Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T* GmbH, *, vertreten durch die CHG Czernich Haidlen Gast & Partner Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, gegen die beklagte Partei X* SE, *, vertreten durch die MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen 82.034 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. August 2021, GZ 4 R 118/21s-29, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 28. April 2021, GZ 8 Cg 80/20w-23, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.321,10 EUR (darin 386,85 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand ein Haftpflichtversicherungsvertrag, dem die XL Allgemeinen und Ergänzenden Bedingungen für die Haftpflichtversicherung von Unternehmen (XL AHVB 2008 und XL EHVB 2008) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:
„Artikel 1 Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?
1. Versicherungsfall
1.1 Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Pkt. 2) erwachsen oder erwachsen könnten.
[…]
Artikel 7 Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)
1. Unter die Versicherung gemäß Art. 1 fallen insbesondere nicht
1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;
[…]
1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.
[…]
Artikel 8 Was ist vor bzw nach Eintritt des Versicherungsfalls zu beachten? (Obliegenheiten) Wozu ist der Versicherer bevollmächtigt?
Als Obliegenheiten, deren Verletzung die Leistung des Versicherers gemäß § 6 VersVG bewirkt, werden bestimmt:
[…]
1.2 Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, besonders gefahrdrohende Umstände, deren Beseitigung der Versicherer billigerweise verlangen konnte und verlangt hatte, innerhalb einer angemessenen Frist zu beseitigen. Ein Umstand, welcher schon zu einem Schaden geführt hat, gilt im Zweifel als besonders gefahrdrohend.
[…]“
[2] Darüber hinaus liegen dem Vertrag Besondere Vertragsbedingungen (BVB) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
„1.2 Vertragsgrundlagen
Soweit die nachstehenden Bedingungen nichts Abweichendes enthalten, sind die Allgemeinen und Ergänzenden Bedingungen für die Haftpflichtversicherung von Unternehmen (XL AHVB 2008 und XL EHVB 2008) maßgebend.
[…]
„9.24 Schadenverhütungskosten
[…]
9.24.2 In Ergänzung zu Art. 7 AHVB sind von der Versicherung ausgeschlossen:
- die Kosten aus einer Tätigkeit, die zur richtigen Vertragserfüllung gehören, wie Beheben von Mängeln und Schäden an hergestellten oder gelieferten Sachen oder an geleisteten Arbeiten;
[…]“
[3] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob es sich bei den Kosten für eine provisorische Mängelbehebung um nicht versicherte Kosten der Vertragserfüllung handle oder um versicherte Kosten, die zur Abwendung eines drohenden Personen- oder Sachschadens infolge eines unvorhergesehenen Ereignisses dienten, noch nicht Stellung genommen habe. Damit zeigt das Berufungsgericht keine erhebliche Rechtsfrage auf. Da auch die Klägerin in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[4] Die Klägerin entwickelte als Fachunternehmen Schneilanzen mit spezieller Kippfunktion, wobei die Entwurfskalkulation für den Drehteil nicht ausreichend war (bei der Konzeption der Drehgelenke wurden nur statische und nicht auch dynamische Belastungen berücksichtigt). Nach den ersten Brüchen entwickelte die Klägerin im Bereich der Drehgelenke einen Schutz- und Verstärkungssatz als provisorische Maßnahme, damit der Betrieb der Schneeproduktion aufrecht erhalten werden konnte. Die Kosten für die Herstellung des Provisoriums und nicht die Kosten der endgültigen Verbesserung (die sie als Erfüllungsansprüche erkennt) macht die Klägerin nun geltend.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Gemäß Art 7.1.1 und 7.1.3 XL AHVB 2008 sind Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel sowie die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. In Ergänzung dazu sieht Art 9.24.2 BVB vor, dass Schadenverhütungskosten dann nicht gedeckt sind, wenn es sich dabei um Kosten aus einer Tätigkeit handelt, die zur richtigen Vertragserfüllung gehört, wie das Beheben von Mängeln an hergestellten Sachen.
[6] 2. Diese Ausschlüsse entsprechen ganz allgemein dem Grundsatz der Betriebshaftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer zu übertragen (RS0081518 [T4, T7, T8]), woraus klar hervorgeht, dass unter die Versicherung grundsätzlich weder die Erfüllung noch Erfüllungssurrogate fallen (RS0081685). Der Begriff „Erfüllungssurrogat“ meint eine eigenständige versicherungsrechtliche Rechtsfigur (7 Ob 190/16s mwN). Als Erfüllungssurrogat werden diejenigen Schadenersatzansprüche bezeichnet, durch die ein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand eines abgeschlossenen Vertrags geltend gemacht wird. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die den Gläubiger in den Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen (7 Ob 190/16s; 7 Ob 143/14a). Der Versicherungsschutz umfasst demnach bei der Betriebshaftpflichtversicherung nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse des Dritten an der Leistung des Versicherungsnehmers hinausgeht (RS0081898).
[7] 3. Durch die provisorische Maßnahme wurden die Kunden der Klägerin in den primären (wenn auch mangels der Möglichkeit des Absenkens des Lanzenrohrs ohne Entfernung der Luft- und Wasserschläuche nicht in den vollen) Genuss des geschuldeten Leistungsgegenstands (Beschneiung) gebracht. Damit hält sich die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die provisorische Maßnahme habe vorläufig die ursprünglich mangelhafte Leistung der Klägerin ersetzt und sei daher Erfüllungssurrogat, im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung (vgl auch 7 Ob 222/17y). Da schon aus diesem Grund keine Versicherungsdeckung besteht, muss auf die weiteren in der Revision aufgeworfenen Fragen nicht mehr eingegangen werden.
[8] 4. Die Klägerin macht insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.
[9] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
Textnummer
E134206European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00186.21K.0126.000Im RIS seit
24.03.2022Zuletzt aktualisiert am
24.03.2022