TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/29 I421 2244562-1

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Veröffentlicht am 29.07.2021
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Entscheidungsdatum

29.07.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I421 2244562-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. DEUTSCHLAND, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Astrid Wagner, Himmelpfortgasse 10, 1010 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (BFA-W) vom 05.07.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) besitzt seit 12.01.2009 eine unbefristete Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer).

2.       Der BF wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX zu XXXX vom 25.09.2014, rechtskräftig am 30.09.2014, wegen §§ 27 Abs 1 Z 1., 2. und 8. Fall, 27 Abs 2 SMG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je EUR 4,00 (EUR 240,00) im Nichterbringungsfall 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

3.       Der BF stellte am 15.01.2018 erneut einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung.

4.       Mit Schreiben vom 08.03.2018 ersuchte das Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, gemäß § 55 Abs 3 NAG das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit um Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung.

5.       Am 16.03.2018 teilte die belangte Behörde mit, dass keine Bedenken gegen die Erteilung einer Anmeldebescheinigung bestehen, weil es sich nur um eine geringfügige Verurteilung gehandelt habe.

6.       Mit Schreiben vom 06.11.2020 wurde der BF von der belangten Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG, in eventu Erlassung eines ordentlichen Schubhaftbescheides gemäß § 76 FPG verständigt. Gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung gegeben.

7.       Zuletzt wurde der BF mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 06.04.2021 zu XXXX wegen den Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach dem § 278b Abs 2 StGB und wegen den Verbrechen der kriminellen Organisation nach dem § 278a StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von dreieinhalb Jahren verurteilt.

8.       Mit Bescheid der belangten Behörde vom 2021, Zl. XXXX , wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

9.       Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der BF durch seine Rechtsvertretung rechtzeitig mit Schreiben vom 15.07.2021, beim BFA eingelangt am selbigen Tag, das Rechtsmittel der Beschwerde. Begründend brachte er im Wesentlichen vor, dass es sich beim BF nicht um eine gefährliche Person handle, er sich im Strafverfahren reumütig geständig gezeigt habe und sich mit seinem Fehlverhalten auseinandergesetzt habe. Der BF habe einen Lehrabschluss als Restaurantfachmann sowie ein Diplom als Sozial- und Berufspädagoge. Allein der Umstand, dass der BF mit dem Attentäter vom Anschlag am XXXX Kontakt gehabt hätte, bedeute nicht gleichzeitig, dass der BF mit diesem Terroranschlag etwas zu tun hätte. Die belangte Behörde habe dem Privat- und Familienleben des BF zu wenig Bedeutung beigemessen und würden die familiären und privaten Interessen jedenfalls weit den öffentlichen Interessen überwiegen. Schließlich habe die belangte Behörde auch in das Recht des BF auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK massiv eingegriffen. Beantragt werde daher, das Bundesverwaltungsgericht möge, eine mündliche Verhandlung anberaumen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, in der Sache selbst erkennen und den angefochtenen Bescheid des BFA vom 05.07.2021 dahingehend abändern, dass kein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werde, in eventu in der Sache selbst erkennen und das Aufenthaltsverbot herabsetzen, dem BF einen Durchsetzungsaufschub gewähren, den angefochtenen Bescheid aufheben und die Verwaltungssache zur Verfahrensergänzung an die Behörde zurückverweisen, der Beschwerde jedenfalls die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

10.      Mit Schreiben vom 19.07.2021, beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck eingelangt am 22.07.2021, wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen. Gleichzeitig wurde zur Beschwerde eine Stellungnahme abgegeben und ausgeführt, dass vom BF weiterhin eine Gefahr ausgehe und der BF nachweislich weiterhin in Strafhaft versuche, diverse Insassen zu radikalisieren. Dass der BF einen Lehrabschluss als Restaurantfachmann absolviert habe, sei gewürdigt worden und sei der BF seinen erlernten Beruf seit längerem nicht nachgegangen. Das Aufenthaltsverbot greife zwar in das Privatleben ein und sei bei der rechtlich gebotenen Abwägung die Familie zu berücksichtigen. Diesem Interesse an einem Verbleib in Österreich stehe jedoch die schwerwiegende Verurteilung und das große öffentliche Interesse an der Verhinderung derartig strafbarer Handlungen und an der Einhaltung fremdenpolizeilicher Bestimmungen gegenüber.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der volljährige BF ist deutscher Staatsangehöriger und am XXXX in XXXX /Türkei geboren. Der BF ist somit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 8 FPG idgF. Die Identität steht fest.

Der BF verfügt seit 12.01.2009 über eine unbefristete Anmeldebescheinigung. Der BF ist mit einer Unterbrechung vom 28.02.2017 bis 11.09.2017 seit 29.10.2008 durchgehend melderechtlich in Österreich mit Hauptwohnsitz erfasst. Zuletzt lebte er mit seiner Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt. Seit 07.10.2020 befindet er sich in Strafhaft in der Justizanstalt XXXX .

Der BF ist seit dem Jahr 2017 in aufrechter Lebensgemeinschaft mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX . Der BF ist Vater von zwei minderjährigen Kindern und verfügt mit seiner Lebensgefährtin über die gemeinsame Obsorge von XXXX .

Die Lebensgefährtin des BF ist Freizeitpädagogin und derzeit in Karenz, weshalb sie Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von EUR 14,53 täglich und Wochengeld in der Höhe von EUR 57,73 täglich erhält. Weiters wurde ihr Wohnbeihilfe in der Höhe von EUR 62,23 monatlich sowie Mindestsicherung und Familienbeihilfe zuerkannt.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Der BF absolvierte eine Lehre zum Gastronomie- und Restaurantfachmann. Der BF ist im Bundesgebiet mit zeitlichen Unterbrechungen verschiedenen Erwerbstätigkeiten jeweils über einen kurzen Zeitraum nachgegangen, hat jedoch auch über längere Zeiträume Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen. Es liegt keine berufliche Integration des BF im Bundesgebiet vor. Zuletzt war er vom 08.06.2020 bis zum 17.07.2020 bei der XXXX beschäftigt. Derzeit geht der BF keiner regelmäßigen Beschäftigung nach.

Der BF bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Die Familie des BF, bestehend aus Eltern und vier Geschwistern, besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft, leben in XXXX und verfügen über eine unbefristete Anmeldebescheinigung. Der BF wurde bisher während seines Haftaufenthaltes jeweils einmal von seinem Vater und seiner Mutter und dreimal von einem seiner Geschwister besucht.

Der Strafregisterauszug des BF weist folgende Verurteilung auf:

01) LG F.STRAFS. XXXX vom 06.04.2021 RK 06.04.2021

§ 278b (2) StGB

§ 278a StGB

Datum der (letzten) Tat 01.10.2020

Freiheitsstrafe 3 Jahre 6 Monate

Demnach ist der BF schuldig, er hat sich in Wien und in anderen Orten bis zumindest 1.10.2020 – teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer abgesondert verfolgten Person in Wien und Syrien

A./ als Mitglied an den terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und Syrien und „Jabhat als Nusrah“ bzw „Al-Nusrah Front“, seit 2016 auch bekannt als „Dschabhat Fath al-Scham“, die beide aus der seit zumindest 2014 bestehenden Terrororganisation „Al Qaida im Irak“ hervorgingen und darauf gerichtet sind, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten ausgeführt werden oder Terrorfinanzierung betrieben wird, beteiligt, wobei er im Wissen handelte, durch seine Beteiligung diese beiden Vereinigungen in ihrem Ziel, in Syrien und im Irak einen radikal-islamistischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren strafbare Handlungen zu fördern, und zwar indem er

a./ gemeinsam mit einer weiteren Person im Frühjahr 2017 über die Türkei in die von der terroristischen Vereinigung „Dschabhat Fath al-Scham“ beherrschte Region Idlib in Syrien reiste, sich dort der Vereinigung „Dschabhat Fath al-Scham“ anschloss und in Syrien für diese Vereinigung kämpfende Personen zumindest psychisch in ihrem Kampf gegen das syrische Regime unterstützte und in ihren Taten bestärkte;

b./ nach seiner Rückkehr nach Österreich ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im September 2017 bis zu seiner Inhaftierung seine radikal-islamistischen Ansichten und Sympathien zum IS gegenüber zahlreichen Gesprächspartnern (telefonisch) sowie in Gruppenchats verbreitete und diese aufforderte, sich Hass-Predigten der bekannten radikalen, den IS unterstützenden Hass-Prediger „Abu Hamza al Afghani“, „Ebu Tejma“ und „Ebu Muhammed“ anzusehen sowie einzelne Predigten ins Deutsche übersetzte und anschließend weiterleitete, und zwar unter anderem dadurch, dass er

?        ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Anfang des Jahres 2020 bis zu seiner Inhaftierung zumindest seinen Bruder XXXX , seine Mutter XXXX und seinen Vater XXXX , eine nicht ausgeforschte weibliche Person namens „ XXXX “, ein weiteres unbekanntes Mädchen und XXXX in wiederholten Telefonaten aufforderte, sich Predigten des radikal-islamistischen Hasspredigers „Ebu Hanzala“ anzusehen;

?        am 27.06.2020 ein bislang nicht ausgeforschtes Mädchen in einem Telefonat zur Bekämpfung der Ungläubigen aufforderte;

?        am 06.07.2020 gegenüber einem bislang nicht ausgeforschten Mädchen die Predigten der bekannten radikalen Hass-Prediger „Abu Hamza als Afghani“, „Ebu Tejma“ und „Ebu Muhammed“ lobte und verteidigte;

?        gegenüber XXXX die Predigten des „Ebu Hanzala“ lobte;

?        gemeinsam mit XXXX Videos von „Ebu Hanzala“ konsumierte und deren Inhalt verteidigte.

B./ durch die unter Punkt A./ näher bezeichneten Handlungen an auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindungen einer größeren Zahl von Personen, nämlich der international agierenden terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und Syrien und „Jabhat als Nusrah“ bzw. „Al-Nusrah Front“, die aus der seit zumindest 2014 bestehenden Terrororganisation „Al Qaida im Irak“ hervorgingen, als Mitglied in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung in ihrem Ziel, im Irak, in Syrien, im Libanon, in Jordanien und in Palästina einen radikal-islamistischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zur Erreichung dieses Ziels förderten, wobei diese Vereinigung, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, sowie schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, insbesondere dem tatsächlichen kriegerischen Einsatz erlangter Mittel, ausgerichtet ist, indem sie seit Sommer 2011 insbesondere in Syrien und im Irak unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB die Zerstörung des syrischen und irakischen Staates betreibt, in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet und vertreibt, sich deren Vermögen aneignet, durch Geiselnahme große Geldsummen erpresst, die vorgefundenen Kunstschätze veräußert und Bodenschätze, insbesondere Erdöl und Phosphat, zu ihrer Bereicherung ausbeutet, die durch all diese Straftaten eine Bereicherung im großem Umfang anstrebt und Dritte durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge insbesondere in Syrien und im Irak, aber auch in Europa, einschüchtert und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaus, ihrer Finanzstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation, gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abschirmt.

Hierdurch hat der BF die Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach dem § 278b Abs 2 StGB und die Verbrechen der kriminellen Organisation nach dem § 278a StGB begangen und wurde hierfür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 278b Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren verurteilt. Erschwerend wurde dabei das Zusammentreffen von Verbrechen und die Tatbegehung über einen längeren Zeitraum, mildernd das teilweise Geständnis und der bisherige ordentliche Lebenswandel gewertet. Dabei erschien dem Gericht die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren als notwendig, um spezialpräventiv dem Unrechtsgehalt der Taten, den Charaktermangel sowie der Schuld des BF gerecht zu werden. Zusätzlich musste aber auch aus generalpräventiven Überlegungen eine Sanktion gefunden werden, die deutlich macht, dass insbesondere Straftaten, die in Zusammenhang mit einer politisch oder religiösen Radikalisierung begangen werden, für die angestrebte offene, pluralistische, gleichberechtigte, demokratische und rechtsstaatliche Zielsetzung unserer Gesellschaft in hohem Maße abträglich sind und daher auch entsprechend sanktioniert werden müssen.

2.       Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1.    Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2.    Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides, der schriftlichen Stellungnahme der Lebensgefährtin und des Beschwerdeschriftsatzes und des Strafurteiles zu XXXX . Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Strafregisters, des Betreuungsinformationssystems und ein Sozialversicherungsdatenauszug eingeholt.

2.3.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF konnte im Verfahren einen deutschen Reisepass vorlegen, weshalb seine Identität zweifelsfrei feststeht.

Aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister gründen die Feststellungen über den Aufenthalt des BF im Bundesgebiet. Dass der Beschwerdeführer über eine Anmeldebescheinigung verfügt, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister.

Die Feststellung, dass der BF seit 2017 in einer Lebensgemeinschaft ist, basiert auf der schriftlichen Stellungnahme vom 24.06.2021 (AS 99). Die Angaben betreffend seine Lebensgefährtin, den gemeinsamen Kindern sowie den Bezug der finanziellen Leistungen waren den im Akt befindlichen Dokumenten sowie Bestätigungen zu entnehmen (AS 82 ff; 99 ff). Dem fehlenden Obsorgebeschluss sowie der fehlenden Anerkennung bzw. der fehlenden Eintragung in der Geburtsurkunde des letztgeborenen Kindes war zu entnehmen, dass der BF nicht über die Obsorge über das letztgeborene Kind verfügt und die Vaterschaft nicht anerkannt wurde. Aufgrund der nachvollziehbaren Erklärungen in der Stellungnahme, dass der BF 10 Tage nach der Geburt des Kindes inhaftiert wurde und allein aus diesem Grund die Anerkennung der Vaterschaft nicht erfolgte, erachtet es das Gericht als glaubhaft, dass der BF auch der Vater des letztgeborenen Kindes ist.

Der Umstand, dass der BF gesund ist, wird durch seine Haftfähigkeit indiziert und ist im gesamten Akteninhalt nichts Gegenteiliges ersichtlich geworden. Daraus lässt sich auf die Arbeitsfähigkeit des BF schließen, welche weiters im erwerbsfähigen Alter des BF begründet liegt.

Im Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF wird seine berufliche Tätigkeit ersichtlich, weiters auch seine Bezüge von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Bei Zusammenzählung der einzelnen Erwerbstätigkeiten des BF im Bundesgebiet kann - wie von der belangten Behörde ausgeführt wurde – nicht von einer beruflichen Integration ausgegangen werden. Dass der BF einen Lehrabschluss als Restaurantfachmann absolviert hat, war dem angefochtenen Bescheid sowie seinem Beschwerdeschriftsatz zu entnehmen.

Die Angaben zu seinen Eltern und seinen Geschwistern basieren auf den im Akt befindlichen Auszügen aus dem Zentralen Melderegister (AS 48 ff). Wie oft der BF bisher von seiner Familie in der Justizanstalt XXXX besucht wurde, ergibt sich aus der eingeholten Besucherliste vom 30.06.2021 (AS 111).

Eine maßgebliche Integration in sozialer Hinsicht scheitert an der Verurteilung des BF in Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten, wobei die diesbezüglichen Details seiner Verurteilung samt Milderungs- und Erschwernisgründe dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom , rechtskräftig seit dem selbigen Tag, zu XXXX zu entnehmen waren.

Auch wurde amtswegig mit 2021 ein Strafregisterauszug zur Person des BF eingeholt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Zur Verhängung eines Aufenthaltsverbots (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1   Rechtslage:

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF lautet:

§ 67 (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet wie folgt:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs 4 aufgehoben durch Art 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

3.1.2.  Zur Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Der BF war von 29.10.2008 bis 28.02.2017 und dann wieder seit 11.09.2017 durchgehend im Bundesgebiet melderechtlich erfasst. Da sich der BF somit mehr als 6 Monate außerhalb von Österreich aufgehalten hat, wurde sein zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet unterbrochen.

§ 67 Abs. 1 FPG enthält zwei Stufen für die Gefährdungsprognose, nämlich einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet bzw. im Fall von Minderjährigen (VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181; 15.09.2016, Ra 2016/21/0262).

Der zum erhöhten Gefährdungsmaßstab führende zehnjährige Aufenthalt im Bundesgebiet muss grundsätzlich ununterbrochen sein. Es können einzelne Abwesenheiten des Fremden unter Berücksichtigung von Gesamtdauer, Häufigkeit und der Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, Österreich zu verlassen, auf eine Verlagerung seiner persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen schließen lassen. Auch der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen ist grundsätzlich geeignet, die Kontinuität des Aufenthaltes iSd Art. 28 Abs. 3 lit. a der Freizügigkeitsrichtlinie zu unterbrechen und sich damit auf die Gewährung des dort vorgesehenen verstärkten Schutzes auch in dem Fall auszuwirken, dass sich der Fremde vor dem Freiheitsentzug mehrere Jahre lang (kontinuierlich) im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat (VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079).

Gegenständlich hat der BF das Bundesgebiet im Februar 2017 verlassen um in die Türkei und schließlich weiter nach Syrien zu reisen und ist seit September 2017 wieder melderechtlich in Österreich erfasst. Vor seiner Ausreise lebte der BF bereits acht Jahre in Österreich. Die Kontinuität seines Aufenthaltes wurde – abgesehen von dem derzeitigen Haftaufenthalt seit 07.10.2020 – ansonsten durch keine Strafhaft unterbrochen. Allerdings hat der knapp mehr als sechsmonatige Aufenthalt des BF im Ausland im Jahr 2017 die Kontinuität seines Aufenthaltes in Österreich unterbrochen, weshalb der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 FPG maßgeblich ist. Festzuhalten ist, dass es auch bei Anwendung des erhöhten Gefährdungsmaßstabes im Ergebnis zu keiner anderen Entscheidung gekommen wäre, weil der BF durch seine strafgerichtliche Verurteilung im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten die Bestimmung des § 67 Abs 3 Z 2 FPG erfüllt und damit das Vorliegen einer Gefährdung im Sinn des § 67 Abs 1 FPG indiziert ist.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde gegen den BF ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs 1 und 3 FPG erlassen - wegen der über den BF verhängten unbedingten Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren.

Nach der Rechtsprechung ist bei der Erstellung von Gefährdungsprognosen das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und in Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dessen Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne Weiteres die erforderliche Gefährdungsprognose begründen können (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367 mit Hinweis auf VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0305).

Im Fall des BF steht dennoch seine Verurteilung wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der Verbrechen der kriminellen Organisation im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei bedarf es der Berücksichtigung, dass sich der BF als Mitglied an den terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und Syrien und „Dschabhat Fath al-Scham“ beteiligt hat, wobei er im Wissen handelte, durch seine Beteiligung diese beiden Vereinigungen in ihrem Ziel, in Syrien und im Irak einen radikal-islamistischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren strafbare Handlungen zu fördern, und zwar indem er gemeinsam mit einer weiteren Person in die von der terroristischen Vereinigung „Dschabhat Fath al-Scham“ beherrschte Region Idlib in Syrien reiste, sich dort der Vereinigung „Dschabhat Fath al-Scham“ anschloss und in Syrien für diese Vereinigung kämpfende Personen zumindest psychisch in ihrem Kampf gegen das syrische Regime unterstützte und in ihren Taten bestärkte. Nach seiner Rückkehr nach Österreich verbreitete er bis zu seiner Inhaftierung seine radikal-islamistischen Ansichten und Sympathien zum IS gegenüber zahlreichen Gesprächspartnern (telefonisch) sowie in Gruppenchats und forderte diese auf, sich Hass-Predigten der bekannten radikalen, den IS unterstützenden Hass-Prediger „Abu Hamza al Afghani“, „Ebu Tejma“ und „Ebu Muhammed“ anzusehen und übersetzte einzelne Predigten ins Deutsche und leitete sie anschließend weiter. Wesentlich ist, dass zu einen seiner Kontaktpersonen nach seiner Rückkehr unter anderem XXXX und XXXX zählten, wobei letzterer bei seinem eigenen Terroranschlag am 02.11.2020 in XXXX verstarb. Mit diesen hatte sich der BF im Zuge seiner Radikalisierung oft in der XXXX Moschee in Wien aufgehalten, die damals von dem bereits oben angeführten „ XXXX “ geführt worden war. Der BF hat sich der international agierenden terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und Syrien und „Dschabhat Fath al-Scham“ als Mitglied mit dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung in ihrem Ziel, in Syrien, im Libanon, in Jordanien und in Palästina einen radikal-islamistischen Gottesstaat zu errichten, und deren terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zur Erreichung dieses Ziels förderte.

Zu betonen ist, dass die Taten der vom BF geförderten kriminellen Organisation und terroristischen Vereinigung ein exorbitantes Gefährdungs- und Zerstörungsausmaß aufweisen.

Bei den vom BF begangenen Delikten handelt es sich ohne Zweifel um ein die öffentliche Sicherheit und Ordnung besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten des BF (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238), welches nicht nur auf das Fehlen einer Verbundenheit zu österreichischen Gesetzen und gesellschaftlichen Regeln hinweist, sondern vielmehr ein Ablehnen westlich-demokratischer Rechte an sich und die Bereitschaft einen politischen Umschwung allenfalls auch mit Gewalt herbeizuführen erkennen lässt. Trotz allseits bekannter Gräueltaten und westlich-demokratischer Werte verneinender Einstellung des IS schloss sich der BF dem IS an, lobte und verteidigte Predigten von radikalen Hass-Predigern und versuchte auch neue Mitglieder in Österreich anzuwerben.

Derartige Wertvorstellungen stehen den in Österreich gelebten Grund- und Menschenrechten sowie westlich-demokratischen Werten diametral entgegen, und stellen sowohl die Handlungen des BF eine eindringliche Gefahr für die öffentlichen Interessen der Republik Österreich dar.

Angesichts des festgestellten strafrechtswidrigen Verhaltens des BF und seiner ebenfalls festgestellten, diesem Verhalten zu Grunde liegenden ideologischen Einstellung, ist davon auszugehen, dass die Gefährdungsprognose zu bejahen ist. Das bedarf hinsichtlich des Ausmaßes der von terroristischen Aktivitäten ausgehenden Gefahr keiner näheren Erörterung.

Aber auch an der Aktualität dieser Gefahr ist nicht zu zweifeln, weil die letzte Tathandlung noch kein Jahr zurückliegt und die Strafhaft des BF noch mehrjährig andauert. Wenn im Beschwerdeschriftsatz ausgeführt wird, dass sich der BF vom ideologischen Gedankengut des IS abgewendet hat, vermag dies an der von ihm ausgehenden Gefahr nichts ändern. Es kann angesichts des erst kurzen Zeitraums seit seiner strafrechtlichen Verurteilung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Gesinnungswandel des BF nachhaltig und unumkehrbar ist. In diesem Zusammenhang gilt insbesondere der Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 27.05.2021 hervorzuheben, aus welchem hervorgeht, dass der BF weiterhin versucht Mithäftlinge der Justizanstalt XXXX zu radikalisieren (AS 106 ff). Für den erkennenden Richter ist damit keine positive Zukunftsprognose zu stellen.

Im Übrigen ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat und dieser Zeitraum umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat (siehe zuletzt VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276). Dieser Wohlverhaltenszeitraum beginnt beim BF frühestens nach der Entlassung aus der Strafhaft. Der BF verbüßt derzeit seine dreijährige Freiheitsstrafe, weshalb ein Wegfall der durch die strafgerichtliche Verurteilung indizierten Gefährlichkeit des BF nicht angenommen werden kann.

Es herrscht ein großes öffentliches Interesse an einem geregelten Fremdenwesen in Österreich vor und läuft die Nichtbeachtung von Rechtsnormen, insbesondere jener zur Hintanhaltung von Terror und organisierte Kriminalität, dem maßgeblich zu wieder (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238). Überdies ist durch die vom BF begangenen Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach dem § 278b Abs 2 StGB und der kriminellen Organisation nach dem § 278a StGB die Bestimmung des § 67 Abs 3 Z 2 FPG erfüllt, welcher unter anderem bestimmt, dass ein Aufenthaltsverbot insbesondere dann unbefristet erlassen werden kann, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR Bürger (…) einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat (…). Wie bereits anfangs erwähnt, ist davon auszugehen, dass bei Erfüllen eines der in § 67 Abs. 3 FPG enthaltenen Tatbestände das Vorliegen einer Gefährdung im Sinn des § 67 Abs 1 FPG indiziert ist (VwGH 09.11.2011, 2011/22/026).

In Zusammenschau mit dem Umstand, dass der BF durch seine im Strafurteil angeführten gesetzwidrigen Handlungen insbesondere auch eine Gefährdung der Unabhängigkeit und Sicherheit der Republik Österreich und der Unversehrtheit der Bewohner bewusst in Kauf genommen hat, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots unerlässlich.

Die Verhältnismäßigkeit eines Aufenthaltsverbots ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Zugunsten des BF ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass er seit dem Jahr 2009 über eine Anmeldebescheinigung verfügt, weiters wird sein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet mit sechsmonatiger Unterbrechung nicht verkannt. Hinsichtlich seiner beruflichen Integration bleibt neuerlich festzuhalten, dass er verschiedenen Erwerbstätigkeiten über einen kurzen Zeitraum im Bundesgebiet nachgegangen ist und über einen geraumen Zeitraum Sozialleistungen bezogen hat. Somit kann nicht von einer beruflichen Verfestigung ausgegangen werden.

Der langjährige Aufenthalt im Inland und die soeben dargelegten Integrationsmomente werden weiters durch die strafrechtliche Verurteilung des BF erheblich relativiert (vgl. VwGH 06.10.2020, Ra 2019/19/0332).

Neben den privaten Interessen ist bei der Einschätzung des persönlichen Interesses auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0330 mit Hinweis auf VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247, mwN). Der Begriff des Familienlebens in Art 8 EMRK umfasst jedenfalls die Beziehung von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten und schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art 8 Abs. 1 MRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 02.08.2016, Ra 2016/20/0152 mit Verweis auf VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093).

Hinsichtlich seiner in Österreich lebenden Eltern und Geschwister bleibt festzuhalten, dass zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit – wie insbesondere auch eine finanzielle Abhängigkeit – gegenständlich nicht hervorgetreten sind oder behauptet wurden und daher die Bindung zu ihnen allenfalls unter dem Privatleben des BF zu berücksichtigen ist. Hierbei gilt hervorzuheben, dass der BF bisher lediglich jeweils einmal von seinen Eltern in der Justizanstalt besucht worden ist.

Gegenständlich bleibt besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass die Lebensgefährtin mit den minderjährigen Kindern im Bundesgebiet lebt und der BF damit jedenfalls ein Familienleben in Österreich aufweist. Nach ständiger Rechtsprechung sind auch die Auswirkungen der Entscheidung auf das Kindeswohl zu bedenken und muss dieser Umstand bei der Interessenabwägung nach Art 8 Abs. 2 MRK bzw. § 9 BFA-VG hinreichend berücksichtigt werden (VwGH 26.02.2020, Ra 2019/18/0456 mit Hinweis auf VfGH 11.6.2018, E 343/2018, mwN), wobei ein Kind grundsätzlich Anspruch auf „verlässliche Kontakte“ zu beiden Elternteilen hat (VwGH 16.07.2020, Ra 2020/18/0226 mit Hinweis auf VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0282).

In Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung wurde entsprechend judiziert, dass eine Rückkehrentscheidung, die zwangsläufig zu einer Trennung eines Kleinkindes von Mutter oder Vater (die in Lebensgemeinschaft leben) führt, in jedem Fall eine maßgebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls darstellt (VwGH 24.10.2019, Ra 2018/21/0246). Die Aufrechterhaltung des Kontaktes mittels moderner Kommunikationsmittel mit einem Kleinkind ist kaum möglich und kommt dem Vater eines Kindes (und umgekehrt) grundsätzlich das Recht auf persönlichen Kontakt zu (VwGH 06.10.2020, Ra 2019/19/0332 mit Hinweis auf VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0128). Wird ein Kind durch die Rückkehrentscheidung gegen den Vater gezwungen, ohne diesen aufzuwachsen, so bedarf diese Konsequenz einer besonderen Rechtfertigung (vgl. etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0282). Sie kann etwa dann bejaht werden, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie insbesondere bei Straffälligkeit des Fremden (vgl. VwGH 19.06.2020, Ra 2019/19/0475). Insbesondere schwerwiegende kriminelle Handlungen aus denen sich eine vom Fremden ausgehende Gefährdung ergibt, können die Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher auch dann tragen, wenn diese zu einer Trennung von Familienangehörigen führt (VwGH 08.04.2020, Ra 2020/14/0108 mit Hinweis auf VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0359, mwN).

Was die Gefährdung des Kindeswohls betrifft, kann diese angesichts des Gesamtverhaltens des BF, ein Aufenthaltsverbot nicht verhindern. Es gilt zu berücksichtigen, dass die Beziehung des BF zu seinen minderjährigen Kindern bereits durch die Anhaltung des BF in Strafhaft eine Einschränkung erfuhr und die Kindesmutter aus diesem Grund das alleinige Sorgerecht über das letztgeborene Kind innehat. Die Kindesmutter war damit ob der Straffälligkeit des BF bei der Erziehung und Betreuung der minderjährigen Kinder schon bisher auf sich alleine gestellt. Hätte sich der BF wohlverhalten, so würde sich der Vater weder in Strafhaft befinden, noch ein Aufenthaltsverbot bekommen, und könnte sich um seine Familie kümmern.

Wesentliche erscheint auch, dass sich der BF bewusst sein hat müssen, welche Folgen eine strafgerichtliche Verurteilung auf seinen Aufenthalt in Österreich haben kann, zumal sein Aufenthaltsrechts bereits im Jahr 2018 wegen einer Verurteilung des BF überprüft wurde und damals nur aufgrund der geringfügigen Verurteilung keine Bedenken gegen eine Anmeldebescheinigung ausgesprochen wurden (AS 3).

Der VwGH hat judiziert, dass es, um die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen zu können, bei einem seit seinem achten Lebensjahr im Bundesgebiet lebenden Fremden, der eine österreichische Lebensgefährtin und mit dieser ein gemeinsames Kind hat, in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG einer besonders massiven vom Fremden ausgehenden Gefahr bedarf, was nicht allein aus der Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe nach den §§ 278a und 278b StGB abgeleitet werden kann (VwGH 29.09.2020, Ra 2020/21/0112).

Der BF ist seit dem Jahr 2008 in Österreich und im Entscheidungszeitpunkt 28 Jahre alt. Der BF ist in Deutschland aufgewachsen und kennt die Gepflogenheiten dort. Der BF verbüßt eine unbedingte Freiheitsstrafe und hat die strafbaren Handlungen über einen längeren Zeitraum hinweg begangen.

Unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftaten des BF und auf sein Persönlichkeitsbild, das von schwerer krimineller Energie geprägt ist, überwiegt trotz der familiären Verbindungen in Österreich das öffentliche Interesse und die Sicherheit. Allfällige damit verbundene Schwierigkeiten bei der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Verhinderung von terroristischen Verbrechen, hinzunehmen. Betreffend des Kindeswohles ist auszuführen, dass es sich bei den terroristischen Handlungen des BF um ein die öffentliche Sicherheit und Ordnung besonders schwer gefährdendes Fehlverhalten gehandelt hat, weswegen er nun auch einen Eingriff in sein Familienleben und eine Trennung von seinen Kindern hinnehmen muss. In Anbetracht dessen, dass der BF unter anderem auch seine Familienmitglieder von seinen radikal-islamistischen Ansichten überzeugen wollte, nun auch in Strafhaft weiterhin versucht, Mithäftlinge zu radikalisieren und eine Fortsetzung des delinquenten Verhaltens des BF damit nicht ausgeschlossen werden kann, hat das gemeinsame Familienleben hintanzustehen.

Zusammengefasst steht dem familiären Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich die schwerwiegende Verurteilung des BF und das große öffentliche Interesse an der Verhinderung derartig strafbarer Handlungen und an der Einhaltung fremdenpolizeilicher Bestimmungen gegenüber.

Aufgrund des Umstandes, dass Deutschland an Österreich angrenzt, wird es der Mutter und den Kindern möglich und zumutbar sein, den BF (nach Verbüßung seiner Haft) in Deutschland zu besuchen und auf diese Weise den Kontakt zu seinen Kindern aufrechtzuerhalten. Überdies wird der BF aufgrund seines Alters, seiner Gesundheit und seiner beruflichen Ausbildung bei der Rückkehr nach Deutschland nicht auf unüberwindliche Probleme stoßen. Es wird ihm gelingen, sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit seinen Lebensunterhalt zu sichern.

Für den BF besteht zudem die Möglichkeit, den Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Kontakten mittels moderne Kommunikationsmittel (Internet, Telefon) und durch wechselseitige Besuche außerhalb Österreichs aufrecht zu erhalten. Es wird nicht verkannt, dass mit den minderjährigen Kindern die Aufrechterhaltung auf diesem Wege nicht ohne Schwierigkeiten möglich sein wird, es gilt jedoch diesbezüglich festzuhalten, dass die Beziehung zu seinen Kindern bereits ob des Haftaufenthaltes des BF seit Oktober 2020 entsprechend erschwert war.

Derartige generalpräventive Erfordernisse, welche fallkonkret eine strenge Sanktionierung erfordern, liegen im Anlassfall vor, gilt es doch aufgrund des in den letzten Jahren beobachteten Phänomens einer Vielzahl von heimtückisch geplanten Terroranschlägen, welche von Mitgliedern oder Sympathisanten der Terrororganisation des Islamischen Staates verübt wurden, jeglichen Eindruck einer Bagatellisierung einer derartigen Delinquenz zu vermeiden und andere potentiell tatgeneigte Rechtsbrecher von der Begehung gleichgelagerter Straftaten abzuhalten.

Das persönliche Verhalten des BF stellt eine erhebliche und gegenwärtige Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft und für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Aufgrund der massiven Delinquenz des BF, der über ihn verhängten unbedingten dreieinhalbjährigen Haftstrafe kommt angesichts des beträchtlichen Handlungs- und Gesinnungsunwerts des BF sowie dem hohen demokratischen und sozialen Störwert der Taten in einer Gesamtbetrachtung unter Bedachtnahme auf die in § 67 Abs 1 FPG iVm § 9 BFA-VG und Art 28 Abs 1 RL 2004/38/EG festgelegten Kriterien keine Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbotes in Betracht.

Das unbefristete Aufenthaltsverbot erweist sich unter Beachtung der besonderen Straffälligkeit, den hohe Unwerten der Taten, insbesondere im Hinblick auf die Unterstützung und Bewerbung einer Terrororganisation und deren Handeln, die solchen Straftaten zugrundeliegenden Wertvorstellungen und Negierung westlich-demokratischer Werte und der sich daraus ergebenden negativen Zukunftsprognose gegenständlich als verhältnismäßig und angemessen.

3.2.    Zum Nichterteilen eines Durchsetzungsaufschubs und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.  Rechtslage:

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Dafür genügt es nicht, auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich gewesen sind. Dies gilt sinngemäß auch für die unter den (im Wesentlichen) inhaltsgleichen Voraussetzungen gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG 2014 mögliche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf die Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot. Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG 2005 hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung des Fremden schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – erforderlich ist (VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.2.2.  Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, erweist sich die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als erforderlich, dies aufgrund des an den Tag gelegten Gesamtverhaltens des BF, welches eine massive Beeinträchtigung der Grundinteressen erkennen lässt, insbesondere wegen den vom BF begangenen Verbrechen im Zusammenhang mit Terrorismus.

Eine sofortige Ausreise nach Verbüßung seiner Haftstrafe erscheint daher ob der gravierenden Straftaten des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit jedenfalls notwendig.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist vor diesem Hintergrund korrekturbedürftig, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Zweifellos kommt bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Jedoch ist daraus aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des BF sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052 mit Hinweis auf VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289). Von der Durchführung einer Verhandlung kann dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt scheint (VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0116 mit Hinweis auf VwGH 10.8.2017, Ra 2016/20/0105, 0106, mwN). Dabei steht die Regelung des § 21 Abs 7 BFA-VG auch mit Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) im Einklang (VwGH 04.12.2017, Ra 2017/19/0316).

Der maßgebende Sachverhalt wurde seitens der belangten Behörde insbesondere in Hinblick auf die wesentlichen Feststellungen zu den vom BF in Österreich begangenen strafbaren Handlungen ermittelt, zudem auch die entsprechenden Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF im Bundesgebiet getroffen. Zusätzlich wurde dem BF die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme gegeben und die Lebensgefährtin zu einer Einvernahme vor der belangten Behörde geladen. Da sie diesen Termin nicht wahrnehmen konnte, erging eine schriftliche Beantwortung der Fragen. Aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich weiters keine maßgeblichen neuen Sachverhaltselemente. Eine Notwendigkeit, den Sachverhalt im Zuge einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu erörtern, wird vom erkennenden Richter gegenständlich nicht als zielführend erachtet, zumal keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vorliegen und auch keine Beweise aufzunehmen sind (vgl. VwGH 30.12.2016, Ra 2016/21/0179. Es konnte daher aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Unter diesen Umständen hätte, selbst wenn der erkennende Richter sich einen positiven persönlichen Eindruck vom BF verschafft hätte, kein günstigeres Ergebnis abgeleitet werden können (vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0430).

Im vorliegenden Fall konnte daher, in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I421.2244562.1.00

Im RIS seit

03.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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