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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §12a Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Z Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 15. Mai 1995, Zl. 10/6702 B/18707, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei beantragte mit Antrag vom 31. März 1995 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für E, eine rumänische Staatsangehörige, für die berufliche Tätigkeit als Eisverkäuferin. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Lebensmittel Wien vom 7. April 1995 gemäß § 4 Abs. 7 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes abgewiesen. In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, die beantragte Arbeitnehmerin lebe seit 1992 mit ihrem Ehemann in Wien. Da sich der Ehemann bereits seit 1991 in Wien aufhalte und seit dieser Zeit in derselben Firma beschäftigt sei, nehme die Beschwerdeführerin an, daß auch die beantragte Arbeitnehmerin eine so zuverlässige Arbeitskraft wie dieser sei. Es sei Frau E nicht möglich gewesen, in den letzten Jahren zu arbeiten, da ihr Kind erst 20 Monate alt sei. Frau E mache auf die Beschwerdeführerin einen sehr netten und gepflegten Eindruck, welcher für die Tätigkeit als Eisverkäuferin sehr wichtig sei. Da die Beschwerdeführerin unter Personalmangel leide, sei es sehr wichtig, die beantragte Arbeitnehmerin als Mitarbeiterin zu beschäftigen.
Mit dem nunmehr angefochtenen, der Beschwerdeführerin am 20. Mai 1995 zugestellten Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 AVG i.V.m. §§ 4 Abs. 7 und 12a Abs. 1 und 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) sowie der zu § 12a AuslBG ergangenen Verordnungen keine Folge.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, gemäß § 4 Abs. 7 AuslBG dürften Beschäftigungsbewilligungen, soweit eine Höchstzahl für das gesamte Bundesgebiet festgesetzt sei, nur unter der zusätzlichen Voraussetzung erteilt werden, daß diese Höchstzahl nicht überschritten werde. Dies gelte nicht, wenn die Beschäftigungsbewilligung für einen Ausländer erteilt werden solle, der Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz habe. Nach § 12a Abs. 1 AuslBG i. d.F. BGBl. Nr. 501/1993 dürfe die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer den Anteil von 8 % am österreichischen Arbeitskräftepotential nicht übersteigen, wobei diese vom Bundesminister für Arbeit und Soziales jährlich kundzumachen sei (Bundeshöchstzahl). Der genannte Bundesminister habe mit Verordnung vom 29. November 1994 die Höchstzahl für das Kalenderjahr 1995 mit 262.000 festgesetzt. Auf diese Höchstzahl seien alle mit Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis und Befreiungsschein unselbständig beschäftigten sowie arbeitslosen Ausländer, die nicht dem europäischen Wirtschaftsraum angehörten, sowie die aufrechten Sicherungsbescheinigungen anzurechnen. Ab Erreichen der Bundeshöchstzahl dürfe eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag bereits der Anrechnung auf die Bundeshöchstzahl unterliege. Nach § 12a Abs. 2 AuslBG, BGBl. Nr. 257/1995 vom 11. April 1995, dürften über die Gesamtzahl gemäß Abs. 1 leg. cit. hinaus Beschäftigungsbewilligungen bis zu einem Höchstmaß von 9 % am österreichischen Arbeitskräftepotential erteilt werden, wenn dies der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung für einzelne Personengruppen, an deren Beschäftigung öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen bestünden, festlege.
Gemäß § 1 der zu § 12a Abs. 2 AuslBG ergangenen Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 21. April 1995, BGBl. Nr. 278/1995 (Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung), dürften über die mit § 12a Abs. 1 AuslBG festgelegte Bundeshöchstzahl hinaus für bestimmte, im angefochtenen Bescheid dargelegte Personengruppen Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden.
Gemäß § 2 der Verordnung vom 21. April 1995 sei die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen nur zulässig, solange die überzogene Bundeshöchstzahl den Anteil von 9 % am österreichischen Arbeitskräftepotential nicht erreicht habe, wobei für die Berechnung des Ausschöpfungs- und Überziehungsgrades der Bundeshöchstzahl die vom Arbeitsmarktservice Österreich monatlich veröffentlichten Arbeitsmarktdaten und die Statistik über die bewilligungspflichtig beschäftigten Ausländer(innen) heranzuziehen seien. Im Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, daß kein Tatbestand zur Anrechnung der beantragten ausländischen Arbeitskraft auf die Bundeshöchstzahl erfüllt werde und auch keine Voraussetzung für eine Zuordnung zum zuvor zitierten Personenkreis vorliege.
Die Bundeshöchstzahl sei laut Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Beginn des Kalenderjahres 1995 bei weitem überschritten, weshalb im gegenständlichen Verfahren § 4 Abs. 7 AuslBG anzuwenden sei. Derzeit seien auf die Bundeshöchstzahl 281.893 Ausländer - bereits abzüglich der Doppel- und Mehrfachbeschäftigungen und der nicht beanspruchten Bewilligungen - anzurechnen, weshalb eine Überschreitung dieser von 7,6 % vorliege. Somit stehe § 4 Abs. 7 AuslBG der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zwingend entgegen.
Die Berufungsausführungen seien aus dem dargelegten Sachverhalt nicht zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für Frau E geeignet.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheids beantragt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 7 AuslBG i.d.F. BGBl. Nr. 257/1995 dürfen Beschäftigungsbewilligungen unbeschadet des § 12a Abs. 2 leg. cit. nur unter der zusätzlichen Voraussetzung erteilt werden, daß die Bundeshöchstzahl nicht überschritten wird. Dies gilt nicht, wenn die Beschäftigungsbewilligung für einen Ausländer erteilt werden soll, der Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz hat.
Nach § 12a Abs. 1 leg. cit. i.d.F. BGBl. Nr. 501/1993 darf die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer den Anteil von 8 v.H. am österreichischen Arbeitskräftepotential (Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Inländer und Ausländer) nicht übersteigen. Diese Gesamtzahl hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales jährlich kundzumachen (Bundeshöchstzahl). Mit Verordnung vom 29. November 1994, BGBl. Nr. 944/1994, hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Bundeshöchstzahl für das Kalenderjahr 1995 mit 262.000 festgesetzt.
Gemäß § 12a Abs. 2 AuslBG i.d.F. BGBl. Nr. 257/1995 vom 11. April 1995 dürfen über die Gesamtzahl gemäß Abs. 1 leg. cit. hinaus Beschäftigungsbewilligungen bis zu einem Höchstausmaß von 9 v.H. am österreichischen Arbeitskräftepotential erteilt werden, wenn dies der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung für einzelne Personengruppen, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen, festlegt.
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat am 21. April 1995 eine derartige Verordnung zu § 12a Abs. 2 AuslBG in der zuletzt genannten Fassung erlassen (BGBl. Nr. 278/1995, Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung). Diese Verordnung stand somit zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (das war laut Rückschein der 13. April 1995) nicht in Geltung, trat jedoch während des Berufungsverfahrens in Kraft. § 1 Z. 5 dieser Verordnung sieht vor, daß für Ausländer, für die die Voraussetzungen zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach einer Verordnung auf Grund des § 7 Abs. 1 AufG vorliegen, über die Gesamtzahl des § 12a Abs. 1 AuslBG hinaus Sicherungsbescheinigungen ausgestellt und Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen.
Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9.315/A, hat die Rechtsmittelbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß "auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist". Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann erforderlich sein, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Ergibt sich weder aus einer Übergangsbestimmung, noch aus dem Regelungsgegenstand der Norm, um deren Anwendung es geht, etwas anderes, so ist das im Entscheidungszeitpunkt der Rechtsmittelbehörde in Geltung stehende Recht anzuwenden (vgl. das Erkenntnis vom 26. Februar 1987, 86/08/0115, sowie das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.237/A).
Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist die belangte Behörde zutreffenderweise davon ausgegangen, daß als maßgebende Rechtslage jene zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides anzusehen ist. Zu diesem Zeitpunkt gehörte, wie bereits ausgeführt, die Verordnung des Bundesministers vom 21. April 1995 bereits dem Rechtsbestand an. Die belangte Behörde hat diese Verordnung auch ihrer Entscheidung zugrundegelegt und ausgeführt, daß im Ermittlungsverfahren festgestellt wurde, daß kein Tatbestand zur Anrechnung der beantragten ausländischen Arbeitskraft auf die Bundeshöchstzahl erfüllt werde und auch keine Voraussetzung für eine Zuordnung zu dem in der Verordnung zitierten Personenkreis vorliege.
In der Beschwerde wird nun gerügt, daß der Beschwerdeführerin zur Änderung der Rechtslage Parteiengehör gemäß § 45 Abs. 3 AVG hätte eingeräumt werden müssen. Gerade am konkreten Fall hätte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit erhalten müssen, im Rahmen des Berufungsverfahrens nach Vorhalt der neuen Gesetzeslage eine für sich günstigere Position zu erreichen und insbesondere die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung zu erwirken.
Es ist zwar der Beschwerdeführerin zuzugestehen, daß bei Änderung der Rechtslage den Parteien in bestimmten Fällen rechtliches Gehör zu gewähren ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, S. 334, zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Ein Verfahrensmangel führt jedoch nur dann zu einer Bescheidaufhebung, wenn er möglicherweise Einfluß auf den Inhalt des getroffenen Abspruchs haben konnte. Macht jemand die Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen Unterlassung des Parteiengehörs geltend, so hat er die entscheidenden Tatsachen bekanntzugeben, die der Behörde wegen dieser Unterlassung unbekannt geblieben sind (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1986, Zlen. 85/03/0155, 0156).
Vorliegend hat aber die Beschwerdeführerin auch in der Beschwerde keine tauglichen Gründe vorgebracht, daß die in Aussicht genommene Arbeitnehmerin eine Voraussetzung für die Zuordnung zu dem in § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 21. April 1995 unter den Z. 1 bis 8 zitierten Personenkreis erfülle. Der Beschwerde zufolge ist die in Aussicht genommene Arbeitnehmerin zwar Ehegattin eines in Österreich arbeitenden Ausländers und hat mit diesem ein gemeinsames, in Österreich geborenes Kind, damit erfüllt sie jedoch noch nicht die Voraussetzungen der in der genannten Verordnung aufgezählten Gruppen von privilegierten Ausländern, für die im Rahmen der Bundeshöchstzahlüberziehung gemäß § 12a Abs. 2 AuslBG Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen.
Die Beschwerdeführerin hat weiters ausgeführt, es hätte auch eine Überprüfung im Rahmen des § 7 Abs. 1 AuslBG (richtig wohl: Aufenthaltsgesetz, AufG) sowie eine Überprüfung in Hinblick auf die Möglichkeit der Erteilung einer saisonalen Beschäftigungsbewilligung stattzufinden gehabt. Zu diesen Argumenten ist sie darauf hinzuweisen, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß § 7 Abs. 1 AufG und § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 24. März 1995, BGBl. Nr. 208, im Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft bis zu
3.900 Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden durften, die Beschäftigung einer Eisverkäuferin jedoch nicht diesem Wirtschaftszweig zuzurechnen ist. Die weitere Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, nach welcher gemäß § 7 Abs. 1 AufG auch für den Sommerfremdenverkehr bis 30. September 1995 Beschäftigungsbewilligungen nach dem AuslBG erteilt werden durften, wurde erst am 2. Juni 1995 kundgemacht (BGBl. Nr. 374/1995) und trat daher am 3. Juni 1995 in Kraft. Diese Verordnung stand daher zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht in Geltung.
Da somit die Voraussetzungen gemäß § 1 Z. 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 21. April 1995, BGBl. Nr. 278/1995, (Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung) nicht zutrafen und die Beschwerdeführerin nicht behauptet hat, aus anderen Gründen dem in § 1 der genannten Verordnung vom 21. April 1995 angeführten Personenkreis anzugehören, konnte die Verfahrensrüge nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen.
Zum Beschwerdevorbringen, es hätte auch eine Ersatzkraftstellung i.S.d. § 4 Abs. 1 AuslBG (Überprüfung, ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung der beantragten ausländischen Arbeitskraft zuließ) durchgeführt werden müssen, ist festzuhalten, daß die belangte Behörde die Abweisung des Ansuchens zutreffenderweise auf § 4 Abs. 7 AuslBG wegen Überschreitung der Bundeshöchstzahl gestützt hat. Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 leg. cit. konnte sohin mangels Erfüllung der ZUSÄTZLICHEN Voraussetzung des Abs. 7 leg. cit. nicht entscheidungsrelevant werden.
Daß die beantragte ausländische Arbeitskraft Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz gehabt habe, und aus diesem Grund § 4 Abs. 7 AuslBG der Erteilung einer Bewilligung nicht entgegenstand, wurde nicht behauptet und ist aus den Verwaltungsakten auch nicht ersichtlich.
Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995090188.X00Im RIS seit
20.11.2000