TE Vwgh Erkenntnis 1966/5/18 1948/65

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Veröffentlicht am 18.05.1966
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Index

Wohnungswesen
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/05 Wohnrecht Mietrecht

Norm

MietenG §19 Abs2 Z4a
VwGG §47

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Dietmann und die Hofräte Dr. Koprivnikar, Dr. Mathis, Dr. Härtel und Dr. Dolp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Bezirksrichters Dr. Fröhlich über die Beschwerde der Kongregation X in W, vertreten durch Dr. Julius A. Schuster, Rechtsanwalt in Wien I, Am Hof 13, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 13. September 1965 Zl. 211.543-10/65 (mitbeteiligte Parteien FW, EP, JS, SO, RS, HK, JB, RB, HS, JP, Firma K, MF, Post- und Telegraphendirektion, alle in Wien), betreffend Entscheidung nach § 19 Abs. 2 Z. 4 a des Mietengesetzes, nach der am 20. April 1966 durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde Rechtsanwaltes Dr. Paul Appiano (für Rechtsanwalt Dr. Julius Schuster), und der Ausführungen des Vertreters der mitbeteiligten EP, KP, des JP, des Rechtsanwaltes Dr. Franz Josef Sebek für Franz Winner, HS und JB, des Rechtsanwaltes Dr. Risa Schmatral für Stefanie Ohage, des RS, des Rechtsanwaltes Dr. Egon Jeger für die Firma K, des Rechtsanwaltes Dr. Friedrich Reither für die Firma RB, der HK und der Dr. AL für die Post- und Telegraphendirektion, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 1.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der beschwerdeführenden Partei auf Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes von S 1.000,-- wird zurückgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei beantragte als Eigentümerin der LiegenschaftEZ. 49 des Grundbuches Katastralgemeinde X in Wien, S-straße 293, mit ihrer an den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, gerichteten Eingabe vom 30. September 1963 die Ausstellung einer Interessenbescheinigung gemäß § 19 Abs. 2 Z. 4 a des Mietengesetzes dahingehend, daß der von ihr auf der bezeichneten Liegenschaft geplante Umbau, bei, dem die dort vorhandenen Baulichkeiten - alte Kasernenbauten sowie eine größere Anzahl kioskartiger, kleinerer Baulichkeiten - abgetragen und durch ein Schul- und Internatsgebäude ersetzt werden sollten, im öffentlichen Interesse liege. Zur Begründung führte sie aus, daß Grundflächen im Ausmaß von 130 m2 in das öffentliche Gut übertragen werden müßten und dadurch die Verkehrsverhältnisse verbessert würden, weiters, daß durch den Umbau dem Bebauungsplan der Stadt Wien mit einer gleichzeitigen entscheidenden Verbesserung des Stadtbildes zum Durchbruch verholfen würde, ferner, daß ein dringender Schulbedarf der Bevölkerung vorliege, weil die derzeit bestehende Volks- und Hauptschule der beschwerdeführenden Partei mit Öffentlichkeitsrecht in Wien, G-Gasse 4 - 6, veraltet und vermutlich nicht mehr ausreichend sei, und schließlich, daß eine Entlastung des Wohnungsmarktes insofern eintrete, als im Gebäude auch Wohnungen für Schüler und Lehrpersonal geschaffen würden. Die genannte Behörde führte in der Angelegenheit am 9. Jänner 1964 eine mündliche Verhandlung durch, an der außer dem Vertreter der beschwerdeführenden Partei und den Mietern der auf der Liegenschaft befindlichen Objekte bzw. den Vertretern dieser Mieter auch Vertreter der Magistratsabteilung 18 (Stadt- und Landesplanung), Magistratsabteilung 19 (Architektur), Magistratsabteilung 37 (Bau-, Feuer- und Gewerbepolizei für die Bezirke X.-XIX. und XXI.-XXIII.) der Magistratsabteilung 50 (Allgemeine und rechtliche Angelegenheiten des Wohnungswesens, Gruppe Zuweisung) sowie ein Vertreter der Bezirksvorstehung für den 12. Wiener Gemeindebezirk beigezogen wurden. Weitere Stellungnahmen erstatteten der Magistrat der Stadt Wien. Magistratsabteilung 46 (Technische Verkehrsangelegenheiten), der Stadtschulrat für Wien - letzterer hinsichtlich der Frage den Bedarfes einer Privatschule in der im gegenständlichen Fall in Betracht kommenden Gegend - und das Bundesministerium für Unterricht dieses zur Frage, ob die Errichtung des neuen Schulgebäudes für die Volks- und Hauptschule für Knaben mit Öffentlichkeitsrecht in Wien XII, S-straße 293, im öffentlichen Interesse liege. Mit Bescheid vom 7. Jänner 1965 wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, gemäß § 19 Abs. 2 Z. 4 a des Mietengesetzes den Antrag der beschwerdeführenden Partei, „die Verwaltungsbehörde möge erkennen, daß der geplante Umbau betreffend die Liegenschaft Wien XII, S-straße 293, im öffentlichen Interesse liege“, ab. In der Begründung des Bescheides führte die bezeichnete Behörde unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens aus, daß für die Liegenschaft nach wie vor die Widmung „Bauland - Wohngebiet“ bestehe und die derzeitige Widmung als Bauland widmungsgemäßer als die geplante Widmung sei, weiters, daß am Hause keine Baugebrechen vorlägen, sich jedoch in dem gegenständlichen Stadtviertel eine Vielzahl von Bauten mit schlechtem Bauzustand befinde, sodaß nur von einem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der bestehenden Baulichkeit gesprochen werden könne, und daß die Verwahrlosung der Fassade keinesfalls als ins Gewicht fallend angesehen werden könne. Weiters legte die genannte Behörde in der Begründung ihres Bescheides zur Frage, ob ein öffentliches Interesse an dem geplanten Umbau aus Verkehrsrücksichten bestehe, unter Hinweis auf die Ausführungen in der Stellungnahme des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, sowie die eingereichten Pläne und auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1963, Zl. 1841/61, dar, daß ein Verkehrsnotstand in dem in Betracht kommenden Gebiet nicht vorliege, zumal da es sich um Straßenzüge von geringer Verkehrsbedeutung handle, ferner, daß auf der gegenständlichen Liegenschaft derzeit eine Anzahl von Garagen errichtet sei und daher nicht angenommen werden könne, daß durch den Neubau eine Verbesserung des Parkplatzbedarfes eintreten würde, sondern es sei vielmehr das Gegenteil anzunehmen. Dazu komme noch der Umstand, daß die Schaffung von Parkplätzen auf Straßen ja nicht dem Zweck der Straße, nämlich der Ermöglichung eines reibungslosen Fließverkehrs, diene und sohin in dieser Hinsicht die Belassung des derzeitigen Zustandes viel eher im öffentlichen Interesse gelegen sei. Ferner führte die Behörde unter Bezugnahme auf die erwähnten Stellungnahmen des Stadtschulrates für Wien und auf Art. 17 Abs. 2 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger aus, daß die Errichtung, einer Privatschule, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen, jederzeit Zulässig sei, und zwar unabhängig davon, ob bereits zu viele oder zu wenige Privatschulen bestünden, daß jedoch der Gesetzgeber die schulische Ausbildung in erster Linie durch die öffentliche Hand besorgt wissen wolle und daher die Errichtung einer Privatschule - die dazu noch, wie die beschwerdeführende Partei selbst zugebe, nicht standortgebunden sei - auch dann, wenn möglicherweise die Nachfrage nach dieser Schulart sehr groß sei, kein zwingendes Argument dafür bilde, daß gerade die Niederreißung dieses Gebäudes im öffentlichen Interesse gelegen sei. Schließlich könne aber auch die Schaffung der in der geplanten Baulichkeit vorgesehenen Wohnräume nicht als Argument für die Beseitigung der Wohnungsnot angesehen werden, weil diese Wohnräume zahlenmäßig unbedeutend und von vornherein zweckbestimmt seien; dazu komme noch, daß in dem der Zeit bestehenden Objekt Gewerbebetriebe untergebracht seien, die zur Versorgung der Bevölkerung in der unmittelbaren Umgebung als notwendig angesehen werden könnten (z B. Gasthaus, Trafik, Garagen).

Gegen diesen Bescheid brachte die beschwerdeführende Partei die Berufung ein, die jedoch die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abwies. In der Begründung des Bescheides führte sie aus, sie sei bei Prüfung des Sachverhaltes zur gleichen Rechtsansicht wie die erstinstanzliche Behörde gelangt und stimme im wesentlichen der Begründung des mit Berufung bekämpften Bescheides zu. Die belangte Behörde nahm ergänzend auch Stellung zu den Berufungsausführungen im einzelnen hinsichtlich der Frage der Gewinnung neuer Verkehrsflächen durch den Umbau, weitere hinsichtlich der Erfüllung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes und der Beseitigung der derzeitigen Verbauung zufolge des in Aussicht genommenen Neubaues, hinsichtlich der Bedeutung der Errichtung einer Schule auf der in Rede stehenden Liegenschaft in bezug auf ein öffentliches Interesse und schließlich der Frage der Schaffung von mehr Wohnraum durch den Umbau; sie nahm hiebei vor allem auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1963, Zl. 1841/61, vom 17. Dezember 1957, Slg. N.F.Nr. 4501/A, vom 20. Mai 1958, Zl. 2066/56, und vom 8. Juli 1958, Zl. 829/56, Bezug.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Was vorerst die Einwendung der beschwerdeführenden Partei anlangt, daß nach der gutächtlichen Äußerung des Magistrates der Stadt Wien, M. Abt. 46, vom 11. Mai 1964 durch den geplanten Umbau eine wesentliche Besserung in bezug auf die Verkehrsverhältnisse zufolge der Verbreiterung der R-gasse und der O-Gasse eintreten würde, die belangte Behörde sich jedoch mit diesem wesentlichen Teil der Äußerung nicht befaßt habe, so ist darauf zu verweisen, daß in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebracht ist, daß nach der erwähnten gutächtlichen Äußerung durch die im Zusammenhang mit dem in Aussicht genommenen Umbau eintretende Verbreiterung der Fahrbahnen, insbesondere auch unter Berücksichtigung des großen Bedarfes an Parkplätzen, eine Verbesserung und Erleichterung des Fließverkehrs eintreten würde. Anderseits hat die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aber auch hervorgehoben, daß nach der in Rede stehenden Äußerung des Amtssachverständigen der O-gasse und der R-gasse keine hohe Verkehrsbedeutung zukomme und ein Verkehrsnotstand auch „in den angrenzenden Straßen“ nicht vorliege, und sie hat aus dieser letzteren Feststellung den Schluß gezogen, daß die mit dem geplanten Umbau eintretende Verbesserung der Verkehrsverhältnisse im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht so gewichtig sei, daß sie die Erlassung eines bejahenden Interessenbescheides nach § 19 Abs. 2 Z. 4 a des Mietengesetzes rechtfertigen würde. Zieht man in Betracht, daß im Sinne der angeführten Rechtsprechung (vgl. vor allem das Erkenntnis vom 13. Oktober 1959, Slg. N.F. Nr. 5073/A) ein öffentliches Interesse aus Verkehrsrücksichten im Sinne der genannten Gesetzesstelle anzunehmen ist, wenn durch den beabsichtigten Umbau zur Verbesserung einer als bedrohlich anzusehenden Verkehrssituation bzw. zur Erreichung einer vollständigen Sanierung der Verkehrssituation in dem betreffenden Stadtteil ein wesentlicher Schritt beigetragen wird, so kann der in Rede stehende Schluß der belangten Behörde nicht als unrichtig bezeichnet werden. Bei dieser Betrachtungsweise erübrigt es sich aber auch, auf die im Zusammenhang mit der erörterten Einwendung in der Beschwerde behandelte Frage einzugehen, ob der Betrieb der mitbeteiligten Partei HS als Garagierungsbetrieb oder als Transportunternehmen anzusehen sei.

Die beschwerdeführende Partei macht weiters geltend, daß im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch die Verwirklichung des Bebauungsplanes bei den Erwägungen, ob ein Interessenbescheid zu erlassen sei, berücksichtigt werden müsse, und daß das gleiche auch hinsichtlich der durch den Umbau zu erwartenden Verbesserung des Stadtbildes gelte. Gegen die Annahme, daß im gegenständlichen Fall eine solche Verbesserung eintreten werde, spreche auch nicht der von der Behörde hervorgehobene Umstand, daß die Umgebung zum überwiegenden Teil mit alten Häusern verbaut sei, denn diese Häuser wirkten durchwegs harmonisch und böten dem Benützer dieser ganz besonders wichtigen Westeinfahrt in Wien einen durchaus erfreulichen Anblicke der nur durch die häusliche, unregelmäßige und kioskartige Verbauung der Liegenschaft S-straße 293 gestört werde. Jedenfalls würde durch den geplanten Umbau eine wesentliche Lücke im örtlichen Stadtbild geschlossen, woraus sich aber mit Rücksicht auf die außerordentliche Verkehrsbedeutung der S-straße ein wesentliches Interesse der Öffentlichkeit am Umbau ergebe.

Diesen Einwendungen gegenüber ist vorerst darauf zu verweisen, daß nach den in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen Ausführungen des Amtssachverständigen des Magistrates der Stadt Wien, M. Abt. 19, in der mündlichen Verhandlung vom 9. Jänner 1964 der derzeitige Bauzustand auf der Liegenschaft den geltenden Bebauungsbestimmungen nicht entspricht, insbesondere auch. hinsichtlich der Fassadengestaltung größtenteils in architektonischer Hinsicht verwahrlost ist und „sowohl das gegebene als auch das beabsichtigte örtliche Stadtbild“ verunziert und daß durch die Verwirklichung des Projektes das örtliche Stadtbild eine wesentliche Besserung erfahren würde. Die belangte Behörde hat jedoch trotz dieser Ausführungen des Amtssachverständigen angenommen, daß im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beseitigung des gegenständlichen Gebäudekomplexes nicht die Erlassung eines bejahenden Interessenbescheides nach § 19 Abs. 2 Z. 4 a des Mietengesetzes rechtfertige, weil hier nicht von einem gewichtigen Anliegen des Gemeinwohles gesprochen werden könne; sie hat hiebei insbesondere zum Ausdruck gebracht, daß es sich nicht um eine für das gesamte Stadtbild bedeutsame Lage handle, weiters, daß die S-straße und die nähere Umgebung der Liegenschaft zum überwiegenden Teil mit alten Häusern verbaut sei und repräsentative Bauten oder größere Neubauten, von der Auto-Service-Station am Ende der S-straße abgesehen, fehlten. Demnach hat aber weder der genannte Amtssachverständige noch die belangte Behörde sich mit der seitens der beschwerdeführenden Partei schon im Verwaltungsverfahren wiederholt vorgebrachten Behauptung auseinandergesetzt, daß der derzeitige Bauzustand nicht bloß mit den geltenden Bebauungsbestimmungen unvereinbar und in architektonischer Hinsicht insbesondere die Fassadengestaltung verwahrlost sei, sondern daß es sich zum Teil um alte Kasernenbauten handle und daß auch ansonsten hier an der Westeinfahrt der Stadt Wien eine häßliche, unregelmäßige und kioskartige Verbauung vorliege, welche auf die zahlreichen Besucher der Stadt Wien, aber auch des Schlosses Schönbrunn, einen sehr schlechten Eindruck hervorrufen müsse. Eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen wäre aber notwendig gewesen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß im Falle, als dieses Vorbringen tatsächlich stichhältig sein sollte, die Frage, ob es sich hier um ein gewichtiges Anliegen des Gemeinwohles handle, bejahend beantwortet werden müßte, und zwar ungeachtet des Umstandes, daß sich in der Umgebung der Liegenschaft auch andere alte Häuser - die im übrigen, wie die beschwerdeführende Partei behauptet, durchwegs harmonisch wirken sollen - befinden. Im übrigen wäre auch zu beachten, daß - entgegen der offenbar von der belangten Behörde vertretenen Auffassung - im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem im erstinstanzlichen Bescheid in anderen Zusammenhang zitierten Erkenntnisses vom 27. März 1963, Zl. 1841/61, städtebauliche Rücksichten auch dann das öffentliche Interesse im Sinne des § 19 Abs. 2 Z 4 a des Mietengesetzes begründen können, wenn der geplante Umbau in einem weniger bedeutsamen Stadtteil erfolgen soll. Auf Grund der aufgezeigten Erwägungen ist demnach der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt in der angeführten Richtung in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben.

Was die weitere Beschwerdeeinwendung betrifft, daß die Errichtung einer Schule zumal dann, wenn mit ihr - wie im gegenständlichen Fall - ein Halbinternat verbunden werden sollte, im öffentlichen Interesse liege, so trifft es tatsächlich zu, daß - was als amtsbekannt geltend kann - zufolge des Umstandes, daß nach der heute gegebenen gesellschaftlichen Struktur vor allem in Wien sehr oft beide Elternteile berufstätig sind, ganz allgemein ein besonders ausgeprägter Bedarf nach Schulen mit Halbinternaten besteht und daß derartige Schulen - und zwar ganz gleichgültig, ob sie konfessioneller oder anderer Art sind - einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Betreuung der Kinder und Jugendlichen leisten. Bei dieser Betrachtungsweise kann sich aber eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob in einem konkreten Fall die Errichtung einer Schule mit Halbinternat ein öffentliches Interesse im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 4 a des Mietengesetzes zu begründen vermöge, nicht unter dem Gesichtspunkt erübrigen, daß - worauf die belangte Behörde verweist - der geplante Neubau ebensogut in einem anderen Stadtteil errichtet werden könne. Denn bei lebensnaher Betrachtung wird es in einem solchen Fall darauf anzukommen haben, ob die betreffende natürliche oder juristische Person, die über ein bestimmtes Grundstück verfügt, das an sich zur Errichtung einer solchen Halbinternatsschule geeignet ist, mit ihrem Bauvorhaben auf dieser Liegenschaft einem öffentlichen Interesse im Sinne der zitierten Gesetzesstelle Rechnung trägt, und nicht darauf, ob sie etwa auch andere Grundstücke erwerben könne, die sich für den Bau eine solchen Halbinternatsschule eignen. Es ist daher darin, daß die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides nicht auch die Frage erörtert hat, ob unter den angeführten Gesichtspunkten im öffentlichen Interesse gelegene Gründe für die Durchführung des geplanten Bauvorhabens vorhanden seien, ein Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG 1950 über die Begründung von Bescheiden zu erblicken, wobei diese Begründungslücke bedeutungsvoll ist, weil sie zur Folge hat, daß die Partei die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht hinreichend erkennen kann und die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird.

Es ergibt sich sohin, daß der angefochtene Bescheid in mehrfacher Hinsicht mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet ist. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 aufzuheben.

Bemerkt sei noch, daß eine der mitbeteiligten Parteien, nämlich die Post- und Telegraphendirektion Wien, bereits in der mündlichen Verhandlung vom 9. Jänner 1964, weiters aber auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an dem Verbleiben der derzeit auf der gegenständlichen Liegenschaft untergebrachten Dienststellen behauptet und die erstinstanzliche Behörde überdies auch zum Ausdruck gebracht hat, daß auf der Liegenschaft für die Versorgung der Bevölkerung notwendige Betriebe untergebracht seien. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren klarzustellen haben, ob nicht widerstreitende öffentliche Interessen vorliegen, die teils für, teils gegen den geplanten Umbau sprechen, und eine gewisse Abwägung unter Bedachtnahme auf das Gemeinwohl vorzunehmen haben (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1957, Slg.N.F. Nr. 4501/A). Weiters wird aber die belangte Behörde im Hinblick darauf, daß - was auch im angefochtenen Bescheid nicht in Abrede gestellt wird - im Rahmen des § 19 Abs. 2 Z. 4 a des Mietengesetzes das unbestreitbar gegebene öffentliche Interesse an der Errichtung von Wohnbauten bei der behördlichen Entscheidung mit ins Gewicht fallen kann, wenn zusätzlich auch noch ein anderes öffentliches Interesse am geplanten Umbau besteht, im fortgesetzten Verfahren unter Berücksichtigung der Anzahl der in dem Neubau tatsächlich vorgesehenen, nicht unmittelbar oder mittelbar für Zwecke der Schule oder des Internates bestimmten Wohnungen zu klären haben, ob bzw. inwieweit durch den beabsichtigten Umbau eine Vermehrung an Wohnraum eintritt.

Der Ausspruch über die Zuerkennung des Aufwandersatzes für die Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gründet sich auf die Bestimmungen des § 47 Abs. 2 lit. a, § 48 Abs. 1 lit. d sowie § 49 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit Artikel I Abschnitt A Z. 2 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4. Hingegen war der erst in der angeführten Verhandlung gestellte Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuerkennung des Aufwandersatzes für die Beschwerde in der Höhe von S 1.000,-- gemäß § 59 Abs. 3 zweiter Satz VwGG 1965 wegen nicht rechtzeitiger Einbringung zurückzuweisen, weil die Zuerkennung dieses Aufwandersatzes im Sinne des § 59 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 schon in der Beschwerde selbst zu beantragen gewesen wäre.

Wien, am 18. Mai 1966

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1966:1965001948.X00

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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