TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/11 LVwG-2021/47/1742-10

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Veröffentlicht am 11.10.2021
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Entscheidungsdatum

11.10.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

VStG §7
FrPolG 2005 §120 Abs1a
FrPolG 2005 §31 Abs1
FrPolG 2005 §31 Abs1a
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in. Keplinger über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 28.05.2021, Zl  ***, betreffend eine Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG 2005) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG 1991 eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgegenstand:

Mit dem verfahrensgegenständlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe seine Bekannte BB, geboren am **.**.****, Staatsangehörige aus Brasilien, Fremde im Sinn des § 2 Abs 4 Z 1 FPG, bei ihrem unrechtmäßigen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet sowie an ihrem gemeinsamen Wohnsitz in Z, Adresse 1, persönlich unterstützt. Er habe es vorsätzlich veranlasst, dass eine Fremde, nämlich BB eine Verwaltungsübertretung begeht bzw sei ihr durch sein unterstützendes Verhalten die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert bzw sogar erst möglich geworden.

Anlässlich einer Vorsprache des Beschuldigten und seiner Bekannten bei der LPD Tirol, FGA Fremdenpolizei am 05.10.2020 habe festgestellt werden können, dass der erlaubte Zeitraum für den rechtmäßigen Aufenthalt der Bekannten in Österreich überschritten worden sei und diese nicht im Besitz einer erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung bzw eines erforderlichen Sichtvermerks gewesen sei. Er habe dadurch gegen § 120 Abs 1a FPG iVm §§ 31 Abs 1 und 1a FPG 2005 iVm § 7 VStG 1991 verstoßen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 500,00 (2 Tage und 19 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt worden ist.

Dagegen richtete sich die rechtzeitige Beschwerde, in welcher auf das Wesentlichste zusammengefasst vorgebracht wurde, dass Sachen verlangt worden seien, die nicht beizuschaffen gewesen wären. Aufgrund der Pandemie habe in diesem Zeitpunkt niemand fliegen können und er habe versucht, sobald wie möglich für Frau BB einen Flug zu finden. Er habe alles versucht, dass Frau BB ausreisen könne, dies sei aber wegen der Pandemie nicht möglich gewesen. Beantragt wurde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt, die Einsichtnahme in ein undatiertes Schreiben des BMI, *** (Beilage ./A zu OZ 4, Kopien einer Buchungsbestätigung vom 04.08.2020) (Beilage ./B zu OZ 4), ein Schreiben der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 10.08.2021 (Beilage ./C zu OZ 4), ein ZMR-Auszug der BB vom 05.04.2021 (Beilage ./D zu OZ 4), die Stellungnahme der LPD Tirol vom 13.08.2021 (OZ 5 und 6) samt Beilagen ein Schreiben des Beschwerdeführers vom 27.08.2021 samt Beilagen (OZ 7), eine Stellungnahme der LPD Tirol vom 06.09.2021 samt Beilagen (OZ 9) und eine Stellungnahme des Beschwerdeführers (OZ 10) und die Einvernahme des Beschwerdeführers und des Vertreters der belangten Behörde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12.08.2021 (OZ 4).

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist mit der brasilianischen Staatsangehörigen BB befreundet. Diese ist Ende Februar 2020 von Brasilien nach Europa gereist. Die Einreise in den Schengenraum erfolgte am Flughafen CC in Y. Der Beschwerdeführer und die Fremde kennen sich aus Brasilien, wo er bereits öfters auf Urlaub war und diese kennengelernt hat. Während ihres Aufenthalts in Österreich wohnte die Fremde mit dem Beschwerdeführer in dessen Wohnung in Z. Nach ihrer Einreise in Y ist die Fremde weiter nach X geflogen, wo sie vom Beschwerdeführer abgeholt wurde. Bei ihrer Einreise verfügte sie über ein Rückflugticket von X nach W über Y mit Abflug am 31.03.2020. Der Rückflug der Fremden am 31.03.2020 nach Brasilien wurde wegen der Corona-Pandemie storniert.

Mit Schreiben vom 18.05.2020 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass die Fremde voraussichtlich am 11.06.2020 nach Hause fliegen werde. Mit weiterem Schreiben vom 25.05.2020 teilte er wiederum mit, dass die Dame so schnell wie möglich nach Brasilien reisen werde, aber erst wenn ein Flug zu bekommen sei. Von Seiten der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer mit E-Mail vom 26.05.2020 mitgeteilt, dass nach Ablauf des dreimonatigen rechtmäßigen Aufenthaltes für touristische Zwecke in Österreich gemäß Altabkommen Österreich/Brasilien ein Antrag auf die Ausstellung eines Visum D zu stellen. Ein diesbezügliches Formular wurde ihm per E-Mail übermittelt. Zudem wurde er darauf aufmerksam gemacht, dass die Fremde ehestmöglich zur Ausreise verpflichtet sei. Einen Antrag auf Ausstellung eines Visum D stellte die Fremde nicht.

In den Monaten Juni, Juli und August 2020 wurden zumindest von den Fluglinien DD und EE Flüge von Europa nach Brasilien durchgeführt. Der Fremden wäre es sohin möglich gewesen zumindest ab Juni 2020 auszureisen. Aufgrund der Corona-Pandemie war es aber jedenfalls schwieriger einer Rückreise nach Südamerika zu organisieren und zu welchen Preisen diese Flüge angeboten wurden, kann nicht festgestellt werden.

Ob die Fremde mit der brasilianischen Botschaft in V hinsichtlich ihrer Rückreise in Kontakt getreten ist kann nicht festgestellt werden. Mit dem Bundesministerium für Inneres ist der Beschwerdeführer hinsichtlich der Ausreisemöglichkeit der Fremden im November 2020 in Kontakt getreten. Der Beschwerdeführer bzw die Fremde haben außerdem mit der Zivilluftfahrtagentur Brasiliens (ANAC) betreffend die Ausreise nach Brasilien aufgenommen. Der Beschwerdeführer hat bestimmt nicht alles darangesetzt, den ehestmöglichen Rückflug für die Fremde zu buchen, er hat diese aber sehr wohl dabei unterstützt aus dem Bundesgebiet auszureisen.

Die Fremde ist am 27.11.2020 freiwillig ausgereist.

III.     Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Aufenthalt der Fremden im österreichischen Bundesgebiet ergeben sich aus dem verwaltungsbehördlichen Akt. Die Dauer des Aufenthalts wurde darüber hinaus von Seiten des Beschwerdeführers bestätigt.

Die Feststellungen zum Schriftverkehr des Beschwerdeführers mit der belangten Behörde und zu den ursprünglich gebuchten und aufgrund der Corona-Pandemie stornierten Rückflügen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des verwaltungsbehördlichen Aktes. Aufgrund der Mitteilung der FF und auch den Ausführungen des Beschwerdeführers konnte festgestellt werden, dass Flüge im Zeitraum von Juni, Juli und August 2020 durchgeführt wurden. In Ermangelung von Nachweisen konnte nicht festgestellt werden zu welchen Preisen diese Flüge angeboten wurden.

Zumal weder der Beschwerdeführer einen Schriftverkehr mit der brasilianischen Botschaft in V vorlegen konnte, noch von Seiten der Botschaft eine schriftliche Kontaktaufnahme bestätigt werden konnte, war es nicht möglich festzustellen, ob der Beschwerdeführer oder seine brasilianische Bekannte mit der brasilianischen Botschaft in Österreich in Kontakt getreten ist. Vom Beschwerdeführer wurde lediglich ein Schriftverkehrt mit der nationalen Zivilluftfahrtagentur Brasiliens (ANAC) und dem österreichischen Innenministerium vorgelegt.

IV.      Rechtslage:

Die wesentlichen Feststellungen zum Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), BGBl Nr 52/1991, idF BGBl I Nr 58/2018, lauten auszugsweise wie folgt:

„§ 8.

Versuch

(1) Sofern eine Verwaltungsvorschrift den Versuch einer Verwaltungsübertretung ausdrücklich für strafbar erklärt, unterliegt der Strafe, wer vorsätzlich eine zur wirklichen Ausübung führende Handlung unternimmt.

(2) Wegen Versuches wird nicht bestraft, wer aus freien Stücken die Ausführung aufgibt oder verhindert oder den Erfolg abwendet.

§ 5.

Schuld

(1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

(1a) Abs. 1 zweiter Satz gilt nicht, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über 50 000 Euro bedroht ist.

(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

§ 40.

Ordentliches Verfahren

(1) Sieht die Behörde nicht schon auf Grund der Anzeige oder der darüber gepflogenen Erhebungen von der Verfolgung ab (§ 45), so hat sie dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, sich zu rechtfertigen.

(2) Die Behörde kann den Beschuldigten zu diesem Zweck zur Vernehmung laden oder ihn auffordern, nach seiner Wahl entweder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu seiner Vernehmung zu erscheinen oder sich bis zu diesem Zeitpunkt schriftlich zu rechtfertigen. Dabei ist der Beschuldigte auf sein Recht hinzuweisen, zur Vernehmung einen Verteidiger seiner Wahl beizuziehen.

(3) Hält sich der Beschuldigte nicht in der Gemeinde auf, in der die Behörde ihren Sitz hat, so kann sie die Vernehmung des Beschuldigten durch die Gemeinde seines Aufenthaltsortes veranlassen.“

Die wesentlichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG 2005), BGBl I Nr 100/2005, idF BGBl I Nr 54/2001, lauten auszugsweise wie folgt:

„§ 2.

Begriffsbestimmungen

[…] (4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

         1.       Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt;

[…]

§ 31.

Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt und die rechtmäßige Ausreise

Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet

(1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;

5. bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;

6. wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

7. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

8. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder

9. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

(1a) Liegt kein Fall des Abs. 1 vor, halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies insbesondere, wenn sie

1. auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten,

2. auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 45b Abs. 1) oder auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 47 ARHG oder § 35 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, eingereist sind,

3. geduldet sind (§ 46a) oder

4. eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 erhalten haben.

§ 120.

Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt

[…]

(1a) Wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis zu 7 500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist. Die Verwaltungsübertretung gemäß erster Satz kann durch Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG in der Höhe von 500 Euro geahndet werden.

[…]“

V.       Erwägungen:

Gemäß § 120 Abs 1a FPG 2005 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und ist mit einer Geldstrafe von Euro 500,00 bis Euro 2.500,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen.

Gemäß § 7 VStG 1991 unterliegt derjenige, der vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, die auf diese Übertretung angesetzte Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die brasilianische Staatsangehörige als Fremde im Sinne des § 2 Abs 4 Z 1 FPG 2005 am 05.10.2020 jedenfalls unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war. Nach ihrer Einreise am 25.02.2020 in das Gebiet der Schengen Staaten und am 08.03.2020 nach Österreich war die Fremde drei Monate gemäß Altabkommen Österreich/Brasilien zum Aufenthalt für touristische Zwecke in Österreich berechtigt. Zumal von der Beschwerdeführerin kein Visum D beantragt wurde und diese nicht rechtzeitig ausgereist ist, war ihr Aufenthalt am 05.10.2020 jedenfalls unrechtmäßig.

Von der Beschwerdeführerin wurde sohin eine Verwaltungsübertretung gemäß § 120 Abs 1a FPG 2005 begangen, für welche sie jedoch nicht belangt wurde.

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat darüber hinaus ergeben, dass der Beschwerdeführer die Fremde bei ihrem Aufenthalt in Österreich jedenfalls dahingehend unterstützt hat, indem er ihr zumindest Wohnraum zur Verfügung gestellt hat. Die beiden haben gemeinsam in der Wohnung des Beschwerdeführers in Z gewohnt.

Täter durch sonstigen Tatbeitrag im Sinn des § 7 VStG 1991 (Beihilfe) ist, wer die Verwirklichung des Tatbestands durch den unmittelbaren Täter erleichtert und die Erleichterung muss die Tatausführung des unmittelbaren Täters fördern, dies kann durch Rat (psychisch) oder durch Tat (physisch) geschehen und der Beitrag muss sich in der Deliktsverwirklichung des unmittelbaren Täters jedenfalls tatsächlich ausgewirkt haben (vgl Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 7 Stand 01.05.2017, RZ 4).

Im gegenständlichen Fall konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich auf die Fremde eingewirkt hat, dass diese unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhältig bleibt. Aufgrund der Corona-Pandemie herrschten jedenfalls besondere Umstände, welche eine Rückreise der Fremden zu dem von ihr geplanten Zeitpunkt im März 2020 verunmöglichten. Auch nach dem Ende des ersten Lockdown im Mai 2020 herrschten schwierigere Bedingungen als sonst, um Flüge nach Südamerika zu buchen. Der Beschwerdeführer hat bestimmt nicht alles darangesetzt, dass die Fremde den erstmöglichen Flug nach Brasilien bucht, um aus dem Bundesgebiet auszureisen, er hat jedoch sehr wohl Erkundigungen vorgenommen, wann es Flüge gibt und wie eine Ausreise möglich sein könnte. Die von der LPD Tirol angeregte Beantragung eines Visum D wurde von diesem nicht vorgenommen bzw hat er die Fremde dabei nicht unterstützt. Darin kann jedoch noch keine Beitragstäterschaft zum unrechtmäßigen Aufenthalt erkannt werden.

Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist in der Regel für jene Fälle, in denen im Weg des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfs erzeugt werden konnte. Nur wenn nach Durchführung aller Beweise – wie es im gegenständlichen Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht erfolgt ist – trotz eingehender Beweiswürdigung damit Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Darüber hinaus erfordert eine strafbare Beteiligung nach ausdrücklicher Anordnung des § 7 VStG 1991 stets vorsätzliches Handeln des Tatbeteiligten, welches zumindest bedingt vorsätzlich sein muss. Bedingter Vorsatz bedeutet, dass der Täter die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (§ 5 Abs 1 StGB). Im konkreten Fall vermochte das Landesverwaltungsgericht keinen Vorsatz des Beschwerdeführers festzustellen.

Aus alledem ergibt sich, dass die dem Beschwerdeführer als Beitragstäter angelastete Verwaltungsübertretung nicht festgestellt werden konnte und sohin gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG 1991 das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen war.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Keplinger

(Richterin)

Schlagworte

Beitragstäterschaft
unrechtmäßiger Aufenthalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.47.1742.10

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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