TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/20 W156 2233723-1

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Veröffentlicht am 20.07.2021
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Entscheidungsdatum

20.07.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4

Spruch


W156 2233723-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde vom 28.07.2020 des Ing. XXXX , vertreten durch die Steirer Mika & Comp., Wirtschaftstreuhand GmbH in 1010 Wien, gegen den Bescheid der Sozialversicherung der Selbständigen, Landesstelle Niederösterreich, vom 26.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 26.06.2020 bezog die Sozialversicherung der Selbständigen, Landesstelle Niederösterreich (in weiterer Folge: belangte Behörde) Herrn Ing. XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführer, kurz: BF) für die Zeit von 01.01.2018 bis 31.12.2018 in die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG mit ein. Die Höhe der monatlichen Beitragsgrundlage in diesem Zeitraum betrage in der Pensionsversicherung 5.985,00 € und in der Krankenversicherung 2.606,98 €.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des BF aus einer Kommanditbeteiligung an der XXXX GmbH & Co KG (in weiterer Folge: Gesellschaft) stammen. Die Kommanditeinlage hätte 3,1 % betragen und wäre die Kommanditbeteiligung durch den Kaufvertrag vom 20.08.2015 durch den BF von der XXXX AG (in weiterer Folg: Kommanditistin-AG) unter Beitritt der XXXX GmbH (in weiterer Folge: Komplementärin-GmBH) erworben worden. Der BF hätte im Fragebogen vom 03.04.2020 angegeben, dem Geschäftsführer Weisungen erteilen zu können, weshalb er in die Pflichtversicherung miteinbezogen worden wäre. Der Gesamtgewinn hätte 5.444.587,44 € betragen und hätte sich daher bei einer Beteiligung von 3,1 % Einkünfte in Höhe von 100.942,03 € ergeben. Im Fragebogen vom 03.04.2020 hätte der BF den Punkt 14 falsch angekreuzt und darin angegeben, dass er kein Weisungsrecht gegenüber Personen (Dienstnehmer) in der Gesellschaft hätte. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe sich jedoch, dass den Kommanditisten in Bezug auf sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft ein Weisungsrecht gegenüber der Komplementärin-GmbH zustehe. Ebenso ergebe sich aus dem Gesellschaftsvertrag, dass Nachschüsse zu den Zahlungsverpflichtungen der Kommanditisten mit einstimmigen Beschluss aller Kommanditisten gefördert werden könnten. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass sich aufgrund des Umstandes, dass sich aus dem Gesellschaftsvertrag sowohl ergeben hätte, dass die Haftsumme durch Beschluss der Gesellschafter erhöht werden könne und daher nicht auf einen ziffernmäßig bestimmten Betrag beschränkt sei als auch, dass die Kommanditisten der Komplementärin-GmbH Weisungen – und zwar auch beim gewöhnlichen Geschäftsbetrieb – erteilten könnten, von einer Mitwirkungsbefugnis an der Geschäftsführung auszugehen wäre und daher eine betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vorliege.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte darin zusammengefasst aus, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine Pflichtversicherung aus der Kommanditbeteiligung ausgeschlossen werden könne, da eine Haftung der Kommanditisten gegenüber Dritten auf die jeweils übernommene und einbezahlte Hafteinlage beschränkt sei. Beschlüsse zur weiteren Finanzierung der Gesellschaft durch Eigenmittel würden eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafter bedürfen und könnten durch ein Veto des BF verhindert werden. Zudem wäre ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung durch ein Weisungsrecht aufgrund der Minibeteiligung ausgeschlossen, da ein diesbezüglicher Gesellschafterbeschluss durch den BF weder herbeigeführt noch verhindert werden könne. Schließlich wäre der BF nicht aktiv in der Gesellschaft tätig gewesen und hätte über keine über sein Beteiligungsausmaß hinausgehende Gewinnbeteiligung erzielt.

3. Mit Schreiben vom 05.08.2020 wurde die Beschwerde samt bezughabenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und darin ausgeführt, dass hinsichtlich der in der Beschwerde dargestellten Ausführungen, wonach ein Kapitalanteil von zumindest 10 % erforderlich sei, um die Generalversammlung einzuberufen, der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zufolge, eine Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung auch dann gegeben sei, wenn auf Grund der Mehrheitserfordernisse die Zustimmung eines weiteren Kommanditisten erforderlich sei.

4. Mit Parteiengehör vom 14.01.2021 wurde dem Rechtsvertreter der Vorlagebericht der belangten Behörde zur schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt.

5. Mit Schriftsatz vom 03.02.2021 führte der BF durch seinen Rechtsvertreter aus, dass das von der belangten Behörde vorgebrachte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht vergleichbar sei, da fallgegenständlich insbesondere keine Gesellschaft mit zwei anteilsstarken Kommanditisten vorliege. Vielmehr handle es sich im vorliegenden Fall um eine Projektgesellschaft, bei der eine Vielzahl von Kommanditisten als reine Co-Finanzinvestoren ein Wohnprojekt finanzieren würden. Es genüge insgesamt nicht, wie im von der belangten Behörde vorgebrachten Erkenntnis, der Unterstützung nur eines einzig weiteren Kommanditisten. Die Kommanditbeteiligung des BF sei als Co-Finanzinvestition rein als Kapitalbeteiligung und keinesfalls als „erwerbswirtschaftliche Betätigung“ zu beurteilen, da alle wesentlichen Merkmale daher erfüllt wären. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wäre eine Pflichtversicherung mangels einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit daher auszuschließen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit schriftlich abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag vom 01.06.2015 wurde zwischen der Kommanditistin-AG und der Komplementärin-GmbH als einzige Gesellschafter die zur Firmenbuchnummer XXXX im Firmenbuch protokollierte Gesellschaft gegründet.

Gegenstand der Gesellschaft war der Erwerb, die Entwicklung, Verwaltung und Verwertung von Immobilien.

Der abgeschlossene Gesellschaftsvertrag lautet auszugsweise:

(….)

6.3: „Über das Gesellschaftsdarlehen hinaus können Nachschüsse, nachträgliche Leistungen, Verlustabdeckungen, Haftungen, Eigenkapitalzuschüsse oder ähnliche Zahlungsverpflichtungen der Kommanditisten nur nach Vorliegen eines diesbezüglichen einstimmigen Beschlusses aller Kommanditisten gefordert werden.“

(…)

8.1: „Zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ist ausschließlich die Komplementärin berechtigt und verpflichtet, die durch ihre vertretungsbefugten Organe handelt.“

(…)

8.3: „Die Kommanditisten sind von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen.“

(…)

8.8: „Den Kommanditisten steht in Bezug auf sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft (unabhängig davon, ob es sich um gewöhnliche oder außergewöhnliche Geschäftshandlungen handelt) ein Weisungsrecht gegenüber der Komplementärin zu. Die Ausübung des Weisungsrechts bedarf der einfachen Beschlussmehrheit der Gesellschafterversammlung. Schriftliche Beschlussfassung ist zulässig.“

(…)

9.2: „Die Einberufung der Gesellschafterversammlung erfolgt durch die Komplementärin, welche den Vorsitz führt. Gesellschafter deren Kapitalanteil zumindest 10 % am gesamten Kapitalanteil entspricht sind berechtigt, (...) die Einberufung einer Gesellschafterversammlung durch die Komplementärin zu verlangen; ...“

(…)

9.9: „Die Gesellschafterversammlung fasst Beschluss mit einfacher Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen, soweit der Gesellschaftsvertrag nicht eine größere Mehrheit verlangt.“

(…)

11.1: „Die Kommanditisten nehmen am Verlust der Gesellschaft im Verhältnis der von ihnen übernommenen Pflichteinlage teil. Verluste werden auf neue Rechnung vorgetragen.“

11.2: „Eine Verpflichtung zur Abdeckung von Verlusten durch Barzahlung besteht nicht. Künftige Gewinnanteile sind jedoch zur Abdeckung von Verlusten zu verwenden.“

Am 20.08.2015 schloss die Kommanditistin-AG mit dem BF einen Kauf- und Abtretungsvertrag, mit welchem er einen Teil des von ihr an der Gesellschaft gehaltenen Kommanditanteils mit einer Vermögens- und Hafteinlage von EUR 30,99 erwarb. Diese entspricht einer Beteiligung von 3,1 % am Vermögen der Gesellschaft.

Der BF erzielte im Jahr 2018 aus diesbezüglicher Kommanditbeteiligung Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 100.942,03.

2. Beweiswürdigung:

Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Das BVwG nahm Einsicht in das Firmenbuch der Gesellschaft. Der Gesellschaftsvertrag vom 01.06.2015, der Kauf- und Abtretungsvertrag vom 20.08.2015 sowie sämtliche Korrespondenz zwischen dem BF und der belangten Behörde sind aktenkundig.

Der Sachverhalt blieb darüber hinaus unbestritten. Strittig ist lediglich die Frage, ob der BF mit seiner Beteiligung als Kommanditist an der Gesellschaft gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG im Jahr 2018 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung unterlag. Da es sich dabei um eine Rechtsfrage handelt, wird diesbezüglich auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.1. Rechtliche Grundlagen:

§ 2 GSVG:

(1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

[...]

4. selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im nachhinein festzustellen.

[...]

Parlamentarische Materialien zum GSVG:

Zur Voraussetzung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG wird in den Materialien zur 23. GSVG-Novelle, BGBl. I Nr. 139/1998 (ErläutRV 1235 BlgNR 20. GP, 18), ausgeführt:

"Erwerbstätigkeit setzt generell eine ‚Tätigkeit', also eine aktive Betätigung voraus, die auf einen Erwerb, d. h. auf Einkünfte gerichtet ist (...) Wer hingegen nur ‚sein Kapital arbeiten lässt', soll daraus keinen Sozialversicherungsschutz erlangen und daher auch nicht versicherungspflichtig sein (...). Im Unterschied zu den Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften sind die persönlich haftenden Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) und von eingetragenen Erwerbsgesellschaften (OEG, KEG) typischerweise persönlich unternehmerisch tätig, um den Gesellschaftszweck zu erreichen. Es ist daher folgerichtig, dass diese Personen, die auf Grund ihrer Haftung auch das wesentliche Unternehmerrisiko tragen, in die Sozialversicherungspflicht einbezogen werden (...). Etwas anders ist die Situation bei den Kommanditisten einer KG oder KEG, deren persönliche Haftung nach § 161 HGB auf den im Firmenbuch eingetragenen Haftungsbetrag beschränkt ist. Sie sind nur bei außerordentlichen Geschäftsführungsmaßnahmen in die Geschäftsführung eingebunden (...). Bei den Kommanditisten stehen daher in der Regel die vermögensmäßige Beteiligung und die Kapitalverzinsung im Vordergrund (...). Für das Regelmodell der KG (KEG) soll eine Sozialversicherungspflicht nicht bestehen, weil auch nicht mehr von einer Erwerbstätigkeit gesprochen werden kann (...). Bringt der Kommanditist jedoch Dienstleistungen in die Gesellschaft ein, übernimmt er typische unternehmerische Aufgaben (z.B. Geschäftsführungsbefugnisse) oder (und) trägt er ein Unternehmerrisiko, das über seine Haftungseinlage hinausgeht (z.B. Pflicht zur Verlustabdeckung im Innenverhältnis), liegt eine Erwerbstätigkeit vor, die nach den Kriterien des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (...) die Sozialversicherungspflicht nach sich zieht.

Die dargestellten Grundsätze hinsichtlich des Vorliegens von Erwerbstätigkeit haben auch für die Kommanditisten der GesmbH & Co KG zu gelten. Sie werden insbesondere dann sozialversicherungspflichtig sein, wenn sie als Geschäftsführer der Komplementär-GesmbH tätig sind. In diesem Fall ist jedenfalls das Entgelt für die Geschäftsführertätigkeit sozialversicherungspflichtig, während bei den Kommanditisteneinkünften nach den oben dargestellten Grundsätzen zu prüfen ist, ob Einkünfte aus Erwerbstätigkeit vorliegen. Bei einem ungewöhnlich niedrigen Geschäftsführerbezug und einem relativ hohen Kommanditisteneinkommen werden in der Regel beide Einkünfte für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge heranzuziehen sein, weil in wirtschaftlicher Betrachtungsweise davon auszugehen ist, dass die Geschäftsführertätigkeit durch die Kommanditisteneinkünfte abgegolten werden sollte (…).“

Wie der Verwaltungsgerichtshof – im Einklang mit den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien – in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl. etwa 11.09.2008, Zl. 2006/08/0041; 02.09.2013, Zl. 2011/08/0357), sollen Kommanditisten nach Maßgabe einer "aktiven Betätigung" im Unternehmen, die auf Einkünfte gerichtet ist, pflichtversichert sein, nicht jedoch Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen", das heißt, sich im Wesentlichen auf die gesetzliche Stellung eines Kommanditisten beschränken.

Die Beantwortung der Frage, ob sich ein Kommanditist in einer für § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG relevanten Weise "aktiv" im Unternehmen betätigt, kann in rechtlicher Hinsicht nur vom Umfang seiner Geschäftsführungsbefugnisse abhängen. Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen" und daher nicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sein sollen, sind jedenfalls jene, deren Rechtsstellung über die gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung nicht hinausgeht.

Nach § 164 UGB sind die Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen und können einer Handlung der unbeschränkt haftenden Gesellschafter nicht widersprechen, es sei denn, die Handlung geht über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens hinaus. Die Beantwortung der Frage, ob einem Kommanditisten mehr Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt wurden, als ihm nach der dispositiven (vgl. OGH 19.03.2013, 4 Ob 232/12i) Regelung des § 164 UGB zustehen, richtet sich also danach, ob sich seine Mitwirkungsrechte auch auf die Angelegenheiten des gewöhnlichen Betriebs der Gesellschaft erstrecken (vgl. VwGH 11.09.2008, 2006/08/0041).

Wurden dem Kommanditisten entsprechende Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt, welche über die Mitwirkung an außergewöhnlichen Geschäften hinausgehen, oder steht ihm ein derartiger rechtlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der KG zu, dann ist es unerheblich, in welcher Häufigkeit von diesen Befugnissen tatsächlich Gebrauch gemacht wird sowie ob und in welcher Form sich der Kommanditist am "operativen Geschäft" beteiligt oder im Unternehmen anwesend ist.

Wesentlich ist, dass der Kommanditist einem Gremium angehört, das durch Ausübung der Zustimmungsrechte Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens hat. Auf die Möglichkeit des Überstimmtwerdens kommt es dabei ebenso wenig an wie auf den Umstand, ob der Kommanditist faktisch überhaupt von seinem Mitwirkungsrecht Gebrauch macht (vgl. VwGH 16.02.2011, 2007/08/0099, und 04.092013, 2011/08/0345). Die rechtliche Einflussnahme liegt somit schon in einem Tätigwerdenkönnen aufgrund der ihm eingeräumten Rechte (vgl. VwGH 28.01.2015, 2012/08/0235).

Auf den Beschwerdefall bezogen:

Aktenkundig ist aus der Einkommenssteuererklärung 2018, dass der BF Einkünfte aus Gewerbebetrieb iSd § 23 EStG 1988 in Höhe von 100.942,03 € bezog. Aufgrund der unbestrittenen Feststellungen war zu prüfen, ob diese Einkünfte die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG begründen, zumal diese die Versicherungsgrenze des § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG des Jahres 2018 (€ 5.985,00) übersteigen.

Der BF bestreitet, in dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Zeitraum von 01.01.2018 bis 31.12.2018 gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung der gewerblichen Wirtschaft unterlegen zu sein, da eine Haftung der Kommanditisten – somit auch des BF – gegenüber Dritten auf die jeweils übernommene und einbezahlte Hafteinlage beschränkt sei. Beschlüsse zur weiteren Finanzierung der Gesellschaft durch Eigenmittel hätten eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafter bedürft und hätten durch ein Veto des BF verhindert werden können, weshalb keine Verpflichtung des BF bestehe, weitere Finanzmittel zu leisten. Zudem wäre ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung durch ein Weisungsrecht aufgrund der minimalen Beteiligung ausgeschlossen, da ein diesbezüglicher Gesellschafterbeschluss durch den BF weder herbeigeführt noch verhindert werden könne. Bei seiner Beteiligung an der Gesellschaft als Kommanditist handle es sich lediglich um eine kapitalistische Beteiligung, die von der Pflichtversicherung nach GSVG ausgenommen sei. Schließlich hätte er über sein Beteiligungsausmaß keine hinausgehende Gewinnbeteiligung erzielt.

Es ist daher zu klären, ob der BF in seiner Stellung als Kommanditist eine betriebliche Tätigkeit ausübt und damit – aufgrund der Überschreitung der Versicherungsgrenze – der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegt.

Unbestritten war, dass der BF in seiner Stellung als Kommanditist laut Gesellschaftsvertrag in Bezug auf sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft ein Weisungsrecht gegenüber der Komplementärin-GmbH zustand, wobei es für die Durchführung des Weisungsrechts einer einfachen Beschlussmehrheit der Gesellschaftsversammlung bedürft hätte. In rechtlicher Hinsicht war in diesem Zusammenhang daher strittig, ob dem BF – mittels seiner Beteiligung in der Höhe von 3,1 % – insofern eine Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung zugesprochen werden konnte, als er auf Grund der Mehrheitserfordernisse in der Lage war, für eine Beschlussfassung die diesbezügliche Maßnahme (Weisungsrecht) zu verhindern oder Anweisungen an die Geschäftsführung zu erteilen. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof (04.09.2013, Ra 2011/08/0345) für den Fall bejaht, dass es dem Kommanditisten möglich ist, mittels Gesellschafterbeschlüsse unmittelbar auf die Geschäftsführung des Komplementärs (in einer über den § 164 UGB hinausgehenden Weise) Einfluss zu nehmen, wobei es unerheblich ist, ob und in welcher Häufigkeit von diesen Befugnissen tatsächlich Gebrauch gemacht wurde. An der über die Mitwirkungsrechte eines Kommanditisten nach § 164 UGB hinausgehende Möglichkeit zur Einflussnahme des Kommanditisten auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ändere es nichts, dass eine Beschlussfassung mit der erforderlichen Mehrheit der Zustimmung eines zweiten Kommanditisten (mit einem Gesellschaftsanteil von 40 %) bedarf, um so eine der betroffenen Maßnahmen verhindern bzw. dem Komplementär der Gesellschaft Anweisungen zur Geschäftsführung erteilen zu können.

Zutreffend ist es zwar, dass es sich beim Kommanditanteil des BF an der Gesellschaft um einen Kleinstanteil von 3,1 % handle, sodass auch die „Hürde“ zur Erreichung der notwendigen Mehrheit für die Weisungserteilung an die Geschäftsführung weitaus höher ist als im durch die belangte Behörde vorgebrachten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs. Dies ändert jedoch nichts an der rechtlichen Beurteilung, dass der bloße Umstand, dass ihm durch diese Situation keine alleinige Entscheidungsbefugnis zukommt, sondern es zur Erreichung der für die Beschlussfassung nötigen einfachen Mehrheit zumindest der Zustimmung anderer – wenn auch mehrerer – Kommanditistinnen bedarf, der eindeutigen Judikatur nicht entgegensteht, wonach es nicht darauf ankommt, dass der Kommanditist überstimmt werden kann. Es ist vielmehr ausreichend, dass der Kommanditist einem Gremium angehört, das durch Ausübung der Zustimmungsrechte Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens hat (vgl. VwGH 28.01.2015, 2012/08/0235).

Im Lichte dessen war ebenso nicht entscheidend, dass es dem BF durch seine 3,1%ige Beteiligung an der Gesellschaft – laut Punkt 9.2. des Gesellschaftsvertrages – alleine nicht möglich gewesen wäre, die Einberufung der Gesellschafterversammlung von der Komplementärin-GmbH zu verlangen, zumal dieses Recht lediglich Gesellschaftern mit einem Kapitalanteil von zumindest 10 % zusteht. Für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit kommt es allein auf die Stimmabgabemöglichkeit an (vgl. Brameshuber in Neumann, GSVG für Steuerberater, Wien 2016, Rz 173 zu § 2 GSVG und die dort referierte höchstgerichtliche Rechtsprechung). Dies trifft angesichts der Feststellungen auf den BF zu.

Die Beantwortung der Frage, ob dem BF dadurch mehr Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt wurden, als ihm nach der dispositiven (vgl. OGH 19.3.2013, 4 Ob 232/12i) Regelung des § 164 UGB zustehen, richtet sich danach, ob sich seine Mitwirkungsrechte auch auf die Angelegenheiten des gewöhnlichen Betriebs der Gesellschaft erstrecken. (VwGH 12.09.2018, Ra 2015/08/0032, mwN). Die Frage, ob ein Geschäft zu den gewöhnlichen Betriebsgeschäften gehört, ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden. Maßgebend sind dabei Gesellschaftsvertrag, Art und Umfang des Betriebes und Art, Größe und Bedeutung des Geschäftes für den Betrieb (vgl. VwGH vom 28.01.2015, Zl. 2012/08/0235 mwN).

Im konkreten Fall betraf das dem BF in seiner Stellung als Kommanditist zustehende Weisungsrecht über die Komplementärin-GmbH laut Gesellschaftsvertrag (Punkt 8.8.) sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft (somit auch gewöhnliche Geschäfte betreffend). Der BF besitzt daher eine über die Stellung als Kommanditist hinausgehende Mitwirkungsbefugnis am gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens.

Das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit ist daher im vorliegenden Fall zu bejahen.

Zum weiteren Beschwerdevorbringen ist auszuführen, dass es dem VwGH zufolge (Ra 11.08.2008, 2006/08/0041) im Falle, dass dem Kommanditisten entsprechende Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt wurden, welche über die Mitwirkung an außergewöhnlichen Geschäften hinausgehen, oder ihm ein derartiger rechtlicher Einfluss auf die Geschäftsführung zusteht, es unerheblich ist, ob und in welcher Form sich der Kommanditist am "operativen Geschäft" beteiligt oder im Unternehmen anwesend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 2008, Zl. 2006/08/0041)

In einer Gesamtbeurteilung begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde die Einkünfte des BF aus der Kommanditbeteiligung an der Gesellschaft als aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG stammend bewertete und die Versicherungspflicht nach dieser Bestimmung bejaht hat. Es war daher spruchgemäß zu entschieden und die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen

4.) Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

In seiner Beschwerde hat der BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte zudem auch als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheint eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geboten (vgl. mwN Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 5 zu § 24 VwGVG)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einflussnahme Einkünfte Gewerbebetrieb Kommanditist Krankenversicherung Pensionsversicherung Pflichtversicherung selbstständig Erwerbstätiger Versicherungspflicht Weisungsbefugnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2233723.1.00

Im RIS seit

02.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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