Entscheidungsdatum
21.10.2021Norm
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2Spruch
W212 2232467-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, vertreten durch Dr. Thomas KÖNIG, Rechtsanwalt in 1010 Wien sowie Mag. Dr. Astrid WAGNER, Rechtsanwältin in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2020, Zahl: 761320200-161296676, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.07.2021 zu Recht:
A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. wird gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 2, 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben, es wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig ist und es wird XXXX , geb. XXXX , gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 idgF der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
III. Die Spruchpunkte III., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Dem Beschwerdeführer, einem zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Staatsangehörigen des Kosovo, wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.05.2007 in Stattgabe eines durch seinen Vater als seinen damaligen gesetzlichen Vertreter am 06.12.2006 eingebrachten Asylantrages gemäß §§ 7 iVm 10 Abs. 2 AsylG 1997 im Familienverfahren (bezogen auf das Verfahren seines Vaters) in Österreich Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
2. Infolge Straffälligkeit des Beschwerdeführers (siehe dazu die Feststellungen) führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 05.12.2017 eine Einvernahme des zwischenzeitig volljährigen Beschwerdeführers zur Prüfung der Aberkennung seines Asylstatus durch. Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst zu Protokoll, seine Fluchtgründe seien aktuell; sein Vater sei im Jahr 2002 vor ihrer Haustür angeschossen und in Österreich operiert worden; wenn der Beschwerdeführer in den Kosovo reise, reise er mit Angst dorthin. Der Beschwerdeführer habe Angst, dass das gleiche wieder passieren werde, sein Vater sei Kommandant der UCK gewesen, der Beschwerdeführer habe Angst, umgebracht zu werden. Von wem genau diese Gefahr ausginge, sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt, ihr Vater hätte ihnen dies nie gesagt. Er persönlich sei im Kosovo nicht bedroht oder verfolgt worden, er sei noch jung gewesen. Der Beschwerdeführer könne sich daran erinnern, dass sein Vater vor dem Haustor niedergeschossen und dann von seinem Onkel in ein Spital gebracht und in der Folge mehrfach operiert worden sei. Den Grund für diesen Anschlag auf seinen Vater kenne der Beschwerdeführer nicht, sein Vater sei jedoch Kommandant der UCK gewesen. Sein Vater habe niemandem etwas Schlechtes getan, es seien entweder irgendwelche Politiker oder ehemalige UCK-Kämpfer, die ihn umbringen wollten. Die Familie seines Vaters und ein Onkel mütterlicherseits hielten sich nach wie vor im Kosovo XXXX auf. Der Beschwerdeführer sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verlobt, mit welcher er nicht im gemeinsamen Haushalt wohne. Der Beschwerdeführer gehöre der Volksgruppe der Kosovo-Albaner an, sei sunnitischer Moslem und spreche Deutsch, Albanisch und Serbisch. Im Kosovo habe er acht Jahre die Grundschule besucht, im Alter von 14 oder 15 Jahren sei er nach Österreich gekommen, wo er drei oder vier Jahre als Elektriker gearbeitet hätte. Er habe einen Deutschkurs beim AMS besucht, gehöre in Österreich keinen Vereinen an und lebe mit seinen Eltern zusammen, welche anerkannte Flüchtlinge wären. Zudem hielten sich zwei Schwestern in Österreich auf, welche österreichische Staatsbürgerinnen wären, sowie zwei ältere Brüder, welche asylberechtigt wären. Er halte sich seit 16.01.2007 in Österreich auf. Angesprochen auf die rechtskräftigen Verurteilungen gab der Beschwerdeführer an, die Körperverletzungen würden nicht der Wahrheit entsprechen, er habe nichts gemacht, dies sei ein alter Freund gewesen. Darauf angesprochen, dass er laut Aktenlage von 23.08.2016 bis 07.09.2016 zwecks Urlaubs im Kosovo aufhältig gewesen wäre, erklärte der Beschwerdeführer, er sei in den Kosovo gereist, da die Flugtickets damals viel billiger gewesen wären, jedoch sei er nach einem kurzen Aufenthalt weitergereist. Seit Zuerkennung des Status des Asylberechtigten habe er sich bisher dreimal im Kosovo aufgehalten, zweimal zu je einer Woche wegen Besuch des Grabes seiner Großmutter und einmal zur Durchreise nach Montenegro.
Mit Eingabe vom 25.06.2018 gab der Beschwerdeführer dem Bundesamt unter gleichzeitiger Übermittlung der österreichischen Heiratsurkunde seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin am 12.06.2018 bekannt.
Anlässlich einer am 25.02.2020 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgehaltenen ergänzenden Einvernahme legte der Beschwerdeführer die Geburtsurkunde und den österreichischen Staatsbürgerschaftsnachweis seiner im Dezember 2018 in Österreich geborenen Tochter sowie einen Dienstzettel/Dienstvertrag vom 02.09.2019 vor. Auf Befragen gab er zusammengefasst an, kosovarischer Staatsbürger zu sein, er möchte jedoch die österreichische Staatsbürgerschaft. Er habe seit dem Jahr 2012 mit Unterbrechungen als Elektriker gearbeitet und arbeite nun seit 02.09.2019 bei einer näher bezeichneten Firma durchgehend auf Vollzeitbasis. Er lebe in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin und seiner Tochter, welche österreichische Staatsbürgerinnen seien. Seine Frau sei schwanger und erwarte ihr zweites Kind. Der Beschwerdeführer sei Mitglied eines Fußballvereins und mache fast täglich Sport. Seinen Aufenthalt finanziere er durch sein Einkommen in Höhe von monatlich EUR 2.408,85. Zum Vorhalt, dass der Kosovo zwischenzeitlich als sicherer Herkunftsstaat gelte und aufgrund der nachhaltigen Änderung der dortigen Lage sowohl betreffend seinen Vater als auch seine Person eine Aberkennung des Asylstatus geprüft werde, erklärte der Beschwerdeführer, dies verstanden zu haben und keine weitere Stellungnahme dazu sowie zu den herangezogenen Berichten zur Lage in seinem Herkunftsstaat abgeben zu wollen. Angesprochen auf die erfolgten strafgerichtlichen Verurteilungen gab der Beschwerdeführer an, dies sei früher gewesen, er würde jetzt nichts mehr machen. Er habe ein Kind und eine Familie in Österreich. Zu seinen Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr in den Kosovo erklärte der Beschwerdeführer, die gleichen Rückkehrbefürchtungen wie sein Vater zu haben; er sei damals sehr klein gewesen und kenne diese Problematik nicht ausreichend.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.05.2020 wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil I. der ihm mit Bescheid vom 29.05.2007, Zahl: 06 13.202-BAW, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. In Spruchteil II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, weiters wurde ihm in Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG idgF erlassen, in Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Kosovo gemäß § 46 FPG zulässig sei und in Spruchpunkt VI. ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründend aus, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten im Rahmen eines Familienverfahrens zuerkannt worden sei und er keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen sei; die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an seinen Vater mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 02.06.1999 habe darauf beruht, dass dieser im Fall der Rückkehr in die ehemalige Bundesrepublik Jugoslawien zum Entscheidungszeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Verfolgung aufgrund seiner kosovo-albanischen Nationalität bedroht gewesen sei. Da es im Verfahren seiner Bezugsperson aufgrund des Wegfalls der für die Zuerkennung des Status ausschlaggebenden Umstände zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten komme, sei auch der Status des Beschwerdeführers abzuerkennen. Es seien keine Gründe festzustellen gewesen, die gegen eine Rückkehr des Beschwerdeführers, welcher den Kosovo im Jahr 2007 im Alter von 16 Jahren verlassen hätte, in den Kosovo sprächen. Beim Kosovo handle es sich um einen sicheren Herkunftsstaat und der Beschwerdeführer werde dort als junger, gesunder Mann mit Schulbildung, Arbeitserfahrung, Kenntnissen der Amtssprache und verwandtschaftlichen Bindungen, in der Lage sein, ohne Gefährdung zu leben, zumal er auch bereits mehrfach in den Kosovo gereist sei. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten lägen daher ebenfalls nicht vor.
Der Beschwerdeführer lebe in Österreich gemeinsam mit seiner österreichischen Ehegattin und Tochter, zudem hielten sich die Eltern und zwei Schwestern legal in Österreich auf. Gegen seine beiden Brüder seien ebenfalls Aberkennungsverfahren geführt und Rückkehrentscheidungen erlassen worden. Der Beschwerdeführer spreche Deutsch, er sei in Österreich immer wieder berufstätig gewesen, jedoch nie über einen längeren Zeitraum für die gleiche Firma. Zwischendurch sei der Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen als arbeitslos gemeldet bzw. Bezieher von Notstandshilfe gewesen. Seit dem 22.03.2020 ginge dieser keiner Beschäftigung mehr nach. Dieser sei mehrfach straffällig geworden, wobei die Begehung der Straftaten innerhalb offener Probezeiten stattfand und ihn auch die Eheschließung und Geburt seiner Tochter nicht von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten vermochte. Dessen privaten und familiären Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet stünde insbesondere sein straffälliges Verhalten, die Missachtung der österreichischen Rechtsordnung sowie die daraus resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen entgegen.
4. Gegen diesen, dem bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am 13.05.2020 zugestellten, Bescheid richtet sich die am 12.06.2020 eingebrachte Beschwerde, zu deren Begründung ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer sei als Minderjähriger nach Österreich gekommen und habe somit im Kosovo weder familiäre noch freundschaftliche Kontakte oder berufliche Qualifikationen. Dieser lebe mittlerweile seit 14 Jahren in Österreich, spreche perfekt Deutsch und habe keinerlei Anknüpfungspunkt mehr zu seinem Geburtsort. Der Beschwerdeführer habe in Österreich zahlreiche familiäre Bezugspersonen und arbeite. Zudem lägen die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft weiterhin vor, da der Vater des Beschwerdeführers Kommandant der UCK gewesen und im Kosovo angeschossen worden sei. Dies werde auch durch die Kurzbesuche des Beschwerdeführers im Kosovo nicht widerlegt. Es herrsche immer noch die Praxis der Blutrache und Sippenhaftung vor, sodass der Beschwerdeführer weiterhin gefährdet sei. Warum die damaligen Fluchtgründe weggefallen seien, könne die belangte Behörde nicht argumentieren; es sei unzulässig nach 14 Jahren den Beschwerdeführer nach den Fluchtgründen zu befragen, zumal er damals erst 15 Jahre alt gewesen wäre und die Gründe sowieso aktenkundig seien.
5. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie der bezughabende Verwaltungsakt langten am 26.06.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6. Am 05.07.2021 fand zur Ermittlung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer, seine beiden bevollmächtigten Vertreter sowie die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete auf eine Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung.
Der Vater des Beschwerdeführers, welcher als Zeuge im Hinblick auf die Fluchtgründe der Familie und eine allenfalls anhaltende Verfolgung geladen worden war, ist unentschuldigt nicht zu Verhandlung erschienen.
Durch den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers wurde eingangs vorgebracht, dass der Beschwerdeführer zwei Kinder habe und bereits seit zwölf Jahren mit einer Österreicherin zusammen sei. Dieser sei voll integriert, spreche Deutsch und beginne morgen als Bauelektrikerhelfer zu arbeiten. Sein Vater werde im Kosovo politisch verfolgt, ein Freund seines Vaters sei vor ein paar Tagen zerstückelt im Kofferraum aufgefunden worden.
Der Beschwerdeführer gab über Befragen der erkennenden Richterin in deutscher Sprache zusammengefasst an, er leide an keinen Krankheiten, sei kosovarischer Staatsbürger und habe in seinem Heimatland vier Jahre die Volksschule und vier Jahre die Hauptschule besucht. Er habe bereits die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt. Er gehöre der Volksgruppe der Kosovo-Albaner an und bekenne sich zu keiner Religion. Der Beschwerdeführer sei seit dreieinhalb Jahren mit seiner Frau verheiratet, mit welcher er seit elfeinhalb Jahren zusammen sei, und habe mit ihr zwei in den Jahren 2018 und 2020 geborene Töchter. Im Kosovo hielten sich noch ein Onkel und dessen Kinder väterlicherseits und ein Onkel zweiten Grades mütterlicherseits auf. Der Beschwerdeführer habe sich nie politisch betätigt und wisse nicht mehr genau, wann er den Heimatstaat verlassen habe, er sei damals 14 oder 15 Jahre alt gewesen und sei mit seiner Mutter und zwei Schwestern nach Österreich gekommen. Seine weitere Schwester, ein Bruder und sein Vater seien bereits hier gewesen. Seither sei er wieder im Kosovo gewesen, um sich von seinen verstorbenen Großmüttern zu verabschieden. Er habe sich eine Woche, maximal zehn Tage, im Kosovo aufgehalten und sei auf dem Luftweg zurückgereist. In Österreich würden seine Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder leben, ein weiterer Bruder sei im Gefängnis. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Frau und seinen Töchtern in einer geerbten Eigentumswohnung. Er spiele in einem Fußballverein und habe auch darüber hinaus Kontakt zu seinen Mannschaftskollegen. Der Beschwerdeführer habe eine Deutschprüfung bestanden und bekomme demnächst das schriftliche Zertifikat. Zwischendurch habe er gearbeitet, ab morgen beginne er bei einem zweieinhalbjährigen Projekt auf einer Baustelle zu arbeiten. Die bisherigen Zeiten seiner Beschäftigungslosigkeit würden im Wesentlichen auf Problemen mit den Leihfirmen bzw. auf dem Beschwerdeführer nicht bekannten Gründen beruhen, da er immer wieder Bewerbungen schreiben würde. Seinen Alltag verbringe er vorwiegend mit seinen Töchtern, seinen weiteren Verwandten und Arbeiten im Haushalt.
Angesprochen auf seine Verurteilungen gab der Beschwerdeführer an, er sei jung gewesen und habe Fehler gemacht. Er habe keine Kinder gehabt und habe seine Fehler eingesehen. Über Vorhalt der dem Urteil vom 09.05.2017 zugrunde liegenden Tathandlung gab der Beschwerdeführer an, dass es sich beim Opfer der Tat um seine damalige Ex-Freundin gehandelt hätte und die Vorwürfe unzutreffend seien, er sei nie handgreiflich geworden. Er habe gegen das Urteil dennoch keine Berufung erhoben, da er einfach alles hinter sich bringen habe wollen. Angesprochen auf die mit Urteil vom 12.11.2017 erfolgte Zusatzstrafe wegen Erpressung meinte der Beschwerdeführer, er habe falsche Freunde gehabt und sei Mittäter geworden, mit diesen Personen habe er keinen Kontakt mehr. Angesprochen auf seine Verurteilung vom 12.11.2019 wegen Diebstahls erklärte der Beschwerdeführer, er habe als Mitarbeiter eines Supermarktes ungewollt einen obdachlosen Menschen durchgelassen, der kein Geld gehabt hätte. Ihm sei dann vom Chef gesagt worden, dass er das nicht zu entscheiden habe und er habe dann den ganzen Schaden eines Monats in Höhe von ca. EUR 2.000,- von seinem Gehalt begleichen müssen, obwohl er nur einen Obdachlosen durchgelassen habe. Wenn er in Österreich bleiben könnte, würde er arbeiten und mit seiner Familie Zeit verbringen.
Zu den Gründen seiner Flucht gab der Beschwerdeführer an, im Jahr 2002 sei versucht worden, seinen Vater umzubringen. Sie hätten versucht, ihn zu erschießen. Er sei in Österreich operiert worden. Damals seien sie alle aus politischen Gründen verfolgt worden, weil damals Krieg gewesen wäre. Sie hätten fliehen müssen. Persönlich sei er im Kosovo nicht bedroht worden, bei ihnen sei es so, dass man nicht bedroht werde, sondern sie würden gleich kommen und einen umbringen, so sei es auch bei seinem Vater gewesen. Um wen es sich bei den Tätern gehandelt hätte, wisse er nicht, diese seien einfach gekommen; sein Vater habe gesagt, sie sollten nicht so viele Fragen stellen. Befragt, wovor er konkret Angst habe, antwortete der Beschwerdeführer, vor der Politik und vor dem, wovor sein Vater Angst habe. Sein Vater schweige und erzähle ihm nicht alles. Der Beschwerdeführer habe im Kosovo hundertprozentig kein Leben, ihm würde das Gleiche passieren wie seinem Vater. Die Menschen, die versucht hätten, seinen Vater zu erschießen, würden ihn umbringen. Darauf angesprochen, dass er einerseits nicht wüsste, von wem die Gefahr ausginge, andererseits jedoch Angst hätte, erwiderte der Beschwerdeführer, die Leute würden keine Reue oder Gesetze kennen. Nochmals gefragt, wer konkret an ihm Interesse hätte und aus welchem Grund, antwortete der Beschwerdeführer, weil sie seinen Vater nicht bekommen, da dieser ja hier wäre. Darauf angesprochen, dass er zum Zeitpunkt seiner Ausreise 15 Jahre alt gewesen wäre und nunmehr als 30-Jähriger gar nicht wiederzuerkennen wäre, gab der Beschwerdeführer an, dies sei richtig, sobald man aber den Kosovo betrete und politisch gesucht werde und seine Karte zeige, würde alles eingeleitet werden. Sonst gebe es keine Gründe, ihm würde dasselbe passieren wie seinem Vater.
Die erkennende Richterin verwies auf die dem Beschwerdeführer bereits übermittelten Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat Kosovo und brachte zusätzlich die Information über Wirtschaftslage und Maßnahmen in Zusammenhang mit Covid-19 im Kosovo vom 01.07.2021 (https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-kosovo.html) in das gegenständliche Verfahren ein. Desweiteren wurde darauf hingewiesen, dass die derzeitige tägliche Infektionszahl von ca. 10 (John- Hopkins-Universität) verhältnismäßig keine höhere Fallzahl als in Österreich anzeige. Das Gesundheitssystem sei intakt und die Impfungen seien am Laufen.
Dazu gab der Beschwerdeführer an, dass Leute im Kosovo, unter anderem ein Freund seines Vaters, einfach umgebracht werden würden und die Täter nie gefasst werden würden, das Land sei korrupt und habe keinen Präsidenten. Durch den Rechtsvertreter wurde ergänzt, dass der Vater des Beschwerdeführers politisch tätig gewesen und nach dem Krieg Opfer eines Anschlages geworden sei. Im Herkunftsland herrsche nach wie vor das Prinzip der Sippenhaftung. Die Gefahr sei nach wie vor präsent.
Zu seinen Aufenthalten im Kosovo, zuletzt im Jahr 2016, gab der Beschwerdeführer an, zweimal wegen des Begräbnisses der Großeltern dort gewesen zu sein, ansonsten könne er sich nicht erinnern.
Durch die Ehegattin des Beschwerdeführers wurde auf Befragen zusammengefasst angegeben, dass sie österreichische Staatsbürgerin und seit Juni 2018 mit dem Beschwerdeführer verheiratet sei. Seit etwa November 2018 lebe sie mit dem Beschwerdeführer in einer gemeinsamen Wohnung. Sie sei mit der Beziehung sehr zufrieden, der Beschwerdeführer kümmere sich toll um die beiden Kinder. Vor allem die ältere Tochter frage ständig nach ihm. Wenn er nicht arbeite, helfe er im Haushalt. Derzeit ginge die Zeugin einer geringfügigen Erwerbstätigkeit nach, die sie von zuhause ausüben könne. Dennoch brauche sie jemanden, der auf die Kinder aufpasst. Der Beschwerdeführer sei ihr selbst oder anderen gegenüber nie aggressiv gewesen. Ihr Verhältnis zu seiner Familie sei gut, sie versuche auch, Albanisch zu lernen, die Kinder würden zweisprachig aufwachsen. Auch zu ihrer Mutter hätten sie guten Kontakt. Der Beschwerdeführer telefoniere manchmal mit Verwandten im Kosovo. Sie selbst sei noch nie im Kosovo gewesen. Die Zeugin sei derzeit abermals schwanger.
Vom Beschwerdeführer wurden die österreichischen Geburtsurkunden und Staatsbürgerschaftsnachweise seiner minderjährigen Töchter sowie eine Bestätigung über die Teilnahme an einer B2-Deutschprüfung vorgelegt.
Mit schriftlicher Eingabe vom 05.07.2021 wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekanntgegeben, dass der Beschwerdeführer im Verdacht stehe, das Delikt der Vergewaltigung begangen zu haben.
Mit Eingaben vom 22.07.2021 und 28.07.2021 wurden durch die bevollmächtigte Vertreterin des Beschwerdeführers diverse Medienberichte aus dem Kosovo vorgelegt, in denen von der Ermordung des UCK-Kämpfers XXXX berichtet werde, welcher am 27.02.2020 in seinem ausgebrannten Auto in einem Dorf nahe der kosovarischen Stadt XXXX tot aufgefunden worden wäre. Bei diesem habe es sich um einen Freund des Vaters des Beschwerdeführers gehandelt. Für den Fall der Abschiebung würde daher auch den Söhnen des besten Freundes des Ermordeten der Tod drohen. Außerdem werde über zwei Polizisten berichtet, welche gegen die Mörder ermittelt hätten, und dann ermordet worden seien.
Zudem wurden der XXXX Spielerpass des Beschwerdeführers und sein am 12.07.2021 abgeschlossener Dienstvertrag als Bauhilfsarbeiter vorgelegt.
Mit Eingaben vom 17.07.2021, 03.08.2021 und 09.08.2021 übermittelte die Landespolizeidirektion Wien über Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts die dort vorliegenden Schriftstücke zum Tatvorwurf der Vergewaltigung inklusive des polizeilichen Abschlussberichts vom 02.08.2021.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo, Angehöriger der Volksgruppe der Albaner und ohne religiöses Bekenntnis.
Der Beschwerdeführer wurde auf dem Gebiet des heutigen Kosovo geboren, er wuchs in der Stadt XXXX auf und besuchte dort acht Jahre eine Grundschule. Seine Muttersprache ist Albanisch.
Der Vater des Beschwerdeführers hatte am 07.01.1999 einen Asylantrag in Österreich gestellt, welcher zunächst mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.01.1999 abgewiesen worden war. Mit Bescheid vom 02.06.1999, Zahl: 207.901/0-III/09/99, hat der Unabhängige Bundesasylsenat der eingebrachten Berufung des Vaters des Beschwerdeführers stattgegeben und diesem gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt sowie gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Vater ein aus XXXX /Kosovo stammender Staatsangehöriger der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien albanischer Nationalität sei. Aus den zugrunde gelegten Länderberichten ergebe sich, dass die dort festgestellten Ermordungen, Brandschatzungen, Vertreibungen und Deportationen in zielgerichteter Weise die ethnische Säuberung von Albanern ohne Unterscheidung bezweckt hätten. Beim Vater des Beschwerdeführers handle es sich um einen ethnischen Albaner aus dem Kosovo, weshalb für ihn schon aus diesem Grund eine objektiv nachvollziehbare Verfolgungsgefahr bestehe. Durch das systematische Vorgehen der serbischen Seite wäre dieser jedenfalls der Gefahr ausgesetzt, allein wegen seiner kosovo-albanischen Nationalität unabhängig von sonstigen individuellen Momenten unmittelbar von Eingriffen erheblicher Intensität bis hin zur Ermordung betroffen zu sein.
Diese Verfolgungsgefahr ist zum Entscheidungszeitpunkt weggefallen; weder im Kosovo noch in Serbien findet eine systematische Verfolgung von Personen mit kosovo-albanischer Nationalität statt.
Ein den Vater des Beschwerdeführers betreffendes Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeleitet und ist derzeit vor der Behörde anhängig.
Der damals minderjährige Beschwerdeführer ist im Dezember 2006 aus seinem Herkunftsstaat nach Österreich zu seinem Vater nachgereist und stellte am 06.12.2006 durch seinen Vater als gesetzlichen Vertreter einen Asylantrag. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.05.2007 wurde dem Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 stattgegeben, diesem in Österreich Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. In der Entscheidungsbegründung wurde im Wesentlichen auf das vorliegende Familienverfahren nach § 10 AsylG 1997 verwiesen.
1.2. Der Beschwerdeführer ist im Kosovo keiner gezielten Verfolgung aufgrund seiner Angehörigeneigenschaft zu seinem Vater ausgesetzt. Dieser hat nicht glaubhaft gemacht, dass er durch unbekannte Personen, welche im Jahr 2002 im Kosovo ein Schussattentat auf seinen Vater verübt hätten, bei einer Rückkehr bedroht werden würde.
Der Beschwerdeführer unterliegt im Kosovo auch sonst keiner Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers im Kosovo festgestellt werden.
Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Kosovo in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Der Beschwerdeführer liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Der Beschwerdeführer hat sich nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zumindest zweimal für mehrtätige Zeiträume in den Kosovo begeben und hat während seiner Reisebewegung und Aufenthalte im Heimatort keine Probleme erlebt.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen im Endstadium, die im Kosovo nicht behandelbar wären.
1.3. Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 09.05.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, deren Vollzug unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer eine Frau am Körper verletzt hat und zwar
1. zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Juni 2015, indem er ihr mehrere Schläge versetzte und sie dadurch Hämatome an Händen, Bauch und Füßen sowie eine Rippenprellung erlitt;
2. zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt um Weihnachten 2015, indem er ihr mit der rechten Faust auf dem Mund schlug und sie dadurch eine blutige Verletzung an der Lippe erlitt;
3. am 31.01.2016, indem er sie an den Haaren festhielt und durch die Wohnung zog, wobei sie Hämatome an den Armen erlitt;
4. am 11.01.2017, indem er sie würgte, an den Haaren zerrte und herum stieß, wodurch sie eine Schürfwunde und Hämatome am Hals erlitt und indem er einen Deospray gegen ihre Hand richtete und den Strahl anzündete, wodurch sie Verbrennungen erlitt.
Im Rahmen der Strafbemessung wertete das Landesgericht die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd sowie die Faktenmehrheit und die teils besonders grausame Vorgangsweise als erschwerend.
Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.11.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach § 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 2. Fall StGB, § 12 3. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, deren Vollzug unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass ein Mittäter im Dezember 2016 ein ihm geliehenes Kfz im Wert von EUR 2.000,- einer anderen Person mit dem Vorsatz zugeeignet hat, sich sowie den Beschwerdeführer und einen weiteren Mittäter (den Bruder des Beschwerdeführers) dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er das Kfz nicht zurückstellte, sondern in den Gewahrsam des Bruders des Beschwerdeführers brachte, welcher in weiterer Folge den Übergeber des Fahrzeugs erpresste und zur Zahlung von EUR 4.000,- nötigte. Der Bruder des Beschwerdeführers hat in der Folge die erwähnte Person durch die Ankündigung, diese werde das Kfz nicht zurückerhalten, wenn er den geforderten Geldbetrag nicht zahle, sowie durch die Aussagen „nehme ich deine Zunge weg“ und „ich finde dich und ich finde dein Haus“, sohin durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Vermögen und einer erheblichen Verstümmelung, zu einer Handlung genötigt, die das Opfer am Vermögen schädigte, nämlich zur Zahlung eines Geldbetrages von EUR 4.000,-, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich sowie die beiden weiteren Täter durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern. Zu dieser Tat haben der Beschwerdeführer und der weitere Mittäter dadurch beigetragen, dass der Mittäter das Kfz dem Bruder des Beschwerdeführers überließ und der Beschwerdeführer das vom Opfer übergebene Geld nachzählte und zur Bekräftigung der Drohungshandlung auch bei der Geldübergabe selbst anwesend gewesen ist.
Im Rahmen der Strafbemessung wertete das Landesgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel des Beschwerdeführers und seinen untergeordneten Tatbeitrag als mildernd sowie das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen als erschwerend.
Mit in Rechtskraft erwachsenem Strafbescheid vom 05.04.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des Meldegesetzes bestraft.
Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 12.11.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Der Beschwerdeführer zeigt sich weiterhin nicht schuldeinsichtig und bestreitet die Begehung der dargestellten Straftaten. Ein weiterer Aufenthalt seiner Person würde eine Gefährdung öffentlicher Interessen an der Verhinderung von Straftaten gegen die Rechtsgüter Leib und Leben sowie fremdes Vermögen darstellen, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit zu prognostizieren ist.
Gegen den Beschwerdeführer wird gegenwärtig wegen des Verdachts des Verbrechens der Vergewaltigung ermittelt, eine Anklage ist noch nicht aktenkundig.
1.4. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Einreise im Dezember 2006 annähernd durchgehend im Bundesgebiet auf und ist seit 16.01.2007 (mit Ausnahme des Zeitraums von 10.12.2016 bis 21.02.2017) mit einem Wohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Von 14.03.2017 bis 21.11.2017 befand dieser sich in Untersuchungshaft in österreichischen Justizanstalten.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit etwa zwölf Jahren in einer Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin, welche er im Juni 2018 vor einem österreichischen Standesamt geheiratet hat und mit der er seit November 2018 in einer von seiner Ehegattin geerbten Eigentumswohnung lebt. Im Dezember 2018 und im November 2020 kamen die beiden gemeinsamen Töchter des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau zur Welt, eigenen unbelegten Angaben zufolge ist die Ehegattin derzeit abermals schwanger. Die Ehegattin und die minderjährigen Töchter des Beschwerdeführers sind österreichische Staatsbürgerinnen. Der Beschwerdeführer sorgt gemeinsam mit seiner Ehegattin für die beiden minderjährigen Töchter und übernimmt Tätigkeiten im Haushalt. Die Ehegattin ging zuletzt einer geringfügigen Erwerbstätigkeit nach, welche sie von zuhause aus ausübte. Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin haben ein gutes Verhältnis zur in Österreich lebenden Herkunftsfamilie des Beschwerdeführers wie auch zur Mutter der Ehegattin.
Im Bundesgebiet befinden sich überdies die Eltern und Geschwister sowie Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers. Die beiden Brüder des Beschwerdeführers sind im gleichen Umfang wie er selbst von einer Aufenthaltsbeendigung bedroht. Seinem Bruder XXXX wurde der Status eines Asylberechtigten rechtskräftig aberkannt, zugleich wurde gegen diesen eine Rückkehrentscheidung und ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen; jener Bruder verbüßt derzeit eine sechsjährige Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX . Das Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes seines Bruders XXXX ist gegenwärtig ebenfalls vor dem Bundesverwaltungsgericht (Zahl: W212 2216542-1) anhängig.
Der Beschwerdeführer steht zu den in Österreich aufenthaltsberechtigten Angehörigen seiner Herkunftsfamilie in keinem besonderen Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis und könnte den Kontakt zu diesen nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat telefonisch und über das Internet sowie Besuche in Drittstaaten aufrechterhalten können.
Der Beschwerdeführer hat sich Deutschkenntnisse angeeignet. Eine Berufsausbildung oder sonstige Ausbildung hat er in Österreich nicht absolviert. Dieser ging immer wieder kurzfristigen Erwerbstätigkeiten als Arbeiter nach und bezog zwischendurch wiederholt Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Zuletzt hat er eine Beschäftigung als Hilfselektriker auf bei einem Bauprojekt im Ausmaß von 39 Wochenstunden mit einem Bruttolohn von EUR 2.218,76 übernommen. Er ist Mitglied eines Fußballvereins, mit dem er regelmäßig trainiert und ist mit seinen Mannschaftskollegen auch privat befreundet.
Der Beschwerdeführer hat sich wiederholt besuchsweise im Kosovo aufgehalten. Ein Onkel väterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben unverändert in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers im Kosovo.
1.5. Zur Lage im Kosovo:
1.5.1. Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Country of Origin Information – Content Management System):
Politische Lage
Letzte Änderung: 16.06.2020
Die am 15. Juni 2008 in Kraft getretene Verfassung sieht eine parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung vor. Die politische Macht konzentriert sich beim Ministerpräsidenten. Ein umfassender Schutz der anerkannten Minderheiten ist gewährleistet (AA 19.4.2020). Durch die Verfassung als ethnische Minderheit anerkannt sind Serben, Roma, Ashkali, Ägypter, Türken, Bosniaken und Gorani (CIA 7.4.2020; vgl. GIZ 3.2020b). Im Parlament stehen diesen 20 von 120 Sitzen zu, wobei 10 Sitze für Repräsentanten der serbischen Minderheit reserviert sind (GIZ 3.2020a). Die Republik Kosovo ist international von mehr als 110 Staaten anerkannt, nicht jedoch von Serbien. Das ungeklärte Verhältnis zu Serbien behindert die Annäherung Kosovos an EU und NATO. Seit 2011 vermittelt die EU einen politischen Dialog zwischen den beiden Ländern mit dem Ziel einer ehestmöglichen und umfassenden Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen. Inzwischen wurden mehrere wichtige Vereinbarungen erzielt, die zu einer deutlichen Entspannung geführt haben. In Kosovo sind einige internationale Missionen tätig: Die NATO-Mission KFOR mit ca. 3500 Soldaten, die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission (EULEX), die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen (UNMIK) sowie die OSZE-Mission (OmiK) (AA 19.4.2020)
Generell werden die Konsolidierung der Demokratie im Kosovo sowie deren Effizienz und Reaktionsfähigkeit im politischen Prozess durch eine Reihe von Faktoren wie beispielsweise eine mangelnde Rechenschaftspflicht der politischen Klasse untergraben. Die demokratischen Institutionen werden oftmals als undurchsichtig und wenig kooperativ in der Zusammenarbeit wahrgenommen. Trotzdem ist etwa ein Drittel der Bevölkerung mit Regierung und Parlament zufrieden. In den letzten vier Jahren konnte - wenngleich von einem niedrigen Niveau ausgehend - doch eine deutliche Verbesserung verzeichnet werden. Eine Umfrage der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) aus dem Jahr 2010 ergab, dass 75% der Kosovaren eine positive Einstellung zur Demokratie haben. Die hohe Zustimmung zur Demokratie hat unter den sozioökonomischen Veränderungen, dem Versöhnungsprozess der Regierung mit Serbien und den serbischen Gemeinden im Kosovo und den 2015 von der Opposition organisierten Straßenprotesten gelitten (BS 2020).
Am 5.10.2019 fanden im Kosovo vorgezogene Parlamentswahlen statt. Diese Wahl war erforderlich geworden, weil der amtierende Ministerpräsident und ehemalige UCK-Kommandeur Ramush Haradinaj wegen einer Vorladung zum Sondertribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag vom Amt als Regierungschef zurückgetreten war (DS 7.10.2019; NZZ 7.10.2019). Die Wahlen wurden – bei einer Wahlbeteiligung von 44% - von den bisherigen Oppositionsparteien gewonnen. Den Kampf um den ersten Platz und damit um den Regierungsauftrag entschied mit knapp 25,6% der Stimmen die groß-albanische, nationalistische und EU-kritische Oppositionspartei Vetëvendosje (Selbstbestimmung) mit ihrem Spitzenkandidaten Albin Kurti, für sich. Dicht dahinter folgte mit 24,9% der Stimmen die moderat-konservative Demokratische Liga des Kosovo (LDK) mit ihrer Spitzenkandidatin Vjosa Osmani. Den dritten Platz belegte mit 21,1% die – von Staatspräsident Hashim Thaci dominierte - Demokratische Partei des Kosovo (PDK). Die Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) des nur zwei Jahre amtierenden Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj kam auf 11,6% der Stimmen (NZZ 7.10.2019; vgl. DP 7.10.2019).
[…]
Der Wahlausgang wurde als Signal gegen Korruption und Stillstand gewertet und bedeutete zunächst das Ende der langjährigen Dominanz der PDK von Staatspräsident Hashim Thaci über die kosovarische Politik (ORF 6.10.2019). Mehr als die Hälfte aller Stimmen konnten zwei Politiker auf sich vereinen, deren Karriere nicht in der UCK begann und die für einen klaren Bruch mit dem Klientelsystem des politischen Establishments stehen (NZZ 7.10.2019). Wie von Beobachtern erwartet, kam es zu einem Regierungsbündnis zwischen den nunmehr siegreichen bisherigen Oppositionsparteien unter Führung von Kurti und Osmani. Beide kündigten an, die grassierende Korruption bekämpfen und den Rechtsstaat stärken zu wollen (Spiegel 9.2.2020; vgl. DP 7.10.2019).
Nach nur etwa 50 Tagen im Amt wurde die Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti per Misstrauensvotum gestürzt. Hintergrund war ein Streit um Verhandlungen mit Serbien, das die Unabhängigkeit des Kosovo bis heute nicht anerkennt (Standard 2.5.2020).
Während Kurti baldige Neuwahlen favorisierte, forderte Präsident Hashim Thaci die Bildung einer Einheitsregierung; dies hätte zu einer Regierungsbeteiligung der oppositionellen Demokratischen Partei des Kosovo, der PDK, führen können, jener Partei, die Thaci bis zur Übernahme der Präsidentschaft vor vier Jahren geleitet hatte (AA – 6.4.2020, vgl. BBC 26.3.2020).
Ein vorläufiges Dekret von Präsident Thaci, mit dem ein Politiker der Mitte-Rechts-Partei LDK den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hatte, wurde jedoch vom Verfassungsgericht ausgesetzt, womit die Regierungsbildung bis zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung nunmehr auf Eis liegt (Standard 2.5.2020).
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 16.06.2020
Ethische Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zu den im Norden in einem zusammenhängenen Gebiet lebenden Serben und jenen Serben, die im restlichen Kosovo in kleineren versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich, die Unabhängigkeit des Kosovo und zum Teil die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit. Besonders problematisch sind speziell Fragen der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien, zumal diese von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt wird (GIZ 9.2018a).
Somit bleibt die Lage im Norden des Kosovo (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch künftig zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt, die die allgemeine Bewegungsfreiheit einschränken (AA 2.5.2020).
Mit der Ausnahme des Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen (GIZ 9.2018a).
In Pristina und anderen Städten des Landes kann es gelegentlich zu Demonstrationen und damit zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit kommen. In allen anderen Landesteilen Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil. Teilweise gewalttätige Protestaktionen der Opposition gegen die Regierung haben sich seit dem ersten Halbjahr 2016 nicht mehr ereignet, das Potential für solche Proteste besteht aber weiterhin (AA 2.5.2020).
Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren aus dem Jahr 2018 ergab, dass sich 85,5% der Befragten in ihrem Zuhause (Wohnung, Haus), 78,8% in ihrer Stadt und 52,4% im Kosovo sicher fühlten. Albanische und nicht-serbische Minderheitenangehörige fühlen sich im Kosovo sicherer als Serben (KCSS 7.2019).
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 16.06.2020
Die gesetzgebende Gewalt wird vom kosovarischen Parlament ausgeübt, die exekutive Gewalt von der Regierung (Premierminister, Minister) und die richterliche Gewalt von den Gerichten, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, der höchsten richterlichen Behörde, und des Verfassungsgerichts. Die Exekutive hat sich jedoch wiederholt (informell) in die Arbeit von Legislative und Judikative eingemischt und das Parlament wurde immer wieder dafür kritisiert, dass es sein verfassungsmäßiges Mandat zur Kontrolle der Regierung nicht ausübt. Die parlamentarischen Ausschüsse in der Versammlung wurden von der Exekutive ignoriert, wodurch ihre parlamentarische Kontrollfunktion wesentlich geschmälert wurde. Die Kontrolle und Ausgewogenheit der demokratisch gewählten Institutionen ist zwar formell festgelegt, in der Realität jedoch schwach und ineffizient (BS 2020).
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber diese Unabhängigkeit wird nach wie vor durch politische Autoritäten und ein hohes Maß an Korruption beeinträchtigt. EULEX und seine kosovarischen Pendants haben einige Fortschritte in Bezug auf Nachhaltigkeit, Rechenschaftspflicht, Freiheit von politischer Einmischung und Multiethnizität, einschließlich der Einhaltung europäischer Best Practices und internationaler Standards, erzielt. Dennoch hat eine 2016 durchgeführte Umfrage über die Wahrnehmung des Justizsystems durch die Bürger ergeben, dass nur 12,3% die Gerichte für unabhängig hielten, während 61,2% der Ansicht waren, dass Personen mit politischen Verbindungen weniger wahrscheinlich bestraft würden. 50,5% meinten, dass Justizbeamte Bestechungsgelder erhielten oder verlangten und nur 36% konnten jüngste Verbesserungen im Justizsystem feststellen, während 24,4% davon überzeugt waren, dass keine Verbesserungen erzielt wurden (BS 2020).
Die Effizienz bei der Fallbearbeitung hat sich verbessert, aber es gibt immer noch einen beachtlichen Rückstau an offenen Fällen. Ein Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte ist zwar vorhanden, aber ineffizient. Eine unabhängige staatliche Rechtshilfekommission stellt kostenlose Rechtshilfe für Personen mit niedrigen Einkommen zur Verfügung; diese ist jedoch nicht adäquat finanziert und funktioniert nicht wie vorgesehen. Bei Verletzung der Prozessrechte können sich Geschädigte an den Verfassungsgerichtshof wenden (USDOS 11.3.2020).
Die Verfahren werden nicht immer ordnungsgemäß abgewickelt. Nach Angaben der Europäischen Kommission, der NGOs und der Institution der Ombudsperson ist die Justizverwaltung langsam und es fehlen die Mittel, um die Rechenschaftspflicht der Justizbeamten zu gewährleisten. Die Justizstrukturen sind politischer Einflussnahme ausgesetzt, mit umstrittenen Ernennungen und unklaren Mandaten (USDOS 11.3.2020). Die lokale Rechtsprechung sieht sich Einflüssen von außen, v.a. seitens der Exekutive, ausgesetzt und sorgt nicht immer für faire Prozesse (FH 4.2.2019).
Im Laufe des Jahres 2019 förderte das Justizministerium Änderungen eines Gesetzes von 2010 über die disziplinarische Verantwortung von Richtern und Staatsanwälten, mit denen die Unparteilichkeit des kosovarischen Justizwesens erreicht werden sollte (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus wurden Register zur Erfassung von Beschwerden gegen Richter auf Ebene der Gerichte und des KJC, des „kosovarischen Justizrates“, fertiggestellt und allen Gerichten zur Überprüfung übergeben. Im Einklang mit der Disziplinarordnung wählte die KJC 70 von den Gerichtspräsidenten empfohlene Richter für die Mitgliedschaft in Gremien aus, die für die Untersuchung von Disziplinarbeschwerden zuständig sind. Ihr Mandat ist gestaffelt, um Kontinuität zu gewährleisten: 25 Richter wurden nach dem Zufallsprinzip für eine Amtszeit von einem Jahr, 23 für eine zweijährige und 22 für eine dreijährige Amtszeit ausgewählt. Jährlich sollen neue Mitglieder ausgewählt werden, um eine volle Besetzung von 70 zu gewährleisten. Seit Inkrafttreten des neuen Disziplinarverfahrens sind bei den Gerichtspräsidenten als den zuständigen Behörden 75 Beschwerden gegen Richter eingegangen; der kosovarische Justizrat setzte ein entsprechendes Untersuchungsgremium ein (USDOS 11.3.2020).
Manchmal versäumen es die Behörden, gerichtlichen Anordnungen u.a. auch des Verfassungsgerichts nachzukommen, insbesondere wenn die Urteile Minderheiten begünstigen, wie in zahlreichen Fällen der Rückgabe von Eigentum an Kosovo-Serben. Keiner der Beamten, die 2019 an der Nichtumsetzung von Gerichtsbeschlüssen beteiligt waren, wurde sanktioniert (USDOS 11.3.2020).
Das Gesetz sieht faire und unparteiische Verfahren vor und trotz gravierender Mängel im Justizsystem wie etwa politischer Einmischung, wird das Recht im Allgemeinen umgesetzt. Die Prozesse sind öffentlich, die Angeklagten haben ein Recht auf die Unschuldsvermutung, auf unverzügliche Information über die gegen sie erhobenen Anklagen und auf ein faires, öffentliches Verfahren, bei dem sie sich in ihrer Muttersprache an das Gericht wenden können. Sie haben das Recht, zu schweigen oder sich der Aussage zu entschlagen, Beweise einzusehen, einen eigenen Rechtsbeistand zu haben und gegen Urteile zu berufen. Das Kosovo wendet keine Geschworenenprozesse an (USDOS 11.3.2020).
Die 'Free Legal Aid Agency' (FLAA) ist von der Regierung beauftragt, Personen mit niedrigem Einkommen kostenlosen Rechtsbeistand zu gewähren und führt entsprechende Kampagnen durch, die sich an benachteiligte und marginalisierte Gemeinschaften richteten. Im Mai 2019 finanzierten die Vereinten Nationen das Zentrum für Rechtshilfe, welches über NGOs Frauen kostenlosen Rechtsbeistand in Fällen wie der Überprüfung von Eigentumsrechten, Klagen wegen sexueller Gewalt und Rentenansprüchen aus Serbien garantiert (USDOS 11.3.2020).
Kosovo befindet sich in einem Frühstadium in Bezug auf die Anwendung des aquis communautaire und europäischer Standards im Justizbereich. Ein gewisses Ausmaß an Fortschritt wurde erreicht, unter anderem bei der Untersuchung hochrangiger Korruptionsfälle. Korruption ist dennoch weit verbreitet und bleibt ein problematischer Themenbereich. Die Verabschiedung verschiedener Rechtsdokumente im Bereich Korruptionsbekämpfung stellt einen wichtigen Schritt dar, wesentlich ist nun die konsequente Umsetzung (EC 29.5.2019).
Am 8.6.2018 hat der Rat beschlossen, das Mandat der Rechtsstaatlichkeitsmission der EU, EULEX Kosovo, neu auszurichten. Die Mission hatte seit ihrer Einrichtung vor 10 Jahren zwei operative Ziele: das Ziel der Beobachtung, Anleitung und Beratung durch Unterstützung der Rechtsstaatlichkeitsinstitutionen des Kosovo und des Dialogs zwischen Belgrad und Pristina und zweitens ein exekutives Ziel, nämlich die Unterstützung verfassungs- und zivilrechtlicher gerichtlicher Entscheidungen sowie strafrechtlicher Ermittlungen und gerichtlicher Entscheidungen in ausgewählten Strafsachen. Mit dem Beschluss wird der justizielle exekutive Teil des Mandats der Mission beendet und das Kosovo nimmt nun die Verantwortung für alle übertragenen Ermittlungen, Strafverfolgungen und Gerichtsverfahren wahr. Seit dem 14.6.2018 konzentrierte sich EULEX darauf, ausgewählte Fälle und Gerichtsverfahren in den Straf- und Zivilrechtsinstitutionen des Kosovos zu beobachten, den Justizvollzugsdienst des Kosovos zu beobachten, anzuleiten und zu beraten und die operative Unterstützung für die Umsetzung der von der EU geförderten Dialogvereinbarungen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo fortzusetzen. Der Ratsbeschluss sieht vor, dass das überarbeitete Mandat bis zum 14.6.2020 gilt (REU 8.6.2018).
Der Kanun / Blutrache
Letzte Änderung: 16.06.2020
Historisch bedingt existierte in der kosovarischen Gesellschaft eine grundsätzliche Distanz gegenüber staatlichen Strukturen. Dies führte zur Ausbildung umfangreicher Prozesse der Gemeinschaftsbildung, welche u. a. in der Entwicklung von Stämmen, Clans, Patenschaften und Blutsverwandtschaft Ausdruck fand. Insbesondere in der albanischen Bergwelt basierte die Ordnung auf mündlich tradiertem Gewohnheitsrecht. Diese sogenannten Kanune variierten regional, wobei die bekannteste dieser Rechtsordnungen der Kanun Lekë Dukagjini ist. Die grundlegende soziale Einheit, auf der der Kanun basiert, ist die Großfamilie unter Führung des männlichen Familienältesten (Senioritätsprinzip). Der Kanun ist ein umfassendes Regelwerk und befasst sich mit weiten Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens wie Kirchen-, Ehe-, Erb-, Schuld-, Handels- und Strafrecht. Zentral für dieses Rechtsverständnis ist der Begriff der Ehre, was sich u.a. in der Bedeutung der Blutrache, aber auch des umfassenden Gastrechts ausdrückt. Die Rolle der Frauen im Kanun ist eine nachgeordnete und charakterisiert die marginale Stellung der Frau in der traditionellen albanischen (Hochland-)Gesellschaft (GIZ 3.2020b).
Die Blutrache, die teils Ausdruck Jahrzehnte alter Konflikte ist, war bis in die 1980er Jahre ein weit verbreitetes Phänomen in Albanien und im Kosovo. 1990 nahmen unter Führung von Anton Çetta, einem Professor für Ethnologie, ca. 100.000 Personen aus dem Kosovo, aus Albanien, Mazedonien und Montenegro an einer großen Aussöhnung von Familien teil, bei der ca. 2.000 Fälle der Blutrache versöhnt wurden. Obwohl er zunehmend an Bedeutung verliert, spielt der Kanun in entlegenen Regionen bis heute eine Rolle bei der Rechtsinterpretation. Nach dem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Albanien 1997 kam es zu einer Renaissance der Blutrache, allerdings nicht nach den Regeln des Kanuns. Waren traditionell Frauen und Kinder vor der Blutrache geschützt, sind heute auch diese Personengruppen von der Verfolgung betroffen. Bei der Bewertung krimineller Handlungen bzw. Formen der organisierten Kriminalität (in der Diaspora) spielen Aspekte des Gewohnheitsrechts aktuell eine Rolle (GIZ 3.2020b).
Insbesondere außerhalb der größeren Städte sind nicht selten Racheakte aus verschiedenen Gründen zu beobachten. Diese werden landläufig als 'Blutrache' bezeichnet und ohne Beachtung der einschränkenden Regeln des Kanun - der Eröffnung, Ablauf und Beendigung regelt - beharrlich betrieben, zum Teil mit blutigen bzw. tödlichen Folgen. Bei diesen Racheakten ist die Hemmschwelle, eine Schusswaffe zu benutzen, oft sehr niedrig. Beteiligte an solchen Taten werden verfolgt, angeklagt und verurteilt (AA 21.3.2019).
Blutrache stellt im Westen des Kosovo (und im Norden Albaniens) nach wie vor ein Problem dar und wird infolge der Migrationsbewegung von Albanern und Kosovo-Albanern hin und wieder auch ins Ausland getragen. Eine Grundregel ist, dass eine Ehrverletzung mit Blut vergolten werden muss – sonst werden der Geschädigte und seine Familie von der Dorfgemeinschaft geächtet, was den gesellschaftlichen Tod bedeutet. Dieser gesellschaftliche Zwang ist ein Grund, weshalb sich die Blutrache in einigen Gegenden von Albanien und Kosovo zäh halten kann. Da eine Tötung stets die Revanche der anderen Familie herausfordert, können sich die Kettentötungen einer Blutfehde über Jahrzehnte hinziehen und ganze Familien auslöschen. Ursprünglich verlangte der Ehrenkodex des Kanuns, dass nur an männlichen Familienmitgliedern Blutrache geübt werden darf – doch heute sind in Nordalbanien durchaus auch Frauen gefährdet. Nur innerhalb des eigenen Hauses sind betroffene Familien vor der Blutrache sicher. Eine Blutfehde kann aber durch Verhandlungen und ein Sühnegeld beendet werden, wenn die (zuletzt) geschädigte Familie einwilligt. Diese Sühne wird im albanische Kanun Blutgeld genannt (GRA 2015).
Es bestehen keine Zufluchtsmöglichkeiten in anderen Landesteilen oder größeren Städten. Wegen der geringen Größe des Kosovo ist es leicht möglich, eine Person auch in größeren Städten sehr schnell zu finden, zumal Neuankömmlinge meist in einen Stadtteil ziehen, in dem bereits andere Personen aus ihrem Dorf oder Clan leben. Die größeren Städte setzten sich daher sozusagen aus 'ethnischen' Vierteln zusammen, in denen Familien Verwandtschaftsbeziehungen zu ihrem Heimatort und ihrem patrilinearen Clan bewahrten. Ferner ist es nicht möglich, von einem in einen anderen Landesteil zu ziehen und einfach unterzutauchen, da jede kosovo-albanische Person ihre Herkunft auf einen der zwölf Gründungsclans der Albaner in Kosovo zurückführen kann. Eine falsche Identität zu erfinden, die einer Überprüfung standhalten würde, ist daher kaum möglich. Zusätzlich werden Neuankömmlinge stets in einem Kontext sozialer Beziehungen eingeordnet, und Höflichkeitsnormen schreiben vor, sich bereits bei der ersten Begegnung nach Herkunft, Familienbeziehungen und Freunden einer Person zu erkundigen. Auch die Ombudsperson des Kosovo bestätigt, dass es kaum möglich ist, in anderen Landesteilen oder größeren Städten vor Blutrache Schutz zu finden (SFH 1.7.2016).
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 16.06.2020
Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht auf drei Komponenten: der Kosovo Polizei (KP), den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften (EU-Rechtstaatlichkeitsmission, Anm.) und den KFOR-Truppen (mit 3.500 Soldaten) (AA 21.3.2019).
Als eine ihrer Operationslinien unterstützt die KFOR Aufbau und Training der multiethnischen und zivil kontrollierten, leicht bewaffneten Sicherheitskräfte „Kosovo Security Force“ (KSF), die nach dem bisherigen Gesetzesrahmen nicht mehr als 2.500 Mitglieder und maximal 800 Reservisten hatten. Die KSF übernimmt derzeit primär zivile Aufgaben wie Krisenreaktion, Sprengmittelbeseitigung und Zivilschutz. Das am 14.12.2018 mit überwältigender parlamentarischer Mehrheit verabschiedete Gesetzespaket zur Transition in reguläre, defensiv ausgerichtete Streitkräfte unterwirft die KSF einem 10-jährigen Übergangsprozess, an dessen Ende ca. 5.000 leicht bewaffnete Defensivkräfte stehen sollen. Die kosovarische Regierung hat der NATO gegenüber schriftlich die volle Transparenz des Prozesses, die Bewahrung des multiethnischen Charakters der KSF sowie das Festhalten an den Bedingungen von UNSCR 1244 und dem KFOR-Mandat bekundet (AA 21.3.2019).
Die Polizei (Kosovo Police, KP) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen. Der Frauenanteil in der KP beträgt 14%; der Anteil der Angehörigen von Minderheiten liegt bei 16%. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Für die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitskräfte ist im Parlament der Ausschuss für Inneres, Sicherheitsfragen und Überwachung der KSF zuständig (AA 21.3.2019). Weiterhin sollen die Polizeistrukturen im Kosovo vereinheitlicht und Mitglieder serbischer Sicherheitskräfte in die kosovarische Polizei integriert werden. Die Polizeikräfte im serbischen Norden sollen die Bevölkerungsverhältnisse widerspiegeln und unter Führung eines kosovo-serbischen Regionalkommandanten stehen (GIZ 3.2020a). Es gibt 436 Polizeibeamte (Angehörige der KP) pro 100.000 Einwohner. Dies übertrifft den EU-Durchschnitt, der sich im Jahr 2016 gemäß Eurostat auf 318 Beamte belief. Die Polizei ist relativ gut ausgebildet und ausgerüstet. Sie verfügt über moderne IT-Infrastruktur. Die „Kosovo Academy for Public Safety“ gewährleistet eine gute Ausbildung für Polizeibeamte und andere Angehörige des Sicherheitsapparats (Zollbeamte, Beamte des Strafvollzugs) sowohl im Bereich der Grundausbildung als auch im Bereich der berufsbegleitenden Weiterbildung. Die Kapazität der Polizei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist gut, jedoch unterliegt die Polizei immer noch Korruption und politischem Druck (EC 29.5.2019).
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 16.06.2020
Das Verbot der Folter sowie der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe wird im Artikel 27 der kosovarischen Verfassung verankert. Artikel 199 des Strafgesetzbuches kriminalisiert Folter in voller Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsnormen (AA 21.3.2019). Die Gesetze werden aber uneinheitlich umgesetzt und es gab anhaltende Vorwürfe, dass Gefangene von der Polizei und in geringerem Maße auch vom Personal des Strafvollzugsdienstes gefoltert und misshandelt wurden (UDOS 11.3.2020). Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nahm in seinem letzten Bericht über den Besuch in Serbien und Kosovo mit großer Besorgnis zahlreiche Anschuldigungen wegen Folter und Misshandlungen durch die Polizei zur Kenntnis (AA 21.3.2019; vgl. UN 25.1.2019). In erwähntem Papier wird über Misshandlungen von Gefangenen sowie verbale und psychologische Drohungen berichtet. Auch besteht ein Mangel an Aufsicht in der Untersuchungs- und Verhörphase der Inhaftierung, was angeblich zu erzwungenen Geständnissen führt (USDOS 11.3.2020).
Die Ombudsperson des Kosovo (KOI) verfügt in ihrer Eigenschaft als Nationaler Präventionsmechanismus gegen Folter (National Preventive Mechanism against Torture – NPMT) über sieben Mitarbeiter. Darunter sind ein Arzt, ein Psychiater, ein Sozialarbeiter und zwei Anwälte, die sich hauptberuflich mit der Verhütung von Folter befassen. Im Jahr 2018 unterzog sich der NPMT einem intensiven vom Europarat finanzierten Schulungsprogramm, um seine Kapazitäten zu verbessern. Auch führte er in Gefängnissen, Haftanstalten, psychiatrischen Einrichtungen und Polizeistationen Inspektionen durch. Gefangene und Inhaftierte können den NPMT über Rechtsanwälte, Familienangehörige, internationale Organisationen, direkte Telefonanrufe oder über Briefkästen in Haftanstalten, die nur für Mitarbeiter der KOI zugänglich sind, kontaktieren. Die KOI berichtete zwar über Beschwerden gegen die Polizei und den Strafvollzugsdienst; darunter Vorwürfe der körperlichen Misshandlung von Gefangenen, aber keine Folterhandlungen (USDOS 11.3.2020).
Das Kosovo-Rehabilitationszentrum für Folteropfer (KRCT), die führende NGO des Landes in Fragen der Folter, gab ebenfalls an, im Laufe des Jahres keine glaubwürdigen Berichte über Folterungen erhalten zu haben, obwohl die Misshandlung von Gefangenen nach wie vor ein Problem darstellt (USDOS 11.3.2020).
Korruption