TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/1 96/11/0150

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Veröffentlicht am 01.10.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §37;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;
WehrG 1990 §36a Abs3 Z2;
WehrG 1990 §36a Abs3;
ZDG 1986 §14 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 29. März 1996, Zl. 758.217/4-2.7/96, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht und Aufschub des Antrittes des Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, als er die Entscheidung enthält, die Berufung sei als Zurückziehung des Befreiungsantrages zu werten bzw. sie richte sich nur gegen den Ausspruch betreffend Aufschub; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1973 geborene Beschwerdeführer wurde im Jahre 1991 der Stellung unterzogen und für tauglich erklärt. Bis 31. Juli 1994 war ihm der Aufschub des Antrittes des Grundwehrdienstes wegen seiner Eigenschaft als Schüler bewilligt (Bescheid des Militärkommandos Wien vom 10. November 1993). Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 1994 wurde der Beschwerdeführer über Anregung seines Arbeitsgebers (seines Vaters) bis einschließlich 31. Dezember 1995 von Amts wegen gemäß § 36a Abs. 1 Z. 1 des Wehrgesetzes 1990 von der Präsenzdienstpflicht befreit. Eine weitere Anregung des Vaters auf amtswegige Befreiung blieb erfolglos.

Mit Antrag vom 27. Dezember 1994 begehrte der Beschwerdeführer bei der Erstbehörde "den Aufschub bzw. Freistellung vom Grundwehrdienst". Mit Schreiben vom 24. November 1995 beantragte der Beschwerdeführer, ihn "vom Antritt des Grundwehrdienstes bis Oktober 1997 zu befreien".

Mit Bescheid vom 9. Jänner 1996 wurde der Antrag vom 27. Dezember 1994 abgewiesen. Als Rechtsgrundlagen wurden § 36a Abs. 1 Z. 2 und § 36a Abs. 3 Z. 1 bis 4 WG zitiert. Nach der Begründung dieses Bescheides wurde damit auch der Antrag vom 24. November 1995 erledigt.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid beantragte der Beschwerdeführer, "den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben und dem Antrag, den Antritt des Einschreiters zur Ableistung des Grundwehrdienstes bis Oktober 1997 aufzuschieben, Folge zu geben".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen und der Erstbescheid vom 9. Jänner 1996 bestätigt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben im Verwaltungsverfahren die voneinander zu unterscheidenden Rechtsinstitute der Befreiung von der Präsenzdienstpflicht und des Aufschubes des Antrittes des Grundwehrdienstes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 16. Juni 1992, Zl. 92/11/0120) nicht mit der gebotenen Deutlichkeit auseinandergehalten. Vor allem der Beschwerdeführer hat in seinen Angaben undeutliche Formulierungen verwendet. Vor dem Hintergrund der jeweiligen Begründung der Anträge und Entscheidungen geht der Verwaltungsgerichtshof aber davon aus, daß sowohl die Befreiung als auch der Aufschub Gegenstand des Verwaltungsverfahrens waren.

1. Zur Befreiung von Präsenzdienstpflicht (§ 36a Abs. 1 Z. 2 WG):

Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides - nach kurzem Eingehen auf den beantragten Aufschub (siehe unten Punkt 2) - aus, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachten wirtschaftlichen und familiären Interessen nicht Gegenstand des Aufschubverfahrens sein könnten und daher auch nicht weiter zu berücksichtigen gewesen wären, da er in seiner Berufung ausdrücklich den Antrag auf Aufschub des Antrittes des Grundwehrdienstes gestellt habe.

Die belangte Behörde geht daher davon aus, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den Erstbescheid seinen Antrag auf Befreiung nicht mehr aufrechterhalten habe. Der Beschwerdeführer tritt dem in der Sache entgegen und bemängelt das Fehlen eines Eingehens auf sein auf die Befreiung abzielendes Vorbringen.

Der Beschwerdeführer ist damit im Recht. Sein Berufungsvorbringen ist nicht als Zurückziehung des Befreiungsantrages oder als auf die Bekämpfung des den Aufschiebungsantrag abweisenden Ausspruches eingeschränkte Berufung zu werten, hat er doch darin vorgebracht, das Transportunternehmen seines Vaters sei die Existenzgrundlage für die ganze Familie, die bei seiner Präsenzdienstleitung in ihrer Existenz in Frage gestellt wäre. Unabhängig davon, ob dieses Vorbringen geeignet war, eine positive Erledigung eines Befreiungsantrages zu bewirken, wäre darauf einzugehen gewesen, ob sich aus dem festgestellten Sachverhalt ein Befreiungsgrund nach § 36a Abs. 1 Z. 2 WG ableiten lasse. Der Versuch der belangten Behörde, in der Gegenschrift diese fehlende Begründung nachzuholen und eine Verletzung der Pflicht zur Harmonisierung der wirtschaftlichen Entscheidungen der Beteiligten mit der Wehrpflicht des Beschwerdeführers dazutun, muß fehlschlagen, zumal auch in der Begründung des Erstbescheides davon keine Rede war, obwohl sich die Behörde mit der mangelnden besonderen Rücksichtswürdigkeit der wirtschaftlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers an seiner Befreiung auseinandergesetzt hat.

Der angefochtene Bescheid war daher in Ansehung der beantragten Befreiung von der Präsenzdienstpflicht - nämlich insoweit, als darin implizit zum Ausdruck gebracht wird, der Befreiungsantrag sei im Berufungsverfahren der Sache nach zurückgezogen worden und eine Entscheidung der belangten Behörde habe darüber nicht zu erfolgen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer zumindest zu einer Stellungnahme auffordern müssen, was er mit seinem Berufungsantrag in Wahrheit angestrebt habe, insbesondere ob er die ursprünglich beantragte Befreiung noch anstrebe.

2. Zum Aufschub des Antrittes des Grundwehrdienstes (§ 36a Abs. 3 Z. 2 WG).

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens argumentieren in diesem Zusammenhang mit § 36a Abs. 3 Z. 2 WG. Nach dieser Gesetzesbestimmung ist tauglichen Wehrpflichtigen, die in einer Berufsvorbereitung stehen und durch Unterbrechung dieser Vorbereitungszeit einen bedeutenden Nachteil erleiden würden oder die andere rücksichtswürdige Umstände nachweisen, sofern militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, auf ihren Antrag der Antritt u.a. des Grundwehrdienstes aufzuschieben.

Der Beschwerdeführer vertritt den Standpunkt, er absolviere bis Herbst 1997 ein "Ingenieurpraktikum" bei einem anderen Unternehmen, welches ihm ermöglichen solle, die zur Fortführung des väterlichen Betriebes erforderliche Gewerbeberechtigung zu erwerben. Dies stelle eine Berufsvorbereitung im Sinne des Gesetzes dar. Die belangte Behörde hält im angefochtenen Bescheid - wiederum ohne Begründung, aber unter Berufung auf eine nicht näher konkretisierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - dagegen, daß dies nicht der Fall sei.

Der hier gegebene Begründungsmangel ist nicht wesentlich, weil sich schon aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst ergibt, daß das in Rede stehende Praktikum kein Aufschiebungsgrund ist. Eine Berufsvorbereitung im Sinne des § 36a Abs. 3 Z. 2 WG soll es dem Wehrpflichtigen ermöglichen, die Antrittsvoraussetzungen für eine Berufsausübung zu erfüllen, die es ihm wiederum ermöglichen soll, nach Leistung des Grundwehrdienstes einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine Berufsvorbereitung kann aber einen Aufschub nicht nach sich ziehen, wenn es nur darum geht, daß der Wehrpflichtige einen anderen oder höher qualifizierten Beruf als den bisherigen ausüben will (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1993, Zl. 93/11/0001, betreffend den in § 14 Z. 1 des Zivildienstgesetzes inhaltsgleich geregelten Aufschub des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes). Wenn ein Wehrpflichtiger somit bereits einen Beruf ausübt (ausgeübt hat), kommt dieser Aufschiebungsgrund für ihn nicht mehr in Betracht. Der Beschwerdeführer ist seinen eigenen Angaben zufolge im väterlichen Betrieb als "de facto - Geschäftsführer" tätig gewesen und entfaltet bei einem anderen Unternehmen eine berufliche Tätigkeit, die ihm den Erwerb des Ingenieurtitels ermöglichen soll. Die zuletzt genannte Tätigkeit kann damit nicht als Berufsvorbereitung im Sinne des Gesetzes gewertet werden, geht es dem Beschwerdeführer nach seinem eigenen Vorbringen nur darum, anstelle seiner bisher unselbständigen Tätigkeit die Voraussetzungen für eine selbständige zu schaffen, wobei es dahinstehen kann, ob die Absolvierung des "Ingenieurpraktikums" tatsächlich Voraussetzung für den Erwerb einer Konzession für die Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes darstellt.

Die Beschwerde war daher in Ansehung der Abweisung des Antrages auf Aufschub des Antrittes des Grundwehrdienstes gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren Berufung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996110150.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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