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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des B in F, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1995, Zl. 4.341.119/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, der am 25. September 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 1. Oktober 1992 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Oktober 1992 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte in seinem schriftlichen Asylantrag angegeben, daß er als Kurde in der Türkei durch die Behörden bereits oftmals grundlos mißhandelt worden sei. Er habe befürchtet, der völlig uneingeschränkt waltenden Obrigkeit ausgeliefert zu sein, wiederum grundlos durch die Behörden mißhandelt und gefoltert zu werden, weshalb er um sein Leben gefürchtet habe. Er nannte keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung. Er führte zum Beweis für sein Vorbringen zwei in Österreich lebende Verwandte als Zeugen an. Einer der beiden sei bereits österreichischer Staatsbürger, es handle sich bei ihm um einen Kurden, welchem zuvor Asyl in Österreich gewährt worden sei. Aus dem Verwandtschaftsverhältnis lasse "sich sicherlich ableiten", daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Asylgewährung gegeben seien.
Anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt Wien gab der Beschwerdeführer an: Er sei im Zeitraum von 1983 bis 1988 in seinem Heimatdorf einer ständigen Verfolgung durch die türkischen Behörden und schwerer Folter ausgesetzt gewesen. Er habe in seinem Heimatdorf in der Landwirtschaft seiner Familie gearbeitet. Er sei "unzählige Male" von den Feldern weg verhaftet und zur Polizeistation gebracht worden. Er sei nur deshalb wieder freigekommen, da er vermögend gewesen sei und die Beamten habe bestechen können. Über Befragung zu Details gab der Beschwerdeführer einen Vorfall im Jahre 1987 in Erzurum an - den genauen Zeitpunkt könne er nicht nennen -, bei dem er an den "Fingern und an den Füßen ans Stromnetz angeschlossen" worden sei, er sei bewußtlos geworden und habe beim Aufwachen Narben an der Brust, vermutlich durch ein Messer, gehabt. Davon habe er eine lange und sechs bis sieben kurze Narben an der Brust davongetragen. Er habe dann Angst um sein Leben gehabt, sei mit seiner Familie nach Izmir gezogen und habe dort ein Kaffeehaus gekauft. Über Aufforderung, die Ereignisse in Izmir detailliert zu schildern, führte der Beschwerdeführer an, daß einige Kurden Kaffeehausbesitzer in Izmir gewesen seien. Sie seien immer wieder verhaftet und gefoltert worden. Über nochmalige Aufforderung, Details zu schildern, gab der Beschwerdeführer an, er sei Ende 1989 oder Anfang 1990 - das genaue Datum wisse er nicht - mit Gummiknüppeln und schweren Schuhen mißhandelt worden, davon habe er eine Narbe am rechten Schienbein davongetragen. Er sei von keinem Arzt behandelt worden, da er Kurde sei. Zwei Monate vor seiner Flucht sei eine Verwandte mit gleichem Familiennamen erschossen worden. Man werde jetzt gesammelt und "die jungen Kurden werden jetzt einfach erschossen". Zur Frage, warum er nicht schon früher geflüchtet sei, führte der Beschwerdeführer an, er habe zunächst seine Heimat nicht verlassen wollen, er habe die Hoffnung gehabt, in einem anderen Teil des Landes Ruhe haben zu können. Er sei vom 2. September 1989 bis Februar 1992 beim Militär gewesen. Über Vorhalt des Widerspruches zum Vorfall Ende 1989 oder Anfang 1990, gab der Beschwerdeführer an, er sei insgesamt viermal vom Militär desertiert. Es sei bei einer Flucht zu dieser Folterung gekommen. Es sei "alles geplant gewesen", daß die Kurden sich in diesem Gebiet gegenseitig umbrächten. Auf die Frage, wie er viermal hätte desertieren können, gab er nur an "Ich wurde jedesmal gefoltert. Ich will auf keinen Fall in die Türkei zurück".
Das Bundesasylamt vernahm die beantragten Zeugen. S, der Onkel des Beschwerdeführers, gab im wesentlichen nur an, bereits im Juni 1977 nach Österreich gekommen zu sein und nur 1979 und 1984 in seiner Heimat gewesen zu sein. Er sei mit seinem Neffen ständig telefonisch und postalisch in Kontakt gewesen und von diesem über die Zustände in der Türkei und die Lage seines Neffen informiert worden. Eigene Beobachtungen könne er keine wiedergeben.
Der als Zeuge vernommene Bruder des Beschwerdeführers gab hinsichtlich der den Beschwerdeführer betreffenden Ereignisse keine konkreten individualisierbaren Vorfälle an, sondern sagte nur in allgemeiner Form aus, daß der Beschwerdeführer sowohl im Heimatdorf "sehr schlimm gefoltert" worden sei - Details wisse er nicht - und auch in Izmir, wo die Familie drei oder vier Kaffeehäuser besessen habe, "immer abgeholt und gefoltert" worden sei, wobei auch hier Details trotz Nachfrage nicht vorgebracht wurden. Auch beim Militär sei der Bruder gefoltert worden und er sei mehrmals desertiert. Er sei vermutlich 1988 für 18 Monate zum Militär gegangen, er wisse es aber nicht genau. Sein Bruder habe die Flucht erst jetzt geschafft, weil die Polizei immer kontrolliere.
Das Bundesasylamt wies den Antrag auf Gewährung von Asyl im wesentlichen mit der Begründung ab, die Angaben des Beschwerdeführers seien "so oberflächlich und vage", er habe trotz wiederholter Aufforderungen keine detaillierte Schilderung von wenigstens einer der angeblich widerfahrenen Foltern abzugeben vermocht, daß die Behörde davon ausgehe, der Beschwerdeführer habe nicht die Wahrheit gesagt. Des weiteren sei es unwahrscheinlich und unglaubhaft, daß der Beschwerdeführer bei unzähligen Folterungen zwischen 1983 und 1988 nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt geflüchtet sei und statt dessen ein Kaffeehaus in Izmir gekauft habe. Auch die Ereignisse in Izmir habe der Beschwerdeführer widersprüchlich, vage und in sich nicht schlüssig geschildert, sodaß ihnen nicht gefolgt werden könne. Auch die Angaben hinsichtlich der viermaligen Desertion vom Militär seien "nicht glaubhaft", da der Beschwerdeführer im Wiederholungsfalle bei seiner Habhaftwerdung mit strengen Strafen hätte rechnen müssen und seinen Militärdienst nicht in dem von ihm angegebenen Zeitraum hätte ableisten können. Die namhaft gemachten Zeugen hätten keine eigenen Wahrnehmungen beibringen können, sondern sich auf das vom Beschwerdeführer erzählte Geschehen berufen, was keinen objektiven Beweis darstelle. Des weiteren hätten die Zeugen allgemeine Verhältnisse in der Türkei geschildert, welche in keinem direkten Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer stünden. Der Zeuge Dede sei im Juni 1977 als Student nach Österreich gekommen, besitze mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft und sei in seiner Heimat nach eigenen Angaben keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen. Der Beschwerdeführer habe hingegen behauptet, daß S anerkannter Flüchtling in Österreich sei.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung begründete der Beschwerdeführer im wesentlichen nur damit, daß sowohl der Beschwerdeführer als auch der Zeuge S in der Türkei als Kurden in der identischen Position gewesen seien, dem Zeugen die österreichische Staatsbürgerschaft ausgestellt worden sei und ihm bereits zuvor durch das Bundesasylamt der Republik Österreich Asyl gewährt worden sei. Aus dem Verwandtschaftsverhältnis lasse sich "sicherlich ableiten", daß beim Beschwerdeführer die "Voraussetzungen für eine positive Beurteilung gegeben" seien.
Die belangte Behörde erließ daraufhin den nunmehr angefochtenen Bescheid, in welchem sie "die Sachverhaltsfeststellung und die zutreffende rechtliche Beurteilung" des erstinstanzlichen Bescheides übernahm. In der Berufung habe der Beschwerdeführer das Vorliegen keiner der drei Fälle des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991, in denen eine Wiederholung oder Ergänzung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen wäre, auch nur behauptet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Aufgrund der trotz mehrfacher Aufforderungen, Details zu schildern, oberflächlich und allgemein gehaltenen Angaben des Beschwerdeführers sowohl in seinem Asylantrag als auch anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme, welche jeden konkreten, (insbesondere zeitlich) nachprüfbaren Anhaltspunkt vermeiden, durfte die Behörde in schlüssiger Weise die Glaubwürdigkeit dieser Angaben betreffend die dem Beschwerdeführer drohende individuelle Verfolgung verneinen. Denn ohne die Anführung von Gründen, weshalb die Erinnerung an derart einschneidende Erlebnisse, wie dies Folterungen darstellen, derart verblaßt sein sollte, daß der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, (zumindest zeitlich gesehen) nähere nachvollziehbare Angaben betreffend dieser Folterungen zu machen, ist ein derart schwaches Erinnerungsvermögen unverständlich. Der Beschwerdeführer tritt der Beweiswürdigung der belangten Behörde in der Beschwerde nicht entgegen; insbesondere führt er nicht an, weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, detaillierte, nachvollziehbare Angaben zu den von ihm behaupteten Folterungen vorzubringen. Auch die Wertung der belangten Behörde, daß die Zeugenaussagen keinen für den Beschwerdeführer günstigeren Erfolg hätten erbringen können, begegnet angesichts ihrer gleichfalls oberflächlichen Darstellung, welche zudem im wesentlichen auf Informationen durch den Beschwerdeführer selbst beruhte, hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit keinen Bedenken. Der Beschwerdeführer bringt hiegegen erkennbar nur vor, daß der Zeuge S in Österreich als Flüchtling anerkannt worden sei, was die Behörde nicht ermittelt habe. Der diesbezüglich behauptete Verfahrensmangel ist jedoch nicht relevant, da selbst im Falle der Anerkennung des Zeugen S als Flüchtling allein daraus keinesfalls der vom Beschwerdeführer geforderte Schluß zu ziehen wäre, daß dem Beschwerdeführer selbst Verfolgung drohe. Denn der Zeuge S befand sich letztmalig im Jahr 1984 in der Türkei, somit zu einem Zeitpunkt, als die behaupteten Verfolgungen gegen den Beschwerdeführer gerade erst begonnen hatten. Bereits alleine aufgrund des fehlenden zeitlichen Zusammenhanges zwischen der Situation des Beschwerdeführers und der seines Onkels kann von letzterem nicht auf die Situation des Beschwerdeführers rückgeschlossen werden. Aus diesem Vorbringen des Beschwerdeführers, welches bereits in der Berufung erstattet wurde, ist kein Fall des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 abzuleiten. Damit durfte die belangte Behörde sowohl gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 das Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens ihrer Entscheidung zugrundelegen, als auch das im Bescheid erster Instanz dargestellte Ermittlungsergebnis im angefochtenen Bescheid übernehmen.
Da auch die in der Beschwerde behauptete allgemeine Situation der Kurden in der Türkei nicht geeignet ist, die asylrechtlich relevante Verfolgung des Beschwerdeführers glaubhaft zu machen, erweist sich auch die von der belangten Behörde übernommene rechtliche Beurteilung des erstinstanzlichen Bescheides als nicht rechtswidrig.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200205.X00Im RIS seit
20.11.2000