TE Vwgh Erkenntnis 2021/10/19 Ra 2020/14/0562

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Veröffentlicht am 19.10.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §9 Abs2
AsylG 2005 §9 Abs2 Z2
BFA-VG 2014 §9
BFA-VG 2014 §9 Abs2
FrPolG 2005 §52 Abs2
MRK Art8
SMG 1997 §27
SMG 1997 §27 Abs2a
SMG 1997 §27 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Schindler, den Hofrat Dr. Himberger sowie die Hofrätin Dr. Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engel, über die Revision des A B, vertreten durch Dr. Stefan Kovacsevich, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Jacquingasse 35, dieser vertreten durch Mag. Carolin Seifriedsberger, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2020, W177 2127474-2/28E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 4. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Mit Bescheid vom 4. Mai 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 4. Mai 2017. Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Asylstatus wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 5. Juli 2016 als unbegründet ab.

3        Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Mai 2017 wurde der Revisionswerber als junger Erwachsener wegen der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB, der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 erster Fall, 15 StGB sowie des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

4        Mit Bescheid vom 23. Juni 2017 verlängerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über Antrag des Revisionswerbers die Gültigkeit der befristeten Aufenthaltsberechtigung bis zum 23. Juni 2019.

5        Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. Dezember 2018 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a zweiter Fall und Abs. 3 Suchtmittelgesetz (SMG), 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, acht davon unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt, verurteilt.

6        Mit Bescheid vom 31. Jänner 2019 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab (I.), entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung (II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (III.). Es erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung (IV.), stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Afghanistan fest (V.), bestimmte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (VI.) und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot (VII.).

7        Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde.

8        Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. August 2019 wurde der Revisionswerber wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG sowie § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.

9        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides gerichtete Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass dieser zu lauten habe, dem Revisionswerber werde der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 aberkannt. Die gegen die Spruchpunkte II., III., IV. und VI. des Bescheides gerichtete Beschwerde wies es als unbegründet ab und gab der gegen die Spruchpunkte V. und VII. gerichteten Beschwerde mit der Maßgabe statt, dass diese zu lauten haben, die Abschiebung des Revisionswerbers sei gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig und gegen ihn werde ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Unter einem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

10       Begründend führte es - soweit für das Revisionsverfahren relevant - aus, die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 lägen nicht vor, weil eine grundlegende Änderung der Umstände zum Entscheidungszeitpunkt nicht erkennbar sei. Nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 habe jedoch eine Aberkennung zu erfolgen, wenn der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle. Im vorliegenden Fall weise der Revisionswerber drei rechtskräftige Verurteilungen auf, wovon zwei als besonders qualifiziert im Sinne der Judikatur anzusehen und geeignet seien, eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit des Landes darzustellen. So sei der Verurteilung vom 13. Dezember 2018 wegen des Vergehens nach §§ 27 Abs. 2a zweiter Fall und Abs. 3 SMG, § 15 StGB, zugrunde gelegen, dass der Revisionswerber in der Absicht gehandelt habe, sich durch die wiedergehende Begehung solcher Handlungen eine fortlaufende Einnahme von mehr als € 400 monatlich zu verschaffen und er zumindest zwei weitere solche Taten geplant habe. Bereits im Jahr darauf sei der Revisionswerber erneut wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Handlungen, nämlich der Vergehen des Umgangs mit Suchtgiften (gewerbsmäßiges Überlassen auf einer öffentlichen Verkehrsfläche) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden. In einer Gesamtbetrachtung könne dem Revisionswerber keine positive Zukunftsprognose erteilt werden, zumal im Zusammenhang mit den von ihm begangenen Suchtgiftdelikten jedenfalls die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität hervorzuheben sei. Das Delikt der gewerbsmäßigen Überlassung von Suchtgiften komme dem Drogenhandel gleich und werde schon als solches zu den schweren Verbrechen gezählt. Der Revisionswerber sei drogenabhängig gewesen und habe die Suchtgiftdelikte vorwiegend deswegen begangen, um sich selbst Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen. Hinsichtlich seiner Verurteilungen falle allerdings besonders auf, dass er in wiederholten Angriffen in einem Zeitraum von zumindest 11. August 2018 bis 27. November 2018 und am 29. Juni 2019 vorschriftswidrig Suchtgift überlassen habe. Probezeiten hätten den Revisionswerber nicht davon abgehalten, weitere Straftaten zu begehen. Das Gericht verkenne zwar nicht, dass dem Revisionswerber zugute zu halten sei, dass er seine Abhängigkeit mit Hilfe einer Therapie in den Griff bekommen und daher einen wesentlichen Teil zu einer positiven Zukunftsprognose gesetzt habe. Allerdings sei die zuletzt begangene Tat sowie die danach folgenden (und bereits eingestellten) Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Begehung eines weiteren Suchtmitteldelikts erneut ein Indiz dafür, dass der Revisionswerber trotz Haftübels und offener Probezeiten nicht davor zurückschrecke, Straftaten nach dem SMG zu begehen. Die Absolvierung der Drogentherapie sowie die Führung einer Beziehung mit seiner Freundin seien dem Revisionswerber zwar ebenfalls zu Gute zu halten, in Anbetracht der Schwere der Verurteilungen sowie der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, an deren Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe, vermögen die gesetzten Schritte des Revisionswerbers an der negativen Gefährdungsprognose nichts zu ändern. Auch stelle seine Drogenabhängigkeit keine Rechtfertigung für das strafrechtliche Verhalten dar.

11       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht das Vorverfahren eingeleitet. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vor, das Bundesverwaltungsgericht sei in Bezug auf die zu erstellende Gefährdungsprognose nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil keine ordnungsgemäße Gesamtabwägung aller Umstände vorgenommen worden sei.

15       Aufgrund dieses Vorbringens stellt sich die Revision als zulässig und berechtigt dar.

16       Die maßgebliche Bestimmung des AsylG 2005 lautet:

„Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) ...

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1.   einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2.   der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3.   der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) ...“

17       Nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 hat eine Aberkennung des subsidiären Schutzes bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 leg. cit. zu erfolgen, wenn der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt.

18       Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Z 3 und § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; § 53 Abs. 2 und Abs. 3 FPG; § 66 Abs. 1 FPG; § 67 FPG). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar.

19       Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. VwGH 22.10.2020, Ro 2020/20/0001; 22.10.2020, Ra 2020/20/0274; 20.8.2020, Ra 2019/19/0522, jeweils mwN).

20       Eine solche, auf konkreten Feststellungen beruhende Gefährdungsprognose enthält das angefochtene Erkenntnis nicht.

21       Zunächst ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht - im Gegensatz zur bescheiderlassenden Behörde - erstmals im angefochtenen Erkenntnis die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 prüft. Wie die Revision in diesem Zusammenhang zutreffend aufzeigt, wurde in den mündlichen Verhandlungen die Straffälligkeit des Revisionswerbers inhaltlich nicht thematisiert. Diesbezüglich wurde keine Ermittlungstätigkeit entfaltet und der Revisionswerber dazu auch nicht befragt.

22       Das Bundesverwaltungsgericht hat die strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers lediglich unter Nennung der Tatbestände wiedergegeben und anhand dessen im Hinblick auf das Vorliegen von Suchtgiftdelikten die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität hervorgehoben. Es ging ohne nähere Begründung davon aus, dass zwei der drei Verurteilungen „besonders qualifiziert“ seien. Das Verwaltungsgericht strich die Gewerbsmäßigkeit der Suchtgiftüberlassung hervor, die Drogenabhängigkeit des Revisionswerbers als auch die Begehung der Delikte innerhalb offener Probezeiten. Im Rahmen der vorgenommenen Gefährdungsprognose ist es zum Ergebnis gelangt, das Delikt der gewerbsmäßigen Überlassung von Suchtgiften komme „dem Drogenhandel gleich“ und werde schon als solches zu den „schweren Verbrechen“ gezählt. Weiters hat es Mutmaßungen angestellt, wonach es nicht anzunehmen sei, dass der Revisionswerber Reue und Einsicht gezeigt habe. Wenngleich dem Revisionswerber zu Gute zu halten sei, dass er seine Abhängigkeit mit Hilfe einer Therapie in den Griff bekommen habe und eine Beziehung führe, vermögen diese Schritte an der negativen Gefährdungsprognose nichts zu ändern.

23       In Bezug auf Suchtgiftdeliquenz hat der Verwaltungsgerichtshof - vor dem Hintergrund einer Verurteilung wegen eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a SMG - bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht. Ferner entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es grundsätzlich im Fall von strafbaren Handlungen infolge Gewöhnung an Suchtmittel neben dem Abschluss einer Therapie noch eines maßgeblichen Zeitraums des Wohlverhaltens bedarf, um einen Wegfall der Gefährdung annehmen zu können (vgl. VwGH 8.7.2020, Ra 2019/14/0272, mwN).

24       Im vorliegenden Fall wurde der Revisionswerber wegen mehrerer Vergehen nach § 27 SMG, unter anderem wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung, verurteilt. Die im Fall des Revisionswerbers auch herangezogene Bestimmung des § 27 Abs. 2a SMG sieht eine Qualifikation für den Drogenhandel im öffentlichen Raum vor. Nach den Gesetzesmaterialien soll damit die Festnahme kleiner Drogendealer ermöglicht werden, denen zwar gewerbsmäßiges Handeln nicht nachgewiesen werden kann, die aber dennoch eine gewisse Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, indem sie in der Öffentlichkeit Suchtgifthandel betreiben (siehe dazu Hinterhofer/Tomasits in Hinterhofer, SMG2 § 27 Rz 85). Hinzu kommt, dass der Revisionswerber auch wegen der gewerbsmäßigen Begehung gemäß Abs. 3 leg.cit. verurteilt wurde, wobei es sich um ein besonderes persönliches Schuldmerkmal handelt.

25       Vor diesem Hintergrund und der oben dargestellten Rechtslage ist das Bundesverwaltungsgericht trotz des besonderen öffentlichen Interesses an der Verhinderung des Suchtgifthandels (dazu vgl. VwGH 8.7.2020, Ra 2019/14/0272, mwN) nicht davon entbunden, zusätzlich zum Kriterium der rechtskräftigen Verurteilungen des Revisionswerbers eine eingehendere Auseinandersetzung mit allen Umständen dieses Falles, insbesondere unter Einbeziehung der Art und Schwere der Straftaten, der konkreten Tatumstände und dem sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbild des Revisionswerbers, gegebenenfalls auch durch Verschaffung eines persönlichen Eindrucks dazu in einer mündlichen Verhandlung (vgl. zu den entsprechenden Kriterien hinsichtlich der Bedeutung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung auch in Bezug auf die Gefährdungsprognose VwGH 19.7.2021, Ra 2020/14/0574; 17.3.2021, Ra 2021/14/0043, jeweils mwN) vorzunehmen.

26       Erst die daraus getroffenen Feststellungen ermöglichen eine Beurteilung dahingehend, ob angenommen werden kann, dass der Revisionswerber eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt und daher der ihm zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 abzuerkennen gewesen wäre.

27       Da das Bundesverwaltungsgericht die aufgezeigten Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigte, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass es - weil die rechtlich vom Ausspruch über die Aberkennung des subsidiären Schutzes abhängenden Spruchpunkte ihre Grundlage verlieren, zur Gänze - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

28       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140562.L00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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