TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/11 W147 2226928-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.08.2021
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Entscheidungsdatum

11.08.2021

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W147 2226928-1/38E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8. November 2019, Zl. IFA: 377942109-171114893, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV., V. und VII. wird stattgegeben, eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, auf Dauer für unzulässig erklärt und XXXX gemäß §55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin reiste im Jahr 2006 illegal und unter Verwendung einer falschen slowakischen Identität ( XXXX , geb. XXXX ) in das Bundesgebiet ein.

Am XXXX wurde ihre Tochter XXXX geboren. Am XXXX wurde die Tochter XXXX geboren. Am 19. April 2016 wurden der Beschwerdeführerin ihre Kinder von den zuständigen Behörden weggenommen und lebten ab diesem Zeitpunkt ohne die Beschwerdeführerin in einem Mutter-Kind-Heim. Am 28. April 2016 gaben die Beschwerdeführerin und der Vater der Kinder vor der Marktgemeinde XXXX eine Erklärung der gemeinsamen Obsorge gemäß § 177 Abs. 2 ABGB ab. Seit dem 8. September 2016 halten sich die Kinder der Beschwerdeführerin bei einer Pflegefamilie auf. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde die alleinige Obsorge für die minderjährigen Töchter der Beschwerdeführerin der Bezirkshauptmannschaft XXXX übertragen.

2. Am 29. September 2017 brachte die Beschwerdeführerin den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein und wurde am selben Tag niederschriftlich von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen der Erstbefragung einvernommen. Dabei gab sie im Wesentlichen an, sie leide an keinen Beschwerden oder Krankheiten, könne der Erstbefragung ohne Probleme folgen, ihre Kinder seien bei ihr unbekannten Pflegeeltern und in ihrem Herkunftsstaat aufhältig seien ihre Mutter und ihre Schwester.

Die Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat, der Russischen Föderation, sei im Jahre 1997 erfolgt. Als Grund für die Ausreise gab die Beschwerdeführerin dezidiert befragt an, sie habe die Russische Föderation verlassen, weil sie in der Slowakei gutes Geld verdienen konnte. Sie habe aber nicht gewusst, dass der Mann, bei dem sie arbeiten konnte, sie zur Prostitution zwingen würde. Er habe ihre Reisedokumente und ihr verdientes Geld abgenommen. Deshalb sei sie in weiterer Folge nach Österreich geflüchtet. In Österreich befinde sie sich seit dem Jahre 2006, sie sei mit einer falschen Identität eingereist und habe sich hier ein Leben aufgebaut. Nun möchte sie in Österreich unter ihrer wahren Identität leben und bleiben, weil ihre Kinder in Österreich geboren seien. Ihr Reisepass, mit dem sie die Russische Föderation legal verlassen habe, befinde sich in Ungarn. Die Geburtsurkunde legte sie der belangten Behörde in Kopie vor.

Befragt nach Befürchtungen im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation führte die Beschwerdeführerin aus, ihre Mutter lebe in Russland in einer sehr kleinen Wohnung mit vielen anderen Leuten. Sie könne dort nicht auch noch mit ihren Kindern wohnen. Sie würden schon sehr lange in Österreich wohnen und ihr Leben hier nicht aufgeben.

Am Ende der Erstbefragung ergänzte die Beschwerdeführerin ihre Angaben und brachte vor, sie habe die letzten 22 Jahre mit einer falschen Identität gelebt. Jetzt möchte sie mit ihrer ursprünglichen Identität ein besseres Leben führen. Wenn sie Asyl bekomme, könne sie ihre Kinder wieder von der Pflegefamilie zurückholen. Sie wolle arbeiten und ein normales Leben führen.

3. Am 9. November 2017 fand vor der belangten Behörde eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin statt, zu Beginn derer die Beschwerdeführerin angab, ihre Muttersprache sei Russisch, sie spreche auch Deutsch, Slowakisch und Serbokroatisch. Gesundheitlich gehe es ihr jetzt besser. Sie habe Migräne und Augenprobleme (minus 17 Dioptrien), außerdem Eisenmangel und Probleme mit der Schilddrüse. Ihre Geburtsurkunde sei im Original bei der Mutter in Russland, der Polizei habe sie eine Kopie mit Übersetzung gegeben.

Über Vorhalt ihrer Angaben im Zuge der Erstbefragung führte die Beschwerdeführerin aus, sie könne sich erinnern. Ihre Angaben seien vollständig, sie habe damals alles gesagt und habe selbst nichts dazu anzufügen. Sie habe die Wahrheit gesagt, andere Gründe gebe es nicht.

Sie sei in XXXX /Russland geboren und habe dort bis zu ihrem 21. Lebensjahr gelebt. Sie habe elf Jahre lang die Schule besucht, dann elf Monate in einer Kolchose und danach drei Jahre in einer Tischlerei gearbeitet. 1997 sei ihr Vater verstorben und sei sie mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester alleine geblieben. Ein Mann habe ihr dann im gleichen Jahr angeboten, in der Slowakei in einer Bar zu arbeiten. Gemeinsam mit einem anderen Mädchen sei sie von diesem Mann in ein Bordell in die Slowakei gebracht worden und seien ihnen von ihm dort die Dokumente abgenommen worden. Nach zwei Wochen sei die Kriminalpolizei gekommen und hätten sie mitgenommen Sie seien von der Polizei bis zur ukrainischen Grenzen gebracht worden und seien ihnen die Reisepässe ausgehändigt worden. Aber dieser Mann, der sie in die Slowakei gebracht habe, habe jemanden geschickt und sie wieder abgeholt. Sie sei nach Ungarn gebracht worden und habe dort zwei Monate verbracht. Dann sei sie wieder in die Slowakei gebracht worden und habe dort in einem anderen Bordell arbeiten müssen. Das Geld habe ihr der Mann weggenommen. Im Jahre 1998 sei sie dann mit dem anderen Mädchen geflüchtet und hätten sei sich zwei Monate versteckt. Sie hätten versucht, gefälschte Unterlagen zu organisieren, um nach Hause zurück zu kehren. So hätten sie auch ihre Fotos in fremde Pässe geklebt. Ihre Freundin habe nach Hause fahren wollen, sei aber an der Grenze festgenommen worden. Sie habe es nicht mehr riskiert und eine andere Möglichkeit gefunden. Eine Frau habe ihr gegen Bezahlung einen offiziellen Pass mit einem anderen Namen besorgt. Sie sei dann für drei Tage nach Russland und dann mit ihrem Freund wieder zurückgekehrt. Vor fünf Jahren habe sie zum ersten Mal nach 17 Jahren ihre Mutter wiedergesehen. In der Slowakei sei es für sie nicht leicht gewesen: Sie habe nicht arbeiten dürfen und sei von ihrem Freund finanziell unterstützt worden. Dieser habe allerdings auch eine andere Familie gehabt, sei dann von der Finanzpolizei angezeigt und inhaftiert worden. Die Beschwerdeführerin habe sich von einer anderen Person einen neuen Pass besorgt. Diese Person habe ihr geraten, dass sie die Slowakei verlassen müsse. 2006 sei sie nach Österreich gekommen. Hier habe sie ihren Mann kennengelernt und zwei Kinder bekommen. 2007 habe sie ihren letzten slowakischen Pass erhalten; sie hätte diesen auch wieder verlängern können, aber sie habe ein schlechtes Gewissen bekommen und dies nicht mehr wollen. Anfänglich habe sie in Österreich auch als Prostituierte gearbeitet. Nach elf Monaten, im Februar 2007, habe sie ihren Mann kennengelernt und im Mai sei sie schwanger gewesen. Sie habe dann aufgehört als Prostituierte zu arbeiten und sich ein normales Leben aufgebaut. Später habe sie als Putzfrau gearbeitet und die A2 Deutsch-Prüfung abgelegt.

Zuletzt sei sie vor fünf Jahren in der Russischen Föderation gewesen. Ihre Mutter und ihre Schwester sowie deren Familie würden in einer 48 m2 Wohnung leben. Zuletzt habe sie vor einem Monat mit ihrer Schwester telefoniert. In Österreich habe sie ihre beiden Kinder, die ihr vor ca. zwei Jahren weggenommen worden seien; den Grund hiefür verstehe sie nicht. Momentan sehe sie ihre Kinder ein Mal im Monat für drei Stunden unter Aufsicht der zuständigen Behörde. Ihr Lebensgefährte, der Vater ihrer Kinder, habe einen negativen Asylbescheid bekommen und sei nun wahrscheinlich in der Tschechischen Republik.

Eine freiwillige Rückkehr in die Russische Föderation lehne die Beschwerdeführerin ab.

4. Am XXXX wurde die Beschwerdeführerin vom Bezirksgericht XXXX , XXXX , wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von einem Monat, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit, verurteilt.

5. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 fünfter Fall und Abs. 2, 15 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer dreijährigen Probezeit, verurteilt.

6. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX , GZ XXXX , wurde die Beschwerdeführerin wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 200,-- belegt.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17. Jänner 2019, GZ 791617206/181242384, wurde der Asylantrag des Vaters der Kinder der Beschwerdeführerin abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Diese Entscheidung erwuchs aufgrund eines Rechtsmittelverzichts mit 18. Jänner 2019 in Rechtskraft. Am 22. Jänner 2019 wurde der Vater der Kinder der Beschwerdeführerin in den Kosovo abgeschoben.

8. Am 12. Februar 2019 wurde die gesetzliche Vertretung der Kinder der Beschwerdeführerin zu deren Anträgen auf internationalen Schutz einvernommen.

9. Am 21. Februar 2019 und am 8. Mai 2019 wurde die Beschwerdeführerin ergänzend einvernommen.

10. Am XXXX verstarb der Vater der Kinder der Beschwerdeführerin.

11. Mit 23. Juli 2019 wurde den Töchtern der Beschwerdeführerin eine „Aufenthaltsberechtigung Plus“ gemäß § 55 AsylG gewährt.

12. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

In der Entscheidungsbegründung wurde seitens der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe für die Asylantragstellung im Bundesgebiet keinerlei Asylrelevanz entfalten würden. Sie habe ihren Herkunftsstaat ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen und sei anschließend von 1997 bis 1998 in der Slowakischen Republik zur Prostitution gezwungen worden. Eine Gefährdung hinsichtlich asylrelevanter Umstände habe nicht erkannt werden können, sodass auch im Falle einer Rückkehr eine diesbezügliche Gefährdung nicht als gegeben anzusehen gewesen sei.

Aufgrund der vorhandenen familiären Anknüpfungspunkte, aufgrund der Feststellungen zur gewährleisteten Grundversorgung in der Russischen Föderation und des Umstandes, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine selbsterhaltungsfähige Person handle, welche in der Russischen Föderation über Verwandte verfüge, die zur Lebensführung beitragen könnten, sei davon auszugehen, dass sie im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage gelangen würde.

Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin wurde ausgeführt, sie sei seit 2006 in Österreich, wobei sie bei der Einreise und im kommenden Jahrzehnt eine falsche Identität verwendet habe. Sie habe in Österreich zwei minderjährige Kinder, die über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG verfügen. Die Obsorge für die Kinder sei der Beschwerdeführerin am XXXX vom örtlich zuständigen Bezirksgericht entzogen worden. Ab dem 19. April 2016 seien die Kinder ohne die Beschwerdeführerin in einem Mutter-Kind-Heim, seit dem 8. September 2016 bei einer Pflegefamilie untergebracht. Alle drei Wochen gebe es für drei Stunden einen begleiteten Kontakt. Ein Ende der Maßnahme sei nicht geplant. Die Kinder der Beschwerdeführerin seien in die Pflegefamilie integriert und sei die Fortsetzung der Unterkunftnahme bei der Pflegefamilie im Interesse des Kindeswohls. Über die Kinder Hinaus verfüge die Beschwerdeführerin über keine Angehörigen im Bundesgebiet. Der Vater der Kinder der Beschwerdeführerin sei zuletzt am 22. Januar 2019 in den Kosovo abgeschoben und worden und sei am XXXX verstorben.

Die Beschwerdeführerin beherrsche die deutsche Sprache auf alltagstauglichem Niveau, sei in keinen Vereinen oder ehrenamtlich aktiv und verfüge über keinen Freundeskreis. Sie verbringe ihre Freizeit zu Hause und gehe keinen wie auch immer gearteten sozialen Aktivitäten nach. Im Zeitraum von 1. März 2008 bis 7. November 2019 sei die Beschwerdeführerin lediglich von 5. Januar 2013 bis 25. März 2013 (geringfügig beschäftigte Arbeiterin), 25. März 2013 bis 31. März 2013 (Arbeiterin), 1. April 2013 bis 21. April 2013 (geringfügig beschäftigte Arbeiterin), 27. Dezember 2015 bis 27. März 2016 (Arbeiterin), 23. Januar 2017 bis 31. Januar 2017 (Arbeiterin) und 11. Februar 2017 bis 12. März 2017 (Arbeiterin) einer bezahlten Erwerbstätigkeit, somit lediglich rund siebeneinhalb Monate, nachgegangen.

Die Beschwerdeführerin sei mehrmals von Gerichten verurteilt worden und von der Bezirkshauptmannschaft XXXX wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz bestraft worden.

Zur Erlassung eines Einreiseverbotes wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nicht nur die oben zitierten Verurteilungen aufweist, sondern auch mehrere Anzeigen gegen die Beschwerdeführerin vorliegen. Sie habe sich sohin bewusst über die österreichische Rechtsordnung hinweggesetzt, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Beschwerdeführerin mehr als zehn Jahre unter Verwendung einer falschen Identität im Bundesgebiet gelebt und so einerseits die Behörden getäuscht und sich andererseits aufgrund eines erschlichenen Titels unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und auch Transferleistungen bezogen habe. Weiters verfüge die Beschwerdeführerin (der Vollständigkeit halber angeführt) nicht über die notwendigen Mittel für die Bestreitung ihres Unterhalts, was jedoch angesichts des dargelegten erheblichen Fehlverhaltens nicht ins Gewicht fällt und daher bei der Bemessung des Einreiseverbots keine Berücksichtigung gefunden habe.

Für das Bundesamt stehe fest, dass die Fortsetzung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle, welcher nur mit der Verhängung eines Einreiseverbots beigekommen werden könne.

13. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin durch persönliche Übernahme am 11. November 2019 zugestellt.

14. Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2019 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den genannten Bescheid, machte Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

15. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 23. Dezember 2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

16. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Dezember 2019, W147 2226928-1/3E, wurde die gegen die Spruchpunkte I. bis VII. des Bescheids erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Hingegen wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VIII. des Bescheides stattgegeben und der genannte Spruchpunkt aufgehoben.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei unter Vorlage eines gefälschten Reisepasses in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe hier über zehn Jahre unter einer falschen Identität gelebt. Ihr bisheriger Aufenthalt sei ihr daher nur durch die Verschleierung ihrer Identität und durch den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz möglich gewesen, weshalb ihr bewusst sein habe müssen, dass es im Falle einer negativen Entscheidung zu einer Aufenthaltsbeendigung komme. Nicht verkannt werde, dass die Beschwerdeführerin zwei minderjährige Töchter im Bundesgebiet habe. Diesbezüglich sei jedoch auszuführen, dass das Familienleben in höchstem Ausmaß dadurch getrübt sei, dass die Töchter nicht mehr mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebten und ihr die Obsorge entzogen worden sei. Da sich der Kontakt auf dreistündige Besuche alle drei Wochen beschränke und dieses Besuchsrecht seit November 2019 nicht mehr ausgeübt werde, sei nicht von einem aufrechten Familienleben auszugehen und wirke sich eine Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin nicht nachteilig auf das Kindeswohl aus. Der langen Aufenthaltsdauer sowie den als gering gewerteten Integrationsleistungen sei zudem ihre Straffälligkeit und die geringe Beschäftigungsdauer während ihres Aufenthalts zu entgegen.

17. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , wurde die Beschwerdeführerin wegen des Vergehens gemäß §§ 15, 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass die Beschwerdeführerin am 9. November 2019 ihr leibliches Kind durch einen Faustschlag am Körper zu verletzen versuchte.

18. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 2021, Ra 2020/18/0060-12, wurde die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht erhobene Revision, soweit sie sich gegen die Nichtgewährung von internationalem Schutz und die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen richtet, zurückgewiesen. In seinem übrigen Anfechtungsumfang wurde das Erkenntnis (soweit die Beschwerde in Bezug auf die Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sowie die fehlende Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wurde) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Fallbezogen liege schon in Anbetracht des dreizehnjährigen Aufenthalts der Revisionswerberin im Bundesgebiet sowie ihrer beiden in Österreich aufenthaltsberechtigten minderjährigen Kinder kein solch eindeutiger Fall vor, der ein Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Sinne der hg. Rechtsprechung erlauben würde.

Zudem habe die Revisionswerberin die Erwägungen der belangten Behörde, wonach sich eine Aufenthaltsbeendigung nicht negativ auf das Kindeswohl auswirken würde, in der Beschwerde durch Vorlage einer Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft XXXX substantiiert bestritten. Aus dieser gehe nämlich hervor, dass zwischen der Revisionswerberin und ihren Kindern trotz aller Schwierigkeiten eine nicht zu vernachlässigende emotionale Bindung bestehe und im Fall einer Abschiebung der Revisionswerberin das Kindeswohl gefährdet wäre.

Hinzu komme, dass das Bundesverwaltungsgericht festgestellt habe, die Revisionswerberin sei am 10. November 2019 angezeigt worden, weil sie ihre Tochter durch einen Schlag verletzt habe, und bestehe seit diesem Zeitpunkt kein Besuchsrecht mehr. Diese Feststellung stehe aber einerseits in Widerspruch zu der vorgelegten Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 4. Dezember 2019, in der lediglich festgehalten wird, dass die Kinder eine enge Bindung zur Revisionswerberin hätten und diese die Besuchskontakte stets pünktlich und zuverlässig einhalte, zum anderen habe das Bundesverwaltungsgericht den von der Behörde festgestellten Sachverhalt dadurch nicht bloß unwesentlich ergänzt, was wiederum die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich mache.

Ergänzend festzuhalten sei, dass das Bundesverwaltungsgericht durch die mangelnde Auseinandersetzung mit dem vorgelegten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX sein Erkenntnis auch mit einem erheblichen Begründungsmangel belastet habe. Es erscheine nämlich nicht ausgeschlossen, dass es zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass eine Außerlandesbringung der Revisionswerberin sehr wohl Auswirkungen auf das Kindeswohl hätte und daher das persönliche Interesse der Revisionswerberin am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der Revisionswerberin überwiege (zur Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer Rückkehrentscheidung auf das Kindeswohl bei der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung vgl. VwGH 20.8.2019, Ra 2019/18/0046).

19. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 2021, W147 2226928-1/29E, wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8. November 2019, Zl. IFA: 377942109-171114893, Folge gegeben und Spruchpunkt VI. ersatzlos behoben.

20. Am 27. Juli 2021 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher die Beschwerdeführerin zu ihrem Familien- und Privatleben, ihrem Gesundheitszustand, zu ihren Rückkehrbefürchtungen sowie zu allfälligen Integrationsaspekten befragt wurde. Die Vertreterin der Jugendwohlfahrt und die mit der Pflege der leiblichen Kinder der Beschwerdeführerin Beauftragte wurden zeugenschaftlich einvernommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Beschwerdeverhandlung teil.

Die maßgeblichen Aussagen der gesetzlichen Vertretung (Z1) in der Beschwerdeverhandlung lauteten:

Z1 gibt als Zeugin nach Belehrung und Wahrheitserinnerung an, dass sie hinsichtlich des heutigen Verfahrens von ihrem Dienstgeber von der Amtsverschwiegenheitspflicht entbunden wurde.

RI: Seit wann ist die Jugendwohlfahrt für die Betreuung der beiden Kinder zuständig?

Z1: Seit einer anonymen Meldung im Oktober 2012. Da war eine andere Sozialarbeiterin zuständig.

RI: Seit wann sind Sie für diesen Fall zuständig?

Z1: Ich bin seit der Unterbringung auf dem Pflegeplatz zuständig, seit 08.09.2016.

RI: Was war die Ursache des Pflegeplatzes?

Z1: Es hat mehrere Gründe. Es gab Streitereien zwischen den Kindeseltern, es gab große finanzielle Probleme, da der Kindesvater nicht arbeiten durfte. Beide Kindeseltern waren relativ erziehungsschwach und letztlich gab es einen Vorfall, bei dem die BF Amphetamine einnahm und eine akute Psychose bekam. Sie wurde ins Krankenhaus XXXX eingeliefert. Die Kinder wurden dann vom Kindesvater und einer Freundin beaufsichtigt und die Jugendhilfe hat Gefahr in Verzug ausgesprochen und die Kinder abgeholt.

RI: Wie sieht die heutige Situation aus? Wie ist das Verhältnis der Kinder zu der Kindesmutter?

Z1: Für die Kinder ist die Mama eine wahnsinnig wichtige Person. Der einzig lebende Elternteil. Es gibt sonst niemanden in Österreich. Der Kindesvater ist inzwischen verstorben. Es gab immer Besuchskontakte, bis zu jenem Vorfall, wobei die Besuchskontakte ursprünglich von mir begleitet wurden. Die fanden damals alle drei Wochen statt, ca. drei Stunden. Jetzt findet der Kontakt monatlich statt, drei Stunden mittlerweile, wobei das immer so war, dass die Kindesmutter zwischenzeitlich immer Anträge stellte auf Ausdehnung der Besuchskontakte, wobei die Ausdehnung nicht erfolgte, weil es mir nicht möglich war, öfters als alle drei Wochen diese Begleitung durchzuführen.

RI: Wäre es gut für die Kinder, das auszudehnen?

Z1: Zwischendurch, nachdem der Kindesvater verstorben ist, haben wir dann versucht, dass die Kinder alleine die Kindesmutter besuchen. Dann gab es auch Überlegungen mit Übernachtungen. Es gab auch eine oder zwei Übernachtungen. Da war an und für sich der Plan, dass man die Besuchskontakte ausdehnt. Das ist jedoch daran gescheitert, dass es diesen Vorfall gegeben hat. Auch die Kinder lehnten dann überhaupt einen Besuchskontakt eine Zeit lang ab. Die Kinder wollten einen Abstand haben, weil das sehr konfliktbelastet war.

RI: Ist es richtig, dass es nach dem Vorfall zwischen der BF und Ihren Kindern keinen Kontakt gab und die Kinder auch keinen Kontakt wollten?

Z1: Ja, aber wir haben dann versucht den Kontakt herzustellen. Es gibt jetzt wieder einen Kontakt, allerdings begleitet über den Verein Rainbows und da bezahlt die Kinderjugendwohlfahrt nur drei Stunden im Monat. Da war es anfänglich so, dass nur die XXXX hingegangen ist. Mittlerweile wollen beide Kinder den Besuch wieder haben. Die Mutter hat sich auch bei XXXX für diesen Vorfall entschuldigt. Das war für das Kind sehr wichtig.

RI: Für mich ist wichtig zu wissen, wie wichtig ist für die Entwicklung der beiden Kinder der Kontakt oder die Möglichkeit des Kontakts zur leiblichen Kindesmutter?

Z1: Den Kontakt sehe ich als absolut notwendig an. Für die Kinder wäre es sehr schwierig, wenn die Kindesmutter nicht mehr in Österreich wäre.

RI: Das Besuchsrecht aufrecht zu halten, ist von Österreich aus nach Weißrussland nicht möglich?

Z1. Nein, das ist bürokratisch völlig undurchführbar. Besonders der Älteren ist die derzeitige Situation durchaus bewusst und sie macht sich deshalb größere Sorgen. Ich muss auch anführen, dass beim Aufenthaltsverfahren für die Kinder, alle davon ausgegangen sind, dass auch die Mama in Österreich bleiben kann. Es war dann natürlich ein Schock, sowohl für die Kinder als auch für den Jugendwohlfahrtsträger, dass hinsichtlich der Kindesmutter eine Rückkehrentscheidung erlassen worden ist. Es ist auch für die Kinder, immer mehr die eigene Geschichte wichtig und nur die Mutter kann diese Frage für die Identitätsfindung beantworten. Der Kontakt zur Mutter ist in diesem Fall besonders wichtig. Wir haben auch das Problem, dass wir für die Kinder keine Pässe haben, weil damals der slowakische Pass eingezogen wurde. Die Kinder sind ohne Dokumente und es ist fast unmöglich, ohne die Mutter diese Pässe zu besorgen. Mir war es nicht möglich, diese zu besorgen. Zuerst muss die Mutter einen Pass haben. Bei den Kindern geht es um sehr viel.

RI: Können Sie mir eine Perspektive geben?

Z1: Die Kinder sind jetzt in einer Phase, wo sie ihr Leben und das Leben ihrer Eltern hinterfragen und der Kontakt zu ihrer einzig lebenden Verwandten in Österreich, nämlich ihrer Mutter, umso wichtiger ist und in nächster Zukunft auch sein wird. Ein Indiz dafür ist, dass sie jetzt russische Wörter von ihrer Mutter lernen wollen.

RV: Würden Sie in Zukunft Besuchsrechte ohne Begleitung erlauben?

Z1: Im Moment trauen sich die Kinder das nicht, es ist aber durchaus vorstellbar, wenn sie größer sind, etwa 16, 17 oder 18, im jugendlichen Alter etwa.

BehV: Wie wichtig ist Ihr telefonische Kontakt für die Kinder?

Z1: Sie können danach auch die Frau XXXX fragen. Die Mutter möchte sicher mehr als wir gerichtlich vereinbart haben. Jetzt sind die Telefonkontakte sehr wichtig. Es werden auch alle Kontakte von der Mutter eingehalten. Die Pflegemama hat einmal einen Termin verwechselt. Auch da hat die Kindesmutter sofort Kontakt aufgenommen und hinsichtlich des Termins noch einmal bei der Jugendwohlfahrt nachgefragt. Es gibt zusätzliche Telefonkontakte, zum Beispiel auch gestern, anlässlich des Geburtstages der XXXX . Das ist für die Kinder und die Mutter wichtig.

BehV: Hat es auch wegen den mangelnden Ressourcen Versuche gegeben, Videotelefonie zuzulassen?

Z1. Sie meinen zusätzliche Video-Telefonate? Die Telefonate erfolgen bei uns telefonisch. Das wichtige bei den Besuchskontakten ist die körperliche Nähe. Die Kinder kuscheln mit der Mama. Es existiert ganz klar eine Beziehung zwischen den Kindern und der Mutter. Sie umarmen sich und die XXXX sitzt am Schoss der Mutter. Sie haben auch eine Beziehung zu einander…..“

Die mit der Pflege der leiblichen Kinder der Beschwerdeführerin beauftragte Zeugin gab nach Belehrung und Wahrheitserinnerung Folgendes an:

„RI: Seit wann sind Sie Pflegemama?

Z2: Seit 2016. Mit diesen beiden Kindern hat das Pflegemama-Dasein begonnen.

RI: Haben sie von Anfang an schon Deutsch gesprochen?

Z2: Ja, wir haben nur Deutsch gesprochen, ich kann keine andere Sprache.

RI: Wie ist das mittlerweile mit Russisch?

Z2: Ja, das war meine Idee, ob XXXX nicht mit der Mama Russisch lernen kann, weil drei Stunden auch sehr lang sein können, war die Frage der Mädchen, was sie die drei Stunden machen sollen und mein Vorschlag war, dass sie Russisch lernen können. XXXX hinterfragt jetzt ihre Wurzeln, mit XXXX muss sie sich finden.

RI: Freuen sich die Kinder auf diese Besuche oder wie kann ich mir das vorstellen?

Z2: Freude wär übertrieben, es ist ein Pflichttermin, XXXX ist mitten in der Pubertät, sie hätten bessere Sachen zu tun, als am Freitag Nachmittag im Pfarrhof zu sitzen, wie Freunde treffen. Und da fehlt der Nachmittag, wo die Freunde etwas machen und die ältere wie gesagt, fängt schon an zu hinterfragen, aber natürlich ist das in der Pubertät hin und wieder auch für die Kinder schwer, drei Stunden hindurch.

RI: Wie kann man sich das nach diesen drei Stunden vorstellen?

Z2: Mittlerweile, seitdem wir das über Rainbows machen, hat es eine Verbesserung gegeben. Sie sind ausgeglichen und es ist wesentlich besser geworden als vorher. Jetzt ist es wirklich so, dass die Kinder ausgeglichen nach Hause kommen.

RI: Sind im Verein Rainbows Sozialarbeiter?

Z2: Sie machen Besuchsbegleitung und bieten psychologische Betreuung für Scheidungskinder und machen das professionell. Es gibt klare Strukturen und Regeln, die es zuvor nicht gegeben hat. Seitdem sind die Besuche auch für die Kinder schöner und danach sind sie wie gesagt ausgeglichen.

RI: Haben Sie Kontakt zu der BF?

Z2: Nur ausschließlich bei der Übergabe. Ich bringe die Mädchen zum Pfarrhof hin und hole sie nach drei Stunden wieder ab. Das ist der gesamte Kontakt.

RI: Jetzt können Sie eigentlich nur in Österreich mit den Kindern Urlaub machen. Ist das richtig?

Z2: Ja, von der Schule aus, fahren die Schüler nach Kroatien und anderswohin. Das ist bei den Kindern nicht möglich. Sie haben keine Dokumente.

RI: Wie ist Ihre Perspektive als Pflegemama?

Z2: Es gibt keine Perspektive. Es geht nur um das Wohl der beiden Kinder. Es ist eine Aufgabe. Die Pubertät müssen wir ganz groß ausklammern. Mit vier ist die Jüngere zu mir gekommen und war total entwicklungsverzögert und sie hat massiv aufgeholt. Sie ist aufgeblüht und ist überall begeistert dabei. Es gibt keinen Rückstand mehr aufzuholen.

RI: Was ist mit dem Fünfer in Mathematik?

Z2: XXXX ist sehr trotzig. Sie mag die Mathe-Lehrerin nicht. Sie hat alles bis zum Schulschluss verheimlicht. Sie hat mir auch das Mahnschreiben vorenthalten. Sie hat geglaubt, dass das nicht rauskommt. Sie hat die Hausaufgaben nicht gemacht. Ich habe kein Sterbenswörtchen davon gewusst. Sie muss jetzt eine Nachprüfung machen und macht es hoffentlich nächstes Jahr gleich besser.

RI: Können Sie mir bestätigen, dass es seit dem Vorfall stetig bergauf geht und ein Kontakt für die Entwicklung der Kinder wichtig ist?

Z2: XXXX sucht Kontakt zur Mutter, weil sie viele Fragen an die Mutter hat, für XXXX ist es wichtig, dass die Mutter gutes Essen macht.

BFV: Sind die Besuche an den Ort Pfarrhaus gebunden, oder könnten diese auch woanders stattfinden?

Z2: Es ist durchaus ein Ortswechsel möglich, nur bei Schlechtwetter findet es beim Pfarrhaus statt. Das Pfarrhaus ist nur der Treffpunkt.

BehV: Was würde passieren, wenn die Besuche ohne Begleitung stattfinden?

Z2: Es würde die Lage eskalieren. Die zwei Übernachtungskontakte waren furchtbar für die Mädchen. Zum einen gab es ständig Besuche von wildfremden Männern. Sie sind in einen Raum verfrachtet worden und es kamen ständig Männer. Die Kinder haben Angst gehabt. Es war eine Waffe an der Wand, ein Erinnerungsstück des Mannes. Die Mutter war total instabil, sprunghaft, launisch. XXXX hat davon berichtet, dass sie eine Watsche an den Hinterkopf bekommen hat, wenn irgendetwas nicht gepasst hat. Es würde sofort wieder in diese Richtung gehen.

BehV: Wäre die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts allein über eine Schaltung wie hier oder auf Distanz ausreichend?

Z2: Mir fällt es schwer, das zu beantworten. Für XXXX wäre es sehr wichtig, dass ihre Mutter da ist. Sie hat zu mir gesagt: „Die Mama muss unbedingt dableiben.“ Von meinem Gefühl her, wäre das nicht ausreichend.“

21. Mit Schriftsatz vom 3. August 2021 nahmen die belangte Behörde und die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin zu der Niederschrift der mündlichen Beschwerdeverhandlung Stellung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der Ergebnisse der Beschwerdeverhandlung wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts Folgendes festgestellt:

Die Beschwerdeführerin, deren Identität nicht feststeht, ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste unter Verwendung eines gefälschten Reisepasses und einer falschen Identität im Jahre 2006 in das Bundesgebiet ein und stellte am 29. September 2017 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerin leidet an keinen chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheiten, welche einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat entgegenstehen würden, ihr ist eine Teilnahme am Erwerbsleben prinzipiell möglich.

Die Beschwerdeführerin lebt seit 2006 in Österreich, wobei sie bei der Einreise und in den kommenden zehn Jahren eine falsche Identität verwendete.

Die Beschwerdeführerin beherrscht die deutsche Sprache auf alltagstauglichem Niveau, ist in keinen Vereinen oder ehrenamtlich aktiv tätig und verfügt über keinen Freundeskreis. Seit ihrer Einreise ging sie unter Verwendung einer falschen Identität rund siebeneinhalb Monate einer legalen Beschäftigung nach.

Am XXXX wurde die Beschwerdeführerin vom Bezirksgericht XXXX , XXXX , wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von einem Monat, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 fünfter Fall und Abs. 2, 15 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer dreijährigen Probezeit, verurteilt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX , GZ XXXX , wurde die Beschwerdeführerin wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 200,-- belegt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , wurde die Beschwerdeführerin wegen des Vergehens gemäß §§ 15, 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass die Beschwerdeführerin am 9. November 2019 ihr leibliches Kind durch einen Faustschlag am Körper zu verletzen versuchte.

Derzeit finanziert die Beschwerdeführerin ihren Unterhalt durch den Bezug von sozialen Unterstützungen. Eine Integrationsprüfung hat die Beschwerdeführerin nicht absolviert.

Gesamtbetrachtend konnten, auch vor dem Hintergrund ihrer Aufenthaltsdauer, keine nennenswerten Anknüpfungspunkte wirtschaftlicher oder sozialer Natur im Bundesgebiet festgestellt werden. In ihrem Herkunftsstaat verfügt die Beschwerdeführerin noch über familiäre Anknüpfungspunkte.

In Österreich aufhältig sind die zwei minderjährige Kinder der Beschwerdeführerin, die über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG verfügen. Die Obsorge für die Kinder wurde der Beschwerdeführerin am XXXX vom örtlich zuständigen Bezirksgericht entzogen. Ab dem 19. April 2016 wurden die Kinder ohne die Beschwerdeführerin in einem Mutter-Kind-Heim, seit dem 8. September 2016 bei einer Pflegefamilie untergebracht. Die Kinder der Beschwerdeführerin sind in die Pflegefamilie integriert und ist die Fortsetzung der Unterkunftnahme bei der Pflegefamilie derzeit im Interesse des Kindeswohls. Am 10. November 2019 wurde die Beschwerdeführerin wegen Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrlosen Personen angezeigt, nachdem diese im Rahmen des Besuchsrechts ihre Tochter durch einen Schlag verletzte. Aus Anlass dieses Vorfalls wurde das Besuchsrecht für einige Zeit nicht ausgeübt. Zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt besteht ein dreistündiges Besuchsrecht im Monat, begleitet vom Verein Rainbows. Darüber hinaus besteht telefonischer Kontakt zwischen der Beschwerdeführerin und ihren leiblichen Kindern.

Über die Kinder hinaus verfügt die Beschwerdeführerin über keine Angehörigen im Bundesgebiet. Der Vater der Kinder der Beschwerdeführerin wurde am 22. Jänner 2019 in den Kosovo abgeschoben und ist am XXXX verstorben.

2. Beweiswürdigung:

Die Identität der Beschwerdeführerin konnte mangels Vorlage eines Identitätsdokumentes nicht festgestellt werden. Festgestellt werde konnte, dass die Beschwerdeführerin unter Vorlage eines gefälschten slowakischen Reisepasses in das Bundesgebiet einreiste und von 2006 an zehn Jahre hindurch unter Verwendung einer anderen Identität aufhältig war.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen und den diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin. Demnach leidet die Beschwerdeführerin an Migräne und erhöhtem Augendruck.

Die Feststellungen zum derzeitigen Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin ergeben sich aus deren diesbezüglich glaubhaften Angaben, dem im Akt einliegenden Protokoll über die Einvernahme der gesetzlichen Vertretung der Kinder der Beschwerdeführerin, aus den vorgelegten Bestätigungen und Schreiben und aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister. Des weiteren sind im fortgesetzten Verfahren die Vertretung der Jugendwohlfahrt und die mit der Pflege der Kinder Beauftragte zeugenschaftlich einvernommen worden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u.a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z. 3).

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 3 BFA-Einrichtungsgesetz – BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z. 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z. 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z. 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr.100 (Z. 4).

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z. 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z. 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z. 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. §66 Abs.4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu Spruchteil A) Stattgabe der Beschwerde:

3.2. Zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§§ 57 und 55 AsylG sowie § 52 FPG) wird Folgendes erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die Beschwerdeführerin ist keine begünstigte Drittstaatsangehörige und es kommt ihr kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

Weiters ist zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben der Beschwerdeführerin eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Im Erkenntnis vom 26. Juni 2007, Zl. 2007/01/0479, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das Erkenntnis des VfGH vom 17. März 2005, VfSlg. 17.516, und die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Fremdensachen darauf hingewiesen, dass auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen ist, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (VwGH 17. 2. 2007. 2006/01/0216). Eine lange Dauer des Asylverfahrens macht für sich allein keinesfalls von vornherein eine Ausweisung unzulässig (VwGH 2010/22/0094).

Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 17. 12.2007, 2006/01/0216; siehe die weitere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum hohen Stellenwert der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften: VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/0479; VwGH 16. 1. 2007, 2006/18/0453; jeweils VwGH 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; VwGH 22. 6. 2006, 2006/21/0109; VwGH 20. 9. 2006, 2005/01/0699).

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).

Bei der Interessenabwägung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29. 9. 2007, B 1150/07; 12. 6. 2007, B 2126/06; VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/479; 26. 1. 20006, 2002/20/0423; 17. 12. 2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 20053, 282ff).

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom EGMR keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, zu berücksichtigen; das Ausmaß der Integration im Aufenthaltsstaat, die sich in intensiven Bindungen zu Dritten, in der Selbsterhaltungsfähigkeit, Schul- und Berufsausbildung, in der Teilnahme am sozialen Leben und der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung; Bindung zum Heimatstaat; die strafrechtliche Unbescholtenheit bzw. bei strafrechtlichen Verurteilungen auch die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Besserung/Resozialisierung des Betroffenen bzw. die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen; Verstöße gegen das Einwanderungsrecht.

Im vorliegenden Fall ist schon bedingt durch den langen Aufenthalt von einem bestehenden Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich auszugehen. Die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung stellt sich im konkreten Beschwerdefall wie folgt dar:

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit dem Jahre 2006 in Österreich, ihr bisheriger Aufenthalt im Bundesgebiet war ihr bis jetzt nur durch die Verschleierung ihrer wahren Identität und sodann durch den Antrag auf internationalen Schutz möglich und musste ihr bekannt sein, dass die damit verbundene sogenannte vorübergehende Aufenthaltsberechtigung lediglich ein Aufenthaltsrecht nur für die Dauer des Asylverfahrens darstellt. Es war demnach vorhersehbar, dass es im Falle einer negativen Entscheidung zu einer Aufenthaltsbeendigung kommt.

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang nochmals zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin unter Vorlage eines gefälschten slowakischen Reisepasses in Österreich einreiste und zehn Jahre hindurch unter einer falschen Identität lebte. Der Beschwerdeführerin musste somit bewusst sein, dass ihr Aufenthalt im Gegensatz zu dem dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010, B 950-954/10-8, zugrundeliegenden Sachverhalt stets unsicher ist.

Die Beschwerdeführerin weist nunmehr drei strafgerichtliche Verurteilungen auf. Neben der im Verfahrensgang erwähnten Verwaltungsübertretung ist insbesondere der strafrechtliche Vorfall vom November 2019 wegen Körperverletzung ihres eigenen Kindes zu erwähnen (So versuchte die Beschwerdeführerin ihr leibliches Kind durch einen Faustschlag am Körper zu verletzen).

Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin bei der Erlangung arbeitsrechtlicher Bewilligungen stets ihre falsche Identität aufrecht erhalten und in Bezug auf die in Österreich geborene Kinder Urkunden mit einem falschen Inhalt (Identität) ausstellen lassen.

Die Beschwerdeführerin verweist auf das Erkenntnis des VwGH vom 17. Dezember 2016 zu Ra 2016/21/0299, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Nur d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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