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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Mai 1995, Zl. 103.740/3-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Mai 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 2 und 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Erteilung einer Bewilligung sei ausgeschlossen, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG sei dies dann der Fall, wenn der Sichtvermerkswerber nicht über ausreichende eigene Mittel zur Sicherung seines Unterhalts verfüge. Nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage beziehe der Beschwerdeführer "derzeit ein geringes Einkommen in Höhe von ca. S 13.000,-- netto monatlich". Dieser Betrag sei nicht ausreichend, den Unterhalt einer sechsköpfigen Familie (nach der Aktenlage des Beschwerdeführers, seiner Ehegattin und seiner vier minderjährigen Kinder) in Österreich zu sichern.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG sei ein Sichtvermerk zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 9. September 1993 wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB verurteilt worden. Er sei - neben anderen im Bescheid nicht näher angeführten Bestrafungen - von der Bundespolizeidirektion Wien am 22. November 1993 wegen Übertretung nach §§ 4 Abs. 1 lit. a, "4 Abs. 10", 99 Abs. 1 lit. b StVO i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO zu einer Geldstrafe von S 16.000,-- verurteilt worden. Aufgrund dieser schwerwiegenden Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung stehe fest, daß sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
Durch den Aufenthalt seiner Familie bestünden unabsprechbare Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich. Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes sei jedoch den öffentlichen Interessen an der Versagung einer Bewilligung, auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK, Priorität einzuräumen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der erkennbar Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer beantragt den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn (u.a.) ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Sichtvermerkswerber nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt fügt.
Der Beschwerdeführer hat schon im Berufungsverfahren vorgebracht, er beziehe zwar ein monatliches Nettoeinkommen von S 13.117,30, es sei jedoch zu beachten, daß er Sonderzahlungen an Urlaubs- und Weihnachtsgeld ins Verdienen bringe, was - umgerechnet auf das Jahr - seinen Monatsbezug um etwa S 2.500,-- erhöhe. Auch Sonderzahlungen sind zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes verfügbare eigene Mittel (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0482, und vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0291). Die vom Beschwerdeführer damit behaupteten verfügbaren monatlichen Mittel von etwa S 15.500,-- erreichen den Sozialhilferichtsatz für das Jahr 1995 aufgrund der NÖ Sozialhilfeverordnung LGBl. 9200/1-24 für eine aus zwei Erwachsenen und vier minderjährigen Kindern bestehende Familie. Der Beschwerdeführer rügt daher zu Recht, daß sich die belangte Behörde nicht mit seinem oben wiedergegebenen entscheidungswesentlichen Vorbringen auseinandergesetzt und ihren Bescheid hiedurch in Ansehung des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, für die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen (gerichtlich und verwaltungsbehördlich zu ahndenden) Delikte bestraft worden zu sein, vertritt jedoch die Auffassung, diese stellten keine schwerwiegenden Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Insbesondere könnten seines Erachtens nach Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung niemals schwerwiegend sein.
Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, daß die von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehende große Gefahr für die Allgemeinheit ein eminentes öffentliches Interesse an der effizienten Ausforschung und Bestrafung alkoholisierter Fahrzeuglenker begründet. Deshalb stellt die vom Beschwerdeführer begangene Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1. lit. b i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO einen schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Sie rechtfertigt im Zusammenhalt mit der gerichtlichen Verurteilung nach § 125 StGB und der Bestrafung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO die Annahme, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, nach seiner Ansicht seien Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung nie schwerwiegend, zeigt seine fehlende Schuldeinsicht sowie sein mangelndes Verantwortungsgefühl gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und stützt daher die von der belangten Behörde getroffene Gefährlichkeitsprognose.
Ungeachtet dessen ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar in der Weise, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0826). Ebenso ist bei einer auf den Versagungsgrund des nicht gesicherten Lebensunterhaltes gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers derart geboten, daß eine Versagung der Bewilligung nur zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen notwendig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0686 bis 0691).
Der Beschwerdeführer hat bereits in der Berufung vorgebracht, jahrelang in Österreich aufhältig zu sein und hier den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen zu besitzen. Aus den Antragsbehauptungen geht auch hervor, daß der Beschwerdeführer mit seinen Familienangehörigen im gemeinsamen Haushalt lebt. Im angefochtenen Bescheid wird nun zwar der Aufenthalt der Familie des Beschwerdeführers im Bundesgebiet erwähnt, Feststellungen über dessen Dauer und über das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers und seiner Familie in Österreich wurden jedoch nicht getroffen, weil die belangte Behörde ihrem Bescheid rechtsirrtümlich die Auffassung zugrundelegte, auch bei Einbeziehung der behaupteten intensiven privaten und familiären Interessen in Österreich in ihre Güterabwägung zu keinem anderen Ergebnis gelangen zu können.
Aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid wegen der - prävalierenden - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190489.X00Im RIS seit
12.06.2001