Entscheidungsdatum
14.09.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W235 2241835-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos (palästinensische Autonomiegebiete), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2021, Zl. 1268828208-200888128, beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist staatenlos und stammt aus den palästinensischen Autonomiegebieten. Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte sie gemeinsam mit ihren mitgereisten Familienangehörigen (Vater, Stiefmutter, ein volljähriger Bruder, ein weiterer im Antragszeitpunkt minderjähriger, im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljähriger Bruder und sieben minderjährige Halbgeschwister) am 19.09.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die durchgeführte Eurodac-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführerin am XXXX .01.2019 in Griechenland einen Asylantrag stellte.
1.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Beschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angab, dass sie gemeinsam mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter sowie ihren beiden Brüdern und ihren sieben Halbgeschwistern nach Österreich gereist sei. Ihre Mutter lebe in Palästina. Die gemeinsame Ausreise habe ihr Vater beschlossen. Den genauen Zeitpunkt ihrer Ausreise kenne sie nicht; es sei im Jahr 2019 gewesen. Sie seien über Ägypten und die Türkei nach Griechenland gereist. In Griechenland hätten sie sich länger als ein Jahr aufgehalten; genaue Angaben könne die Beschwerdeführerin jedoch nicht machen. Zu den Lebensbedingungen in Griechenland führte sie an, sie hätten verdorbene Lebensmittel bekommen. Die Beschwerdeführerin sowie ihre Schwester hätten daher eine Lebensmittelvergiftung gehabt. Die Familie habe keine Grundversorgung bekommen und habe in kleinen Zelten leben müssen. Von Griechenland aus seien sie mithilfe eines Schleppers über ihr unbekannte Länder nach Österreich gereist. Die Einreise nach Deutschland sei ihnen verweigert worden.
Der Beschwerdeführerin wurde weiters am 19.09.2020 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihr zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Griechenland die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Mitteilung wurde der Beschwerdeführerin am selben Tag übergeben und von ihr unterfertigt (vgl. AS 47).
1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 23.09.2020 ein auf Art. 34 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Informationsersuchen an Griechenland.
Mit Schreiben vom 25.01.2021 gab die griechische Dublinbehörde bekannt, dass der Beschwerdeführerin am XXXX .09.2019 der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden war. Überdies ist sie in Besitz eines Aufenthaltstitels mit einer Gültigkeit von XXXX .09.2019 bis XXXX .09.2022 sowie eines speziellen Reisedokumentes (T.D.V) mit Gültigkeit von XXXX .06.2020 bis XXXX .06.2025 (vgl. AS 139 im hg. Akt W235 2241837-1).
1.4. Am 16.03.2021 fand eine Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in welcher sie zunächst angab, dass sie weder in ärztlicher Behandlung sei, noch Medikamente nehme. Sie habe allerdings Rückenschmerzen sowie geschwollene Augen und gehe zum Psychologen. Zu ihrem Leben führte die Beschwerdeführerin aus, vor ihrer Ausreise habe sie bis zur sechsten Schulstufe die Schule besucht, habe mit ihrer Familie zusammengelebt und habe bisher nicht gearbeitet. Ihr Vater habe für sie gesorgt. Der Mutter der Beschwerdeführerin, welche nach wie vor in Palästina lebe, gehe es gut. Die Beschwerdeführerin sei weder verheiratet noch habe sie Kinder. Zur Finanzierung der Flucht von Griechenland nach Österreich führte sie an, ihre Großmutter habe ihr Gold verkauft und ihr Vater habe zusätzlich von zwei Freunden Geld ausgeliehen. Sie wisse jedoch nicht, wie viel die Reise von Griechenland nach Österreich gekostet habe. Griechenland hätten sie verlassen, da sie Angst vor den Schleppern gehabt hätten, welche ihren Vater bedroht hätten. Die Schlepper hätten gesagt, sie würden „zwei von uns“ umbringen. Hinsichtlich der Lebensbedingungen in Griechenland gab die Beschwerdeführerin weiters an, sie hätten im Wald gelebt. Als sie mit einer Freundin dort spazieren gegangen sei, hätten sie einen abgetrennten Kopf gefunden. Sie hätten Angst bekommen, hätten geschrien und seien nachhause gelaufen. Die Beschwerdeführerin habe gehört, dass es sich um einen Iraker gehandelt habe, welcher von einem Schlepper ermordet worden sei, da er nicht bezahlt habe. Ferner führte sie an, sie habe große psychische Probleme gehabt, zumal sie ständig Angst gehabt habe. Sie hätten in Zelten auf dem Boden geschlafen und kleine Eidechsen seien in der Nacht herumgekrabbelt. Auch habe die Beschwerdeführerin Probleme mit den Augen gehabt und habe keine medizinische Versorgung erhalten. Die Polizei habe sie überdies aus dem Caravan geschmissen, weshalb sie draußen schlafen hätten müssen. Zur Bedrohung durch die Schlepper führte sie auf Nachfrage an, als sie in Griechenland angekommen seien, hätten die Bedrohungen begonnen. Ihr Vater habe Drohanrufe erhalten, im Rahmen welcher ihm gesagt worden sei, es würden zwei seiner Kinder getötet werden, wenn er nicht bezahle. Die Familie habe große Angst gehabt. Ihr Vater habe Anzeige erstattet, die Polizei habe dies jedoch abgelehnt. Wie oft die Schlepper angerufen hätten, wisse die Beschwerdeführerin nicht. In der Folge brachte sie vor, in Griechenland keine Probleme mit der Polizei oder mit anderen staatlichen Stellen gehabt zu haben. Es sei kein Gerichtsverfahren gegen sie anhängig und sie sei nie festgenommen worden. In Österreich beziehe sie Leistungen aus der Grundversorgung und habe bisher keine Integrationsschritte setzen können. Abgesehen von ihrer Kernfamilie habe sie keine Angehörigen in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die Beschwerdeführerin nach Griechenland zurückzubegeben habe (Spruchpunkte I.). Unter Spruchpunkten II. des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Letztlich wurde unter Spruchpunkt III. die Anordnung der Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.
Begründend wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin in Griechenland der Status der Asylberechtigten zukomme. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sie in Griechenland systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder diese dort zu erwarten habe. Eine Verfolgung durch Schlepper habe sie nicht glaubhaft gemacht. Sie gehöre überdies zu keiner Risikogruppe, welche im Fall einer Erkrankung an Sars-CoV-2 einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sei. Eine besondere Integrationsverfestigung liege in ihrem Fall nicht vor. Die Beschwerdeführerin sei im September 2020 gemeinsam mit ihrem Vater, ihrer Stiefmutter sowie ihren neun Geschwistern in Österreich eingereist. Abgesehen von ihrer Kernfamilie habe sie keine Familienangehörigen in Österreich. Ferner traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Feststellungen zur Lage in Griechenland betreffend die Situation von Schutzberechtigten.
Beweiswürdigend wurde hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu ihrer Situation in Griechenland zusammengefasst ausgeführt, dass sie im Verfahren nicht glaubhaft gemacht habe, dass für sie in Griechenland die reale Gefahr bestehe, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. Aus den aktuellen Länderinformationen ergebe sich, dass anerkannte Flüchtlinge Zugang zu ausreichender Versorgung hätten. Zudem bestehe die Möglichkeit, Unterstützung der zahlreichen Hilfsorganisationen in Anspruch zu nehmen. Hinsichtlich der behaupteten Verfolgung durch Schlepper wurde ausgeführt, dass das diesbezügliche Vorbringen der Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin vage sowie widersprüchlich und daher nicht glaubhaft sei. Zunächst sei es nicht nachvollziehbar, dass die von der Familie der Beschwerdeführerin als besonders grausam dargestellten Schlepper einerseits auf brutale Weise Flüchtlinge töten würden, während es andererseits der Beschwerdeführerin und ihrer Familie möglich gewesen wäre, fast zwei Jahre ohne Erfüllung der von den Schleppern gestellten Forderungen unbehelligt in Griechenland leben zu können. Ferner würden sich die Angaben der Beschwerdeführerin und ihrer Angehörigen im Hinblick auf den Beginn sowie auf die Häufigkeit der Bedrohungen widersprechen. Der Vater der Beschwerdeführerin habe beispielsweise angeführt, die Drohungen hätten bereits mit Einreise in Griechenland begonnen und er sei insgesamt dreimal angerufen worden. Demgegenüber habe ihre Stiefmutter angeführt, die Drohungen hätten erst Monate nach ihrer Einreise begonnen und hätten über neun Monate angedauert. Der Bruder der Beschwerdeführerin habe wiederum angegeben, die Schlepper hätten sechs Monate nach der Einreise in Griechenland begonnen, monatlich anzurufen und den Vater zu bedrohen. Im Gegensatz dazu habe die Beschwerdeführerin behauptet, bereits bei der Ankunft in Griechenland habe es Drohungen gegeben. In einer Gesamtschau sei das Vorbringen sohin nicht glaubhaft und bestünden keine Überstellungshindernisse.
3. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Vertretung am 22.04.2021 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafter Beweiswürdigung und wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde nach Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen ausgeführt, dass die Länderfeststellungen zur Situation in Griechenland unvollständig seien und nicht dem aktuellsten Stand entsprächen. Zudem werde im Bescheid die COVID-19 Situation in Afghanistan erörtert, was verdeutliche, dass sich die belangte Behörde nicht mit der konkreten Situation der Beschwerdeführerin befasst habe. Darüber hinaus habe die belangte Behörde die herangezogenen Länderberichte selektiv und unausgewogen ausgewertet, da doch darin unter anderem ausgeführt werde, dass die Lebensbedingungen für Menschen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland alarmierend seien. Schutzberechtigte würden sich oft nicht nur mit fehlenden Möglichkeiten zur Integration in die griechische Gesellschaft, sondern auch mit unzulänglichen Lebensumständen und humanitären Standards sowie einer äußerst prekären sozioökonomischen Situation konfrontiert sehen. Oft würden sie um ihr bloßes Überleben kämpfen. In der Praxis bestehe noch immer kein gesicherter Zugang zu Unterbringung, Arbeitsmarkt, Lebensmittelversorgung, medizinischer Versorgung und psychologischer Behandlung. In der Folge wurden weitere Berichte zur Situation von Schutzberechtigten in Griechenland auszugsweise zitiert und weiters festgehalten, dass aus den Länderberichten hervorgehe, dass die Beschwerdeführerin in Griechenland keine finanzielle Unterstützung erhalten werde und ihr keine Unterkunft zur Verfügung stehe. Im Fall der Obdachlosigkeit sei die Beschwerdeführerin einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich mit Sars-CoV-2 zu infizieren und wären Nahrung sowie medizinische Versorgung nicht gewährleistet. Ein Zugang zum Arbeitsmarkt würde ihr unter diesen Umständen nicht offenstehen. In der Folge wurde moniert, dass eine Einzelfallprüfung nicht durchgeführt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe mehrmals auf die katastrophale Situation in Griechenland hingewiesen und habe darüber hinaus angeführt, große psychische Probleme zu haben. Ihr psychischer Zustand habe sich durch die bislang in Griechenland verbrachten Monate verschlechtert. Unter Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 04.11.2014, Tarakhel vs. Switzerland, Nr. 29217/12, wurde ausgeführt, die belangte Behörde hätte im gegenständlichen Fall angesichts der de facto nicht existenten Versorgungs- und Unterbringungssituation in Griechenland konkret prüfen müssen, ob die Beschwerdeführerin in Griechenland in einer angemessenen Unterkunft untergebracht wäre und entsprechend versorgt werden könnte. Zu berücksichtigen sei, dass es sich bei ihr um eine besonders vulnerable und schutzwürdige Person handle, da sie eine alleinstehende junge Frau sei. Nur bei Vorlage einer entsprechenden individuellen Zusicherung könne davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin in Griechenland adäquat versorgt werden würde. Abschließend wurde zusammengefasst festgehalten, die Behörde hätte bei einwandfreier Verfahrensführung zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Beschwerdeführerin in Griechenland eine Verletzung ihrer in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe.
In den Verfahren der mitgereisten Familienangehörigen wurden inhaltlich gleichlautende Bescheide erlassen.
4. Mit Beschluss vom 16.06.2021 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde vom 22.04.2021 gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.
Zu A)
1.1. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
1.2. Gemäß § 4a AsylG ist ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Das Bundesamt hat gemäß § 58 Abs. 1 Z 1 AsylG die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraus-setzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt ei-ne Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechts-kräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.
Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.
Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).
Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
2.1. Im gegenständlichen Verfahren ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin in Griechenland asylberechtigt ist und sohin im Mitgliedstaat Griechenland Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Allerdings ist der gegenständliche Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf der Basis eines mangelhaften Verfahrens ergangen, weshalb eine Behebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zu erfolgen hat.
2.2. Zusammengefasst brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie Griechenland gemeinsam mit ihren mitgereisten Familienmitgliedern verlassen habe, da weder sie noch ihre Angehörigen in der Lage gewesen seien, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft befriedigen zu können. Weiters führte sie aus, ihr Leben sowie das Leben ihrer Angehörigen sei in Griechenland in Gefahr gewesen, da Schlepper von ihrem Vater Geld gefordert und ihm gedroht hätten, sie würden zwei seiner Kinder töten, sollte er nicht bezahlen.
2.2.1. Zunächst ist hinsichtlich dieses Vorbringens festzuhalten, dass die Angaben der Beschwerdeführerin zur Verfolgung durch eine Schlepperbande – wie bereits vom Bundesamt im nunmehr angefochtenen Bescheid dargelegt – nicht als glaubhaft erachtet werden können, da sich die Angaben der Beschwerdeführerin und ihrer mitgereisten Familienangehörigen massiv widersprechen. So gab die Beschwerdeführerin an, die Drohungen gegen ihren Vater hätten bereits direkt nach ihrer Ankunft in Griechenland begonnen (vgl. AS 148). Ihr mitgereister, volljähriger Bruder XXXX gab demgegenüber an, die Bedrohungen hätten erst sechs Monate nach der Einreise der Familie in Griechenland begonnen und die Familie sei bis zu ihrer Ausreise aus Griechenland jeden Monat bedroht worden (vgl. AS 126 im hg. Akt W235 2241838-1). Der Vater der Beschwerdeführerin gab wiederum an, lediglich dreimal am Telefon bedroht worden zu sein und nach der letzten Drohung noch ca. ein Jahr in Griechenland gelebt zu haben (vgl. AS 158 im hg. Akt W235 2241837-1). Ihre Stiefmutter brachte wieder eine anderen Version vor, nämlich, dass die Bedrohungen Monate nach ihrer Einreise in Griechenland begonnen und sich über einen Zeitraum von neun Monaten erstreckt hätten, wobei sie ebenso von insgesamt drei Drohungen sprach (vgl. AS 136 im hg. Akt W235 2241839-1). Der jüngere, nunmehr allerdings ebenfalls volljährige Bruder der Beschwerdeführerin gab schließlich vor dem Bundesamt an, es sei während des gesamten Aufenthalts in Griechenland – sohin innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren – „oft“ zu Bedrohungen gekommen (vgl. AS 130 im hg. Akt W235 2241844-1). Wie vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid festgehalten, ist weiters darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin vorbrachte, die Schlepper seien an sich sehr grausam gewesen und sei einem Iraker wegen seiner Schulden von einem Schlepper der Kopf abgetrennt worden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass die Familie der Beschwerdeführerin während ihres zweijährigen Aufenthalts in Griechenland – abgesehen von den behaupteten angeblich gegen ihren Vater am Telefon ausgesprochenen Drohungen – unbehelligt leben konnte.
In einer Gesamtschau ist es sohin nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr nach Griechenland eine individuelle Verfolgung durch eine Schlepperbande droht und die griechischen Sicherheitsbehörden nicht williens sind, sie zu schützen.
2.2.2. In Bezug auf die allgemeine Versorgungslage von Schutzberechtigten in Griechenland ist Folgendes festzuhalten:
Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren nicht dargetan hat, an einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung zu leiden. Zwar führte sie vor dem Bundesamt an, einen Psychologen zu konsultieren und an geschwollenen Augen sowie an Rückenschmerzen zu leiden, erklärte allerdings ebenso vor dem Bundesamt, sich nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden und keine Medikamente zu nehmen. Hinzu kommt, dass sie weder im erstinstanzlichen Verfahren noch mit der Beschwerde medizinische Unterlagen in Vorlage brachte, welchen Hinweise auf eine (schwerwiegende) Erkrankung zu entnehmen wären. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass für anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland die medizinische Versorgung grundsätzlich gewährleistet ist, wenngleich ein erheblicher Ressourcen- und Kapazitätsmangel sowohl für Fremde als auch für die einheimische Bevölkerung den tatsächlichen Zugang zu medizinischer Versorgung erschwert.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt und auf dem Gebiet der Wohnraumbeschaffung in Griechenland bestehen und es sprachliche sowie bürokratische Hürden für Schutzberechtigte gibt. Allerdings ist auch die einheimische Bevölkerung Griechenlands mit minder günstigen Bedingungen konfrontiert und muss sich diesen stellen. Die Beschwerdeführerin gab an, vor der Flucht nach Griechenland die Schule bis zur sechsten Schulstufe besucht zu haben. Aufgrund ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes und ihrer Schulbildung kann davon ausgegangen werden, dass sie in der Lage sein wird, eine Erwerbstätigkeit zu finden und so für ein – wenngleich möglicherweise geringes - Einkommen zu sorgen. Als Schutzberechtigte hat die Beschwerdeführerin Zugang zum Arbeitsmarkt. Ergänzend ist festzuhalten, dass nach den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderberichten NGOs zumindest punktuell Wohnraum anbieten und sich Bedürftige unmittelbar an Organisationen wie beispielsweise Caritas Hellas, Orange House und PRAKSIS wenden können.
Grundsätzlich ist sohin – nach der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Berichtslage - davon auszugehen, dass der jungen und arbeitsfähigen Beschwerdeführerin, welche an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, im Fall einer Rückkehr nach Griechenland keine Verletzung ihrer in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte droht.
2.2.3. Allerdings kommt in den vorliegenden Fällen hinzu, dass die (Kern)familie der Beschwerdeführerin – bestehend aus ihrem Vater, ihrer Stiefmutter, ihren beiden (mittlerweile) volljährigen Brüdern sowie ihren sieben minderjährigen Halbgeschwistern – in Österreich aufhältig ist und mit hg. Entscheidungen vom heutigen Tag die Bescheide, mit welchen sie nach Griechenland ausgewiesen wurden, behoben und gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Nachholung von Ermittlungen zurückverwiesen wurden. Sie befinden sich sohin aktuell im Zulassungsverfahren.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass vom Begriff des „Familienlebens“ in Art 8 EMRK nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215) umfasst sind. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423; vom 08.06.2006, Zl. 2003/01/0600 und vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Daher wird im fortgesetzten Verfahren in Bezug auf Art. 8 EMRK – abhängig vom Ausgang der Verfahren betreffend die (Kern)familie der Beschwerdeführerin – näher zu prüfen sein, ob in Österreich ein schützenswertes Familienleben besteht, welches der Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Griechenland entgegensteht. Fallgegenständlich kann im Entscheidungszeitpunkt eine mögliche Verpflichtung Österreichs zum Selbsteintritt in Zusammenhang mit Art. 8 EMRK nicht ausgeschlossen werden.
2.3. Zusammengefasst sind im fortgesetzten Verfahren entsprechende Ermittlungen durchzuführen, um Feststellungen treffen zu können, anhand derer die Frage geklärt werden kann, ob im konkreten Fall der Beschwerdeführerin durch ihre Überstellung nach Griechenland in ihre Rechte gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK eingegriffen wird. In Bezug auf Art. 3 EMRK werden die aktuellen Länderfeststellungen zu Griechenland zu berücksichtigen sein.
Die Ermittlungsergebnisse des Bundesamtes sind der Beschwerdeführerin zur Kenntnis zu bringen und ist ihr hierzu Parteiengehör zu gewähren bzw. ist erforderlichenfalls eine Einvernahme durchzuführen.
3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Im gegenständlichen Fall konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben ist. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.
4. Da sich eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG (wie die vorliegende) nicht als eine solche darstellt, die als Entscheidung in der Sache den dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Gegenstand erledigt, hat sie gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschluss zu ergehen (vgl. z.B. VwGH vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0208-8).
5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Kern der getroffenen zurückverweisenden Entscheidung ist die mangelhafte Ermittlung von relevanten Sachverhaltselementen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens und die Einräumung eines Parteiengehörs entsprechend den insofern eindeutigen Verfahrensvorschriften durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie die daran anknüpfende Konsequenz des § 21 BFA-VG. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage sind sohin nicht zu erblicken.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht existenzbedrohende Notlage Familienverfahren individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W235.2241835.1.00Im RIS seit
17.11.2021Zuletzt aktualisiert am
17.11.2021