TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/25 W212 2244354-1

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Veröffentlicht am 25.08.2021
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Entscheidungsdatum

25.08.2021

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W212 2244354-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2021, Zl. 1115889310/210615773, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides rechtmäßig war.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, brachte am 23.05.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz ein, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2017 abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts am 29.05.2019, zu GZ W138 2162077-1/29E abgewiesen. Das Verfahren erwuchs in der Folge mit 05.06.2019 in Rechtskraft.

2. Der Beschwerdeführer reiste in der Folge aus Österreich aus und gelangte über Deutschland nach Frankreich.

3. Am 10.05.2021 wurde der Beschwerdeführer im österreichischen Bundesgebiet angehalten und stellte einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Laut EURODAC-Abfrage erfolgten zuvor erkennungsdienstliche Behandlungen in Ungarn am 18.05.2016, in Österreich am 23.05.2016 und in Frankreich am 08.07.2019.

4. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.05.2021, gab der Beschwerdeführer zunächst an, an keinen Beschwerden oder Krankheiten zu leiden, die ihn an der Einvernahme hindern würden. Er habe Afghanistan 2016 verlassen und sei über den Iran und die Türkei nach Griechenland gelangt, wo er sich etwa zwei Monate aufgehalten habe. Danach sei er nach Durchreise durch Mazedonien und andere, ihm unbekannte Länder, nach Ungarn gekommen, wo er sich zwei Wochen aufgehalten habe. In der Folge sei er nach Österreich eingereist und habe hier einen Asylantrag gestellt. Etwa drei Jahre sei er in Österreich gewesen, danach über Deutschland nach Frankreich gelangt, wo er zwei Jahre geblieben sei. Am 09.05.2021 sei er erneut über Deutschland nach Österreich eingereist. In Frankreich sei es schön gewesen und habe er dort auch einen Asylantrag gestellt, der allerdings genauso wie sein Antrag in Österreich negativ entschieden worden sei. Seine Ehefrau, StA. Afghanistan, die er 2019 in XXXX traditionell geheiratet habe und seine Tochter würden in Österreich leben und wolle er deshalb in Österreich bleiben.

Befragt zu seinen Fluchtgründen, gab der Beschwerdeführer an, er habe dieselben Fluchtgründe wie im Erstverfahren und nichts Neues vorzubringen.

Vorgelegt wurden: Beglaubigte Übersetzung der traditionellen Heiratsurkunde

5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 27.05.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Frankreich. Mit Schreiben vom 11.06.2021 erklärte sich Frankreich zur Übernahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich bereit.

6. Nach vorheriger Übermittelung der Länderinformationen für Frankreich und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari fand am 30.06.2021 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers statt. Zunächst gab der Beschwerdeführer an, er fühle sich psychisch und physisch in der Lage die Einvernahme durchzuführen. Er habe am 15.06.2019 nach traditionellem Recht geheiratet. Seine Ehefrau und seine Tochter würden in XXXX als anerkannte Flüchtlinge von der Mindestsicherung leben. Er lebe nicht bei ihnen, weil das nicht genehmigt worden sei. Vor der Eheschließung habe es ebenfalls keinen gemeinsamen Haushalt gegeben, denn er sei in XXXX und seine Ehefrau zunächst in XXXX und dann in XXXX gewesen. Befragt ob zwischen ihm und seiner Ehegattin momentan Abhängigkeiten bestehen, erklärte der Beschwerdeführer, sein Kind brauche ihn. Es sei für seine Ehefrau sehr umständlich Termine wahrzunehmen, denn sie könne nicht ausreichend Deutsch. Außerdem habe seine Ehegattin Handschmerzen und im Wohnhaus gebe es keinen Lift. Sie schaffe es alleine nicht. Die Tochter sei am XXXX geboren, davor habe die Ehegattin einen Hausarzt gehabt, der Farsi konnte und habe alles selbst gemacht. Seit dem Kind sei es aber umständlicher. Befragt nach seinen Deutschkenntnissen, gab der Beschwerdeführer an, er verstehe die Fragen ein bisschen. Er habe sich nach seiner Eheschließung bis Mai 2021 in Frankreich aufgehalten. Seine Ehefrau habe ihn in Frankreich besucht und es habe telefonischen Kontakt gegeben. Er habe in Frankreich einen Asylantrag gestellt und einen negativen Bescheid bekommen. Seine Familie sei in Österreich und könne er deshalb nicht zurück nach Frankreich. Zur Lage in Frankreich gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab. Nach Afghanistan könne er nicht zurück, er sei dort in Gefahr. Sein Kind habe das Recht beide Elternteile bei sich zu haben und habe auch er das Recht sein Kind zu sehen. Man könne seinem Kind nicht den Vater wegnehmen. Nach der Übersetzung brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, er habe Rückenschmerzen, die insbesondere wenn das Wetter sehr kalt sei, sehr weh tun würden. Er nehme deshalb auch Schmerzmittel.

Vorgelegt wurden: Meldezettel der Freundin des BF vom 07.07.2020;
Meldezettel der Tochter des BF vom 16.06.2021;
Geburtsurkunde der Tochter des BF vom 16.06.2021;

Foto der Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 51 AsylG der Tochter des BF;

7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2021, zugestellt am 01.07.2021, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO Frankreich für die Prüfung des Antrags zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Frankreich gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Frankreich wurden folgende Feststellungen getroffen:

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 31.10.2017; vgl. AIDA 2.2017, USDOS 3.3.2017 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

-        OFPRA – Office français de protection des réfugiés et apatrides (31.10.2017): Demander l'asile en France, https://www.ofpra.gouv.fr/fr/asile/la-procedure-de-demande-d-asile/demander-l-asile-en-france, Zugriff 24.1.2018

-        USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

Dublin-Rückkehrer

Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CNDA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese (AIDA 2.2017).

Wenn Dublin-Rückkehrer am Flughafen Roissy – Charles de Gaulle ankommen, erhalten die Rückkehrer von der französischen Polizei ein Schreiben, an welche Präfektur sie sich wegen ihres Asylverfahrens zu wenden haben. Dann werden sie zunächst an die Permanence d’accueil d’urgence humanitaire (PAUH) verwiesen. Das ist eine humanitäre Aufnahmeeinrichtung des französischen Roten Kreuzes, die im Bereich des Flughafens tätig ist. Es kann ein Problem darstellen, wenn die zuständige Präfektur weit entfernt liegt, denn die Rückkehrer müssen die Anfahrt aus eigenem bestreiten. Es gibt dafür keine staatliche Hilfe und auch die PAUH hat nicht die Mittel sie dabei zu unterstützen. In Paris und Umgebung wiederum kann man sich nicht direkt an die Präfekturen wenden, sondern muss den Weg über die sogenannten Orientierungsplattformen gehen, die den Aufwand für die Präfekturen mindern sollen, aber mitunter zu Verzögerungen von einigen Wochen in der Antragsstellung führen können. Viele der Betroffenen wenden sich daher an das PAUH um Hilfe bei der Antragstellung und Unterbringung. Einige andere Präfekturen registrieren die Anträge der Rückkehrer umgehend und veranlassen deren Unterbringung durch das Büros für Immigration und Integration (OFII). In Lyon am Flughafen Saint-Exupéry ankommende Rückkehrer haben dieselben Probleme wie jene, die in Paris ankommen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Übernahme von vulnerablen Dublin-Rückkehrern muss die französische Behörde vom jeweiligen Mitgliedsstaat mindestens einen Monat vor Überstellung informiert werden, um die notwendigen Vorkehrungen treffen zu können. Je nach medizinischem Zustand, kann der Dublin-Rückkehrer mit speziellen Bedürfnissen bei Ankunft medizinische Betreuung erhalten. Auch Dublin-Rückkehrer, haben generell Zugang zur staatlichen medizinischen Versorgung (MDI 10.10.2017).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

-        Ministére de l´intérieur – Direction générale des étrangers en France – Chef du Département de l'accès à la procédure d'asile (10.10.2017): Auskunft per E-Mail

Non-Refoulement

Menschenrechtsgruppen kritisieren regelmäßig die strikt dem Gesetz folgende Abschiebepraxis Frankreichs (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-        USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

Versorgung

Laut Asylgesetz sind die materiellen Aufnahmebedingungen allen Asylwerbern (inkl. beschleunigtes und Dublin-Verfahren) anzubieten. Die Verteilung von Asylwerbern erfolgt zentral, parallel werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Asylwerber im Dublin-Verfahren unterliegen jedoch einer Einschränkung: sie haben keinen Zugang zu CADA-Einrichtungen und leben in der Praxis oft auf der Straße oder in besetzten Häusern. Dublin-Rückkehrer hingegen werden behandelt wie reguläre Asylwerber und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese. Die nationalen Aufnahmestrukturen liegen in der Zuständigkeit des Französischen Büros für Immigration und Integration (Office français de l’immigration et de l’intégration – OFII). Es wurde eine Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d’asile – ADA) eingeführt, welche die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance – AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d’Attente – ATA) ersetzt (AIDA 2.2017). Die Höhe der ADA hängt von verschiedenen Faktoren wie die Art der Unterkunft, Alter, Anzahl der Kinder usw. ab. Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 204 Euro. Ein zusätzlicher Tagessatz wird an Asylwerber ausgezahlt, die Unterbringungsbedarf haben, aber nicht über das nationale Aufnahmesystem aufgenommen werden können (AIDA 2.2017). Seit April 2017 beträgt der tägliche Kostenzuschuss für Unterkunft 5,40 Euro (FTA 4.4.2017). Es wird jedoch kritisiert, dass die Empfänger der ADA in der Praxis mit Problemen (z.B. Verzögerungen bei der Auszahlung, intransparente Berechnung usw.) konfrontiert sind (AIDA 2.2017).

Asylwerber haben Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn OFPRA ihren Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht entschieden und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 2.2017).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf , Zugriff 24.1.2018

-        FTA – France terre d'asile (4.4.2017): L’Allocation pour demandeur d’asile revalorisée de 1,20€, http://www.france-terre-asile.org/actualites/actualites/actualites-choisies/l-allocation-pour-demandeur-d-asile-revalorisee-de-1-20, Zugriff 24.1.2018

Unterbringung

In Frankreich gibt es 303 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d’Accueil pour Demandeurs d’Asile – CADA) mit rund 34.000 Plätzen, ein spezielles Zentrum für UMA, zwei Transitzentren mit 600 Plätzen, 262 Notunterbringungen mit rund 18.000 Plätzen, sowie eine nicht näher genannte Anzahl an privaten Unterbringungsplätzen. Damit verfügt das Land über etwa 56.000 Unterbringungsplätze (AIDA 2.2017).

Der Zugang zu Unterbringung erweist sich in der Praxis jedoch als sehr kompliziert. Bei der Zuweisung zur CADA muss mit längerer Wartezeit gerechnet werden, die je nach Region zwischen 51 bis 101 Tage beträgt. In Paris gibt es auch Beispiele dafür, dass Asyl gewährt wurde, ohne dass die Personen jemals Zugang zu Unterbringung gehabt hätten. Berichten zufolge reichen die derzeitigen Unterbringungsplätze der CADA nicht aus (AIDA 2.2017). Die Schaffung weiterer Unterbringungsplätze (insgesamt 12.500 Plätze davon 7.500 in CADA) ist in den nächsten zwei Jahren geplant (FRC 12.1.2018; vgl. FRC 22.12.2017).

Im Oktober 2016 wurde die informelle Siedlung in Calais, der sog. Dschungel, geräumt, in der tausende von Migranten und Asylsuchende (laut AI mehr als 6.500 Personen, laut USDOS 5.600) lebten. Man brachte 5.243 Bewohner in Erstaufnahmelager (CAO) in ganz Frankreich und stellte ihnen Informationen über das Asylverfahren zur Verfügung (AI 2.22.2017; vgl. AI 1.6.2017, USDOS 3.3.2017, AIDA 2.2017). Trotzdem leben noch etwa 350 bis 600 Migranten unter prekären Bedingungen in und um Calais. Großbritannien und Frankreich wollen die Sicherheit an der gemeinsamen Grenze jedoch verbessern. Der französische Präsident und die britische Premierministerin unterzeichneten dazu im Januar 2018 ein neues Abkommen (Zeit 19.1.2018).

Trotz der Bestrebungen der lokalen Behörden und Interessenvertreter bleiben viele Migranten und Asylwerber weiterhin obdachlos und leben landesweit in illegalen Camps (AIDA 2.2017).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (2.22.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – France, http://www.ecoi.net/local_link/336482/479137_de.html, Zugriff 24.1.2018

-        AI – Amnesty International (1.6.2017): France: At a crossroads: Amnesty International submission for the UN Universal Periodic Review, 29th session of the UPR Working Group, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1503902006_eur2167922017english.pdf, Zugriff 24.1.2018

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

-        FRC – Forum Réfugiés Cosi (12.1.2018): Réforme de l’asile : le raccourcissement des délais ne doit pas se faire au détriment des conditions d’accès à la protection, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/reforme-de-l-asile-le-raccourcissement-des-delais-ne-doit-pas-se-faire-au-detriment-des-conditions-d-acces-a-la-protection, Zugriff 24.1.2018

-        FRC – Forum Réfugiés Cosi (22.12.2017): Asile et Immigration : Forum réfugiés-Cosi salue l’ouverture par le Premier ministre d’une consultation et alerte sur plusieurs enjeux, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/asile-et-immigration-forum-refugies-cosi-salue-l-ouverture-par-le-premier-ministre-d-une-consultation-et-alerte-sur-plusieurs-enjeux, Zugriff 24.1.2018

-        USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

-        Zeit (19.1.2018): May und Macron verschärfen Grenzschutz, http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/grossbritannien-theresa-may-emmanuel-macron-calais-frankreich-grenzschutz-sandhurst, Zugriff 29.1.2018

Medizinische Versorgung

Am 1. Januar 2016 wurde in Frankreich der neue allgemeine Krankenversicherungsschutz (protection universelle maladie – PUMA) eingeführt. Deren medizinischen Leistungen können Asylwerber im ordentlichen, aber auch im Schnell- und im Dublinverfahren in Anspruch nehmen, sobald sie die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren erhalten (Cleiss 2017; vgl. AIDA 2.2017, Ameli 12.10.2017). Bei PUMA besteht Beitragsfreiheit, wenn das jährliche Einkommen pro Haushalt unter 9.534 Euro liegt (AIDA 2.2017). In Frankreich besteht generell die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abzuschließen, um die Gesundheitsausgaben zu decken, die nicht von der Pflichtversicherung übernommen werden. Einkommensschwachen Personen kommt jedoch kostenfrei ein Allgemeiner Zusatzkrankenschutz (couverture maladie universelle complémentaire – CMU-C) zu, der die vollständige Kostenübernahme von Leistungen sichert (Cleiss 2017; vgl. Ameli 15.11.2017, RSB o.D.). Dies kann auch von Asylwerbern in Anspruch genommen werden (Ameli 12.10.2017). Weiters besteht die Möglichkeit für illegale Einwanderer nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich, von der sogenannten staatlichen medizinische Hilfe (aide médicale de l'état – AME) zu profitieren, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten (AIDA 2.2017; vgl. Le Fonds CMU 2.5.2017, Ameli 13.10.2017). Neben Personen mit einem niedrigen Einkommen können auch Asylwerber die in Krankenhäusern eingerichteten Bereitschaftsdienste zur ärztlichen Versorgung der Bedürftigsten (permanences d'accès aux soins de santé – PASS) in Anspruch nehmen, während sie auf den Zugang zu CMU oder AME warten. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass alle Krankenhäuser die PASS anbieten müssen, ist das in der Praxis nicht immer der Fall (AIDA 2.2017).

Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, Asylwerber können aber im Rahmen der PUMA oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nicht-frankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesen Themen widmen, z.B. Primo Levi in Paris oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor-Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 2.2017).

Die Mitarbeiter der CADA sind verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen nach Ankunft im Unterbringungszentrum eine ärztliche Untersuchung durchzuführen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Ablehnung des Asylantrags haben Personen ein Jahr lang ab der Ausstellung des negativen Beschieds Anspruch auf medizinische Versorgung bei Krankheiten oder Mutterschaft, solange sie sich weiterhin in Frankreich aufhalten (Ameli 12.10.2017).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

-        Ameli – L‘Assurance Maladie (12.10.2017): Vous êtes demandeur d'asile, https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/europe-international/protection-sociale-france/demandeur-dasile, Zugriff 24.1.2018

-        Ameli – L‘Assurance Maladie (13.10.2017): Aide médicale de l'État (AME) : vos démarches, https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/situations-particulieres/situation-irreguliere-ame, Zugriff 24.1.2018

-        Ameli – L‘Assurance Maladie (15.11.2017): CMU complémentaire : conditions et démarches, https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/difficultes-financieres/complementaire-sante/cmu-complementaire, Zugriff 24.1.2018

-        Cleiss – Centre des liaisons européennes et internationales de sécurité sociale (2017): Das französische Sozialversicherungssystem, http://www.cleiss.fr/docs/regimes/regime_france/al_1.html, Zugrif 24.1.2018

-        Le Fonds CMU – Fonds de financement de la protection complémentaire de la couverture universelle du risque maladi (2.5.2017): Are you an undocumented immigrant?, http://www.cmu.fr/undocumented-immigrant.php, Zugriff 24.1.2018

-        RSB – Rosny sous-Bois (o.D.): ACS - AME - CMU-C - PUMA, http://www.rosny93.fr/ACS-AME-CMU-C-PUMA, Zugriff 24.1.2018

-        USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

Begründend wurde ausgeführt, dass ein substantiiertes glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK, im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, im Verfahren nicht hervorgekommen seien. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen hätten sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass der Beschwerdeführer an einer schweren körperlichen Krankheit oder einer schweren psychischen Störung leide. Im vorliegenden Fall sei die Eheschließung mit seiner Ehegattin mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung hinsichtlich der rechtsgültigen Schließung einer Ehe zwischen Mann und Frau nicht vereinbar. Es sei daher im gegenständlichen Verfahren davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht rechtsgültig verheiratet sei. Die Behörde bestreite nicht, dass bei einer Ausweisung des Beschwerdeführers kein Eingriff iSd Art. 8 EMRK stattfinden werde. Jedoch sei eine Ausweisung nach Frankreich kein so schwerwiegender Eingriff sodass eine Überstellung nach Frankreich in keinster Weise unzumutbar wäre. Zudem habe die Ehegattin den Flüchtlingsstatus und einen Reisepass, welcher es ihr ermögliche, nach Frankreich zu reisen, was sie auch schon nach der Eheschließung 2019 getan habe. Es gehe zwar aus der Beziehung ein gemeinsames Kind hervor, vermöge dies aber in einer Gesamtschau aller Umstände nicht zu überzeugen, dass eine innige Verbundenheit zwischen den Beteiligten vorliege. Das Bestehen einer etwaigen ausgeprägten Abhängigkeit des Beschwerdeführers zu seiner Ehegattin sei nicht substantiiert vorgebracht worden. Der durch die normierte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in sein Privatleben sei ebenfalls durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu seinem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt.

Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden auch Feststellungen in Zusammenhang mit der aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus getroffen.

8. Gegen den gegenständlichen Bescheid wurde am 09.07.2021 fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Inhaltlich wurde ausgeführt, dass der BF in Österreich über ein schützenswertes Familienleben mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter verfüge und die belangte Behörde in ihrer Entscheidung das Kindeswohl nicht genug berücksichtigt habe. Die belangte Behörde müsse die Auswirkungen auf das Wohl des Kindes bei der Anordnung der Außerlandesbringung berücksichtigen und dessen Interessen dem öffentlichen Interesse gegenüberstellen. Gerade im besonders prägenden Kleinkindalter sei die persönliche Beziehung zu beiden Elternteilen für die Entwicklung des Kindes sehr wichtig und könne keinesfalls durch moderne Kommunikationsmittel ersetzt werden. Die Ausübung des für das Kind notwendigen Kontaktrechts wäre im Fall einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers somit nicht möglich. Da das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers im konkreten Einzelfall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Interessen überwiegt, sei die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären. Die Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 würden fallgegenständlich vorliegen.

9. Die Beschwerdevorlage langte am 14.07.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

10. Während der Dauer des anhängigen Beschwerdeverfahrens wurden die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie begleitend beobachtet.

11. Der Beschwerdeführer wurde am 13.08.2021 auf dem Luftweg nach Frankreich überstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein volljähriger afghanischer Staatsangehöriger, brachte am 23.05.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2017 abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.05.2019, GZ W138 2162077-1/29E, abgewiesen und erwuchs mit 05.06.2019 in Rechtskraft.

Den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte der Beschwerdeführer am 10.05.2021.

Laut EURODAC-Abfrage erfolgten zuvor erkennungsdienstliche Behandlungen am 18.05.2016 in Ungarn, am 23.05.2016 in Österreich und am 08.07.2019 in Frankreich. Das Gebiet der „Dublin-Staaten“ wurde vom Beschwerdeführer zwischenzeitig nicht wieder verlassen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 27.05.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Frankreich, dem die französische Dublinbehörde mit Schreiben vom 11.06.2021 auf Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zustimmte.

Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Frankreichs wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Frankreich an.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Frankreich Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 05.08.2021, 655.853 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 10.541 Todesfälle; in Frankreich wurden zu diesem Zeitpunkt 6.039.483 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 110.921 Todesfälle bestätigt (WHO, 05.08.2021).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Da sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat, wurden – neben anderen Lockerungen der Corona-Maßnahmen – die Reisebeschränkungen, die eingeführt worden waren, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wieder schrittweise aufgehoben.

Seit 09.06.2021 wurden für die Einreise nach Frankreich die Länderkategorien „grün“, „orange“ und „rot“ definiert. Österreich fällt als Mitgliedstaat der Europäischen Union in die Kategorie „grün“. Die Vorlage eines vollständig gültigen Impfnachweises oder eines negativen PCR-/Antigen-Test-Resultats (nicht älter als 72 Stunden bei Einreise) oder eines Genesungszertifikats sowie einer eidesstattlichen Erklärung zur Symptomfreiheit und dass kein wissentlicher Kontakt zu einem COVID-19-Erkrankten in den letzten 14 Tagen vor der Abreise stattgefunden hat, ist verpflichtend. Für das ganze Land gilt die Sicherheitsstufe 4 (Hohes Sicherheitsrisiko) (BMEIA, 09.06.2021).

Der 25- respektive 28-jährige Beschwerdeführe leidet an keinen akut lebensbedrohlichen Erkrankungen oder gesundheitlichen Problemen. Er brachte lediglich vor bei kaltem Wetter an Rückenschmerzen zu leiden und deswegen auch Schmerztabletten zu nehmen. In ärztlicher Behandlung steht der Beschwerdeführer nicht und legte er auch keine Befunde oder Rezepte vor. Er fällt auch nicht unter die oben angeführten Risikogruppen.

Der Beschwerdeführer hat eine Freundin in Österreich, mit der er seit 15.06.2019 nach traditionellem Recht verheiratet ist. Die gemeinsame Tochter wurde am XXXX in XXXX geboren. Ein gemeinsamer Haushalt zwischen dem Beschwerdeführer, seiner Freundin und der Tochter hat zu keinem Zeitpunkt bestanden. Gegenseitige finanzielle Abhängigkeiten liegen ebenfalls nicht vor. Sonstige familiäre oder besonders ausgeprägte private oder berufliche Anknüpfungspunkte in Österreich bestehen nicht.

Am 13.08.2021 erfolgte die Überstellung des Beschwerdeführers nach Frankreich.

2.       Beweiswürdigung:

2.1 Die Feststellungen zum Verfahrensgang, dem Erstverfahren, dem Reiseweg und den Anträgen auf internationalen Schutz in Österreich und Frankreich ergeben sich aus dem unbedenklichen Verwaltungsakt und den Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen.

Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren ergeben sich aus dem, im Verwaltungsakt befindlichen, Schriftwechsel zwischen der österreichischen und französischen Dublinbehörde.

2.2 Die Feststellungen zur Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultieren aus den durch Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur allgemeinen und medizinischen Versorgungslage von Asylwerbern auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) getroffen. Sofern Quellen älteren Datums herangezogen wurden, ist davon auszugehen, dass sich die Lage in Frankreich nicht maßgeblich geändert hat.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das französische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Frankreich den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen.

Eine den Beschwerdeführer konkret treffende individuelle Bedrohungssituation in Frankreich wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen unter Punkt 3.1.2.1. des gegenständlichen Erkenntnisses).

2.3. Die getroffenen notorischen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen. Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der Versorgung von Asylwerbern in Frankreich, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht.

Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind, weshalb auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden beziehungsweise wurden (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), um die Ausbreitung von COVID-19 hintanzuhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen zu können. In diesem Sinne wurde in den Mitgliedstaaten der EU auch die Durchführung von Überstellungen beziehungsweise die Übernahme von Dublin-Rückkehrern temporär ausgesetzt.

Nachdem sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat und vor dem Hintergrund der sukzessiven Aufhebungen von Reisebeschränkungen, sind zahlreiche Mitgliedstaaten, die im regen Austausch miteinander stehen, mittlerweile aber dazu übergegangen, Überstellungen von Dublin-Rückkehrern (sowohl „in“ als auch „out“) wieder durchzuführen.

Zwar verkennt das Gericht nicht, dass die Pandemie noch nicht überstanden ist, es ist aber davon auszugehen, dass etwaig daraus resultierende erneute Überstellungshindernisse jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin III-VO geregelte grundsätzliche sechsmonatige Überstellungfrist) überwunden sein werden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers basieren im Wesentlichen auf seinen eigenen Angaben im Verfahren in Zusammenschau mit dem Akteninhalt. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Feststellungen zur traditionellen Heirat mit seiner Freundin und dass der Beschwerdeführer Vater der gemeinsamen Tochter ist, stützen sich auf die vorgelegte übersetzte Heiratsurkunde und die Geburtsurkunde. Dass der Beschwerdeführer weder mit seiner Freundin, noch mit seiner Tochter jemals in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat und auch keinerlei finanziellen oder sonstigen Abhängigkeiten zwischen ihnen bestehen, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in Zusammenschau mit dem Verwaltungsakt.

Ebenfalls aus der Aktenlage sowie den Angaben des Beschwerdeführers ergeben sich die sonstigen festgestellten Tatsachen hinsichtlich der privaten, familiären und beruflichen Anknüpfungspunkte in Österreich.

Dass der Beschwerdeführer am 13.08.2021 nach Frankreich überstellt wurde, ergibt sich aus dem Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 13.08.2021.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 57/2018, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBl I 144/2013).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts sind §§ 5 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG; unionsrechtlich sind primär Art. 3, 7, 13, 16, 17, 18, 23 und 25 Dublin III-VO relevant.

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz):

3.1.1. In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Frankreichs letztlich darin begründet, dass die französische Dublinbehörde, nachdem der Beschwerdeführer dort einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, in das Asylverfahren eintrat und auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin III-VO die Wiederaufnahme des Beschwerdeführers ausdrücklich zustimmte. Mängel im Konsultationsverfahren sind im gegenständlichen Fall nicht hervorgekommen und wurden insbesondere alle von der Dublin III-VO normierten Fristen eingehalten.

Für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Frankreich finden sich keine Anhaltspunkte. Die Zuständigkeit Frankreichs ist auch nicht etwa zwischenzeitig wieder erloschen.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich mangels familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages des Beschwerdeführers.

Nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sofern die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben sollte, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es ist daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen wäre:

3.1.2. Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). „Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist.“ (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, zur Dublin II-VO aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass […] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums […] geltend machen kann.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86).

Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob die beschwerdeführende Partei im Falle der Zurückweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG – unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation – in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist. (vgl dazu auch näher Baumann/Filzwieser in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht – Jahrbuch 2018, Seiten 213ff.).

3.1.2.1. Kritik am französischen Asylwesen/die Situation in Frankreich

Der angefochtene Bescheid enthält für den gegenständlichen Fall hinreichende Feststellungen zum französischen Asylwesen. Diese stammen von der Staatendokumentation, die zur Objektivität verpflichtet ist und der Beobachtung eines Beirates unterliegt. Sie stützen sich auf verlässliche und unzweifelhafte aktuelle Quellen von angesehenen staatlichen und nicht staatlichen Einrichtungen, und wurden ausgewogen zusammengestellt. Im Übrigen ist hinsichtlich der Feststellungen älteren Datums anzumerken, dass sich in Bezug auf gegenständliches Beschwerdevorbringen keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben haben und sich die Lage in Frankreich in diesen Zusammenhängen im Wesentlichen unverändert darstellt. Hinsichtlich der derzeitigen Situation in Zusammenhang mit COVID-19 ist an dieser Stelle auf die obigen Ausführungen zu verweisen.

Nach der Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl wurde eine Aktualisierung der Länderinformationen für Frankreich veröffentlicht. Das entscheidende Gericht hat die dem Bescheid zugrundeliegenden Länderfeststellungen mit der aktuellen Version verglichen und haben sich hieraus jedoch keine maßgeblichen Unterschiede für die Entscheidung bzw. Nachteile für den Beschwerdeführer ergeben.

Vor dem Hintergrund der gegenständlich herangezogenen Länderberichte und der verwaltungsbehördlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO nach Frankreich überstellt werden, aufgrund der französischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines "real risk" für den Einzelnen bestehen würde.

Eine wie in der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S./Belgien und Griechenland in Bezug auf Griechenland beschriebene Situation systematischer Mängel im Asylverfahren in Verbindung mit schweren Mängeln bei der Aufnahme von Asylwerbern kann in Frankreich im Hinblick auf die behördlichen Länderfeststellungen nicht erkannt werden. Des Weiteren vermögen einzelne Grundrechtsverletzungen, respektive Verstöße gegen Asylrichtlinien, die Anwendung der Dublin II-VO (und nunmehr der Dublin III-VO) demgegenüber unionsrechtlich nicht zu hindern und bedingen keinen zwingenden, von der Beschwerdeinstanz wahrzunehmenden, Selbsteintritt (EuGH C-411/10 und C-493/10).

Es ist zunächst festzuhalten, dass kein konkretes Vorbringen ergangen ist, das geeignet wäre, anzunehmen, dass der rechtliche und faktische Standard der französischen Asylverfahren eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte erkennen ließe. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich eindeutig, dass Asylwerbern dort ein rechtstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit offensteht, in welchem die Voraussetzungen der Asylgewährung und des Refoulementschutzes im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, definiert sind.

Der Beschwerdeführer gab selbst an, er habe in Frankreich einen Asylantrag stellen können. Selbst wenn dieser negativ entschieden wurde, kann alleine daraus nicht abgeleitet werden, dass in Frankreich kein ordnungsmäßiges Verfahren geführt worden wäre. Negative Entscheidungen ergehen überall auf der Welt, so auch in Österreich, wo das Erstverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen wurde.

Aus den Länderberichten ergibt sich zweifelsfrei, dass Anträge von Dublin-Rückkehrern wie jeder andere Asylantrag behandelt werden. Wenn der Rückkehrer bereits eine endgültige negative Entscheidung der 2. Instanz erhalten hat, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Zugang zu Versorgung hat er nur, wenn der Folgeantrag zulässig ist. Dublin-Rückkehrer werden in Frankreich wie andere Antragsteller behandelt, mit der Ausnahme, dass sie lediglich Zugang zu Notunterbringungen (HUDA und PRAHDA) haben. Diese Zentren haben zusammen eine Kapazität von 51.796 Plätzen. Asylwerber können nur untergebracht werden, wenn es genug Kapazitäten gibt und Vulnerable werden priorisiert. Obdachlosigkeit unter Migranten ist ein Problem. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst (JRS) bietet jedoch befristete Unterbringung bei Gastfamilien an.

Weiters geht aus den Länderfeststellungen hervor, dass in Frankreich eine Beihilfe (ADA) für Asylwerber besteht, welche die vorherige monatliche Zahlung (AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (ATA) ersetzt. Die Höhe der ADA hängt von verschiedenen Faktoren, wie Art der Unterkunft, Alter, Anzahl der Kinder usw. ab. Alleinstehende Asylwerber erhalten EUR 204,00 monatlich. Erwachsene Asylwerber, die vom Büro für Immigration und Integration versorgt werden, aber nicht untergebracht werden können, erhalten zusätzlich EUR 7,40 pro Tag, was für den Zugang zu privat angemieteter Unterkunft als zu wenig kritisiert wird.

Der Beschwerdeführer brachte zu keinem Zeitpunkt vor, während seines zweijährigen Aufenthalts in Frankreich mangelhaft versorgt oder untergebracht gewesen zu sein. Vielmehr gab er in der Erstbefragung an, in Frankreich sei es schön gewesen.

Als einzigen Grund für seine erneute Antragstellung in Österreich und weshalb er nicht nach Frankreich zurückkehren könne, brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Freundin und seine Tochter in Österreich leben würden. Es ist im Zuge dessen jedoch festzuhalten, dass es nicht dem Fremden obliegt, ein Asylverfahren in einem Land seiner Wahl durchzuführen und dadurch ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Es gelten hierfür die Bestimmungen der Dublin III-VO, die im vorliegenden Fall unzweifelhaft die Zuständigkeit Frankreichs ergeben haben. Es ist auf den Hauptzweck der Dublin III-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber/innen losgelöste Zuständigkeitsregelung zu treffen ist.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für nach Frankreich überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.

In Frankreich ist auch ausreichende Versorgung für Asylwerber gewährleistet. Das Gericht ist der Überzeugung, dass dem Beschwerdeführer, eine Asylantragstellung in Frankreich vorausgesetzt, eine ordnungsgemäße Unterbringung und Versorgung zuteilwerden wird. Es ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei Rückkehr nach Frankreich dort gleichsam sich selbst überlassen bliebe (geblieben wäre) und in eine ausweglose Situation geraten könnte (geraten wäre).

Das Asyl- und Refoulementschutzverfahren in Frankreich und die Situation von Asylwerbern dort geben im Ergebnis verfahrensgegenständlich keinen Anlass, ein „real risk“ einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu befürchten. Es gibt keine Informationen dahingehend, dass ein Asylwerber, der im Rahmen der Dublin III-VO von Österreich nach Frankreich überstellt worden ist, ohne Prüfung seines Asylantrages in einen Staat weiter abgeschoben worden wäre, wo ihm die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK gedroht hätte.

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle der Gewährung internationalen Schutzes in Frankreich aufgrund der dortigen Lebensumstände, die ihn als international Schutzberechtigten erwarten würden, einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren, weil er sich im Fall der Überstellung unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände (vgl. EuGH 19.03.2019, C-163/17, Jawo).

Jedenfalls hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit, etwaig konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in seinen Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden und Gerichten in Frankreich und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.

3.1.2.2. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Frankreich:

Nach der Rechtsprechung von EGMR, VfGH und VwGH zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken hat im Allgemeinen kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Mitgliedstaat zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet ist. Nach Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung, welche zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst, erhalten beziehungsweise dass Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauerhaft eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (grundlegend: EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili/Belgien; vgl. ferner EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia/Schweden; 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich; 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev/Schweden; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh/Schweden; 04.07.2006, 24171/05, Karim/Schweden; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy/Niederlande; siehe auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0082; 10.08.2017, Ra 2016/20/0105).

Wie festgestellt, kamen beim Beschwerdeführer keine Hinweise auf das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder schweren psychischen Beschwerden hervor und befindet er sich nicht in ärztlicher Behandlung. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgebrachten Rückenschmerzen wurde von ihm kein ärztlicher Befund vorgelegt.

Es liegt daher jedenfalls keine Krankheit von jener Schwere vor, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung nach Frankreich als eine unmenschliche Behandlung erscheinen lässt.

In Frankreich ist zudem ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber gewährleistet; der Zugang ist auch in der Praxis gewährleistet. Abgelehnte Asylwerber verlieren nach sechs Monaten die Berechtigung die allgemeine Krankenversicherung (PUMA) in Anspruch zu nehmen, können danach aber von der sogenannten staatlichen medizinischen Hilfe (AME) profitieren, welche medizinische Behandlung in Spitälern und bei Ärzten ermöglicht. Es kann überdies davon ausgegangen werden, dass Schmerztabletten (gegen seine Rückenschmerzen) und andere Medikamente in allen Mitgliedstaaten, so auch Frankreich, erhältlich sind.

Nur der Vollständigkeit halber ist im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus festzuhalten, dass der Beschwerdeführer aktuell 25 respektive 28 Jahre alt ist und an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, womit er nicht unter die Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Frankreich vorliegendes individuelles „real risk“ einer Verletzung des Art. 3

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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