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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §8 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des V P in W, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das am 14. Juni 2021 mündlich verkündete und mit 15. Juli 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, L518 1221958-2/28E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der aus Aserbaidschan stammende Revisionswerber stellte am 15. Jänner 2001 einen Asylantrag nach dem Asylgesetz 1997. Dieser Antrag wurde letztlich im August 2009 rechtskräftig abgewiesen, festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Aserbaidschan zulässig sei, sowie gegen ihn eine Ausweisung nach Aserbaidschan erlassen.
2 Der Revisionswerber wurde in Österreich straffällig und mehrfach (wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und Einbruchdiebstahls) rechtskräftig verurteilt. Aus diesem Grund wurde gegen ihn im Instanzenzug im August 2005 rechtskräftig nach den damals geltenden Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
3 Am 27. Mai 2014 wurde der Revisionswerber, der das Bundesgebiet nicht verlassen hatte und nach dem mittels Festnahmeauftrages gefahndet worden war, von Polizeibeamten im Rahmen von Personenkontrollen in einer Station der U-Bahn in Wien angetroffen und nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 festgenommen. Am 28. Mai 2014 stellte er während seiner Anhaltung einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
4 Der Revisionswerber, der diversen Ladungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl nicht Folge geleistet hatte, beging weiterhin strafbare Handlungen und wurde im Jahr 2015 neuerlich wegen gewerbsmäßigen Diebstahls rechtskräftig verurteilt.
5 Im Jänner 2019 gab der Revisionswerber, dessen Aufenthaltsort dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zwischenzeitig (wieder) unbekannt war, der Behörde schriftlich eine Wohnadresse bekannt und ersuchte um Fortsetzung des Asylverfahrens.
6 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den vom Revisionswerber gestellten Antrag mit Bescheid vom 9. April 2019 ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein unbefristetes Einreiseverbot und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Aserbaidschan zulässig sei. Weiters wurde dem Revisionswerber von der Behörde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.
7 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
8 Mit Beschluss vom 17. Mai 2019 sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde.
9 Mit dem nach Durchführung einer Verhandlung am 14. Juni 2021 mündlich verkündeten und - über Antrag des Revisionswerbers - mit 15. Juli 2021 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde im übrigen Umfang im Wesentlichen als unbegründet ab. Es gab der Beschwerde lediglich insoweit statt, als das Einreiseverbot in seiner Dauer auf sechs Jahre befristet wurde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
10 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 22. September 2021, E 3270/2021-7, die Behandlung der vom Revisionswerber an ihn gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, die belangte Behörde habe es unterlassen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Der Revisionswerber leide an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung, nehme deshalb Medikamente und sei in medizinischer Behandlung. Die Behandlung sei in Aserbaidschan nicht gewährleistet. Es sei nicht erhoben worden, welche Auswirkungen eine Abschiebung nach Aserbaidschan habe. Er habe sich seit mehr als 20 Jahren nicht mehr in Aserbaidschan aufgehalten. Er sei dort nicht krankenversichert und verfüge dort auch nicht über ein soziales Netzwerk. In Bezug auf die Interessenabwägung bringt der Revisionswerber vor, seine Lebenspartnerin habe im Rahmen ihrer Aussage „das Bestehen einer schützenswerten Beziehung bestätigt“. Daher entspreche - so ist das Vorbringen zu einem Begründungsmangel, wonach „die durchzuführende Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände im Erkenntnis nicht nachvollziehbar“ sei, der Sache nach evident zu verstehen - die bei der Interessenabwägung vorgenommene Beurteilung nicht dem Gesetz.
15 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung deren Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 23.11.2021, Ra 2021/20/0338, mwN).
16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 25.3.2021, Ra 2021/20/0062 bis 0064, mwN).
17 Entgegen der vom Revisionswerber geäußerten Ansicht ist am Boden des Inhalts der angefochtenen Entscheidung nicht zu sehen, dass der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt nicht hinreichend festgestellt worden wäre. Nähere Ausführungen dazu, welche konkreten Feststellungen noch zu treffen gewesen wären, bleibt der Revisionswerber mit seinem unsubstantiierten Vorbringen schuldig. Im Übrigen geht anhand des Revisionsvorbringens nicht ansatzweise hervor, dass im vorliegenden Fall solche außergewöhnlichen Umstände vorlägen, sodass die oben dargelegten Voraussetzungen erfüllt sein könnten.
18 Weiters ist darauf hinzuweisen, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 10.11.2021, Ra 2021/20/0388, mwN).
19 Dass das Bundesverwaltungsgericht die Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte und die Gewichtung der entscheidungsmaßgeblichen Umstände den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien widerspräche, wird in der Revision mit dem bloßen Hinweis auf das Bestehen einer „Lebenspartnerschaft“ nicht aufgezeigt. Entgegen der in der Revision geäußerten Ansicht war das vom Bundesverwaltungsgericht festgestellte Fehlverhalten des Revisionswerbers, mit dem er wiederholt, gravierend und über längere Zeit hinweg sowohl gegen strafrechtliche als auch wesentliche fremdenrechtliche Vorschriften verstoßen hat, in maßgeblicher Weise einzubeziehen.
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 5. Jänner 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021200451.L00Im RIS seit
29.01.2022Zuletzt aktualisiert am
24.02.2022