TE Lvwg Erkenntnis 2021/6/15 LVwG-2021/37/0756-4

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Veröffentlicht am 15.06.2021
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Entscheidungsdatum

15.06.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
82/04 Apotheken Arzneimittel

Norm

AWEG 2010 §2
AWEG 2010 §3
AWEG 2010 §17
AWEG 2010 §19
AWEG 2010 §21
VStG §39
VwGVG 2014 §50

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch BB, Rechtsanwältin in **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z (= belangte Behörde) vom 03.02.2021, Zl ***, betreffend eine Beschlagnahme nach dem Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010, nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 03.02.2021, Zl ***, hat der Bürgermeister der Stadt Z im Zusammenhang mit dem gegen den AA, Adresse 1, erhobenen Vorwurf, entgegen § 3 des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 (AWEG 2010) im Dezember 2020 Arzneiwaren, welcher unter Position 3004 der Kombinierten Nomenklatur der EU (§ 2 Z 1 lit c AWEG 2010) fielen, ohne die erforderliche Einfuhrbescheinigung in das Bundesgebiet eingeführt zu haben, zur Sicherung der Strafe des Verfalles die eingeführten Arzneiwaren, nämlich 100 Flaschen Testolic Testosterone propionate 100 mg/2 ml, beschlagnahmt.

Gegen diesen Bescheid hat AA, vertreten durch BB, Rechtsanwältin in **** Z, mit Schriftsatz vom 03.03.2021 Beschwerde erhoben und beantragt den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben; hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

In seinem Rechtsmittel bestreitet der Beschwerdeführer zunächst, dass er eine Bestellung der verfahrensgegenständlichen Waren über den Fernabsatz vorgenommen habe. Es komme immer häufiger vor, dass im Fernabsatz Waren an bestimmte Adressen verschickt würden und der Warenbesteller nicht der Adressat der Lieferungen sei. Er [= der Beschwerdeführer] habe auf Nachfrage auch angegeben, keine Sendung zu erwarten und gleichzeitig seine Verwunderung betreffend das Postgeheimnis ausgedrückt. Dies ändere jedoch nichts daran, dass er [= der Beschwerdeführer] weder die gegenständlichen Waren bestellt habe noch für die Versendung verantwortlich gewesen sei. Er [= der Beschwerdeführer] sei somit kein möglicher Bescheidadressat.

Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, ein Verstoß gegen das in § 17 Abs 1 AWEG 2010 normierte Verbot sei nicht strafbar. Als (einzige) Konsequenz eines Zuwiderhandelns ordne § 17 Abs 2 AWEG 2010 an, dass Arzneiwaren und Blutprodukte, „die entgegen Abs. 1 eingeführt oder verbraucht werden“, dem Absender zurück zu übermitteln oder, sofern dies nicht möglich sei, zu vernichten seien; die Kosten dafür trage jeweils der Besteller. Dem gegenüber sehe § 21 Abs 3 AWEG 2010 den (allenfalls auch selbstständigen) Verfall der dem Täter oder Mitschuldigen gehörigen Waren, die den Gegenstand der strafbaren Handlung bilden würden, vor. Sofern er [= der Beschwerdeführer] entsprechend dem Tatvorwurf Arzneiwaren per Fernkommunikationsmittel bestellt hätte und diese in der Folge aus Polen nach Österreich befördert worden wären, sei ihm lediglich ein Verstoß gegen § 17 Abs 1 AWEG 2010 und nicht (auch) ein Verstoß gegen § 3 Abs 1 AWEG 2010 vorzuwerfen.

Der Beschwerdeführer bringt zudem vor, ausgehend von der Definition des Begriffes „Einfuhr“ nach § 2 Z 4 AWEG 2010 sei mit einer Bestellung eines Produktes im Internet die Tathandlung der Einfuhr nach Österreich nicht gesetzt. In der gegenständlichen Angelegenheit sei im Postverteilerzentrum in **** Y, Adresse 2, festgestellt worden, dass die verfahrensgegenständlichen 100 Flaschen ohne Einfuhrbescheinigung nach Österreich eingeführt worden seien. Die Tathandlung sei sohin in Y begangen worden. Unter Berücksichtigung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 27 Abs 1 VStG wäre daher die Bezirkshauptmannschaft Z zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens örtlich zuständig gewesen.

Mit Schriftsatz vom 16.03.2021, Zl ***, hat der Bürgermeister der Stadt Z den Gegenstandsakt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung über die Beschwerde des AA gegen die mit Bescheid vom 03.02.2021, Zl ***, angeordnete und verfügte Beschlagnahme näher bezeichneter Arzneiwaren vorgelegt.

Am 15.06.2021 hat die öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden. Der Beschwerdeführer hat dabei auf sein bisheriges schriftliches Vorbringen, insbesondere auf die Beschwerde vom 03.03.2021 und die Rechtfertigung vom 09.03.2021, verwiesen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei, durch die Einvernahme der Zeugin CC sowie durch Einsichtnahme und Verlesung des behördlichen Aktes sowie des Aktes des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, jeweils samt Beilagen.

Weitere Beweise wurden nicht aufgenommen und auch nicht beantragt.

Aufgrund der mündlichen Verkündung hat das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß § 29 Abs 2a Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) die Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung einschließlich der nach der eben zitierten Bestimmung erforderlichen Belehrung den zur Erhebung einer Revision oder/und einer Beschwerde legitimierten Verfahrensparteien zugestellt. Innerhalb der 14-tägigen Frist hat der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin mit Schriftsatz vom 01.07.2021 die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt.

II.      Sachverhalt:

Bei der Kontrolle am 29.12.2020 im Postverteilerzentrum Y durch das Zollamt Z wurde eine aus Polen kommende Lieferung von Arzneimitteln ? 100 Ampullen Testolic Testosterone propionate 100 mg/2 ml ? aufgegriffen und vorläufig beschlagnahmt. Versender dieser Lieferung war DD, Adresse 3, ***** X, Polen. Adressiert war das Paket an den Beschwerdeführer an die Adresse 4, **** Z. Die Arzneimittel zählen zu den unter Position 3004 der Kombinierten Nomenklatur aufgelisteten Arzneiwaren. Eine Einfuhrbewilligung lag nicht vor.

Umstände, dass diese Arzneiwaren versehentlich an den Beschwerdeführer versendet wurden, sind nicht erkennbar.

III.     Beweiswürdigung:

Laut der Anzeige des Zollamtes Z vom 30.12.2020, Zl ***, wurde bei der Kontrolle am 29.12.2020 im Postverteilerzentrum Y eine aus Polen kommende Lieferung von Arzneimitteln – 100 Ampullen Testolic Testosterone propionate 100 mg/2 ml – aufgegriffen und vorläufig beschlagnahmt. Als Empfänger war auf dieser Sendung der Beschwerdeführer mit der Adresse „Adresse 4, **** Z“ angeführt. Auf die fehlende Einfuhrbewilligung wird in der Anzeige hingewiesen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nunmehr, diese Sendung samt den genannten Arzneiwaren bestellt zu haben. Ergänzend dazu bringt der Beschwerdeführer vor, es komme immer häufiger vor, „dass im Fernabsatz Waren an bestimmte Adressen verschickt werden und der Warenbesteller nicht der Adressat der Lieferungen ist.“ Aufgrund der Corona-Pandemie sei den Postzustellern die Ablage von Paketen vor der Haustüre zugestanden. Ausgehend von dieser Situation würden zunehmend Pakete nicht persönlich zugestellt und dadurch die Möglichkeit eröffnet, „im Hausgang abgelegte Pakete an sich zu nehmen.“

Dieses Vorbringen würdigt das Landesverwaltungsgericht Tirol wie folgt:

Aufgrund der Anzeige des Zollamtes Z vom 30.12.2020, Zl ***, hat die belangte Behörde den Erhebungsdienst der Stadt Z mit Schriftsatz vom 21.01.2021 um Erhebungen ersucht, insbesondere sollte ermittelt werden, wann, von wo aus und auf welchem Weg der Beschwerdeführer die Bestellung der verfahrens-gegenständlichen Arzneiwaren vorgenommen habe. Entsprechend diesem Erhebungsauftrag hat CC, Mitarbeiterin des Erhebungsdienstes, am 26.11.2021 den Beschwerdeführer an seiner Wohnadresse aufgesucht. Zu dieser Amtshandlung hat CC den Bericht vom 26.01.2021, Zl ***, verfasst. Zudem hat das Landesverwaltungsgericht Tirol CC im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 15.06.2021 einvernommen. Die Zeugin hat bestätigt, dass der Beschwerdeführer an der Klingelanlage der Adresse 4 angeführt ist. Die Zeugin hat den Beschwerdeführer – dies ist unbestritten –angetroffen und ließ sie der Beschwerdeführer auch in seine Wohnung. Die Zeugin hat anlässlich ihrer Einvernahme ausdrücklich festgehalten, sich entsprechend ausgewiesen und den Beschwerdeführer über ihren Erhebungsauftrag, nämlich eine Abklärung über die Lieferung der verfahrensgegenständlichen Arzneiwaren, informiert zu haben. Laut der Aussage der Zeugin und ihren Angaben im Bericht hat die Zeugin versucht, die ihr im Erhebungsauftrag vorgegebenen Fragen an den Beschwerdeführer zu richten, erhielt allerdings dazu keine Antwort. Dazu heißt es in dem am 26.01.2021, Zl ***, verfassten Bericht wörtlich:

„Er gab nur sehr ungehalten an, ob man von einem Briefgeheimnis noch nie etwas gehört habe, er auf diese Lieferung bereits lange warte und jetzt wisse er, warum diese nicht komme.“

Zu dieser Angabe befragt, hat die Zeugin im Rahmen ihrer mündlichen Einvernahme wörtlich festgehalten:

„Mit diesem Satz habe ich beschreiben wollen, was ich heute bereits ausgesagt habe. Ich weise in diesem Zusammenhang noch darauf hin, dass ich Herrn AA/den Beschwerdeführer darüber informiert habe, dass Gegenstand meiner Erhebungen eine Lieferung von Arzneiwaren sei. Aus seiner Antwort habe ich geschlossen, dass er wisse, um welche Arzneiwaren es ginge.

Ich präzisiere meine Aussage, dass ich aufgrund meiner Information davon ausgegangen bin, dass der Beschwerdeführer gewusst hat, um was für eine Lieferung, nämlich um eine Lieferung von Arzneiwaren, es ginge.

Im Detail kann ich das heute nicht mehr genau angeben, jedenfalls hatte ich aufgrund meiner an den Beschwerdeführer gegebenen Informationen den Eindruck, dass er wusste, um welche Lieferung, nämlich um eine Lieferung von Arzneiwaren, es gehen würde.“

Für das Landesverwaltungsgericht Tirol ist folgender weiterer Umstand von Bedeutung:

In der Beschwerde wird als Wohnadresse des Beschwerdeführers „Adresse 5, **** Z“ angegeben. Auf die ausdrückliche Frage hat der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung als seine richtige Wohnadresse „Adresse 1, **** Z“ angeführt. Die Zeugin CC hat bei ihrer Einvernahme, aber auch in ihrem Bericht vom 26.01.2021 bestätigt, dass der Beschwerdeführer sowohl an der Klingelanlage des Hauses Adresse 4 als auch auf den Briefkästen „ordnungsgemäß namentlich angeführt“ war. Für das Landesverwaltungsgericht Tirol ist es nicht nachvollziehbar, dass eine, auf der vom Zollamt aufgegriffenen Lieferung als Versender aufscheinende Person aus Polen rein zufällig oder aus Versehen die verfahrensgegenständlichen Arzneiwaren an den Beschwerdeführer an dessen korrekter Adresse in Z übermittelte. Der vom Beschwerdeführer angegebene Grund, aufgrund der Corona-Pandemie würden Pakete im Hausgang abgestellt werden und dann von anderen als den angegebenen Empfängern abgeholt werden, ist nicht schlüssig. Insbesondere bleibt völlig ungeklärt, woher diese anderen Personen über den Zustellvorgang an den „falschen Empfänger“ und das Abstellen der jeweiligen Lieferung in den Hausgängen wissen sollten.

Aufgrund des eben genannten Umstandes sowie der Aussagen der glaubwürdigen Zeugin CC in Verbindung mit deren unmittelbar nach der Amtshandlung verfassten Bericht vom 26.01.2021 stellt das Landesverwaltungsgericht Tirol fest, dass die verfahrens-gegenständlichen Arzneiwaren nicht versehentlich an den Beschwerdeführer versendet wurden.

IV.      Rechtslage:

1.       Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 (AWEG 2010), BGBl I Nr 79/2010 (§§ 2, 3, 17 und 21) sowie in der Fassung BGBl I Nr 163/2015 (§ 19), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet:

1.   Arzneiwaren: nachstehende Waren im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif,
ABl. Nr. L 256 vom 07. 09. 1987, S 1:

         […]

c)       Waren der Position 3004,

[…]“

„Einfuhr, Verbringen, Behördenzuständigkeit

§ 3. (1) Die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, ist, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde oder im Falle des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.

(2) Für die Ausstellung von Einfuhrbescheinigungen und die Entgegennahme von Meldungen ist das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zuständig.“

„Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten im Fernabsatz

§ 17. (1) Der Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten, die im Fernabsatz bestellt wurden, durch Personen, die nicht zur Antragstellung auf Ausstellung einer Einfuhrbescheinigung oder einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung oder zur Meldung berechtigt sind, ist verboten.

(2) Arzneiwaren und Blutprodukte, die entgegen Abs. 1 eingeführt oder verbracht werden, sind dem Absender zurück zu übermitteln, oder sofern dies nicht möglich ist, zu vernichten. Die Kosten dafür trägt jeweils der Besteller.

[…].“

„Befugnisse der Organe der Zollverwaltung

§ 19. (1) Die Einfuhrbescheinigung gemäß § 3, der Nachweis der erfolgten Meldung gemäß
§ 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 oder § 14 Abs. 1, die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gemäß § 12 Abs. 1 und die Einfuhrbescheinigung gemäß § 18 Abs. 1 sind erforderliche Unterlagen zur Zollanmeldung im Sinne des Art. 162 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Zollkodex), ABl. Nr. L 269 vom 10.10.2013 S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 287 vom 29.10.2013 S. 90. Ferner sind diese Unterlagen den Zollbehörden und ihren Organen im Rahmen der diesen gemäß § 29 ZollR-DG und diesem Bundesgesetz eingeräumten Befugnisse auf Verlangen vorzuweisen.

(2) Zur Sicherung des Verfalls oder zu Zwecken der Beweissicherung können Waren auch durch die Organe der Zollverwaltung vorläufig beschlagnahmt werden. Diese Organe haben die Beschlagnahme der zur Strafverfolgung zuständigen Behörde ungesäumt anzuzeigen und die beschlagnahmten Waren dieser abzuliefern.“

„Strafbestimmungen

§ 21. (1) Wer

1.            Arzneiwaren entgegen § 3 ohne Einfuhrbescheinigung einführt, oder

[…]

begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu
3 600 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 7 260 Euro zu bestrafen.

[…]

(3) Die dem Täter oder Mitschuldigen gehörigen Waren, die den Gegenstand der strafbaren Handlung bilden, können für verfallen erklärt werden, wenn die Tat vorsätzlich begangen worden ist. Auf den Verfall dieser Waren kann auch selbständig erkannt werden, wenn keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden kann.“

2.       Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG):

§ 39 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991 idF BGBl I Nr 57/2018, lautet samt Überschrift auszugsweise wie folgt:

„Beschlagnahme von Verfallsgegenständen

§ 39. (1) Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen.

[…]“

3.       Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentliche Bestimmung des § 50 des Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 57/2018, lautet samt Überschrift auszugsweise wie folgt:

„Erkenntnisse

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

[…]“

V.       Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Der angefochtene Bescheid wurde dem – damals noch nicht vertretenen – Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 09.02.2021 zugestellt. Die Beschwerde ist am 05.03.2021 und damit innerhalb der vierwöchigen Rechtsmittelfrist beim Bürgermeister der Stadt Z eingelangt. Die Beschwerde wurde daher fristgerecht erhoben.

2.       Zur Zuständigkeit der belangten Behörde:

Der Beschwerdeführer weist in seinem Rechtsmittel darauf hin, dass die Tathandlung im Postverteilerzentrum in **** Y, Adresse 2, begangen worden sei. Da somit die Tathandlung in **** Y gesetzt worden sei, wäre gemäß § 27 Abs 1 VStG die Bezirkshauptmannschaft Z zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahren nach dem AWEG 2010 örtlich zuständig gewesen.

Dazu hält das Landesverwaltungsgericht Tirol Folgendes fest:

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Maßgeblicher Tatort gemäß § 27 Abs 1 VStG ist jener Ort, an dem die Bestellung abgegeben worden sei (vgl VwGH 27.02.2019, Ro 2019/10/0004). Bei der verfahrens-gegenständlichen Lieferung von Arzneiwaren ist der Beschwerdeführer mit seiner korrekten Adresse in Z als Empfänger angeführt. Die Schlussfolgerung, dass der als Empfänger aufscheinende Beschwerdeführer die verfahrensgegenständlichen Arzneiwaren auch bestellt hat, ist jedenfalls nachvollziehbar (vgl Dazu auch die Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses). Dementsprechend ist auch die Zuständigkeit der belangten Behörde (= Bürgermeister der Stadt Z) gegeben.

3.       In der Sache:

Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist die Beschlagnahme näher bezeichneter Arzneiwaren auf der Grundlage des § 39 Abs 1 VStG. Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich um einen verfahrensrechtlichen Bescheid. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 39 Abs 1 VStG genügt für die Rechtmäßigkeit der Sicherungsmaßnahme der bloße Verdacht einer Verwaltungsübertretung, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist (vgl VwGH 29.04.2002, 96/17/0431).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Bezug von Arzneiwaren oder Blutprodukten nach § 17 AWEG 2010 als Einfuhr im Sinne des § 3 Abs 1 AWEG 2010 zu qualifizieren. Das Bestellen von Arzneiwaren im Fernabsatz ist mit der Einfuhr im Sinne des § 2 Z 4 iVm § 3 AWEG 2010 gleichzusetzen (vgl VwGH 16.07.2010, 2008/07/0215). Die Bestimmungen der §§ 3 Abs 1 und 17 Abs 1 AWEG 2010 stehen zueinander nicht im Verhältnis von genereller zu spezieller Norm, zumal die Rechtsfolge (Unzulässigkeit) in beiden Fällen ident ist. Ein Verhalten, das sowohl § 3 Abs 1 AWEG 2010 sowie § 17 Abs 1 AWEG 2010 verwirklicht, ist im Grunde des § 21 Abs 1 AWEG 2010 strafbar, auch wenn ein Verstoß gegen § 17 Abs 1 AWEG 2010 nicht mit Strafe bedroht ist (so ausdrücklich VwGH 27.02.2019, Ro 2019/10/0004).

Im Hinblick auf die Lieferung der verfahrensgegenständlichen Arzneimittel ? es handelt sich dabei um Waren der Position 3004 im Sinne der Verordnung (EWG) Nr 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif, ABl Nr L 256 vom 07.09.1987, und damit um Arzneiwaren gemäß § 2 Abs 1 lit c AWEG 2010 ? ohne Einfuhrbescheinigung besteht jedenfalls der Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach § 21 Abs 1 Z 1 iVm § 3 AWEG 2010.

§ 21 Abs 3 AWEG 2010 sieht unter näher genannten Voraussetzungen für Verwaltungsübertretungen nach Abs 1 dieser Bestimmung den Verfall der den Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden Waren vor. Die belangte Behörde war daher zur Beschlagnahme der von den Organen der Zollverwaltung am 29.12.2020 nach § 19 Abs 2 AWEG 2010 abgenommenen sowie vorläufig beschlagnahmten Waren berechtigt.

Die Beschlagnahme ist gegenüber dem Beschuldigten, jedenfalls aber auch gegenüber dem Eigentümer der verfallsbedrohten Sache auszusprechen.

Der Beschwerdeführer ist Beschuldigter des vom Bürgermeister der Stadt Z eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens. Schon aus diesem Grund erfolgte die an ihn ergangene Zustellung zu Recht.

Der Beschwerdeführer bringt noch vor, der angefochtene Bescheid sei innerhalb der ihm eingeräumten Frist zur Rechtfertigung ergangen. Darauf ist nicht weiter einzugehen, da es sich beim angefochtenen Bescheid nicht um ein Straferkenntnis, sondern – wie bereits ausgeführt – um die Verfügung der Beschlagnahme handelt.

4.       Ergebnis:

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist im gegenständlichen Fall die Strafbestimmung des § 21 Abs 1 AWEG 2010 iVm § 3 Abs 1 AWEG 2010 anzuwenden. Damit waren die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach § 39 Abs 1 iVm § 21 Abs 3 AWEG 2010 erfüllt. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid war folglich als unbegründet abzuweisen. Dementsprechend lautet Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses.

Das im Anschluss an die Verhandlung am 15.06.2021 mündlich verkündete Erkenntnis war aufgrund des entsprechenden Antrages des Beschwerdeführers vom 01.07.2021 schriftlich auszufertigen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte die verfahrensrelevante Rechtsfrage anhand des § 39 Abs 1 VStG unter Berücksichtigung des AWEG 2010 zu prüfen. Aufgrund des klaren und eindeutigen Wortlautes der zitierten Bestimmungen liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl VwGH 13.12.2018, Ro 2018/07/0048, VwGH 25.04.2019, Ro 2019/07/0001, mit weiteren Nachweisen). Darüber hinaus ist das Landesverwaltungsgericht Tirol von der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 39 Abs 1 VStG nicht abgewichen.

Dementsprechend wird die ordentliche Revision gemäß Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses nicht zugelassen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hirn

(Richter)

Schlagworte

Beschlagnahme;
Arzneiwaren

Anmerkung

Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 15.06.2021, Z LVwG-2021/37/0756-4, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 04.10.2021, Z Ra 2021/10/0144-3, zurück.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.37.0756.4

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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