens des Beschwerdeführers an der ihm vorgeworfenen Übertretung zu ziehen gehabt hätte.
Daß der in Rede stehende Gehsteig zu dem im angefochtenen Bescheid angeführten Tatzeitpunkt nicht von Schnee gesäubert war, ergibt sich aus der Gendarmerieanzeige in Verbindung mit den dieser angeschlossenen Lichtbildern, wobei angesichts der vorstehenden rechtlichen Erwägungen nicht von Bedeutung ist, ob der zur Tatzeit auf dem Gehsteig befindliche Schnee zur Gänze oder nur zum Teil infolge der Schneeräumung mittels des Schneepfluges der Straßenverwaltung dorthin gelangt ist, weshalb der belangten Behörde auch kein im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG erheblicher, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender Verfahrensmangel vorgeworfen werden kann, wenn sie die vom Beschwerdeführer für notwendig erachteten Zeugenvernehmungen nicht durchgeführt hat.
Der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage der Verfolgungsverjährung ist zu entgegnen, daß das innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 abgefertigte Rechtshilfeersuchen der Bezirkshauptmannschaft vom 5. Mai 1987 eine im Sinne des § 32 leg. cit. taugliche Verfolgungshandlung dargestellt hat, wobei der Umstand, daß die belangte Behörde die im Straferkenntnis angeführte Tatzeit „25. 1. 1987“ auf, wie schon erwähnt, „25. Jänner 1987, ca. 15.00 Uhr“ geändert hat, weder unter dem Gesichtspunkt der Verfolgungsverjährung noch im Lichte des § 44 a lit. a VStG 1950 von Bedeutung ist, weil es sich dabei lediglich um eine Präzisierung der Tatzeit der im übrigen mit allen sonstigen wesentlichen Tatbestandsmerkmalen umschriebenen Übertretung handelt, also deshalb nicht etwa von einer unzulässigen Auswechslung der Tat durch die Berufungsbehörde die Rede sein kann. Ferner liegt entgegen der Meinung des Beschwerdeführers in dem Umstand, daß im Schuldspruch die im § 93 Abs. 1 StVO 1960 genannte Entfernung des Gehsteiges von der Liegenschaft nicht erwähnt worden ist, kein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot des § 44 a lit. a VStG 1950, weil sich der Beschwerdeführer während des Verwaltungsstrafverfahrens nie darauf berufen hat, daß die Verpflichtung zur Schneeräumung im Beschwerdefall wegen des zu großen Abstandes des Gehsteiges von seiner Liegenschaft nicht bestanden habe (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 1983, Zl. 81/02/0100); die erwähnten Lichtbilder bieten auch keine diesbezüglichen Anhaltspunkte. Im übrigen ist auf die im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, entwickelten Grundsätze über die Erfordernisse eines Schuldspruches nach § 44 a lit. a VStG 1950 zu verweisen.
Auf die Richtigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers, die „Ersatzstrafe“ sei „zu hoch angesetzt“, braucht angesichts der nach der Aktenlage bereits erfolgten Einzahlung des Strafbetrages nicht eingegangen zu werden, weil ein Vollzug der Ersatzarreststrafe und daher auch eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch eine allenfalls zu hohe Ersatzarreststrafe unter diesen Umständen nicht mehr in Betracht kommt.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 28. Oktober 1988
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung ungenaue Angabe Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz Spruch der Berufungsbehörde Ergänzungen des Spruches der ersten Instanz Umfang der Abänderungsbefugnis DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1988:1988180314.X00Im RIS seit
01.04.2022Zuletzt aktualisiert am
01.04.2022