TE Vfgh Erkenntnis 1994/9/26 B1103/93

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Veröffentlicht am 26.09.1994
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

RAO §15

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der Substitutionsberechtigung für einen emeritierten Rechtsanwalt

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 1. Februar 1993 wurde dem Antrag des erstbeschwerdeführenden Rechtsanwaltes, dem bei ihm tätigen Zweitbeschwerdeführer, einem emeritierten Rechtsanwalt, zufolge Vorliegens der Voraussetzungen die Substitutionsberechtigung gemäß §15 Abs2 RAO zu erteilen, keine Folge gegeben.

Begründend wurde ausgeführt, daß dem Wortlaut des §15 RAO zufolge die Substitutionsberechtigung mit Legitimationsurkunde für Rechtsanwaltsanwärter vorgesehen sei. Unter einem Rechtsanwaltsanwärter könne aber nur ein in der beruflichen Ausbildung stehender Jurist verstanden werden, "dessen beabsichtigtes oder doch mögliches Ziel die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte und damit die (allfällige) Ausübung des Rechtsanwaltsberufes ist."

Hier gehe es aber um jemanden, der die Rechtsanwaltschaft schon ausgeübt habe und der den Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft jederzeit widerrufen und wieder in die Liste der "aktiven" Rechtsanwälte eingetragen werden könne. Ein Neueintritt als Rechtsanwaltsanwärter komme für ihn nicht mehr in Betracht. In Übereinstimmung mit der Unterinstanz werde die Auffassung vertreten, "daß es weder dem Sinn des Gesetzes noch der Absicht des Gesetzgebers entspricht, daß ein bereits in den Ruhestand getretener Rechtsanwalt als Rechtsanwaltsanwärter eine Substitutionsberechtigung mit Legitimationsurkunde erhält (§15 RAO) und demgemäß als Rechtsanwaltsanwärter für einen (anderen) Rechtsanwalt tätig ist." Da er jederzeit seine (Wieder-)Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte erwirken könne, komme für ihn die Erteilung einer Substitutionsberechtigung als Rechtsanwaltsanwärter gemäß §15 RAO nicht in Betracht.

1.2. In der dagegen erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie darüber hinaus die Verletzung des zweitbeschwerdeführenden emeritierten Rechtsanwaltes im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

2. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

3. Mit Schriftsatz vom 28. Februar 1994 haben die Beschwerdeführer eine Kopie der Seiten 27 und 28 aus dem Anwaltsblatt 1994 vorgelegt. Aus den dort abgedruckten Amtlichen Mitteilungen sei ersichtlich, daß die autonome Rechtsanwaltskammer Salzburg die Rechtsmeinung der Beschwerdeführer vertrete, da sich daraus ergebe, daß ein Rechtsanwalt und eine Rechtsanwältin ihre Sozietät aufgelöst haben und daß die Rechtsanwältin nach dem Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft wieder in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen worden sei.

4. Die Beschwerde ist zulässig. Ihr kommt jedoch keine Berechtigung zu.

4.1.1. Die Verletzung der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch den bekämpften Bescheid wird darin erblickt, daß die belangte Behörde "bei verfassungskonformer Interpretation der Bestimmungen der §15 und §34 Abs1 litd RAO im Zusammenhang mit der Systematik der Rechtsanwaltsordnung" dem Antrag auf Erteilung der Substitutionsberechtigung hätte stattgeben müssen. So ergebe sich aus §15 Abs2 erster Satz RAO, daß ein Rechtsanwaltsanwärter, der die Rechtsanwaltsprüfung mit Erfolg abgelegt habe und auch die übrigen Voraussetzungen zur Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter erfüllt habe, aber noch nicht in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen worden sei, ein Rechtsanwaltsanwärter - wenn auch nicht mehr einer in "Ausbildung" - sei.

4.1.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Daß der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht oder daß die Behörde bei seiner Erlassung Willkür geübt hat, ist weder erkennbar, noch wird es behauptet. Eine Verletzung des Gleichheitsgebotes könnte daher nur gegeben sein, wenn die OBDK der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte. Das ist aber nicht der Fall. Sie hat sich vielmehr am klaren Wortlaut des Gesetzes orientiert, demzufolge substitutionsberechtigt ein Rechtsanwaltsanwärter bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ist (§15 Abs2 RAO). Es kann der OBDK nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, daß ein Rechtsanwaltsanwärter ein Auszubildender (vgl. ArtV RL-BA 1977) ist, der die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte erst anstrebt, nicht aber jemand, der diese Ausbildung bereits abgeschlossen hat und - wie der Zweitbeschwerdeführer - bereits einmal in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen war. An diesem Ergebnis ändert sich auch dadurch nichts, daß die Rechtsanwaltskammer Salzburg, einer verfehlten Rechtsansicht folgend, eine Rechtsanwältin nach Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter wiedereingetragen hat.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz ist insofern nicht erkennbar.

4.2.1. In der Beschwerde wird auch behauptet, der angefochtene Bescheid verletze das dem Zweitbeschwerdeführer verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung, da er ihm die Beschäftigung als substitutionsberechtigter Rechtsanwaltsanwärter verwehre. Ein öffentliches Interesse an der Versagung der Eintragung des Zweitbeschwerdeführers in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter sei nicht erkennbar. Es habe daher die belangte Behörde die Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung denkunmöglich angewendet.

4.2.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird mit Rücksicht auf den in Art6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehalt nur verletzt, wenn einem Staatsbürger durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird, ohne daß ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig oder gesetzwidrig ist, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige Verordnung in denkunmöglicher Weise angewendet hat (zB VfSlg. 10413/1985).

Behauptet wird die denkunmögliche Anwendung eines Gesetzes, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit weder Bedenken vorgebracht werden noch aus der Sicht des Anlaßfalles entstanden sind. Da die OBDK die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften aber in vertretbarer Weise ausgelegt und angewendet hat (siehe oben unter Punkt 4.1.2.), erweist sich auch dieser Beschwerdevorwurf als unbegründet.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte der Beschwerdeführer hat somit nicht stattgefunden.

4.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sind.

Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG nicht zulässig ist (zB VfSlg. 10565/1985, 10659/1985).

Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften ist es auch ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1103.1993

Dokumentnummer

JFT_10059074_93B01103_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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