TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/9 LVwG-2022/44/0303-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2022
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Entscheidungsdatum

09.03.2022

Index

83 Naturschutz Umweltschutz
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

Nachtfahrverbot Schwerfahrzeuge A12 2010 §3
KFG 1967 §102 Abs5 litb

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, ***** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, **** Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 14.12.2021, Zahl ***, betreffend Übertretungen nach dem IG-L und KFG, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das KFG mit der Fundstelle „BGBl Nr 267/1967 in der Fassung BGBl I Nr 48/2021“ und das
IG-L mit der Fundstelle „BGBl I Nr 115/1997 in der Fassung BGBl I Nr 73/2018“ zu zitieren ist.

2.       Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 110,- zu leisten.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:

„1.      Datum/Zeit:                   08.09.2021, 23:47 Uhr

Ort:                               W, A** Str.km 24,3, Autobahnkontrollstelle W, Richtungsfahrbahn V, V

Betroffenes Fahrzeug:          Anhänger, Kennzeichen: *** (D)
LKW, Kennzeichen: *** (D)

Sie haben als LenkerIn des angeführten Fahrzeuges (mit diesem gezogenen Anhänger), bei dem das höchste zulässige Gesamtgewicht des LKW oder Sattelkraftfahrzeuges mehr als 7,5 t und bei LKW mit Anhängern, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 27.10.2010, LGBI. 64/2010, geändert durch die Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 11.11.2020 LGBI. 121/2020, missachtet, da in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober eines jeden Jahres an Werktagen von 22:00 Uhr bis 05:00 Uhr sowie an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 23:00 Uhr bis 05:00 Uhr, auf der A** zwischen Strkm 6,350 im Gemeindegebiet von U und Strkm 90,0 im Gemeindegebiet von T das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,51 und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, verboten ist. Die Fährt fiel nicht unter die Ausnahmebestimmungen der zitierten Verordnung und Sie waren auch nicht im Besitz einer Ausnahmegenehmigung. Auch war das Kraftfahrzeug nicht mit reinem Elektroantrieb oder mit Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie ausgestattet.

2.       Datum/Zeit:                   08.09.2021, 23:47 Uhr

Ort:                               W, A** Str.km 24,3, Autobahnkontrollstelle W, Richtungsfahrbahn V, V

Betroffenes Fahrzeug:          Anhänger, Kennzeichen: *** (D)
LKW, Kennzeichen: *** (D)

Sie haben als Lenker den Zulassungsschein oder Heereszulassungsschein des(r) Sattelanhängers sowie die bei der Genehmigung oder Zulassung vorgeschriebenen Beiblätter zum Zulassungsschein nicht mitgeführt.“

Dadurch habe er zu 1. gegen § 3 Abs 1 lit a der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A** und zu 2. gegen § 102 Abs 5 lit b KFG verstoßen und sei zu 1. gemäß § 30 Abs 1 Ziffer 4 IG-L zu einer Geldstrafe in Höhe von €  500,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tag und 5 Stunden) und zu 2. gemäß § 134 Abs 1 KFG zu einer Geldstrafe in Höhe von € 50,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Stunden) zu bestrafen. Gemäß § 64 VStG habe er zudem Verfahrenskosten in Höhe von € 60,- zu tragen.

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde vom 13.01.2022, wonach die Fahrt unter die Ausnahmen der Nachtfahrverbotsverordnung gefallen sei. Es habe sich um einen LKW der Euroklasse VI mit ausreichender Abgasklassen-Kennzeichnungsplakette gehandelt. Es seien leicht verderbliche Lebensmittel transportiert worden. Zudem sei der LKW teilweise in dem vom Fahrverbot ausgenommenen Ziel- und Quellgebiet be- und entladen worden. Die Nachtfahrverbotsverordnung selbst sei unverhältnismäßig und europarechtswidrig. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer sämtliche erforderlichen Dokumente mitgeführt; er habe sie bloß bei der Fahrzeugkontrolle aufgrund von Verständigungsproblemen und seiner Nervosität nicht finden können.

Das Landesverwaltungsgericht hat am 02.03.2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und den Beschwerdeführer unter Beiziehung einer Dolmetscherin einvernommen. Zudem wurde der Disponent des Transportunternehmens als Zeuge einvernommen.

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hat am 08.09.2021 um 23:47 Uhr im Gemeindegebiet von W auf der A** bei Straßenkilometer 24,3 in Fahrtrichtung V das Sattelzugfahrzeug der Euroklasse VI mit dem deutschen Kennzeichen *** samt dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen *** gelenkt, wobei die Summe der höchst zulässigen Gesamtmassen mehr als 7,5 Tonnen betragen hat.

Dabei wurden 20,7 Tonnen Mozzarella mit Ablaufdatum 10.10.2021 von D-***** S (Landkreis R) in die italienische Provinz Q (Region P) transportiert. Zusätzlich wurde eine 25 kg schwere Europalette als Leergutretournierung von D-***** O (Landkreis N) nach I- ***** M (L, Bezirksgemeinschaft K) transportiert.

Der Beschwerdeführer hat als Lenker keinen Zulassungsschein des gezogenen Sattelanhänges mitgeführt und konnte diesen somit auch nicht den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aushändigen.

III.      Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Anzeige der Landespolizeidirektion vom 16.09.2021 sowie den Einvernahmen des Beschwerdeführers und des Disponenten. Der Sachverhalt ist unstrittig. Insbesondere hat der Beschwerdeführer den Transport von 20,7 Tonnen Mozzarella mit Ablaufdatum 10.10.2021 vom Landkreis R in die Provinz Q und die bloße Mitnahme einer 25 kg schweren Europalette vom Landkreis N in die Bezirksgemeinschaft K eingeräumt. Er hat auch zugegeben, dass er keinen Zulassungsschein des Anhängers mitgeführt hat.

IV.      Rechtslage:

Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 27.10.2010, mit der auf der A** CC ein Nachtfahrverbot für Schwerfahrzeuge erlassen wird (Nachtfahrverbotsverordnung), LGBl Nr 64/2010 idF LGBl Nr 121/2020:

„Aufgrund der §§ 10 und 16 Abs. 1 Z 4 des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115/1997, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 77/2010, wird im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie verordnet:

(…)

§ 3

Verbot

(1) Im Sanierungsgebiet ist auf beiden Richtungsfahrbahnen der A** CC zwischen Straßenkilometer 6,35 im Gemeindegebiet von U und Straßenkilometer 90,00 im Gemeindegebiet von T das Fahren mit folgenden Kraftfahrzeugen verboten, sofern diese nicht mit reinem Elektroantrieb oder mit Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie ausgestattet sind:

a)       in der Zeit von 1. Mai bis 31. Oktober eines jeden Jahres an Werktagen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr sowie an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr mit Lastkraftwagen, selbstfahrenden Arbeitsmaschinen und Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t sowie mit Lastkraftwagen mit Anhänger und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit Anhänger, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtmassen beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt,

(…)

§ 4

Ausnahmen

(1) Vom Verbot nach § 3 sind unbeschadet der Ausnahmen gemäß § 16 Abs. 2 IG-L ausgenommen:

a)       Fahrten zum überwiegenden Transport leicht verderblicher Lebensmittel mit einer Haltbarkeit von nur wenigen Tagen oder zum ausschließlichen Transport von periodischen Druckwerken,

(…)

h)       bis zum 31. Dezember 2020 Fahrten mit Kraftfahrzeugen der Euroklasse VI (NOx-Emission nicht mehr als 0,4 g/kWh), sofern dies durch eine entsprechende Kennzeichnung des Fahrzeuges nach der IG-L – Abgasklassen-Kennzeichnungsverordnung, BGBl. II Nr. 120/2012, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl. II Nr. 272/2014, oder bei selbstfahrenden Arbeitsmaschinen durch ein im Fahrzeug mitgeführtes Dokument nachgewiesen ist, ab 1. Jänner 2021 jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Kraftfahrzeuge in der Kernzone gemäß Abs. 2 erster Satz be- oder entladen (Quelle oder Ziel in der Kernzone) oder in der erweiterten Zone gemäß Abs. 2 zweiter Satz be- und entladen werden (Quelle und Ziel in der erweiterten Zone) oder lediglich der Abschnitt der A** CC zwischen Straßenkilometer 72,00 im Gemeindegebiet von J und Straßenkilometer 90,00 im Gemeindegebiet von T zum Zweck des Gütertransports befahren wird,

(…)

(2) Zur Kernzone zählen die politischen Bezirke G, V-Land, V-Stadt, X und F. Zur erweiterten Zone zählen in

(…)

b)       Deutschland: die Landkreise E, D, C, N (inkl. Stadt) und B,

c)       Italien: die Bezirksgemeinschaften A, z und K.“

Immissionsschutzgesetz – Luft (IG-L), BGBl I Nr 115/1997 idF BGBl I Nr 73/2018:

„Strafbestimmungen

§ 30. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen

(…)

4.       mit Geldstrafe bis zu 2 180 Euro, wer einer gemäß §§ 14 oder 16 Abs. 1 Z 4 erlassenen und entsprechend kundgemachten Anordnung in einer Verordnung gemäß § 10 zuwiderhandelt, wovon insbesondere die fehlende, falsche oder fehlerhafte Kennzeichnung gemäß einer aufgrund von § 14a Abs. 4 erlassenen Verordnung umfasst ist.“

Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), BGBl Nr 267/1967 idF BGBl I Nr 48/2021:

㤠102. Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers

(…)

(5) Der Lenker hat auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen

(…)

b)       den Zulassungsschein oder Heereszulassungsschein für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug und einen mit diesem gezogenen Anhänger, sowie die bei der Genehmigung oder Zulassung vorgeschriebenen Beiblätter zum Zulassungsschein,

(…)

§ 134. Strafbestimmungen

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.“

V.       Erwägungen:

Es steht unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer im Geltungszeitraum und Geltungsort der Nachtfahrverbotsverordnung ein Sattelkraftfahrzeug mit mehr als 7,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse gelenkt hat. Er beruft sich allerdings zunächst auf die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs 1 lit a der Nachtfahrverbotsverordnung, da die Haltbarkeit des geladenen Mozzarellas am 10.10.2021 geendet hat. Nach § 4 Abs 1 lit a sind aber nur leicht verderbliche Lebensmittel vom Nachtfahrverbot ausgenommen, die eine Haltbarkeit von nur wenigen Tagen aufweisen. Nach den Erläuterungen zur Verordnung fallen darunter nur solche Lebensmittel, deren Genießbarkeit nur kurzfristig nach deren Produktion erhalten bleibt, wie zB Milchprodukte. Ausdrücklich nicht unter diese Ausnahme fallen nach den Erläuterungen Lebensmittel, die eine Haltbarkeit von mehr als einer Woche aufweisen. Im gegenständlichen Fall hatte der geladene Mozzarella im Tatzeitpunkt noch eine Haltbarkeit von mehr als einem Monat, sodass keine Rede vom Vorliegen der Ausnahme sein kann.

Weiters beruft sich der Beschwerdeführer auf die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs 1 lit h, da er neben den 20,7 Tonnen Mozzarella auch eine 25 kg schwere Europalette vom Landkreis N in die Bezirksgemeinschaft K mitgenommen hat. Tatsächlich liegen gemäß § 4 Abs 2 sowohl der Landkreis N als auch die Bezirksgemeinschaft K in der Kernzone der Verordnung, sodass Transporte zur dortigen Be- oder Entladung mit Kraftfahrzeugen der Euroklasse VI vom Nachtfahrverbot ausgenommen sind. Der Verordnungsgeber hat aber mit der Novelle LGBl Nr 141/2021 – und somit erst nach dem Tatzeitpunkt – klargestellt, dass dabei zumindest der überwiegende Teil der Ladung in der Kernzone auf- oder abgeladen werden muss. Von dieser Voraussetzung kann im vorliegende Fall angesichts der 20,7 Tonnen Mozzarella jedenfalls nicht gesprochen werden.

Aber auch unabhängig vom Verhältnis der unterschiedlichen Beladungsanteile kann von einer Be- oder Entladung in der Kernzone nur gesprochen werden, wenn dort eine Ladung auf- oder abgeladen wird, deren Ausmaß und Gewicht nicht bloß geringfügig ist. Da sich die Nachtfahrverbotsverordnung auf Kraftfahrzeuge mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen bezieht, ist die Ladekapazität derartiger Fahrzeuge bei dieser Geringfügigkeitsbeurteilung zu berücksichtigen (vgl VwGH 27.06.2014, 2012/02/0129, zum Ziel- und Quellverkehr iSd StVO).

Würde es hingegen bloß auf die (mit LGBl Nr 141/2021 geklärte) Frage ankommen, dass der überwiegende Teil der Ladung in der Kernzone auf- oder abgeladen wird, könnte durch jede noch so geringe Nebenladung ein überwiegender Ladungsanteil sichergestellt werden. Die dadurch ermöglichten „Leerfahrten“ würden die lufthygienische Wirksamkeit des Nachtfahrverbotes herabsetzen. Für das Vorliegend der Ausnahme ist also nicht nur entscheidend, dass der überwiegende Teil der Ladung in der Kernzone be- oder entladen wird, sondern auch, dass die dortige Be- oder Entladung nicht bloß geringfügig ist.

Die Nachtfahrverbotsverordnung kann daher nicht so ausgelegt werden, dass bereits jede geringfügige Be- oder Entladung in der Kernzone zu einer Ausnahme vom Fahrverbot führt. Die in der Kernzone vorgenommene Be- und Entladung eines Sattelkraftfahrzeuges mit bloß einer leeren, 25 kg schweren Europalette lässt vielmehr auf eine Umgehungsabsicht schließen. Die Übertretung steht somit in objektiver Hinsicht fest.

Soweit der Beschwerdeführer die Nachtfahrverbotsverordnung als europarechtswidrig erachtet, sieht sich das Landesverwaltungsgericht nicht veranlasst, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Das Landesverwaltungsgericht ist auch nicht als letztinstanzliches Gericht iSd Art 267 Abs 3 AEUV anzusehen, da seine Entscheidungen noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Schon allein aus diesem Grund ist das Landesverwaltungsgericht nicht vorlagepflichtig (VwGH 29.07.2021, Ra 2020/12/0002).

Soweit sich der Beschwerdeführer wegen der Anwendung einer gesetzwidrigen Norm in seinen Rechten verletzt sieht, steht es ihm frei, selbst einen Normprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen (Art 144 Abs 1 B-VG). Im Hinblick auf diese Möglichkeit führt das vorliegende Erkenntnis zu keiner Beschneidung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Beschwerdeführers (VwGH 27.02.2015, Ra 2015/06/0009).

Zumal die vom Landesverwaltungsgericht durchgeführte mündliche Verhandlung ergeben hat, dass der Beschwerdeführer keinen Zulassungsschein für den von ihm gezogenen Sattelanhänger mitgeführt hat, steht auch die Übertretung des § 102 Abs 5 lit b KFG in objektiver Hinsicht fest.

Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle von "Ungehorsamsdelikten" – als welche sich auch die gegenständlichen Übertretungen darstellen – tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung der objektiven Tatbestände zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft. Der Täter hat hierzu initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat also ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und die entsprechenden Beweismittel vorzulegen oder konkrete Beweisanträge zu stellen.

Der Beschwerdeführer hat nichts vorgebracht, was Zweifel an seinem Verschulden aufkommen lässt. Sofern er vorbringt, dass ihm von seinem Arbeitgeber mitgeteilt worden sei, dass die mitgeführte Europalette vom Nachtfahrverbot befreit, ist klarzustellen, dass eine allfällige Unkenntnis der österreichischen Rechtslage nur dann beachtlich ist, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist („entschuldigender Rechtsirrtum“). Die Rechtsunkenntnis ist hingegen vorwerfbar, wenn sich der Täter trotz Veranlassung über den Inhalt der einschlägigen Normen nicht näher informiert. Es besteht also insoweit eine Erkundigungspflicht. Auch für ausländische Verkehrsteilnehmer besteht die Verpflichtung, sich über die Rechtsvorschriften bei der Teilnahme am österreichischen Straßenverkehr ausreichend zu informieren.

Soweit also ein italienischer Fernfahrer mit einem deutschen Sattelkraftfahrzeug im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr österreichische Straßen befährt, besteht für ihn jedenfalls Anlass, sich mit den einschlägigen österreichischen Regeln vertraut zu machen (vgl VwGH 22.02.1999, 99/17/0026; 20.09.2000, 2000/03/0222). Er hätte sich bei der zuständigen österreichischen Behörde oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle unter Mitteilung des vollständigen Sachverhalts Gewissheit zu verschaffen gehabt, ob die mitgeführte Europalette tatsächlich vom Nachtfahrverbot befreit bzw, ob der Zulassungsschein mitzuführen ist. Die Übertretungen stehen daher auch in subjektiver Hinsicht fest, wobei beim Ausmaß des Verschuldens von Fahrlässigkeit auszugehen ist.

Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der im angefochtenen Spruchpunkt 1. verhängten Geldstrafe in Höhe von € 500,- ist festzughalten, dass das IG-L in seinem § 30 Abs 1 Ziffer 4 für Zuwiderhandlungen gegen die Nachtfahrverbotsverordnung Geldstrafen bis zu € 2.180,- vorsieht. Die Behörde hat diesen zur Verfügung stehenden Strafrahmen zu ca 23 % ausgeschöpft. Zwar hat sich vor dem Landesverwaltungsgericht herausgestellt, dass der Beschwerdeführer nur über unterdurchschnittliche Vermögensverhältnisse verfügt, jedoch kommt aufgrund der offenkundigen Umgehung der Nachtfahrverbotsverordnung und dem damit verbundenen erheblichen Unrechtsgehalt aus generalpräventiven Erwägungen keine weitere Herabsetzung der Geldstrafe in Betracht.

Im angefochtenen Spruchpunkt 2. wurden bei einem gemäß § 134 Abs 1 KFG zur Verfügung stehenden Strafrahmen in Höhe von € 5.000,- eine Geldstrafe in Höhe von € 50,-, sohin im Ausmaß von lediglich 1 % des vorgesehenen Strafrahmens verhängt. Eine noch weitere Herabsetzung kommt auch bei unterdurchschnittlichen Vermögensverhältnissen nicht in Betracht.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Zumal dem Beschwerdeführer gemäß § 44a Ziffer 2 und 3 VStG aber das subjektive Recht zukommt, dass ihm die verletzte Verwaltungsvorschrift und die angewandte Strafsanktionsnorm richtig und vollständig vorgehalten wird, hat das Landesverwaltungsgericht die Gesetzesbestimmungen im angefochtenen Spruch durch jene Bundesgesetzblätter zu konkretisieren, durch welche sie ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten haben (VwGH 29.03.2021, Ra 2021/02/0023).

Gemäß § 52 VwGVG ist ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht vorzuschreiben.

Abschließend wird der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er gemäß § 54b Abs 3 VStG bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ratenzahlung einbringen kann, sofern er die Strafe auf Grund seiner finanziellen Situation nicht sofort zur Gänze bezahlen kann.

VI.      Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Es fehlt an einer konkreten Rechtsprechung zur Frage, ab wann von einer Be- bzw Entladung in der Kernzone gesprochen werden kann, die zu einer Ausnahme iSd § 4 Abs 1 lit h der Nachtfahrverbotsverordnung führt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Nachtfahrverbot
Nichtmitführen
Zulassungsschein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.44.0303.6

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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