Entscheidungsdatum
01.07.2021Norm
BDG 1979 §43Spruch
W136 2241200-1/8E
Schriftliche Ausfertigung des am 11.06.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter HR Mag. Bernhard JIRGAL und Mag. Georg ULLMANN als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Astrid WAGNER, gegen das Disziplinarerkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde vom 04.03.2021, Zl. 2020-0.703.459-34, mit dem die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wurde, nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) stand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich und war als Arzt der Medizinischen Universität XXXX , XXXX , gemäß § 125 Abs. 2 Universitätsgesetz zugewiesen.
2. Mit dem Bescheid vom 09.02.2016, GZ BMWFW 900.000/0009-WF/DK/2016, leitete die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ein Disziplinarverfahren gegen den BF ein und verfügte gleichzeitig seine Suspendierung. Die gegen die Suspendierung erhobene Beschwerde des BF wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.01.2017, GZ W136 2122535-1/5E, abgewiesen.
3. Mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 05.03.2019, GZ 122Hv 23/18y, wurde der BF des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146 und 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 15 Monaten verhängt. Seiner dagegen erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wurde vom OLG XXXX mit Erkenntnis vom 10.03.2020, GZ 21BS 328/19t, nicht, der Berufung wegen Strafe jedoch stattgegeben und die bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe auf zwölf Monate herabgesetzt.
4. Mit dem im Spruch genannten Disziplinarerkenntnis hat die Bundesdisziplinarbehörde über den BF die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt, weil er schuldig erkannt wurde, dass er (wörtlich, Anonymisierung durch das Bundesverwaltungsgericht):
„am 22. September 2015 in XXXX mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, XXXX durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, nämlich durch die Vorgabe, durch die Überweisung von € 20.000,--auf das Konto von Robert L. (Mittäter) bei der BAWAG PSK würde eine Lungentransplantation dessen Vaters XXXX im XXXX ermöglicht bzw. zumindest gefördert oder beschleunigt, indem mit diesem Betrag mehrere für eine solche Lungentransplantation verantwortliche Personen bestochen würden, zur Veranlassung der Überweisung dieses Betrages auf das genannte Konto verleitet, die diesen in einem Betrag von € 20.000,- am Vermögen schädigte.
[Der BF] hat dadurch eine Dienstpflicht nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§ 43 Abs 2 BDG 1979) schuldhaft verletzt und dadurch eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen.“
Begründend wurde nach Darstellung des Sachverhaltes in rechtlicher Hinsicht wie folgt ausgeführt (wörtlich, Anonymisierung durch das Bundesverwaltungsgericht):
„Zum disziplinären Überhang:
Mit der strafrechtlichen Verurteilung wegen des Vergehens des schweren Betruges nach § 146 und § 147 StGB wurde der Unrechtsgehalt der Dienstpflichtverletzung iSd § 43 Abs 2 BDG 1979 nicht abgegolten. Denn die für die disziplinäre Verfolgung wesentlichen Gesichtspunkte, wie etwa das Funktionieren der Verwaltung zu gewährleisten, werden bei den Tatbildmerkmalen des schweren Betruges in keiner Weise berücksichtigt, weil das Verhalten des Beamten bei diesem strafgerichtlichen Vergehen nur an Maßstäben zu messen ist, die für alle Normunterworfenen zu gelten haben. Bei der Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs 2 BDG 1979, die den Vorwurf der Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben betrifft, wird daher aufgrund dieses spezifisch dienstrechtlichen Tatbestandsmerkmals der sogenannte disziplinäre Überhang vorliegen (VwGH 18.11.1998, 97/09/0206). Dies gilt auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - § 313 StGB im strafgerichtlichen Verfahren angewendet wurde, der an der Stellung des Beamten anknüpfend für alle "unechten Beamtendelikte" (dh für alle Delikte, die nicht nur von Beamten begangen werden können) eine höhere Strafe ermöglicht als sie für Täter, die nicht Beamte sind, vorgesehen ist. Die Berücksichtigung der Beamteneigenschaft des Täters bei der Strafbemessung nach dem StGB deckt für sich allein noch nicht den spezifisch disziplinären Unrechtsgehalt der sachgleichen Tat ab, die mit einem Verstoß gegen § 43 Abs 2 BDG 1979 verbunden ist (VwGH 29.10.1997, 97/09/0183).
Zur Strafbemessung:
Der Beschuldigte nahm als ao. Universitätsprofessor und Oberarzt der XXXX eine prestigeträchtige Funktion ein, mit der eine besondere Vertrauensstellung und Autorität gegenüber seinen Patientinnen und deren Angehörigen einherging. Diese besondere Vertrauensstellung sowie die enorme Drucksituation todkranker Patienten und deren Angehöriger, die sich in einer psychischen und emotionalen Extremsituation befinden, nutzte er zum Zwecke persönlicher Bereicherung aus. Aufgrund der angesprochenen Ausnahmesituation sind solche Opfer besonders schutzwürdig, wobei die breite Bevölkerung zu Recht erwarten kann, dass der Staat in einem derart sensiblen Bereich adäquate Sicherheit und Prävention bietet.
Eine Entlassung ist daher aufgrund der besonderen Schwere der Dienstpflichtverletzung und aus generalpräventiven Gründen geboten. Durch die fehlende Schuldeinsicht konnte der Senat auch in spezialpräventiver Hinsicht nicht zu einer günstigen Zukunftsprognose gelangen (VwGH 9.9.2014, Ra 2014/09/0014). Die als mildernd zu wertende bisherige disziplinäre Unbescholtenheit bzw. der Umstand, dass die Dienstpflichtverletzung mit dem sonstigen Verhalten des Beschuldigten in auffallendem Widerspruch steht sowie die lange Verfahrensdauer können demgegenüber kein besonderes Gewicht beigemessen werden, das die Verhängung einer geringeren Disziplinarstrafe ermöglichen würde.“
4. Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der BF rechtzeitig durch seine Rechtsvertreterin Beschwerde und beantragte das angefochtene Disziplinarerkenntnis ersatzlos beheben und das Verfahren einstellen, in eventu die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Bundesdisziplinarbehörde zurückverweisen, in eventu das angefochtene Disziplinarerkenntnis dahingehend abändern, dass eine Disziplinarstrafe des § 92 Abs. 1 Z 1-3 BDG 1997 ausgesprochen werde.
Begründend wurde ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung sowohl die Gesichtspunkte der Generalprävention als auch der Spezialprävention bei der Strafbemessung ausgehend von der Schwere der Dienstpflichtverletzung ebenso wie die Erschwerungs- und Milderungsgründe im Rahmen einer Gesamtbetrachtunq Berücksichtigung finden müssten Auch wenn es, wie in den Gesetzeserläuterungen ausgeführt, nunmehr möglich sei, „bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen allein schon aus generalpräventiven Gründen eine Entlassung auszusprechen“, so bedeutet dies noch nicht, dass bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen Milderungsgründe nicht auch zu berücksichtigen wären. Eben diesem, von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz einer Gesamtbetrachtung und Berücksichtigung der Milderungsgründe auch bei schweren Dienstpflichtverletzungen habe die Bundesdisziplinarbehörde in ihrem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis nicht Rechnung getragen. Ebenso wenig habe die Bundesdisziplinarbehörde den wohl auch für den Bereich des Disziplinarrechts geltenden Resozialisierungsgedanken Rechnung getragen, indem die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft in nicht Rechnung getragen worden sei; es sei nicht darauf Bedacht genommen, dass der Disziplinarbeschuldigte völlig aus seinem beruflichen Leben herausgerissen werde. Der Beschwerdeführer sei sorgepflichtig für studierende Kinder und bedeutet die Entlassung für ihn eine berufliche Vernichtung.
Die Bundesdisziplinarbehörde sei von einer gänzlich unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen, indem sie vom Vorliegen eines disziplinären Überhangs im gegenständlichen Fall bejahe. Das Oberlandesgericht habe sich in seinem Berufungsurteil ausführlich mit der Strafbemessung auseinandergesetzt und habe ganz bewusst die Strafe mit einem Jahr bedingt bemessen, gerade um die Rechtsfolge des Amtsverlustes zu vermeiden. Dieses Urteil komme damit dem Gebot einer „Folgeorientierten Strafzumessung“ nach. Diese Strafbemessung erfolgte somit im Sinne eines resozialisierungsfreundlichem Sanktionensystems. Gemäß § 32 Abs 2 erster Satz seien bei der Bemessung der Strafe die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Damit wollte dem Gesetzgeber dem Anliegen der Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft Rechnung tragen. Insbesondere in den Regierungsvorlagen wurde wiederholt auf die Wichtigkeit der Erhaltung des Arbeitsplatzes Bezug genommen (33BlgNRXX.GP, insb. Seiten 33 folgende [zu Art. I Z. 6]).
Es läge nun nahe, diesen Gedanken der Resozialisierung des Gesetzgebers, den dieser bei der Novellierung des Strafrechtes vor Augen hatte, jedenfalls auch auf den Bereich des Disziplinarrechtes zu übertragen. Gerade im Bereich des Disziplinarrechtes gehe es um den Erhalt des Arbeitsplatzes; somit um die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft. Es entspräche dem Willen und der Absicht des Gesetzgebers, bei der Strafbemessung dem Resozialisierungsgedanken Rechnung zu tragen. Die Strafe solle nicht dazu führen, dass der Täter aus dem beruflichen Leben herausgerissen wird. Deshalb seien eben die Auswirkungen der Strafe und der anderen zu erwartenden Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters einzubeziehen und dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Weitere Milderungsgründe im allgemeinen Strafrecht seien die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer sowie die Betroffenheit des Täters durch die Folgen der Tat.
Der Disziplinarbeschuldigte sei von einer unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer betroffen war, die nicht in seinem Verschulden gelegen habe und der Beschuldigte bereits gewichtige Nachteile in Kauf zu nehmen gehabt, zumal er jahrelang bereits vom Dienst suspendiert war und dadurch erhebliche Einkommenseinbußen hinzunehmen hatte. Darüber hinaus erweise sich die Strafbemessung der Disziplinarbehörde als unrichtig. Die Bundesdisziplinarbehörde habe folgende nachstehende Milderungsgründe nicht in ihre Strafbemessung einbezogen: Die vorliegende Straftat stehe in einem auffallenden Widerspruch zur bisherigen Lebensführung des Disziplinarbeschuldigten, der bislang völlig unbescholten war und sei es beim Versuch geblieben. Der Disziplinarbeschuldigte habe sich auch ernstlich bemüht, den verursachten Schaden gut zu machen. Es sei rechtlich völlig verfehlt, eine „fehlende Schuldeinsicht“ als erschwerend heranzuziehen bzw. dem Disziplinarbeschuldigten hier eine günstige Zukunftsprognose abzusprechen. Der Beschwerdeführer habe vielmehr eingeräumt, dass das strafgerichtliche Urteil in Rechtskraft erwachsen sei und er den Schuldspruch daher aufgrund der Bindungswirkung akzeptieren müsse. Dass der Beschwerdeführer trotzdem davon ausgehe, die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen zu haben, dürfe ihm nicht angelastet werden; es sei auch in keiner Weise erkennbar, inwiefern dies die Zukunftsprognose im negativen Sinn beeinflussen sollte. Ganz im Gegenteil sei aus der Haltung des Beschwerdeführers erkennbar, dass er die ihm zur Last gelegte Tat als verachtenswert betrachte, dies umso mehr, als er davon überzeugt ist, dass er eine solche Tat nicht begangen hat und auch niemals begehen würde. Die Vorgangsweise der Bundesdisziplinarbehörde, dies als „fehlende Schuldeinsicht“ und damit „ungünstige Zukunftsprognose“ zu werten, sei völlig verfehlt und auch in gedanklicher Hinsicht nicht nachvollziehbar.
5. Am 11.06.2021 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des BF, seiner Rechtsvertreterin und der Disziplinaranwältin statt. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurden nach Erörterung der Rechtssache das Erkenntnis mündlich verkündet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
1. Der BF ist am XXXX geboren und ist Facharzt für Innere Medizin, Pulmologie und Angiologie und Oberarzt im XXXX . Er ist verheiratet und für seine Frau und zwei studierende Kinder sorgepflichtig. Der BF betreibt eine Privatordination als Facharzt, bei der er etwa 6000 bis 8000 Euro netto pro Monat verdient. Der BF hat einen aushaftenden Kredit in Höhe von € 410.000,- der für die Anschaffung einer Eigentumswohnung aufgenommen wurde. Der BF ist disziplinarrechtlich unbescholten
Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus seinen Angaben n der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der diesbezüglichen Aktenlage.
2. Der BF wurde wegen des ihm nunmehr als Dienstpflichtverletzung angelasteten Sachverhaltes rechtkräftig wegen schweren Betruges nach den §§ 146 und 147 Abs. 2 StGB verurteilt. Der Sachverhalt steht fest, da die Bundesdisziplinarbehörde gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 an die dem Spruch des rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen gebunden ist
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 135a BDG 1979 hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch einen Senat zu erfolgen, wenn gegen ein Erkenntnis, mit dem die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wurde, Beschwerde erhoben wurde. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
2.1. Die anzuwendenden Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. 333, idF BGBl I. Nr. 153/2020 (BDG 1979) lauten:
Allgemeine Dienstpflichten
§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
….
Strafbemessung
§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
…..
Zusammentreffen von strafbaren Handlungen mit Dienstpflichtverletzungen
§ 95. (1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, ist von der disziplinären Verfolgung des Beamten abzusehen. Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), ist nach § 93 vorzugehen.
(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines Verwaltungsgerichts) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (das Verwaltungsgericht) als nicht erweisbar angenommen hat.
2.2. Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Die im bekämpften Bescheid dargestellte Pflichtverletzung steht aufgrund der in § 95 Abs 2 BDG 1979 vorgesehenen Bindungswirkung an die dem Spruch des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , 122 Hv 23/18y, vom 05.03.2019 zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen, welche mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX , 21 Bs 328/19t, vom 10.03.2020 bestätigt wurden, fest.
Der Beschwerdeführer hat unter Ausnützung seiner Stellung als beamteter Oberarzt, sohin unter Ausnützung der ihm durch seine Tätigkeit gebotenen Gelegenheit, XXXX dazu verleitet den Betrag von € 20.000 auf das Konto eines Mittäters zu überweisen und somit mit diesem Betrag an Vermögen geschädigt, indem er ihm vortäuschte, die Überweisung dieses Betrages würde eine Lungentransplantation seines Vaters XXXX im XXXX ermöglichen bzw. zumindest fördern oder beschleunigen, indem mit diesem Betrag mehrere für eine solche Lungentransplantation verantwortliche Personen bestochen würden.
2.3. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist die Strafbemessung eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 93 BDG 1979 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist, wobei die Behörde verpflichtet ist, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offenzulegen, als dies für die Rechtverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (zuletzt VwGH vom 04.11.2014, Zl. Ro 2014/09/0023).
Bei der Entscheidung über die disziplinarrechtliche Schuld und Strafe (§§ 91 ff BDG 1979) handelt es sich um eine aus gebundenen Entscheidungen und einer Ermessensentscheidung zusammengesetzte Entscheidung. Bei der Beurteilung der Schuld und deren Schwere ist kein Ermessen zu üben, erst die Auswahl der Strafmittel (§ 92 Abs. 1 legcit) und gegebenenfalls (im Fall einer Geldbuße oder Geldstrafe) die Festlegung von deren Höhe stellen Ermessensentscheidungen dar. Hiebei sind Beurteilungen betreffend die Persönlichkeit des Beschuldigten, sein vergangenes und zukünftiges Verhalten zu treffen.
2.4. Der belangten Behörde ist zu folgen, wenn sie sowohl aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung als auch aus generalpräventiven Gründen sie Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt hat.
Der Beschwerdeführer hat nämlich, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt, als Oberarzt der XXXX , dem XXXX , eine prestigeträchtige Funktion inne, mit der eine besondere Vertrauensstellung und Autorität gegenüber seinen Patientinnen und deren Angehörigen einhergeht und hat diese besondere Vertrauensstellung sowie die Drucksituation schwerkranker Patienten und deren Angehöriger, zum Zweck der persönlichen Bereicherung ausgenützt. Sein Verhalten war geeignet, das hohe Ansehen, dass Ärzte in einer derart hervorgehobenen Position ohne Zweifel in besonderem genießen, und damit das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu erschüttern. In Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung erscheint eine andere Disziplinarstrafe als die der Entlassung nicht angemessen und wäre eine Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers auch untragbar.
2.5. Soweit sich die Beschwerde gegen die Strafzumessung richtet, ergibt sich daher weder aus der Beschwerde noch aufgrund des Ergebnisses der Verhandlung, dass diese unzutreffend wäre. Dazu ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:
Dem Beschwerdevorbringen, wonach kein disziplinärer Überhang vorläge ist nicht zu folgen. Selbst wenn der Beschwerdeführer nur eine geringe strafrechtliche Schuld zu verantworten hätte, was sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX im Übrigen nicht ergibt, lässt sich im Hinblick auf den unterschiedlichen Schutzzweck der Normen keineswegs der Schluss auf einen geringen disziplinarrechtlichen Unwertgehalt ziehen (vgl. VwGH vom 18.10.1996, Zl.96/09/0292). Das Disziplinarrecht dient nämlich der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit in das Berufsbeamtentum im Allgemeinen. Im gegenständlichen Fall war aber die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers wie bereits oben ausgeführt, geeignet das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben gravierend zu erschüttern.
Dem Vorbringen, wonach der Gedanken der Resozialisierung, den der Gesetzgeber beim Strafrecht vor Augen habe, auch auf das Disziplinarrecht zu übertragen wäre, kommt keine Berechtigung zu (vgl dazu VwGH vom 06.09.2012, Zl.2012/09/0013). Zwar sind gemäß § 93 BDG 1979 die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe dem Sinne nach zu berücksichtigen, allerdings sind im vorliegenden Fall die von der belangten Behörde erkannten Milderungsgründe der disziplinarrechtlichen Unbescholtenheit sowie der Umstand, dass die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Beschwerdeführers in auffallenden Widerspruch steht, auch bei einer Gesamtbetrachtung nicht geeignet, im Hinblick der Schwere der Pflichtverletzung allein schon aus generalpräventiven Gründen von einer Entlassung Abstand zu nehmen.
Entgegen dem Vorbringen kann nicht vom Milderungsgrund der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer ausgegangen werden. Gemäß §94 Abs. 3 Z 3 und 4 BDG 1979 war das Disziplinarverfahren für die Dauer des Strafverfahrens unterbrochen. Der rechtskräftige Abschluss des Strafverfahrens wurde der Dienstbehörde allerdings nicht gemäß § 76 Abs. 5 StPO zur Kenntnis gebracht, sondern hat die belangte Behörde davon erst nach entsprechender Anfrage am 20. November 2020 Kenntnis erlangt. Nunmehr hat sie das Disziplinarverfahren zügigst innerhalb von knapp drei Monaten abgeschlossen, eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer liegt somit nicht vor.
Zum Vorbringen, dass der Beschwerdeführer bereits jetzt gewichtige Nachteile in Kauf zu nehmen hatte, bleibt offen, welche diese sein sollten. Ein grundsätzlich mit jeder Suspendierung für den Beamten verbundener Ansehensverlust sowie die gesetzlich vorgesehene Bezugskürzung können nämlich nicht als ein unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden (VwGH vom 20.01.2003, GZ 2002/09/005). Zum Vorbringen, dass mit der Entlassung des BF seine berufliche Existenz zerstört werde, ist darauf hinzuweisen, dass dies im vorliegenden Fall gerade nicht zutrifft. Denn der BF betreibt bereits seit vielen Jahren eine Praxis als Privatarzt, aus deren Einkünften er sich als auch seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen gut versorgen kann.
Die fehlende Schuldeinsicht hat die belangte Behörde entgegen dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen nicht als erschwerend gewertet, sondern daraus den Schluss der mangelnden günstigen Zukunftsprognose gezogen.
Geständnis und Schuldeinsicht sind zwar keine unabdingbaren Voraussetzungen für die Erstellung einer günstigen Zukunftsprognose. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn bereits ein rechtskräftiges verurteilendes Strafurteil vorliegt, an das die Behörde sowohl im Hinblick auf die objektive als auch die subjektive Tatseite gebunden ist (vgl. E 5. September 2013, 2013/09/0076). Leugnet der Verurteilte auch im folgenden Disziplinarverfahren noch beharrlich die Tat, führt dies zur Annahme, dass der Täter selbst trotz gerichtlicher Verurteilung nicht bereit ist, sich von dem ihm angelasteten Verhalten soweit zu distanzieren, dass den Erfordernissen der Spezialprävention auch durch die Anwendung einer geringeren Strafe Rechnung getragen wird (VwGH vom 09.09.2014, Ra 2014/09/0014)
Zusammengefasst kann eine Rechtswidrigkeit der belangten Behörde bei der Strafzumessung nicht erkannt werden, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter A) zitierte Judikatur wird verwiesen.
Schlagworte
Ansehen des Amtes Arzt Bindungswirkung Dienstpflichtverletzung disziplinärer Überhang Disziplinarstrafe Disziplinarverfahren Entlassung Generalprävention öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis schriftliche Ausfertigung Schwere der Dienstpflichtverletzung schwerer Betrug Strafbemessung strafrechtliche VerurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W136.2241200.1.00Im RIS seit
22.09.2021Zuletzt aktualisiert am
22.09.2021