Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*-GmbH, *, vertreten durch Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, gegen die beklagte Partei G*, Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 147.445,43 EUR sA und Feststellung (Streitwert 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2021, GZ 38 R 67/21s-28, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Streitteile sind Parteien eines Mietvertrags aus dem Jahr 1968 über ein Geschäftslokal in Wien. Die beklagte Partei erwarb das Bestandobjekt 1981 und trat in den Mietvertrag auf Vermieterseite ein. Die klagende Partei ist seit 2011 alleinige Mieterin.
[2] Der Mietvertrag wurde 1968 zwischen einer Gesellschaft, der Gesamtrechtsvorgängerin der klagenden Partei, mit dem Einzelrechtsvorgänger der beklagten Partei geschlossen. Dabei wurde vereinbart, dass bestimmte Betriebskosten (Steuern, Verwaltungskosten und Hausbesorgerentgelt) vom Vermieter zu tragen seien. 1981 trat eine weitere Gesellschaft und Rechtsvorgängerin der Klägerin als Mitmieterin dem Mietvertrag bei, wobei die referierte Betriebskostenvereinbarung neuerlich vereinbart wurde.
[3] 1993 traf K* K* als Geschäftsführer bzw Prokurist der damaligen beiden Mitmietergesellschaften mit der beklagten Partei eine Vereinbarung dahingehend, dass in Hinkunft sämtliche Betriebskosten nach dem MRG von den Mieterinnen zu tragen seien. Mieterseits konnte dadurch erreicht werden, dass die beklagte Partei einem Umbauvorhaben (rasch) zustimmt. K* K* war für die Mitmietergesellschaften zu diesem Zeitpunkt nicht allein vertretungsbefugt.
[4] Diese Vereinbarung führte zu einer drastischen Erhöhung der Betriebskosten, der bisherige Betrag erhöhte sich um bis zu 600 %. Aufgrund der den Mitmietergesellschaften bzw später der klagenden Partei jährlich übermittelten Betriebskostenabrechnungen wurden die Betriebskosten im Sinn dieser Vereinbarung seit 1993 über 20 Jahre hinweg bis ins Jahr 2013 unbeanstandet bezahlt.
[5] Die Parteien des Bestandvertrags verhandelten 1999 über die Höhe des Hauptmietzinses und trafen eine Staffelmietzinsvereinbarung. In diesen Verhandlungen wurde die Verrechnung der Betriebskosten ebenso nicht bemängelt wie in späteren Gesprächen über die Höhe des Mietzinses. Im Jahr 2001 brachte die klagende Partei gegen die beklagte Partei Anträge bei der Schlichtungsstelle zur Feststellung des angemessenen Mietzinses und zur Unwirksamerklärung der Mietzinsvereinbarungen ein, vor allem in Bekämpfung der Staffelmietzinsvereinbarung. Die Betriebskostenregelung oder die Betriebskosten im Allgemeinen waren dabei kein Thema. 2011 kam es zu einer vergleichsweisen Regelung, bei der der Hauptmietzins mit 35.000 EUR „netto monatlich zuzüglich vereinbarter Betriebskosten und gesetzlicher Umsatzsteuer“ wertgesichert festgelegt wurde. Auch danach wurden die Betriebskosten wie seit 1993 berechnet, vorgeschrieben und bezahlt. Erst im Juli 2013 bemängelte die klagende Partei die Verrechnung der Betriebskosten und wies auf die Vereinbarungen im Mietvertrag 1968 (bzw im Vertrag von 1981) hin. Die hier klagsgegenständlichen Betriebskostenbeträge für die Jahre 2014 bis 2016 wurden von der Klägerin nur unter Vorbehalt gezahlt.
[6] Die Vorinstanzen wiesen das auf Rückzahlung der für die Jahre 2014 bis 2016 gezahlten Betriebskostenbeträge gerichtete Leistungsbegehren ebenso ab wie den Zwischenantrag auf Feststellung, wonach die beklagte Vermieterin die im Geschäftslokal entfallenden Steuern, Hausverwalterkosten, Hausbesorgerentgelt und Versicherungsaufwendungen zu tragen habe.
[7] Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, dass die Parteien des Mietvertrags die ursprüngliche Vereinbarung zu Gunsten der Beklagten wirksam abgeändert hätten. Wohl seien die Mitmietergesellschaften im Jahr 1993 nicht wirksam vertreten gewesen. Durch das nachträgliche Verhalten der Klägerin (bzw ihrer Rechtsvorgänger) sei der Vollmachtsmangel jedoch saniert und die Vereinbarung schlüssig genehmigt worden.
[8] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[9] In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die klagende Partei keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[10] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung setzt die nachträgliche Zurechnung vollmachtslosen Handelns im Falle schlüssiger Genehmigung voraus, dass entweder der Vertreter oder der Dritte nach den Umständen des Falls darauf vertrauen durfte und auch darauf vertraut hat, der vollmachtslos Vertretene wolle ihm gegenüber zum Ausdruck bringen, dass er mit dem ohne Vollmacht abgeschlossenen Geschäft einverstanden ist. Es durfte für den Vertreter oder den Dritten kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig sein, dass der unwirksam Vertretene ihm gegenüber einen solchen Willen äußern wollte (RS0014374). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann regelmäßig nur unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und ist daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (6 Ob 29/13b).
[11] 1.2 Das Berufungsgericht hob hervor, dass die Betriebskosten auf der Grundlage der Vereinbarung von 1993 ungeachtet der der Geschäftsführung der Mietergesellschaften leicht erkennbaren drastischen Erhöhung jahrzehntelang unbeanstandet bezahlt wurden und von dieser Vereinbarung weder bei den Mietzinsverhandlungen im Jahr 1999, noch bei späteren Besprechungen und bei der Vereinbarung im Jahr 2011 abgewichen werden sollte. Wenn das Berufungsgericht in Anbetracht dieser Umstände zum Ergebnis kam, dass das mieterseitige Verhalten als schlüssige Genehmigung der Vereinbarung anzusehen sei, zumal in der hier gegebenen Konstellation kein vernünftiger Grund für Zweifel übrig bleibe, liegt darin keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[12] 2. Auch die Ausführungen zum Schriftformgebot können die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen. Nach der Judikatur kann die Rechtswirksamkeit einer selbst wegen Formmangels ursprünglich ungültigen Verbindlichkeit nach Erfüllung derselben nicht mehr bestritten werden (RS0023759). Wenn die Vorinstanzen im Ergebnis davon ausgegangen sind, dass die jahrzehntelange, vorbehaltlose Erfüllung der Vereinbarung aus dem Jahre 1993 nicht nur den Vollmachts-, sondern auch den Formmangel heilte, hält sich das im Rahmen der Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
[13] 3.1 Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0112106 [T1]). Eine solche unvertretbare Auslegung wird im Rechtsmittel hinsichtlich der Vereinbarung im Jahr 2011 nicht aufgezeigt.
[14] 3.2 Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Streitteile im Jahr 2011 von der Vereinbarung des Jahres 1993 nicht abweichen wollten, zumal 2011 nur allgemein von den „vereinbarten Betriebskosten“ die Rede gewesen sei, ist jedenfalls nicht unvertretbar und wird indirekt auch durch den Umstand bestätigt, dass die (erhöhten) Betriebskosten auch nach der Vereinbarung im Jahr 2011 noch zwei Jahre wie bisher von der klagenden Partei ohne Vorbehalt bezahlt wurden. Zudem blendet das Rechtsmittel aus, dass nach den Feststellungen die Modalitäten der Betriebskostenabrechnung und die verrechneten Betriebskostenpositionen (auch) bei der Vereinbarung im Jahr 2011 niemals Streitthema waren.
[15] 4. Damit bringt die Revision keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass diese spruchgemäß zurückzuweisen war.
Textnummer
E133999European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00204.21K.1216.000Im RIS seit
04.03.2022Zuletzt aktualisiert am
04.03.2022