TE Vwgh Beschluss 2021/11/25 Ra 2021/14/0353

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Veröffentlicht am 25.11.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8 Abs2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. September 2021, W103 1263457-2/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, stellte am 13. November 2004 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. März 2007 wurde dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gewährt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

2        Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 14. März 2016 wurde der Revisionswerber wegen Verbrechen nach §§ 278a, 278b Abs. 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 1. September 2017 wurde die Freiheitsstrafe auf fünf Jahre, fünf Monate und 15 Tage angehoben.

3        Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14. Mai 2018 wurde dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und festgestellt, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (I.). Unter einem wurde dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (III.), eine Rückkehrentscheidung (IV.) und ein unbefristetes Einreiseverbot (VI.) erlassen, sowie festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (V.).

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer Verhandlung der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. insofern statt, als es die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation für unzulässig erklärte. Im Übrigen wies es die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und III. als unbegründet sowie die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II., IV. und VI. mit einer näher genannten Maßgabe ab. Weiters sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, da es sich nur mit der Erlassung des Einreiseverbotes an sich, nicht hingegen mit der konkret verfügten Dauer auseinandergesetzt habe. Dem Erkenntnis könne nicht entnommen werden, auf welchen Überlegungen die Bestätigung des unbefristeten Einreiseverbotes beruhe. Das Bundesverwaltungsgericht verweise nur auf die im Rahmen der Rückkehrentscheidung (Punkt 3.4. des Erkenntnisses) angesprochenen Aspekte, ohne diese bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes zu würdigen. Der Revisionswerber verkenne nicht, dass gegen ihn zu Recht ein Einreiseverbot verhängt worden sei. Das Gericht habe jedoch weder darauf abgestellt, wie lange die vom Revisionswerber ausgehende Gefährdung zu prognostizieren sei, noch habe es auf seine privaten und familiären Interessen ausreichend Bedacht genommen.

9        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und auch für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots (vgl. VwGH 4.5.2021, Ra 2021/14/0053; 17.2.2021, Ra 2020/20/0393, jeweils mwN).

10       Im Rahmen der Gefährdungsprognose und der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots stützte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf das gravierende strafrechtliche Verhalten des Revisionswerbers. Es traf dazu umfassende Feststellungen und betonte in seinen Erwägungen, dass zu Lasten des Revisionswerbers besonders stark die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung wegen Verbrechen nach § 278a und § 278b Abs. 2 StGB ins Gewicht falle. Der Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass sich der Revisionswerber im Wissen, dass er terroristische Vereinigungen und deren strafbare Handlungen fördere, an zwei näher genannten terroristischen Vereinigungen beteiligt habe. Bei der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB handle es sich um eine der gravierendsten Straftaten des österreichischen Strafgesetzbuches, wobei der Revisionswerber zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren, fünf Monaten und 15 Tagen rechtskräftig verurteilt worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht hob fallbezogen - unter Hinweis auf das rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichtes Graz - hervor, dass insbesondere die Fortsetzung der Unterstützung der Terrororganisationen nach der erstmaligen Vernehmung des angeklagten Revisionswerbers als Ausdruck einer erheblichen Verfestigung seiner gegenüber rechtlich geschützten Werten gleichgültigen Einstellung zu werten sei. Wie dem Strafurteil auch zu entnehmen sei, habe der Revisionswerber geleugnet, eine Straftat begangen zu haben und keinerlei Verantwortung übernommen. Der Eindruck eines vollkommen fehlenden Unrechtsbewusstseins sei auch im Zuge der Einvernahme des Revisionswerbers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 8. Februar 2018 in keiner Weise entkräftet worden, zumal er die Straftat weiterhin geleugnet habe. Dieser Eindruck habe sich auch in der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhärtet. Der Revisionswerber stelle ohne jeden Zweifel nicht nur eine Gefährdung für das Individualrechtsgut der körperlichen Unversehrtheit anderer, sondern auch eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und des Staatsschutzes dar. Sein Verhalten sei als erhebliche Gefahr für die wesentlichen Grundinteressen der Gesellschaft anzusehen. In seinen Erwägungen berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht auch die familiären und privaten Bindungen des Revisionswerbers und führte ins Treffen, dass diese fallgegenständlich gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung und der Verhinderung weiterer Straftaten zurücktreten müssten. Es betonte, dass die Erlassung des Einreiseverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei und das persönliche Interesse des Revisionswerbers durch sein strafrechtliches Verhalten im Hinblick auf seine wesentlichen sozialen Komponenten stark gemindert sei, weshalb sich angesichts der konkreten Umstände der begangenen Straftaten das unbefristete Einreiseverbot als gerechtfertigt erweise.

11       Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der im Einzelfall vorgenommenen Gewichtung der festgestellten Umstände, im Besonderen vor dem Hintergrund der massiven Straffälligkeit des Revisionswerbers, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte. Auch die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots ist fallbezogen angesichts des vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts nicht als unvertretbar anzusehen.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140353.L00

Im RIS seit

20.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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