TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/18 W169 1422231-3

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Veröffentlicht am 18.03.2021
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Entscheidungsdatum

18.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4
AsylG-DV 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W169 1422231-3/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Nepal, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2017, Zl. 567658708-16014907, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.11.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 Abs. 3, 55, 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Antrag auf Mängelheilung vom 29.01.2016 gemäß §§ 4, 8 AsylG-DV abgewiesen wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Asylverfahren:

Der Beschwerdeführer, ein nepalesischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.09.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.10.2011, Zl. 11 10.329-BAL, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen wurde. Zudem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen.

Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.03.2012, Zl. C10 422231-1/2011/3E, als unbegründet abgewiesen.

2. Duldungsverfahren:

1. Am 13.09.2012 wurde der Beschwerdeführer durch die Landespolizeidirektion Wien niederschriftlich einvernommen, wobei ihm vorgehalten wurde, dass sein Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ entschieden und mit einer asylrechtlichen Ausweisung verbunden worden sei. Der Beschwerdeführer wurde neuerlich befragt, ob er sich zwischenzeitlich selbst um eine Dokumentenausstellung bemüht habe. Dazu gab der Beschwerdeführer an, dass er einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt habe, zumal er eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde einbringen wolle. Anschließend wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, selbständig bei der Botschaft von Nepal vorzusprechen und binnen 14 Tagen einen schriftlichen Nachweis darüber zu erbringen (Einreichbestätigung eines neuen Reisepasses oder Verlängerung) und sämtliche Formulare für eine Heimreisezertifikatsbeschaffung vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen.

2. Mit Schreiben der Landespolizeidirektion Wien vom 04.10.2012 wurde für den Beschwerdeführer bei der Botschaft von Nepal in Berlin um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates angesucht.

3. Am 19.03.2013 sowie am 24.04.2014 urgierte die Landespolizeidirektion Wien bzw. das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei der nepalesischen Botschaft in Berlin wegen der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer.

4. Am 11.05.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46 a Abs. 2 FPG. Dieser wurde damit begründet, dass sein Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz letztlich abgewiesen worden sei. Obwohl seit fast drei Jahren eine rechtskräftige und durchsetzbare asylrechtliche Ausweisungsentscheidung bestehe, sei es bisher nicht möglich gewesen, sie durchzusetzen. Am 03.08.2012 sei durch das Fremdenpolizeiliche Büro versucht worden, entsprechende Dokumente zu erlangen. Festzuhalten sei, dass der Beschwerdeführer niemals seine Identität verschleiert habe, Ladungstermine zur Klärung seiner Identität und zur Einholung von Ersatzdokumenten genauestens befolgt und sämtliche notwendigen Schritte zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes getan habe. Es sei somit aus tatsächlichen, vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich, ihn auszuweisen, weshalb er den Antrag stelle, ihm eine Karte für Geduldete auszustellen.

5. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 03.06.2015 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte abzulehnen, weil er offensichtlich nicht im erforderlichen Ausmaß an der Feststellung seiner Identität und Ausreiseverpflichtung mitgewirkt habe, da von der Botschaft von Nepal bis dato kein Ersatzdokument hätte erwirkt werden können. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt.

6. Am 19.06.2015 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. Darin wurde ausgeführt, dass er bis jetzt gleichbleibende und unwidersprochen gebliebene Angaben zu seiner Identität und seinen persönlichen Verhältnissen gemacht habe. Der unkonkrete Vorhalt, der Beschwerdeführer hätte nicht ausreichend mitgewirkt, widerspreche dem Akteninhalt. Aus dem Protokoll der Niederschrift der Landespolizeidirektion Wien vom 13.09.2012 sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer äußerst kooperativ und bereitwillig an allen Verfahrensschritten mitgewirkt habe. Die Voraussetzungen zur Ausstellung der Duldungskarte würden allesamt vorliegen.

7. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2015 wurde der Beschwerdeführer für den 07.07.2015 zum Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geladen, um einen Nachweis über die erfolgte Vorsprache beim Honorargeneralkonsulat des Königreiches Nepal vorzulegen.

8. Daraufhin legte der Beschwerdeführer ein Schreiben des Honorargeneralkonsuls von Nepal vom 01.07.2015 vor. Aus diesem ergibt sich, dass das Honorargeneralkonsulat in Wien von der Botschaft von Nepal in Berlin nur zur Ausstellung von Touristenvisa nach Nepal ermächtigt worden sei, weshalb das Honorargeneralkonsulat Wien keinerlei andere Dokumente im Namen der Botschaft erledigen dürfe. Dies müsse direkt bei der Botschaft in Berlin eingereicht werden. Der Beschwerdeführer müsse daher alle von den österreichischen Behörden verlangten Dokumente, Schriftstücke usw. direkt bei der Botschaft von Nepal in Berlin anfordern bzw. bestätigen lassen. Da die Botschaft derzeit auf Grund des Erdbebens in Nepal nur einen Minimalpersonalstand habe, sei mit ungewöhnlich langen Wartezeiten, vor allem wenn aus Nepal Unterlagen angefordert werden müssten, zu rechnen. Es werde daher ersucht, dass die zuständigen Behörden einen entsprechend langen Zeitraum für weitere Vorsprachen des Beschwerdeführers zugestehen.

9. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 FPG gemäß § 46 a Abs. 1 b FPG abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer zumutbar sei, eigenständig mit seiner Vertretungsbehörde durch persönliche Vorsprache, auf elektronischem (z.B. via Internet) oder postalischem Weg Kontakt aufzunehmen. Ebenso sei es ihm zumutbar, dass er mit seiner Familie in Nepal Kontakt aufnehme, um sich Dokumente oder Unterlagen (z.B. Auszug aus dem Familienbuch) und Urkunden schicken zu lassen, um damit die Klärung seiner Identität und die Ausstellung eines Reisedokumentes zu erreichen. Der Beschwerdeführer habe aber keinerlei Dokumente in Vorlage gebracht und habe daher nicht im erforderlichen Ausmaß im Verfahren zur Klärung seiner Identität und Erlangung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt.

10. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.04.2018, Zl. W169 1422231-2/2E, als unbegründet abgewiesen.

3. Gegenständliches Verfahren:

1. Am 05.01.2016 stellte der Beschwerdeführer persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG.

Zu seinem Familienstand gab der Beschwerdeführer an, ledig zu sein. Unter dem Formularfeld „Art des Reisedokumentes“ wählte er den Punkt „Reisepass“ aus und trug die Nummer seines Reisepasses, den Ausstellungsort, das Ausstellungsdatum 12.11.2009 sowie eine Gültigkeitsdauer bis 11.11.2019 in die vorgesehenen Formularfelder ein. Zu seiner Integration führte der Beschwerdeführer aus, seit 09.09.2011 durchgängig in Österreich aufhältig zu sein, über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 zu verfügen und die Matura abgeschlossen zu haben.

Dem Antrag beigegeben wurden vier Bestätigungen über die Mitgliedschaft bzw. Teilnahme an Veranstaltungen nepalesischer Kulturvereine in Österreich, ein TBC-Vorsorge-Pass, ein Zertifikat des ÖSD über die bestandene Deutschprüfung auf dem Niveau A2 vom 05.02.2015 und ein Melderegisterauszug jeweils in Kopie.

2. Mit Schreiben vom 14.01.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgefordert, im Sinne des § 8 AsylG-DV binnen zwei Wochen einen gültigen Reisepass und eine Geburtsurkunde vorzulegen.

3. Mit Schreiben vom 28.01.2016 erklärte der Beschwerdeführer, trotz Bemühens diese Dokumente nicht vorlegen zu können, da er als Flüchtling nach Österreich gekommen sei und keine Kontakte mehr in seine Heimat besitze, um derartige Dokumente zu erhalten. Der Beschwerdeführer ersuche daher um Heilung des Mangels der Nichtvorlage dieser Unterlagen.

4. Am 12.10.2016 legte der Beschwerdeführer die Kopie seiner Geburtsurkunde sowie eine beglaubigte Übersetzung vor, wonach er am XXXX geboren sei.

5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 08.02.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des § 55 Abs. 1 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.). Weiters erließ das Bundesamt gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt II.) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer entgegen seiner Verpflichtung seine Identität nicht durch geeignete Dokumente – insbesondere einen Reisepass – nachgewiesen habe, weshalb der gegenständliche Antrag zurückzuweisen gewesen sei. Der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts des großteils unrechtmäßigen Aufenthalts und des Fehlens von relevanten familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der rechtskräftigen Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit der Abschiebung. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte aus, dass es ihm nicht anzulasten sei, wenn die Behörden seines Heimatstaates seine Identität nicht bestätigen können würden. Er verfüge über keine weiteren Identitätsdokumente und es könne ihm nicht zugemutet werden, mit der Botschaft des Landes, aus dem er geflüchtet sei, zusammenzuarbeiten. Schließlich sei der Beschwerdeführer bereits gut integriert und wende die belangte Behörde die „entsprechenden Gesetzesbestimmungen“ willkürlich an.

Beantragt wurde unter anderem die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

7. Mit Schreiben vom 02.10.2018 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG gestellt habe, welcher von der Behörde aufgrund der gegenständlichen Beschwerdeanhängigkeit zurückgewiesen worden sei. Damit zusammenhängend übermittelte das Bundesamt ein Konvolut an Integrationsunterlagen und eine nepalesische Heiratsurkunde jeweils in Kopie, die vom Beschwerdeführer in jenem Verfahren vorgelegt wurden. Weiters gab das Bundesamt bekannt, dass seit 14.08.2018 erneute Bemühungen unternommen worden seien, für den Beschwerdeführer ein Heimreisezertifikat zu erlangen, eine Mitwirkung des Beschwerdeführers jedoch nicht stattgefunden habe. Dieser sei der Ladung zur Vorführung bei der Botschaft nicht nachgekommen. Es werde schließlich ersucht, die gegenständliche Beschwerde abzuweisen.

8. Mit Schreiben vom 05.11.2018 legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor und gab bekannt, derzeit als Zeitungszusteller zu arbeiten. Zudem gab der Beschwerdeführer an, am 01.09.2010 eine nepalesische Staatsangehörige geheiratet zu haben, mit der er im gemeinsamen Haushalt wohne und die sich im Asylverfahren befinde.

9. Die für den 25.09.2020 anberaumte mündliche Verhandlung wurde aufgrund einer Erkrankung des Beschwerdeführers vertagt.

10. Mit Schreiben vom 05.10.2020 erstattete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme über rechtliche Änderungen im Zuge des FRÄG 2017 und zur mangelnden Bereitschaft des Beschwerdeführers, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

11. Am 03.11.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, an welcher die Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt ferngeblieben. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seiner Identität, seinen Ausreisebemühungen, familiären Verhältnissen und Integrationsbemühungen in Österreich befragt. Dem Beschwerdeführer wurden die bereits mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten aktuellen Länderberichte vorgehalten und eine Frist von 14 Tagen zur Stellungnahme gewährt. Die Beschwerdeführer legte im Rahmen der Verhandlung einen Auszug aus der Integrierten Fremdenadministration des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Beilage ./A), drei Rechnungsbelege der österreichischen Post (Beilage ./B), die österreichische Geburtsurkunde seines Sohnes (Beilage ./C), einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag (Beilage ./D), einen Freiwilligenausweis des Diakoniewerks und drei Bestätigungen bzw. Empfehlungsschreiben (Beilage ./E), ein weiteres Bestätigungsschreiben (Beilage ./F) sowie drei weitere Empfehlungsschreiben (Beilage ./G) vor.

12. Mit Stellungnahme vom 16.11.2020 übermittelte der Beschwerdeführer Berichte aus dem Zeitraum März bis Mai 2020 über die wirtschaftliche Lage in Nepal in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und führte aus, dass der Beschwerdeführer in Nepal keine Unterstützung erwarten könne. Er und seine Familie würden im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten. Desweiteren sei es nicht die alleinige Schuld des Beschwerdeführers, dass er nicht zur nepalesischen Botschaft in Berlin reisen könne, um sich ein Reisedokument zu besorgen. Im Übrigen lebe der Beschwerdeführer seit beinahe zehn Jahren in Österreich und habe hier ein schützenswertes Privat- und Familienleben aufgebaut. Zusammen mit der Stellungnahme wurde die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers im Original übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nepal aus dem Distrikt Syangja, Dorf XXXX , gehört der Volksgruppe der Newar und der Religionsgemeinschaft der Hinduisten an. Seine Identität steht nicht zweifelsfrei fest. Er beherrscht die Sprache Nepali. Im Herkunftsstaat besuchte er zehn Jahre die Grundschule und hat in der Landwirtschaft sowie in der Hauptstadt als Koch gearbeitet. Der Vater und die Mutter des Beschwerdeführers leben in dessen Heimatdorf in ihrem eigenen Haus und arbeiten auf der eigenen Landwirtschaft. Es geht ihnen gut. Seine verheiratete Schwester lebt im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers und arbeitet ebenfalls auf einer eigenen Landwirtschaft. Die beiden Brüder des Beschwerdeführers leben in Indien und dienen in der Armee. Der Beschwerdeführer ist gesund und im erwerbsfähigen Alter.

Der Beschwerdeführer reiste im September 2011 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.09.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer befand sich aufgrund dieser Antragstellung lediglich aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz rechtmäßig in Österreich. Seit Abschluss seines Asylverfahrens durch das rechtskräftige Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 30.03.2012, Zl. C10 422231-1/2011/3E, hielt sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich auf. Am 11.05.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46 a Abs. 2 FPG, welcher letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.04.2018, Zl. W169 1422231-2/2E, als unbegründet abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer kam seit rechtskräftiger Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz seiner Ausreiseverpflichtung weder nach, noch bemühte er sich bis zur gegenständlichen Antragstellung sonst um die Legalisierung seines Aufenthalts.

Der Beschwerdeführer hat eine Lebensgefährtin und ein Kind im Bundesgebiet, die ebenso nepalesische Staatsangehörige sind und mit denen er seit Mai 2018 im gemeinsamen Haushalt lebt. Der Beschwerdeführer ist nicht mit seiner Lebensgefährtin verheiratet. Seine Lebensgefährtin reiste im Februar 2018 nach Österreich ein und stellte für sich, sowie nach der Geburt des gemeinsamen Kindes im Mai 2019 auch für dieses, einen Antrag auf internationalen Schutz, und wurden die Beschwerden gegen die abweisenden Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2019 bzw. vom 05.07.2019 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.05.2020, W220 2217704-1/5E und W220 2223097-1/6E, als unbegründet abgewiesen . Der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 04.11.2020, Ra 2020/18/0254 bis 0255-14, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Der Beschwerdeführer hat Bekannte in Österreich. Er übte von 2016 bis 2018 als Kundenbetreuer bei XXXX und seit 2018 als Gartenarbeiter für das Diakoniewerk Salzburg eine Freiwilligentätigkeit aus. Er ist Mitglied in einem nepalesischen Kulturverein. Der Beschwerdeführer hat eine Deutschprüfung auf dem Niveau B1 bestanden und ist dementsprechend zur selbständigen Verwendung der deutschen Sprache fähig. Abgesehen von Deutschkursen hat er in Österreich keine Kurse oder Ausbildungen besucht.

Seit der Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz bezog der Beschwerdeführer durchgängig Grundversorgung. Er geht keinem Erwerb nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er verfügte über einen Arbeitsvorvertrag über eine Tätigkeit als „Paketbinder“ im Falle der Erteilung einer Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung bis längstens 01.03.2021.

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

1. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt. Unruhen, Streiks und Anschläge sind zu keiner Zeit auszuschließen (BMEIA 27.5.2019). Nach der erfolgreichen Durchführung der Parlaments- und Lokalwahlen sowie der Arbeitsaufnahme der neuen Amtsträger im Frühling 2018, befindet sich Nepal in einer Konsolidierungsphase. Die politische Lage bleibt fragil und es können jederzeit lokale oder landesweite Kundgebungen und Streiks vorkommen. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie haben vereinzelte Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden verursacht (EDA 8.3.2019). Im jetzigen politischen Umfeld kommt es in Nepal nur noch gelegentlich zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ [Generalstreiks, welche von kommunalen Akteuren oder politische Parteien ausgerufen werden können] zu jedweder Art, welche auch im Kathmandu-Tal, mit Blockaden/Straßensperren. Manchmal werden diese auch gewaltsam durchgesetzt. Nach den bisherigen Erfahrungen können diese Protestaktionen das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders im Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 28.5.2019).

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch (AA 28.5.2019).

Insgesamt drei Sprengstoffanschläge, einer davon im Zentrum von Kathmandu, sowie zwei am Stadtrand der nepalesischen Hauptstadt, ereigneten sich am 26. Mai 2019. Gemäß offiziellen Aussagen wird eine maoistische Splittergruppe verdächtigt, die Anschläge verübt zu haben. Die selbe Gruppe soll schon im Februar einen Sprengstoffanschlag in Kathmandu verübt haben, bei welchem eine Person getötet worden ist. Es wurde jedoch bisher von niemandem die Verantwortung für die durchgeführten Anschläge übernommen (BBC 26.5.2019).

Bedenken bestehen hinsichtlich Aktivitäten von indischen Grenzsicherheitskräften, welche außerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche agieren. Darüber hinaus sollen chinesische Grenztruppen an der nördlichen Grenze zur Autonomen Region Tibet gelegentlich auf nepalesischem Territorium operieren (BTI 2018).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (28.5.2019): Nepal – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 2.7.2019

-        BBC – British Broadcasting Corporation (26.5.2019): Nepal explosions kill four in capital Kathmandu, https://www.bbc.com/news/world-asia-48415620, Zugriff 18.7.2019

-        BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (27.05.2019): Reiseinformation – Nepal, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nepal/, Zugriff 2.7.2019

-        BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (08.03.2019): Reisehinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 2.7.2019

2. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung von 2015 garantiert eine unabhängige Justiz (BH o.D.). Jedoch bleibt das Justizwesen anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren Berufungs- und Distriktsgerichte (GIZ 5.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Durch Militärgerichte wird über all jene Fälle geurteilt, welche militärisches Personal nach dem Militärgesetz betreffen. Das Militärgesetz räumt dabei dem Militärpersonal die gleichen Grundrechte wie der Zivilbevölkerung ein. Bis auf Soldaten, die wegen Vergewaltigung oder Mordes angeklagt sind und zur Strafverfolgung an zivile Behörden übergeben werden, verfolgt die Armee alle anderen Strafverfahren, die gegen Soldaten im Rahmen der Militärgerichtsbarkeit eingeleitet werden (USDOS 13.3.2019).

Die Regierung hat das Gesetz zur Untersuchung von Fällen verschwundener Personen, Wahrheit und Versöhnung, nicht wie vom Obersten Gerichtshof in den Jahren 2014 und 2015 angeordnet, abgeändert. Bis Ende des Jahres hatten die Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und die Commission for the Investigation of Enforced Disappeared Persons (CIEDP) über 60.000 bzw. 3.000 Beschwerden zu Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Folter und Verschwindenlassen durch staatliche Sicherheitskräfte, wie auch Maoisten während des Bürgerkrieges von 1996 bis 2006 gesammelt. Effektive Untersuchungen fanden jedoch nicht statt. Ein akuter Mangel an Ressourcen und Kapazitäten beeinträchtigt die Möglichkeiten der beiden Organe, Aufklärung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erreichen (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Die NA [Nepal Army] hat sich bereiterklärt, mit der Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und der Commission for the Investigation of Enforced Disappeared Persons CIEDP zusammenzuarbeiten (USDOS 13.3.2019).

Unsichere Eigentumsrechte stellen für Einkommensschwache ein besonderes Problem dar, da es diesem Personenkreis oft an einer geeigneten Dokumentation mangelt, um einen Anspruch auf Grund und Boden bei der Verwaltung und bei örtlichen Gerichten durchzusetzen (BTI 2018).

Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um. Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 5.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Durch den Obersten Gerichtshof wurden mehrere politische Führer wegen Korruption anklagt und mutige Entscheidungen mit Bezug auf Übergangsjustiz, Staatsbürgerschaft und Quoten getroffen (BTI 2018).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2019

-        BH – Brockhaus (o.D.): Nepal Recht, https://brockhaus.at/ecs/enzy/article/nepal-20/staat-und-recht/recht, Zugriff 18.7.2019

-        BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2019): Nepal – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 18.7.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

3. Allgemeine Menschenrechtslage

Hunderttausende Überlebende des Erdbebens von 2015 (fast 70 Prozent der Betroffenen) leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25 Prozent der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende der Überlebenden des Erdbebens nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Zu weiteren Menschenrechtsproblemen gehören Berichten zu Folge unrechtmäßige oder willkürliche Tötungen, Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und willkürliche Inhaftierung, Blockaden von Stätten, Verleumdung, Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, übermäßig restriktive Gesetze gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NGO), Korruption, Menschenhandel, frühe und erzwungene Heirat, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen, insbesondere von gebietsansässigen Tibetern, mangelnde offizielle Rechenschaftspflicht im Zusammenhang mit Diskriminierung und Gewalt, einschließlich Vergewaltigungen von Frauen, sowie der Einsatz von Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019).

Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige „unberührbarer Kasten“ (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 5.2019). Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Kaste, der sozialen Klasse, der Ethnie, der sexuellen Orientierung oder der Religion sind häufig (IHR 17.8.2019). Zuverlässige Daten über die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten liegen nicht vor, doch berichten Interessenverbände, dass 2018 sexuelle Minderheiten von der Polizei schikaniert worden sind. In einem Fall erhielten die Opfer eine formelle Entschuldigung und die entstandenen medizinischen Kosten wurden von der Polizei übernommen (USDOS 13.3.2019).

Die staatliche Durchsetzung der Gesetze gegen Zwangsarbeit ist uneinheitlich und die soziale Wiedereingliederung der Opfer bleibt schwierig. Die Ressourcen, Inspektionen und Abhilfemaßnahmen stellen sich ungenügend dar und die Strafen bei Rechtsverletzungen sind nicht ausreichend, um Verstößen vorzubeugen. Es besteht eine fehlende formale Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019).

Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 5.2019).

Die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission; TRC) und die Untersuchungskommission für verschwundene Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons, CIEDP) begannen im Februar 2015 mit der Untersuchung von Beschwerden über das Verschwinden von Personen aus der Zeit des Bürgerkrieges. Im Oktober 2018 berichteten Menschenrechtsexperten, dass weder durch den TRC noch durch die CIEDP wesentliche Fortschritte dabei erreicht worden sind (USDOS 13.3.2019).

Zwar wurden durch die TRC und die CIEDP im Jahre 2018 in ganz Nepal umfangreiche Anhörungen durchgeführt, doch blieben die Bedenken hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, insbesondere bei der Communist Party of Nepal–Maoist (CPN-M), welche Anfang 2018 der regierenden Partei in der neuen Regierung beigetreten ist, bestehen. Aufgrund von Mängeln in der Gesetzgebung zur Einrichtung der Übergangsjustizmechanismen verpflichtete sich der Generalstaatsanwalt im Juni 2018, Gesetze mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen und Amnestieklauseln für Täter zurückzuziehen. Dennoch befinden sich Personen, welche sich glaubwürdigen Anschuldigungen ausgesetzt sehen, weiterhin in Machtpositionen. An Gerichten eingereichte Fälle sind nach wie vor nicht beendet, da die Polizei und die zuständigen Behörden sich weigern, Ermittlungen durchzuführen, die es ermöglichen würden, Anklageerhebungen und Strafverfolgungsmaßnahmen durchzuführen. Die wichtigsten politischen Parteien bestehen weiterhin darauf, dass es sich um politische Fälle handelt und dass diese nicht von ordentlichen Gerichten behandelt werden sollten (HRW 17.1.2019).

Am 9. Februar 2019 sollte das Mandat der nepalesischen Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und der Untersuchungskommission für verschwundene Personen (CIEDP) auslaufen. Da keine der beiden Kommissionen auch nur eine Untersuchung der Zehntausenden von Beschwerden von Opfern von Menschenrechtsverletzungen, mit denen das Land während des jahrzehntelangen maoistischen Konflikts (1996-2006) zu kämpfen hatte, abgeschlossen hatte, hätte dies ein Ende des Übergangsrechtsprozesses bedingt, welcher allgemein als Misserfolg angesehen worden wäre. So wurde durch die nepalesische Regierung als Reaktion auf den Druck der internationalen Gemeinschaft und der Opfergruppen die Mandatszeit der Kommission um ein weiteres Jahr verlängert, um den Prozess der Übergangsjustiz weiter voranzutreiben. Obwohl die Verlängerung vorsichtig begrüßt wurde, steht die Durchsetzung einer angemessenen Justiz für die Opfer von konfliktbedingten Menschenrechtsverletzungen weiterhin vor anhaltenden Herausforderungen und erneuten Ungewissheiten (TI 12.2.2019).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2019

-        AI – Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/336579/479257_de.html, Zugriff 19.7.2019

-        AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 18.7.2019

-        BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2019): Nepal – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 18.7.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002254.html, Zugriff 18.7.2019

-        IHR – Informationsplattform humanrights.ch (17.8.2018): Länderinformation: Menschenrechte in Nepal, https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/nepal/, Zugriff 19.,7.2019

-        TI – The Interpreter (12.2.2019): Nepal’s Truth and Reconciliation Commission limps on, https://www.lowyinstitute.org/the-interpreter/nepal-truth-and-reconciliation-commission-limps, Zugriff 22.7.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

4. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen. Die Einschränkungen der Flüchtlingsbewegungen werden aber nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden. Um Frauen vor Menschenhandel oder Misshandlung zu schützen, führte die Regierung für Frauen ein Mindestalter von 24 Jahren für Auslandsreisen zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung ein. Diese Regelung wird jedoch von NGOs und Menschenrechtsaktivisten als diskriminierend und kontraproduktiv empfunden, da so Frauen auf informellem Weg über die indische Grenze migrieren, was sie anfälliger für Menschenhandel macht (USDOS 13.3.2019). Rekrutierungsunternehmen nutzen weiterhin ihren politischen Einfluss, um Ermittlungen, Strafverfolgung und Wiedergutmachungen für Missbrauch und Ausbeutung von Migranten zu verhindern (AI 22.2.2018).

In Folge der schweren Erdbeben im Jahr 2015 gibt es im ganzen Land weiterhin Schäden an der Infrastruktur und unpassierbare Straßen. In Nepal kommt es vereinzelt zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ (Zwangsstreiks), mit Blockaden bzw. Straßensperren, auch im Kathmandu-Tal, die teilweise auch gewaltsam durchgesetzt werden. Diese können das öffentliche Leben empfindlich stören und zu Behinderungen im Reiseverkehr führen (AA 28.5.2019).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (28.5.2019): Nepal – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 2.7.2019

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

5. Grundversorgung und Wirtschaft

Der zehnjährige Bürgerkrieg hat die wirtschaftliche Entwicklung Nepals deutlich beeinträchtigt. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren real zwischen 2 und 5 Prozent. Die schweren Erdbeben vom April und Mai 2015 haben zu einem weiteren Einbruch der Wirtschaft geführt. Nepal ist nach den Bürgerkriegsländern Jemen und Afghanistan das drittärmste Land Asiens und zählt weiterhin zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Im multidimensionalen Armutsindex von wird die Armut der Bevölkerung allerdings minimal geringer eingeschätzt als beispielsweise auch in Bangladesch oder Myanmar. Die nepalesische Wirtschaft ist faktisch weitgehend privatwirtschaftlich verfasst, aber auch geprägt durch starre sozialstaatliche Elemente sowie durch privilegierte Staatsunternehmen. Ausgeprägte Bürokratie sowie eine unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima. Die subsistenz-orientierte Agrarwirtschaft erwirtschaftet mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und beschäftigt mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen. Trotz einer rapiden Urbanisierung leben noch immer 81 Prozent der Bevölkerung im ländlichen Raum. Der industrielle Sektor erholte sich 2016/17 und wuchs um 11 Prozent. Wichtige Impulse für das Baugewerbe gehen vom Wiederaufbau und den ins Auge gefassten Investitionen in Infrastrukturprojekte wie Straßen- und Kraftwerksbau aus. Die Überweisungen nepalesischer Auslandsmigranten machen geschätzt zwischen 26 und 30 Prozent des BIP aus – ein im internationalen Vergleich sehr hoher Anteil. Positiv dürfte sich auswirken, dass eine Serie von Gesetzesprojekten zur Förderung von Auslandsinvestitionen und Binnenwirtschaft in Angriff genommen wurden. Zuwendungen aus der Entwicklungszusammenarbeit trugen in vergangenen Jahrzehnten einen substanziellen Teil zum nepalesischen Staatsbudget bei. Auch heute ist Nepal weitgehend von ausländischer Hilfe abhängig (AA 22.1.2019; vgl. GIZ 5.2019a).

Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2016: 3,2 Prozent), Unterbeschäftigung ist jedoch weit verbreitet (BTI 2018). Die politische Instabilität und die schwere wirtschaftliche Krise treiben weiterhin Massen von jungen Nepalesen ins Ausland. Wegen der offenen Grenzen ist die Migration ins Ausland nicht dokumentiert. Schätzungen gehen davon aus, dass heute 4 bis 5 Millionen Nepalesen im Ausland arbeiten. Rund die Hälfte davon dürfte sich in Indien aufhalten. Der Rest vor allem in Malaysia, Katar, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait. Mit der zunehmenden Emigration ist die Rekrutierung von Arbeitskräften zu einem lukrativen Geschäft geworden. Über 800 sogenannte „Manpower Companies“ werben über lokale Agenten Arbeitswillige in den Dörfern an und organisieren Transport, Ausreisepapiere und Verträge mit den Arbeitgebern in den Zielländern. Die große Mehrheit der Arbeitsmigranten sind junge Männer. Der Anteil der Frauen hat mit der steigenden Nachfrage nach Hausangestellten in den Golfstaaten im letzten Jahrzehnt zwar zugenommen, Frauen machen aber erst etwa 10 Prozent der Arbeitskräfte im Ausland aus und sind besonders gefährdet (GIZ 6.2019b; vgl. AA 22.1.2019, GIZ 5.2019a, DR 25.4.2017).

Nach zwei schweren Erdbeben, die im April und Mai 2015 Nepal erschüttert und verheerende Schäden im Kathmandu-Tal und den Bergdörfern des Himalaya angerichtet haben, erholt sich das Land nur langsam. Damals kamen fast 9.000 Menschen ums Leben, 3,5 Millionen wurden obdachlos, 400.000 Familien benötigen Hilfe. Der Wiederaufbau läuft auch zwei Jahre später nur schleppend. Laut der Wiederaufbaubehörde wurde bisher erst rund 4.000 Menschen eine zweite Rate der zugesicherten Gelder ausgezahlt, nur 420 bekamen bisher die volle Zahlung. Trotz nationaler und internationaler Unterstützung beklagten die Hilfsorganisationen fehlende Vorgaben der Regierung für den notwendigen Wiederaufbau (DR 25.4.2017; vgl. GIZ 5.2019a).

Nepal verfügt außer den familiären sozialen Netzwerken über kein Wohlfahrtssystem. In bestimmten Fällen sind NGOs bemüht, diese Lücke zu füllen, aber deren Tätigkeit ist sehr stark von dem jeweiligen Standort und von internationalen Spenden abhängig, somit können nicht die gleichen Leistungen im ganzen Land angeboten werden. Es gibt nur vereinzelt Privatinitiativen; die öffentlichen Sozialdienste sind rückständig und unzureichend, obwohl sich die Situation in den letzten Jahren leicht verbesserte (BTI 2018).

Es wird trotz leichten Fortschritten von Zwangs- und Kinderarbeit berichtet (IHR 17.8.2018).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (22.1.2019): Nepal – Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/-/221218, Zugriff 22.7.2019

-        BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-        IHR – Informationsplattform humanrights.ch (17.8.2018): Länderinformation: Menschenrechte in Nepal, https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/nepal/, Zugriff 19.7.2019

-        DR – Domradio (25.4.2017): Zwei Jahre nach dem Erdbeben in Nepal – Schleppender Wiederaufbau, https://www.domradio.de/themen/weltkirche/2017-04-25/zwei-jahre-nach-dem-erdbeben-nepal, Zugriff 22.7.2019

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2019a): Nepal – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nepal/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 18.7.2019

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2019b): Nepal – Gesellschaft, https://www.liportal.de/nepal/gesellschaft/, Zugriff 18.7.2019

6. Rückkehr

Die Regierung gewährleistet nepalesischen Staatsbürgern Reisefreiheit, Emigration und die Rückkehr nach Nepal. Die Regierung arbeitet im Allgemeinen mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen bei der Bereitstellung von Schutz und Unterstützung für Asylwerber und Flüchtlinge zusammen (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments steht die Identität des Beschwerdeführers nicht zweifelsfrei fest. Zwar legte er zuletzt mit Stellungnahme vom 16.11.2020 das Original einer Geburtsurkunde vor, doch scheint dort ein anderes Geburtsdatum – nämlich XXXX – als das von ihm selbst im Verfahren angegebene – nämlich der XXXX – auf. Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seinen Sprachkenntnissen, seiner schulischen Ausbildung, seiner Arbeitserfahrung, zur Situation seiner Familie in Nepal und Indien sowie seinem Gesundheitszustand beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren – konkret der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.09.2011 und der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 11.10.2011 – und dem unveränderten, damit übereinstimmenden Vorbringen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 03.11.2020 zum gegenständlichen Verfahren.

Die Feststellungen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers, zu seinem aufenthaltsrechtlichen Status, seiner Ausreiseverpflichtung und zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK ergeben sich unzweifelhaft aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten, insbesondere den dort aufliegenden rechtskräftigen Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 30.03.2012, Zl. C10 422231-1/2011/3E, und des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.04.2018, W169 1422231-2/2E. Insbesondere ist weiterhin nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, identitätsnachweisende Dokumente – insbesondere einen Reisepass – zu beschaffen bzw. diese nicht zu besitzen. So ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer anlässlich der gegenständlichen Antragstellung bis hin zur Passnummer detaillierte Angaben zu seinem nepalesischen Reisepass machen konnte, obwohl ihm dieser Pass im Zuge der Einreise vom Schlepper abgenommen worden sein will. Es ist völlig lebensfremd, dass sich der Beschwerdeführer diese Daten gemerkt hätte, sondern liegt es vielmehr nahe, dass der Beschwerdeführer sich tatsächlich in Besitz dieses Passes, der den Großteils seiner Aufenthaltszeit in Österreich gültig war, befindet. Ebenso sind die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Geburtsurkunde widersprüchlich. Gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zunächst noch an, „vielleicht“ das Original der Geburtsurkunde in Nepal zu haben, brachte er sodann vor, dass ein Freund ihm 2014 oder 2015 das Original geschickt habe. Ebenso scheint die in der Verhandlung getätigte Aussage unglaubhaft, dass der Beschwerdeführer mit seinem Staatsbürgerschaftsnachweis ausgereist und ihm dieser vom Schlepper abgenommen worden sei, da kein logisch nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich ist. Letztlich belegen auch die drei im Zuge der Verhandlung vorgelegten Rechnungen der Österreichischen Post AG über nach Deutschland verschickte Briefe nicht, dass der Beschwerdeführer mit der nepalesischen Botschaft in Berlin zwecks Ausstellung von Reisedokumenten tatsächlich in Kontakt getreten ist, zumal es dem Beschwerdeführer offengestanden wäre, die Briefe per Einschreiben bzw. mit Übernahmeschein verschicken zu lassen, wobei selbst dann der Inhalt der Korrespondenz nicht belegt wäre. Erwähnt sei schließlich, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt einerseits angab, keinen Kontakt zu seinen Angehörigen in Nepal zu haben und daher keine Dokumente vorlegen zu können, andererseits sodann die Kopie einer nepalesischen Geburtsurkunde – bzw. zuletzt nun auch das Original – vorlegte und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aussagte, mit seinen Angehörigen in Nepal in Kontakt zu stehen, somit sich auch hier gravierend widersprach. Zumal der Beschwerdeführer zuletzt angab, tatsächlich Kontakt zu seinen Angehörigen in Nepal zu haben, wäre er darüber hinaus jedenfalls in Lage gewesen, über diese entsprechende Dokumente zur Ermöglichung der Ausreise nach Nepal zu besorgen oder ausstellen zu lassen. Es liegt daher gesamt betrachtet nahe und ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer willentlich keine Identitäts- bzw. Reisedokumente vorlegt, um seiner Ausreiseverpflichtung zu entgehen und dieserart seinen Aufenthalt in Österreich zu perpetuieren.

Zu seinem Familienstand gab der Beschwerdeführer sowohl während seines Asylverfahrens, als auch noch anlässlich der gegenständlichen Antragstellung im Jänner 2016 an, ledig zu sein. In einer Mitteilung vom 05.11.2018 gab der Beschwerdeführer sodann bekannt, bereits am 01.09.2010 eine – nun im Asylverfahren befindliche – nepalesische Staatsangehörige geheiratet zu haben und mit dieser nun im gemeinsamen Haushalt zu leben. Diesbezüglich legte er die Kopie einer nepalesischen Heiratsurkunde vor. In der mündlichen Verhandlung sagte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass er bei der Eheschließung in Nepal nicht anwesend gewesen sei. Er habe bis zu seiner Einreise in Österreich lediglich einen Monat mit seiner vorgeblichen Ehefrau zusammengelebt und habe nicht gewusst, dass sie eine Eheschließung eintragen habe lassen. Sie hätten nun einen gemeinsamen Sohn, wobei der Beschwerdeführer insoweit die österreichische Geburtsurkunde vorlegte. Wie auch schon im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.05.2020, W220 2217704-1/5E und W220 2223097-1/6E (betreffend die Lebensgefährtin und den gemeinsamen Sohn), gewürdigt, ist eine – jedenfalls rechtsgültige – Eheschließung nicht glaubhaft, zumal auf dem vorgelegten Dokument die Unterschrift der Eheleute fehlt und der Beschwerdeführer bei der Eheschließung gar nicht anwesend war. Auch hat die vorgelbliche Ehefrau des Beschwerdeführers noch in ihrer eigenen Erstbefragung nicht angegeben, verheiratet zu sein und in Bezug auf den Beschwerdeführer nur von einem „Freund“ gesprochen. Folglich war davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer unverheiratet ist. Die Feststellungen zum gemeinsamen Kind und zum gemeinsamen Haushalt folgen jedoch den insoweit glaubhaften, mit österreichischen Dokumenten bescheinigten Angaben in dieser Mitteilung vom 05.11.2018 und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellungen zur Einreise und zum Aufenthalt der Lebensgefährtin und des Kindes des Beschwerdeführers folgen aus den unzweifelhaften Gerichtsakten.

Die weiteren Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruhen auf seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 03.11.2020 und den im Verfahren vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen über den Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung und über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

2.2. Die Feststellungen zur Situation in Nepal beruhen auf den angeführten Quellen. Bei den Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Nepal ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Gemäß § 58 Abs. 5 AsylG 2005 sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen. Im Antrag ist gemäß § 58 Abs. 6 AsylG 2005 der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 begründen gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.

Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen. Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

§ 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 normiert auszugsweise: „Folgende Urkunden und Nachweise sind (…) dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen: 1. Gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG); 2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument; (…)“.

§ 4 AsylG-DV 2005 lautet:

„(1) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. Im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderliche Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.“

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs fällt die in § 8 AsylG-DV angeordnete Vorlage von Identitätsdokumenten wie etwa eines Reisepasses unter die in § 58 Abs. 11 AsylG angeordneten allgemeinen Mitwirkungspflichten. Wird dieser Mitwirkungspflicht nicht entsprochen, ist im Antragsverfahren nach dem Wortlaut des § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG mit Antragszurückweisung vorzugehen (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0187).

Wie schon oben ausgeführt, legte der Beschwerdeführer keine entsprechenden Dokumente vor, obwohl er dazu vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgefordert (AS 20 f) und über die Folgen der Nichtmitwirkung belehrt wurde (AS 8). Der Beschwerdeführer stellte zwar ein „Ersuchen“ (erkennbar gemeint: Antrag) auf „Heilung des Mangels der Vorlegung dieser Unterlagen“, da er als Flüchtling nach Österreich gekommen sei und keinen Kontakt mehr in seine Heimat habe, um derartige Dokumente zu erhalten, und bezog sich somit offenkundig auf § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV (AS 23). Einen Nachweis darüber erbrachte der Beschwerdeführer aber zu keinem Zeitpunkt. Die Erklärung, über keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen im Heimatland zu verfügen, steht im Übrigen im deutlichen Widerspruch zu den sonstigen Angaben des Beschwerdeführers, wonach dieser Kontakt bestehe. Zudem brachte der Beschwerdeführer auch gar nicht vor, nicht in Kontakt mit der nepalesischen Botschaft treten zu können, zumal er aufgrund der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz kein „Flüchtling“ ist. Auch die drei im Zuge der Beschwerdeverhandlung vorgelegten Rechnungen der Österreichischen Post AG über nach Deutschland verschickte Briefe belegen nicht, dass der Beschwerdeführer zwecks Ausstellung von Reisedokumenten mit der nepalesischen Botschaft in Berlin tatsächlich in Kontakt getreten ist, da damit der Inhalt der Korrespondenz (mit der Botschaft) nicht belegt ist.

Aus all dem folgt nun, dass ohne weitere inhaltliche Auseinandersetzung der verfahrensgegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückzuweisen ist.

In Konsequenz dessen war daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, dass (zusätzlich) der Antrag auf Heilung des Mangels gemäß §§ 4, 8 AsylG-DV abzuweisen war.

3.2. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides:

§ 10 Abs. 3 AsylG 2005 lautet: „Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.“

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

Da der Antrag des Beschwerdeführers gemäß §§ 55, 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückzuweisen war, war entsprechend den zitierten Bestimmungen gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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