TE Bvwg Beschluss 2021/9/17 W242 2200725-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2021
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Entscheidungsdatum

17.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch


W242 2200725-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. HEUMAYR über den Antrag des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX Rechtsanwälte GmbH, XXXX , auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung am 20.08.2021, betreffend die Beschwerde vom 03.07.2018 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2018, Zl. XXXX :

A)       Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 08.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari seine niederschriftliche Erstbefragung statt.

Am 01.02.2018 erfolgte in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari, einer Vertrauensperson des Antragstellers und seines rechtsfreundlichen Vertreters seine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der er ausführlich zu seinen persönlichen Verhältnissen, seinem Leben in Afghanistan und im Iran, seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt wurde.

Mit Bescheid vom 25.06.2018, Zl. XXXX , wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Antragsteller wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII.) und erließ gegen den Antragsteller ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren (Spruchpunkt VIII.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 03.07.2018 Beschwerde wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verfahrensmängeln.

Mit Beschluss vom 13.07.2018, GZ. XXXX , wurde der Beschwerde des Antragstellers aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Am 12.07.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Antragsteller sowie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Ladung für die am 20.08.2021 anberaumte mündliche Verhandlung sowie ein Schreiben, in dem erneut auf die anberaumte mündliche Verhandlung verwiesen und ihnen Gelegenheit gegeben wurde, binnen zwei Wochen ab Zustellung die Einvernahme von Zeugen unter Angabe einer ladungsfähigen Adresse und des genau bezeichneten Beweisthemas zu beantragen sowie die als Beweismittel beabsichtigten Urkunden und Dokumente im Original und als Kopie vorzulegen, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass fremdsprachigen Dokumenten eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen ist.

Am 20.08.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, der sowohl der Antragsteller als auch sein Rechtsvertreter unentschuldigt fernblieben.

Am selben Tag forderte das Bundesverwaltungsgericht den Rechtsvertreter des Antragstellers auf, darzulegen, weshalb weder er noch der Antragsteller zur mündlichen Verhandlung am 20.08.2021 erschienen sind und entsprechende Bescheinigungsmittel vorzulegen.

Am 27.08.2021 stellte der Antragsteller gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung und brachte dazu vor, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 12.07.2021 im elektronischen Rechtsverkehr bereitgestellt worden sei. Der zuständige Rechtsanwalt sei zu diesem Zeitpunkt auf Urlaub gewesen und habe seinen Kanzleikollegen mit der Bearbeitung der Eingangspost betraut. Dieser habe bei der Eintragung des Verhandlungstermins im Kalender des zuständigen Rechtsanwalts den 20.08.2021 mit dem 27.08.2021 vertauscht. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub habe sich der zuständige Rechtsanwalt nach dem Verfahrensstand erkundigt, woraufhin ihm mitgeteilt worden sei, dass eine Ladung für 27.08.2021 eingegangen und alle notwendigen Eintragungen vorgenommen worden seien. Er habe daraufhin auf die Richtigkeit der Eintragung seines Kollegen vertraut. Erst durch die Aufforderung zur Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichts habe der Antragsteller von der für 20.08.2021 anberaumten Verhandlung erfahren.

Am 03.09.2021 stellte der Antragsteller beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 08.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Antragsteller bekannt, dass er eine Rechtsanwalts-GmbH mit seiner Vertretung im gegenständlichen Verfahren bevollmächtigt hat.

Mit Bescheid vom 25.06.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und erteilte dem Antragsteller keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Unter einem erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist, erkannte der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab und stellte fest, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht.

Mit Ladung vom 09.07.2021 wurde für 20.08.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Die Ladung wurde dem bevollmächtigten Rechtsvertreter des Antragstellers im elektronischen Rechtsverkehr am 12.07.2021 zugestellt. Gleichzeitig übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem bevollmächtigten Rechtsvertreter des Antragstellers ein Schreiben, in dem ausdrücklich auf die für 20.08.2021 anberaumte mündliche Verhandlung verwiesen und dem Antragsteller Gelegenheit zur Bekanntgabe von Zeugen und Vorlage von Urkunden gegeben wurde.

Der für das Verfahren des Antragstellers zuständige Rechtsanwalt der mit seiner Vertretung bevollmächtigten Rechtsanwalts-GmbH befand sich zum Zeitpunkt der Zustellung der Ladung auf Urlaub, weshalb er seinen Kanzleikollegen, ebenfalls Rechtsanwalt und Partner der GmbH, damit betraut hatte, seine Eingangspost zu kontrollieren und die allenfalls erforderlichen Schritte einzuleiten.

Das Sekretariat legte den Kanzleiakt des Antragstellers samt Ladung am 12.07.2021 dem mit der Bearbeitung der Eingangspost betrauten Rechtsanwalt vor. Dieser vertauschte bei der Eintragung des Verhandlungstermins im Kalender des zuständigen Rechtsanwaltes den 20.08.2021 mit dem 27.08.2021.

Nach der Rückkehr aus seinem Urlaub erkundigte sich der für das Verfahren des Antragstellers zuständige Rechtsanwalt bei seinem Kollegen nach dem Stand des Verfahrens des Antragstellers. Dieser teilte ihm mit, dass für 27.08.2021 eine Ladung einlangte und die erforderlichen Eintragungen vorgenommen worden seien. Der Rechtsanwalt des Antragstellers vertraute auf die Richtigkeit der von seinem Kollegen vorgenommenen Eintragung ohne weitere Überprüfung.

Am 20.08.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht die anberaumte mündliche Verhandlung statt. Der Antragsteller und sein Rechtsanwalt erschienen trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht, sodass die Verhandlung in deren Abwesenheit durchgeführt wurde.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt des Antragstellers zu seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 08.12.2015, beinhaltend insbesondere das Protokoll der Erstbefragung vom 08.12.2015, das Protokoll der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 01.02.2018, den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2018, die Beschwerde vom 03.07.2018, das Protokoll der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 20.08.2021 und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 27.08.2021.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Antragstellers, seinem Antrag auf internationalen Schutz und dessen Abweisung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zur Bevollmächtigung einer Rechtsanwalts-GmbH ergeben sich aus dem Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.02.2018 sowie den in der Folge von der bevollmächtigten Rechtsanwalts-GmbH eingebrachten Schriftsätzen.

Die Zustellung der Ladung sowie der Aufforderung zur Bekanntgabe von Zeugen und Vorlage von Urkunden ergeben sich aus dem Zustellprotokoll sowie den damit übereinstimmenden Ausführungen des Antragstellers in seiner Stellungnahme vom 27.08.2021, wonach die Ladung am 12.07.2021 im elektronischen Rechtsverkehr bereitgestellt worden sei.

Die Feststellungen zur Urlaubsvertretung des für das Verfahren des Antragstellers zuständigen Rechtsanwalts, der Kalendereintragung und dem Geschehen nach der Rückkehr des zuständigen Rechtsanwalts beruhen auf den Ausführungen in der Stellungnahme vom 27.08.2021 sowie der vorgelegten eidesstattlichen Erklärung des mit der urlaubsbedingten Vertretung beauftragen Rechtsanwalts, die sich mit den in der Stellungnahme enthaltenen Ausführungen deckt.

Die Feststellungen zur mündlichen Verhandlung beruhen auf dem Verhandlungsprotokoll vom 20.08.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zur Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

§ 33 VwGVG lautet:

„(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

[...]

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. [...] Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

[...]

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“

Die Bestimmungen u?ber die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechen weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einfu?hrung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG im vorgeschlagenen § 17 sind Auslegungsprobleme, die sich aus der subsidia?ren Anwendbarkeit der Bestimmungen des AVG ergeben, ausgeschlossen (ErläutRV 2009 BlgNR XXIV. GP 26).

Der VwGH hat in seiner Rechtsprechung auch bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG 2014 übertragbar sind (vgl. VwGH 30.03.2020, Ra 2019/05/0076, mwN).

Ein Wiedereinsetzungswerber hat konkrete Angaben zu machen, aus denen die Rechtzeitigkeit seines Wiedereinsetzungsantrags zu erkennen ist. Dabei schadet es aber nicht, wenn der Zeitpunkt, an dem das Hindernis weggefallen ist, nicht ausdrücklich genannt (als solcher qualifiziert) wird, sich allerdings aus einer verständigen Würdigung der Angaben im Wiedereinsetzungsantrag ergibt (vgl. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/03/0058).

Die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag beginnt mit dem Wegfall des (unvorhergesehenen oder unabwendbaren) Ereignisses, das zur Versäumung geführt hat, wobei als fristauslösendes Ereignis etwa auch der Zeitpunkt in Betracht kommt, in dem die Partei erfährt, dass sie die mündliche Verhandlung versäumt hat (vgl. Hengstschläger/Leeb AVG § 72 Rz 100, 101).

Im Wiedereinsetzungsantrag sind neben den Angaben zur Rechtzeitigkeit die Gründe anzuführen, auf die sich der Antragsteller stützt, und ist ihr Vorliegen glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 22.09.2011, 2008/18/0509, mwN). Es ist bereits im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG bzw. § 33 Abs. 1 VwGVG zu beschreiben, das den Wiedereinsetzungswerber an der Einhaltung der Frist oder an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gehindert hat (VwGH 23.04.2015, 2012/07/0222, mwN). Das zuständige Organ (Behörde, VwG) ist aufgrund der Antragsbedürftigkeit des Verfahrens an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihm verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung miteinzubeziehen (vgl. VwGH vom 17.03.2015, Ra 2014/01/0134; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 72 Rz 115).

Eine mündliche Verhandlung wurde versäumt, wenn die Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Verhandlung erschienen ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 33 VwGVG Anm. 7). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hindert das Nichterscheinen einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung die Durchführung der Verhandlung nicht. Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Partei ist eine "ordnungsgemäße Ladung". Davon kann dann nicht gesprochen werden, wenn einer der im § 19 Abs. 3 AVG genannten - das Nichterscheinen des Geladenen rechtfertigenden - Gründe vorliegt. Die Rechtfertigungsgründe haben auch für einen geladenen Vertreter Geltung (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/20/0137, mwN). Eine nicht ordnungsgemäße Ladung liegt aber auch dann vor, wenn ihre Zustellung nicht rechtswirksam, also nicht unter Einhaltung der Bestimmungen des ZustellG erfolgt ist (vgl. VwGH 29.09.1993, 92/12/0018).

Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 03.02.2021, Ra 2020/05/0056, Rn. 11 erster Satz).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrendes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. VwGH 29.07.2021, Ra 2021/05/0096, mwN).

Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden zuzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von berufsmäßigen Parteienvertretern ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten des Anwaltes bei der Kontrolle seines Kanzleiapparates und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und dem Anwalt kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist. Diese Rechtsprechung hat der VwGH - ohne dass eine Prüfung dahingehend geboten gewesen wäre, ob der letztlich konkrete Vertretungshandlungen setzende Rechtsanwalt selbst bevollmächtigt oder für die Gesellschaft nach außen vertretungsbefugt gewesen wäre - auch in jenen Fällen zur Anwendung gebracht, in denen die Vertretung nicht durch einen einzelnen Rechtsanwalt, sondern eine juristische Person oder Personengesellschaft, die durch Zusammenschluss mehrerer Rechtsanwälte gegründet wurde (vgl. § 21c ff RAO, insbesondere § 21e RAO, wonach Rechtsanwalts-Partnerschaften und Rechtsanwalts-Gesellschaften in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Vollmacht erteilt werden kann), erfolgte; ebenso auch auf die Fälle der Vertretung des Rechtsanwaltes durch einen Substituten (vgl. VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113, mwN).

Weiters entspricht es der ständigen Judikatur des VwGH, dass ein berufsmäßiger Parteienvertreter die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten hat, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Rechtsmitteln, gesichert erscheint, wobei durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen ist, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht vorgenommen hat, hat er im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten. Wenn allerdings in keiner Weise dargelegt wird, wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor (vgl. VwGH 09.02.2021, Ra 2021/02/0030, mwN). Dies gilt insbesondere auch bei der Übertragung einer Fristvormerkung in den für die Wahrnehmung der Frist ausschlaggebenden Kanzleikalender (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/18/0404, Rn. 11).

Für den gegenständlichen Fall ist Folgendes festzuhalten:

Wie sich aus dem im Gerichtsakt befindlichen Zustellprotokoll sowie den damit übereinstimmenden Angaben des Antragstellers in seinem Wiedereinsetzungsantrag vom 27.08.2021 ergibt, wurde die Ladung zur für 20.08.2021 anberaumten mündlichen Verhandlung der bevollmächtigten Rechtsanwalts-GmbH am 12.07.2021 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs bereitgestellt und war die vom Antragsteller erteilte Vollmacht zu diesem Zeitpunkt unstrittig aufrecht, sodass sowohl der Antragsteller als auch seine Rechtsvertretung der mündlichen Verhandlung unentschuldigt fernblieben.

Der Antragsteller rechtfertigte dies damit, dass der mit seinem Verfahren betraute Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Einlangens der Ladung urlaubsbedingt einen Kanzleikollegen mit der Bearbeitung seiner Eingangspost beauftragt hat, der bei der Eintragung in seinen Kalender den 20.08.2021 mit dem 27.08.2021 vertauschte und der zuständige Rechtsanwalt auf die Richtigkeit der Eintragung seines Kollegen vertraute.

Dazu ist auszuführen, dass es sich beim Kanzleikollegen des mit dem Verfahren des Antragstellers betrauten Rechtsanwalts ebenfalls um einen Rechtsanwalt handelt, für den ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist und dem die Bedeutung der Terminvormerkung für den Verhandlungstermin bewusst sein musste. Zudem war der Verhandlungstermin nicht bloß auf der Ladung selbst vermerkt, sondern wurde gleichzeitig ein Schreiben übermittelt, mit dem der Antragsteller zur Bekanntgabe von Zeugen und Vorlage von Urkunden aufgefordert und in welchem neuerlich auf den Verhandlungstermin am 20.08.2021 hingewiesen wurde. Dem die Eintragung des Verhandlungstermins vornehmenden Rechtsanwalt hätte daher schon bei aufmerksamer Lektüre der übermittelten Unterlagen auffallen müssen, dass die Verhandlung nicht wie von ihm angenommen für 27.08.2021, sondern für 20.08.2021 anberaumt wurde, sodass schon aus diesem Grund kein minderer Grad des Versehens vorliegt (vgl. Hengstschläger/Leeb AVG § 72, Stand 01.01.2020, rdb.at, Rn. 41, mit Verweis auf VwGH 25.09.1987, 87/02/0072, wonach eine auffallende Sorglosigkeit bei falscher Handhabung einer Terminvormerkung durch eine rechtskundige Person vorliegt).

Zudem geht aus dem Vorbringen des Antragstellers weder hervor, dass in der Kanzlei seines Rechtsvertreters ein Kontrollsystem eingerichtet ist, um Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können, noch ist dem Vorbringen des Antragstellers zu entnehmen, dass der zuständige Rechtsanwalt die Eintragung des Verhandlungstermins überprüft hätte. Soweit der Antragsteller ausführte, sein Rechtsvertreter habe auf die Richtigkeit der von seinem Kollegen vorgenommen Eintragung vertraut, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung daher keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor. Daher sind auch mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages nicht erfüllt (vgl. VwGH 09.02.2021, Ra 2021/02/0030).

Da das Verschulden an der Versäumung der mündlichen Verhandlung sohin nicht bloß auf einen minderen Grad des Versehen zurückzuführen ist, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen.

Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG:

Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG ist festzuhalten, dass das Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag mit vorliegendem Beschluss in der Sache selbst erledigt und damit rechtskräftig beendet wird und sich somit ein Abspruch über die aufschiebende Wirkung zu diesem Zeitpunkt erübrigt. Die mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einhergehende Suspendierung der mit der Versäumung verbundenen Rechtswirkungen ist mit Ergehen dieses abweisenden Beschlusses obsolet geworden [vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz. 131, mwN (Stand 1.1.2020, rdb.at); VwGH 20.04.2017, Ra 2017/19/0113].

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 leg. Cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetze nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtslage nicht erwarten lässt, und einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, (2010, C 83/02) entgegensteht.

Im vorliegenden Fall wurde der vom Antragsteller in seinem Wiedereinsetzungsantrag behauptete Sachverhalt unverändert der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt und ergibt sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt kein darüberhinausgehender Sachverhalt, der eine andere Beurteilung erlaubt hätte.

Da der Sachverhalt somit anhand der Aktenlage unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers geklärt erscheint und der behauptete Sachverhalt auch ohne weitere Beweisaufnahmen glaubhaft vorgebracht wurde, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wie bereits oben ausgeführt, wurde § 33 VwGVG nach den Materialien der Bestimmung des § 71 AVG nachempfunden und sind die zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze daher auf § 33 VwGVG übertragbar (vgl. VwGH 22.03.2016, Ra 2016/02/0049). Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen sowohl auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als auch auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Festzuhalten ist, dass die Frage, ob im Sinn des § 33 Abs. 1 VwGVG ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Versäumung der Verhandlung geführt hat bzw. ob der Wiedereinsetzungsgrund ausreichend bescheinigt wurde, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterliegt (vgl. VwGH 22.03.2016, Ra 2016/02/0049), sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Ebenso wenig kommt der Frage, ob das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens zu Recht verneint hat, eine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu (vgl. VwGH 09.02.2021, Ra 2021/02/0030, Rn. 9, mwN).

Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen im Spruchteil A wiedergegeben.

Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

mangelnder Anknüpfungspunkt rechtliche Beurteilung Voraussetzungen VwGH Wiedereinsetzungsantrag Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W242.2200725.3.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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