Entscheidungsdatum
23.11.2021Index
41/01 SicherheitsrechtNorm
SPG 1991 §38 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG des Herrn A. B., Wien, C.-straße, vertreten durch Rechtsanwalt, wegen Verletzung in Rechten in Folge Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, betreffend die Wegweisung durch Organe der Landespolizeidirektion Wien, am 11.09.2021, in Wien, D.,
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und die Wegweisung des Beschwerdeführers für rechtswidrig erklärt.
2. Der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde hat gemäß § 35 VwGVG in Verbindung mit der VwG-Aufwandersatzverordnung - VwG-AufwErsV, BGBl. II Nr. 517/2013, sowie sinngemäßer Anwendung von §§ 52 bis 54 VwGG dem Beschwerdeführer 737,60 Euro für Schriftsatzaufwand und 30,- Euro für den Ersatz der tatsächlich entrichteten Eingabengebühr gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 VwGG an Aufwandersatz binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.
3. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG unzulässig.
BEGRÜNDUNG
I. 1. Mit dem am 23.09.2021 beim Verwaltungsgericht Wien eingebrachten Schriftsatz erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde sowie eine zur GZ VGW-102/076/14175/2021 protokollierte Richtlinienbeschwerde und brachte darin Nachstehendes vor:
„Der BF erhebt durch seinen ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist die nachstehenden
Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG iVm § 88 SPG und § 89 SPG
an das Verwaltungsgericht Wien und führt dazu wie folgt aus:
Sachverhalt
Der BF ist Autor und Journalist.
Am 11.09.2021 fand eine Demonstration von Gegnerinnen der Coronamaßnahmen statt, deren Route u.a. auch über D. führte.
Der BF wollte im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit die Proteste vor Ort dokumentieren und darüber berichten. Aufgrund seines Presseausweises, den der BF gut sichtbar um den Hals trug, war der BF in seiner Funktion als Journalist erkennbar.
Als sich der BF um 17:08 Uhr dem Bereich der Demonstration nähern wollte, um den Aufmarsch mit seiner Handykamera zu dokumentieren, wurde er von einem Einsatzbeamten auf Höhe D., Wien, gestoppt und zunächst verbal bzw. mittels Gesten dazu aufgefordert, wegzugehen („Wiederschaun", „da nach hinten, bitte nach hinten“), sowie durch In-den-Weg-stellen daran gehindert, weiterzugehen. Der Demonstrationszug war zu diesem Zeitpunkt noch etwas mehr als zwei Häuserblocks entfernt.
Dann erschienen zunächst vier andere Einsatzbeamt:innen, kurz darauf noch weitere. Die Beamt:innen begannen unmittelbar nach einem verbal geäußerten Befehl („Gehen Sie bitte weiter.“), die Wegweisung auch physisch durchzusetzen, indem sie dem BF immer näher kamen, sodass er seine Position verändern musste, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Der BF wich einige Schritte zurück, brachte dabei aber verbal zum Ausdruck, dass er mit der Vorgehensweise nicht einverstanden war und er durch die Wegweisung an der Dokumentation der Demonstration - und somit in seiner journalistischen Tätigkeit - gehindert wurde.
Die Beamten der LPD Wien setzten ihr Verhalten jedoch fort, wobei der BF ohne vorherige Androhung oder Ankündigung auch mit Körperkraft zurückgestoßen und immer wieder aufgefordert wurde, noch weiter zurückzutreten. Dabei brachte der BF immer wieder klar zum Ausdruck, mit der Wegweisung nicht einverstanden zu sein und dadurch an seiner journalistischen Berichterstattung behindert zu werden.
Gefragt nach der rechtlichen Grundlage für die Amtshandlung, gab einer der einschreitenden Beamten zunächst an: „Das Sicherheitspolizeigesetz.“, und dann: „Das sage ich.“.
Beweis: PV des BF;
weitere Beweismittel ausdrücklich vorbehalten
Zulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde und der Richtlinienbeschwerde
Gemäß § 88 Abs. 1 SPG erkennen die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG).
Aus § 106 StPO ergibt sich e contrario, dass eine Verletzung subjektiver Rechte durch eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme, welche die Polizei von sich aus tätigt, im Rahmen einer Maßnahmenbeschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht zu bekämpfen ist.
Der BF behauptet die Verletzung seiner subjektiven Rechte durch Organe der LPD Wien durch die ihm gegenüber ausgesprochene und durchgesetzte Wegweisung. Die Wegweisung ist als Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren, da die diesbezügliche Aufforderung dem BF mehrfach und nachdrücklich zur Kenntnis gebracht wurde und er auch durch Organe der LPD Wien weggedrängt bzw. zurückgestoßen wurde und er somit bereits von Zwangsgewalt betroffen war.
Selbst wenn man nicht davon ausgehen wollte, dass die Organe der belangte Behörde Zwangsgewalt ausübten, liegt ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt vor. Denn es handelte sich im konkreten Fall nicht um ein bloßes Ersuchen, sondern wurde der BF durch uniformierte Beamte nachdrücklich aufgefordert, seinen bisherigen Aufenthaltsort zu verlassen. Der BF hatte angesichts der Formulierung, des Verhaltens der Beamten und des Kontextes, in dem die Aussagen getätigt wurde, bei Nichtbefolgung mit einer zwangsmäßigen Durchsetzung der Wegweisung zu rechnen.
Gemäß § 89 Abs. 1 iVm. Abs. 2 SPG kann eine Beschwerde gegen die Verletzung einer gemäß § 31 SPG festgelegten Richtlinie sowohl bei der zuständigen Dienstaufsichtsbehörde, als auch beim Landesverwaltungsgericht eingebracht werden.
Das Landesverwaltungsgericht ist folglich sachlich zuständig zur Prüfung der gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde sowie Richtlinienbeschwerde.
Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 VwGVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG nach dem Ort, an dem die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt begonnen wurde.
Im gegenständlichen Fall fand die Amtshandlung in Wien statt, weshalb das Landesverwaltungsgericht Wien örtlich für die Behandlung der Beschwerden zuständig ist.
Gemäß § 88 Abs. 4 SPG beträgt die Frist zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde sechs Wochen. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der/die Betroffene Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt hat, wenn er/sie aber durch diese behindert war, von seinem/ihrem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung.
Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Verletzung einer in § 31 SPG festgelegten Richtlinie beträgt gemäß § 89 Abs. 2 SPG sechs Wochen ab jenem Zeitpunkt, ab dem der/die Betroffene Kenntnis von der Richtlinienverletzung erlangt.
Die Wegweisung erfolgte am 11.09.2021. Die Erhebung der gegenständlichen Beschwerden erfolgt sohin binnen offener sechswöchiger Frist.
Beschwerdegründe
1. Zur Maßnahmenbeschwerde (Wegweisung)
Gemäß § 38 Abs. 1 SPG sind Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, der durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen und dadurch die öffentliche Ordnung stört, vom Ort der Störung wegzuweisen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts.
Unbeteiligte Personen können gemäß § 38 Abs. 1a SPG dann weggewiesen werden, wenn sie durch ihre Anwesenheit am Ort einer ersten, allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder in dessen unmittelbarer Umgebung die öffentliche Ordnung stören, indem sie die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder eine sonstige Hilfeleistung im Zusammenhang mit einem Unglücksfall behindern oder die Privatsphäre jener Menschen unzumutbar beeinträchtigen, die von dem Vorfall betroffen sind.
Auch die in § 38 Abs. 1a SPG geregelte Befugnis zur Wegweisung knüpft an das Vorliegen des Tatbestandes der Störung der öffentlichen Ordnung an. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 Abs. 1a SPG lagen nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Erfüllung des Tatbestandes der Störung der öffentlichen Ordnung auf das Vorliegen zweier Elemente an: Erstens muss der/die Täter:in ein Verhalten gesetzt haben, das objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen. Zweitens muss durch dieses Verhalten die öffentliche Ordnung an einem Ort tatsächlich gestört worden sein (vgl. zur Vorgängerbestimmung des Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG VwGH 25.11.1991, 91/10/0207).
Der BF befand sich in seiner Eigenschaft als Journalist vor Ort und wollte in die Nähe des Aufmarsches gehen, um diesen mit seiner Handykamera zu dokumentieren. Der BF verhielt sich entsprechend seiner Funktion als Journalist ruhig und setzte zu keinem Zeitpunkt ein störendes oder Ärgernis erregendes Verhalten. Seine bloße Anwesenheit in der Nähe des Demonstrationszuges ist kein Verhalten, dass geeignet war, berechtigtes Ärgernis zu erregen. Noch weniger bewirkte das Verhalten des BF eine Störung der öffentlichen Ordnung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Die Wegweisung des BF erfolgte mangels entsprechender Rechtsgrundlage rechtswidrig. Der BF wurde sohin in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen weggewiesen zu werden, verletzt.
Des Weiteren haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Einsatz unmittelbarer Zwangsgewalt gemäß § 50 Abs. 2 SPG zunächst anzudrohen und - sofern die Androhung nicht den gewünschten Erfolg zeigt - vor der Anwendung anzukündigen.
Indem die einschreitenden Beamten davon absahen und dem BF ohne vorangehende Androhung bzw. Ankündigung mittels Körperkraft zurückdrängten bzw. zurückstießen, wurde der BF zudem in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen sowie nach vorheriger Androhung und Ankündigung Zwangsgewalt ausgesetzt zu werden, verletzt.
Festgehalten wird zudem, dass dem BF gegenüber zu keinem Zeitpunkt angegeben wurde, er würde die öffentliche Ordnung stören.
Nicht zuletzt war der BF erkennbar als Journalist und somit in Ausübung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts vor Ort und hätte dieser Aspekt bei der Befugnisausübung berücksichtigt werden müssen. Der BF wurde durch die rechtswidrige Wegweisung auch in seinem Recht auf Pressefreiheit gemäß Art. 13 StGG bzw. freie Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK verletzt.
2. Zur Richtlinienbeschwerde (Verletzung der Dokumentationspflicht)
Gemäß § 10 Abs. 1 Richtlinien-Verordnung (RLV) haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Fall der Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dafür zu sorgen, dass die für ihr Einschreiten maßgeblichen Umstände später nachvollzogen werden können. Es ist daher eine entsprechende Dokumentation anzulegen.
In der Praxis unterbleibt eine solche Dokumentation erfahrungsgemäß jedoch häufig.
Aus anwaltlicher Vorsicht wird daher geltend gemacht, dass über die geschilderte Amtshandlung keine ausreichende Dokumentation angelegt wurde, weshalb weiters ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 RLV vorliegt.
Anträge
Der Beschwerdeführer stellt daher durch seinen ausgewiesenen Vertreter die nachstehenden
Anträge
an das Verwaltungsgericht Wien, dieses möge
1. eine mündliche Verhandlung anberaumen und die beantragten Beweise aufnehmen;
2. feststellen, dass der BF durch die in Beschwerde gezogene Wegweisung und deren - ohne vorangehende Androhung oder Ankündigung erfolgte - zwangsweise Durchsetzung am 11.09.2021 in seinem Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und nur auf die gesetzlich vorgesehene Weise weggewiesen zu werden zu werden, verletzt wurde und diese für rechtswidrig erklären;
3. feststellen, dass durch die fehlende Dokumentation der Amtshandlung § 10 Abs. 1 RLV verletzt wurde; sowie
4. der belangten Behörde die Kosten des Verfahrens gemäß § 35 VwGVG iVm § 1 VwG-AufwErsV sowie die Kosten für die Eingabegebühren auferlegen.“
2. Die belangte Behörde erstattete mit Schreiben vom 12.11.2021 eine Äußerung und führt darin aus, dass der in Beschwerde gezogene Vorfall irrtümlich nicht schriftlich dokumentiert worden sei und der nachfolgend angeführten Begründung, welche sich aus der Beschwerde, Seite 5, Punkt 1, ergebe, nicht entgegengetreten werde. Der Beschwerdeführer sei ohne entsprechende Rechtsgrundlage weggewiesen worden. Er habe die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 38 Abs. 1 und Abs. 1a SPG nicht erfüllt. Es werde ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
3. Die Äußerung wurde dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme übermittelt. Mit Schriftsatz vom 24.11.2021 wurde ebenso auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
4.1. Aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze steht zusammengefasst folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest und wird als erwiesen angenommen:
Der Beschwerdeführer befand sich am 11.09.2021, um ca. 17:08 Uhr, auf Höhe D., in seiner Eigenschaft als Journalist, um die Proteste vor Ort mit seiner Handykamera zu dokumentieren und darüber zu berichten, weshalb er in die Nähe des Aufmarsches gehen wollte. Der Beschwerdeführer verhielt sich entsprechend seiner Funktion als Journalist ruhig uns setzte zu keinem Zeitpunkt ein störendes oder Ärgernis erregendes Verhalten.
Der Beschwerdeführer wurde dennoch zunächst von Organen der belangten Behörde aufgefordert, wegzugehen und darin gehindert weiterzugehen, indem man sich ihm in den Weg stellte. Die Organe begannen unmittelbar nach dem geäußerten Befehl an den Beschwerdeführer, wonach er weiter zu gehen hatte, diesen auch physisch durchzusetzen, zumal sie ihm immer näher kamen, sodass er seine Position verändern musste, um einen Zusammenstoß mit den Organen der belangten Behörde zu vermeiden.
Der Beschwerdeführer brachte verbal zum Ausdruck, dass er mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden ist, weil er durch die Wegweisung an der Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit behindert wurde.
Die Organe der belangten Behörde setzten indes ihr Verhalten fort, wobei sie ihn mit Körperkraft zurückstießen und ihn immer wieder aufforderten, noch weiter zurückzutreten.
4.2. Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.
II. 1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen (§ 28 Abs. 6 VwGVG).
2. Die relevanten Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 85/2020, lauten auszugsweise:
„Wegweisung(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Menschen, der durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, vom Ort der Störung wegzuweisen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts.
(1a) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Unbeteiligte wegzuweisen, die durch ihr Verhalten oder ihre Anwesenheit am Ort einer ersten allgemeinen oder sonstigen Hilfeleistung oder in dessen unmittelbarer Umgebung die öffentliche Ordnung stören, indem sie die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder eine sonstige Hilfeleistung im Zusammenhang mit einem Unglücksfall behindern oder die Privatsphäre jener Menschen unzumutbar beeinträchtigen, die von dem Vorfall betroffen sind.
(2) bis (5) [...]
Unmittelbare Zwangsgewalt(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind, sofern nicht anderes bestimmt ist, ermächtigt, die ihnen von diesem Bundesgesetz oder von einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung eingeräumten Befugnisse mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchzusetzen.
(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben anwesenden Betroffenen die Ausübung von unmittelbarer Zwangsgewalt anzudrohen und anzukündigen. Hievon kann in den Fällen der Notwehr oder der Beendigung gefährlicher Angriffe (§ 33) soweit abgesehen werden, als dies für die Verteidigung des angegriffenen Rechtsgutes unerläßlich erscheint.
(3) Für die Anwendung von unmittelbarer Zwangsgewalt gegen Menschen gelten die Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969.
(4) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen physische Gewalt gegen Sachen anwenden, wenn dies für die Ausübung einer Befugnis unerläßlich ist. Hiebei haben sie alles daranzusetzen, daß eine Gefährdung von Menschen unterbleibt.
Störung der öffentlichen Ordnung(1) Wer durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.
(1a) Wer durch sein Verhalten oder seine Anwesenheit am Ort einer ersten allgemeinen oder sonstigen Hilfeleistung oder in dessen unmittelbarer Umgebung trotz Abmahnung die öffentliche Ordnung stört, indem er die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder eine sonstige Hilfeleistung im Zusammenhang mit einem Unglücksfall behindert oder die Privatsphäre jener Menschen unzumutbar beeinträchtigt, die von dem Vorfall betroffen sind, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.
(2) [...]
(3) Als gelindere Mittel kommen folgende Maßnahmen der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt in Betracht:
1.
die Wegweisung des Störers vom öffentlichen Ort;
2.
das Sicherstellen von Sachen, die für die Wiederholung der Störung benötigt werden.
(4) bis (6) [...]“
3.1. Die Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt regelt § 35 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, welcher lautet:
(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1.
die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2.
die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3.
die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“
3.2. Die Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze (VwG-Aufwandersatzverordnung – VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, lautet auszugsweise:
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird wie folgt festgesetzt:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro“
III. 1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.
Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht es bei einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt nicht darum, die abstrakte Zulässigkeit einer Maßnahme zu prüfen, sondern darum, ob der ganz konkret vorgenommene Zwangsakt rechtmäßig war oder nicht. Es ist nicht zulässig, dann, wenn sich der tatsächlich für die Zwangsmaßnahme maßgebend gewesene Grund als unzureichend erweisen sollte, nachträglich den Rechtsgrund auszuwechseln und eine andere, besser geeignete gesetzliche Grundlage heranzuziehen (VwGH vom 22.10.2002, Zl 2000/01/0527, oder vom 12.09.2006, Zl 2005/03/0068).
2. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die Wegweisung seiner Person durch Organe der belangten Behörde mangels entsprechender Rechtsgrundlage zur Befugnisausübung rechtswidrig war.
Die belangte Behörde trat dieser Auffassung nicht entgegen, da der Beschwerdeführer die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 38 Abs. 1 und 1a SPG nicht erfüllte.
3. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren hat nach dem unstrittigen Sachverhalt ergeben, dass die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 38 Abs. 1 und 1a SPG - nämlich ein geeignetes Verhalten, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung zu stören oder die Hilfeleistung zu behindern - für die hier erfolgte Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Beschwerdeführers durch seine Wegweisung nicht vorlagen und auch sonst keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, die diese Befugnisausübung nach der in Rede stehenden Bestimmung durch die Organe der belangten Behörde erforderlich gemacht hätten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Der Kostenzuspruch gründet sich auf § 35 Abs. 1, 2 und 4 Z 3 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV. Darüber hinaus sind gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG und § 52 Abs. 2 VwGG Eingabengebühren in dem Ausmaß zu ersetzen, in dem sie tatsächlich entrichtet worden sind (vgl. VwGH vom 28.05.2020, Ra 2019/21/0336, Rz 29 sowie Ennöckl in „Maßnahmenbeschwerde“, 2. Auflage, Seite 68), weshalb diese spruchgemäß zuzusprechen waren (siehe Einzahlungsbeleg vom 22.09.2021).
5. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gründet sich darauf, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung einer zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal die verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen klar aus dem Gesetz lösbar sind (vgl. Köhler, Der Zugang zum VwGH in der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 589 ff, mwN).
Schlagworte
Wegweisung; berechtigtes Ärgernis; öffentliche Ordnung; Behinderung der Hilfeleistung; Einschränkung der Bewegungsfreiheit; Erforderlichkeit; unmittelbare Zwangsgewalt; Störung der öffentlichen Ordnung; MaßnahmenbeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.102.076.13935.2021Zuletzt aktualisiert am
24.03.2022